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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

schaft der Vorkriegszeit herrschenden monarchischen Tendenzen. 379 Es ging<br />

schlichtweg um die Inkarnation des monarchischen momentums <strong>im</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Staatsrecht. Wie <strong>im</strong> Brennspiegel zeigt sich bei der Lehre von der Sanktion der<br />

Gesetze der Charakter der positivistischen Staatsrechtslehre, die unter dem Schein<br />

völliger Unabhängigkeit von politischen und weltanschaulichen Werturteilen und<br />

hinter der Fassade objektiver Wissenschaftlichkeit eindeutige politische Optionen<br />

verbarg. 380 Unter der Camouflage einer vermeintlich wichtigen verfassungspolitischen<br />

Debatte ging es den Hauptprotagonisten um nichts anderes, als um eine<br />

rückwärtsgewandte, schlichtweg anachronistische, Neujustierung der Reichsverfassung.<br />

Ziel war es, den in der Verfassungsrealität vorzufindenden dominanten<br />

Kaiser auch mit der entsprechenden monarchischen Verfassungsgrundlage zu<br />

unterfüttern. Dass Laband, anders als später E. R. Huber, dem Bundesrat jenes<br />

Recht zuwies, war nur purer Realitätssinn. Es war ihm wohl bewusst, dass mit der<br />

direkten Zuweisung des vetogleichen Sanktionsrechts zum kaiserlichen Monarchen<br />

viel zu offensichtlich zu Tage getreten wäre, welchen eigentlichen Ansatz er<br />

verfolgte. Wenn man diese Konstellationen mit gewichtet, erscheinen etliche mit<br />

großem Aufwand verteidigte Argumente pro Sanktionsrecht und mithin pro Veto<br />

um einiges verständlicher, wenn auch nicht richtiger.<br />

Das verfassungsrechtlich fragwürdige Konstrukt wurde überdies flankiert von<br />

einer fehlerhaften Begriffsvermengung von Sanktion und Veto, basierend auf der<br />

falschen Gleichsetzung von Veto und Zust<strong>im</strong>mung. Der Verfassungsüberdehnung<br />

setzte diese Verquickung nicht nur <strong>im</strong> wahrsten Sinne des Wortes die Krone auf,<br />

sondern war zugleich deren Menetekel. Jenes Zust<strong>im</strong>mungsrecht <strong>im</strong> konstitutionellen<br />

Gesetzgebungsverfahren hätte bei klar strukturierter Verfassungsgenese<br />

auch in der Reichsverfassung nicht zum Veto werden können, denn wer das Gesetz<br />

sanktionieren darf, ist gleichsam Gesetzgeber, und wer Anteil an der Gesetzgebung<br />

hat, kann dieser gegenüber nicht vetoberechtigt sein. Auf diesen Aspekt<br />

379 Vgl. Mallmann, Die Sanktion <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren, S. 141/142, der den politischen Charakter und die<br />

tendenziellen Ziele der positivistischen Staatslehre zu desavouieren sucht: „…der politische Hintergrund der herrschenden<br />

Sanktionstheorie wird auch bei ihnen nur notdürftig durch den Vorhang logischer Exaktheit und wissenschaftlicher Objektivität<br />

verhüllt. So ist es nichts als politische Willkür, wenn […] ohne die geringste Einzelauslegung der Verfassungsartikel über das<br />

Gesetzgebungsverfahren beweislos behauptet wird, Monarch und Bundesrat seien deshalb als alleinige Sanktionsorgane anzusehen,<br />

weil sie ‚Träger der Staatsgewalt‛ oder dessen Repräsentant seien, obwohl doch […] sonst als einziger normativer Gehalt der Staatsträgerschaft<br />

und des monarchischen Prinzips die für den Träger und Monarchen sprechende Kompetenzvermutung festgestellt wird.<br />

Und was Laband betrifft, der das monarchische Prinzip keines Wortes würdigt und zwar den Begriff des Trägers der Staatsgewalt<br />

weitgehend <strong>im</strong> Dunkeln läßt, jedenfalls aber die grundsätzliche Unterscheidung zwischen jus und exercitium der Gesetzgebung<br />

ablehnt, so wird man nicht fehlgehen, wenn man seine Theorie von der notwendigen Identität des Staatsträgers mit dem Sanktionsorgan<br />

jene kryptoabsolutistische politische Tendenz am Werke sieht, die schon Gierke bemerkte und die seither oft hervorgehoben wird.<br />

Damit ist der eigentliche Kern der Sanktionstheorie enthüllt. Sie ist letzten Endes eine politische Lehre und zwar eine Erscheinungsform<br />

der in der Wissenschaft der Vorkriegszeit herrschenden monarchischen Tendenzen. Das ‚politische monarchische Prinzip‛ wurde<br />

hier zwar ausdrücklich oder stillschweigend in mannigfacher Weise beschränkt oder verwässert und – <strong>im</strong> Gegensatz zu der hierin viel<br />

offeneren Literatur der Zeit vor 1870 – durch scheinbar exakt wissenschaftliche Umkleidungen verhüllt. …“.<br />

380 So Pieroth, Die Sanktion <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren, in: Der Staat (16) 1977, S. 565; v. Oertzen, Die soziale<br />

Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, S. 321 ff; E.-W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S.<br />

219, 228 ff, 241.

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