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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Die These von der Sanktion als Veto 111<br />

bar machten. Vielmehr war es die Verkennung des Umstandes, dass <strong>im</strong> Rahmen<br />

des ursprünglichen Dualismus zwischen Volksvertretung und Monarchen zumindest<br />

eine Waffengleichheit eingetreten war.<br />

Einen anderen Argumentationsansatz wählt Hartmut Maurer 377 , der die Untauglichkeit<br />

des Sanktionsgedankens dahingehend zu erklären versucht, dass durch das<br />

Hinzutreten des Bundesrates, aus dem Gewaltendualismus ein Trialismus wurde.<br />

Maurer verkennt allerdings, dass der Bundesrat nicht mehr darstellte, als ein Kumulationsorgan,<br />

über welches die in den Ländern fortexistierenden monarchischen<br />

Rechte der konstitutionellen Fürsten auf Reichsebene Einfluss gewinnen<br />

sollten. Somit agierte der Bundesrat auf der Reichsebene lediglich formal als eine<br />

dritte Macht. Deren Anliegen waren jedoch ganz eindeutig monarchisch.<br />

Es gilt vielmehr einen anderen Grund für die Fehlerlastigkeit des Sanktionsgedankens<br />

herauszuarbeiten: Es war der parlamentarische Aspekt, der ein erhöhtes<br />

Maß an Volkssouveränität beinhaltete und der nicht mehr mit jenem der noch<br />

wirksamen konstitutionellen Fürstenverfassungen in den Reichsländern vergleichbar<br />

war. Dieses gilt es als zentraler Aspekt hervorzustreichen, wenn man den<br />

Sanktionsgedanken für die Reichsverfassung ihrem Wortlaut nach verneint. Die<br />

verfassungspolitische Realität mag mittels eines starken Reg<strong>im</strong>ents der Hohenzollern<br />

Kaiser und ihres fulminant mächtigen Reichskanzlers Bismarck, <strong>im</strong> Zusammenspiel<br />

mit einer noch nicht entwickelten manifesten parlamentarischen Tradition<br />

und Kultur, eine andere gewesen sein. Ein durch die staatspolitische Realität<br />

intendiertes nachträgliches Herauspräparieren des Sanktionsrechts aus der Kaiserverfassung<br />

ohne entsprechende Verfassungsänderung kann aus heutiger Sicht<br />

dennoch nur als Wunschdenken abgetan werden.<br />

Für die hier vorzunehmende Vetoanalyse erscheint zudem die nähere Untersuchung<br />

der Motivlage als wichtig, welche dem Ansinnen zugrunde lag, dieses vermeintlich<br />

fundamentale, für den Gesetzgebungsvorgang schlichtweg konstituierende<br />

Sanktionsrecht, als Veto in die Reichsverfassung hinein interpretieren zu<br />

wollen. Immerhin verwies Laband für jenen Befehl zur Befolgung der Rechtsnorm<br />

auf den in der römischen Republik gültigen Ausspruch von Gajus – ‚Lex est quod<br />

populus jubet atque constitut‛ 378 .<br />

Ein wesentlicher Beweggrund für die Sanktionsdebatte, scheint <strong>im</strong> Verfassungskonstrukt<br />

selber verborgen zu liegen. Zum einen waren Reichstag und Bundesrat<br />

alleinige und gleichrangige Normgeber. Zum anderen wurden sie bei der<br />

Rechtsetzung flankiert von einem machtlosen Kaiser. Diese Konstellation sollte<br />

durch die Implementierung der <strong>im</strong> Konstitutionalismus geborenen Sanktionsidee<br />

wieder aus den Angeln gehoben und somit zu einem Dualismus zwischen Monarch<br />

und Volksvertretung zurück gefunden werden. Das Hineininterpretieren der<br />

Sanktionsthese in die Reichsverfassung von 1871 entsprang also einem politischen<br />

Ziel, einer politischen Lehre; sie war eine Erscheinungsform der in der Wissen-<br />

377 Maurer, in: Bonner Kommentar, Art. 82, Rn 14/15.<br />

378 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des <strong>deutschen</strong> Reiches Bd. II, S. 4.

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