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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Die These von der Sanktion als Veto 109<br />

hierdurch das Normsetzungsverfahren von dem des Absolutismus. In der Folge<br />

war es am Ende der Gesetzesentstehung für den Landesmonarchen wichtig hervor<br />

zu streichen, dass nach dem erzielten Konsens mit den Ständen, erst die abschließende<br />

und endgültige Beschlussfassung durch ihn als Inhaber der Gesetzgebungsgewalt<br />

die Gesetzwerdung vollendete. Jenen evidenten Endakt stellte die<br />

„sanctio legis“ dar, welche nach der Reichseinheit auch für die Reichsverfassung<br />

als vakant diskutierte wurde.<br />

Diese Erwägungen zugrundelegend, erscheint es fraglich, wie die Sanktion, die<br />

von Laband als „notwendige eine Tat des Staates“ 374 , als „Kernpunkt des ganzen Gesetzgebungsvorganges“<br />

375 , ja sogar „als alleinige Gesetzgebung <strong>im</strong> staatsrechtlichen Sinne des Wortes“<br />

376 bezeichnet wurde, mit den Grundkonstanten der Reichsverfassung in Einklang<br />

gebracht werden kann. Erwiesenermaßen stammt die Sanktion der Gesetze<br />

aus einer Entwicklungsphase des Konstitutionalismus. Dieses Stadium, in welchem<br />

der König alleiniger Gesetzgeber war, wurde mit der Reichseinheit und der<br />

für diese Ebene erlassenen Verfassung von 1871 überwunden. Die Reichsverfassung<br />

enthielt wesentliche Teilhaberechte der Volksrepräsentation.<br />

Es mag sachlich sinnvoll erscheinen, dem Kaiser jenes Recht der Sanktion zuzuweisen,<br />

denn er war eben sowohl oberster Reichsrepräsentant als auch ansonsten<br />

nicht in die Rivalität der Gesetzgebungsorgane verstrickt. Das Ansinnen E. R.<br />

Hubers und anderer, die Sanktion be<strong>im</strong> Kaiser zu verorten, überzeugt deshalb sogar<br />

auf den ersten Blick, da aus der Grundtradition des in den konstitutionellen<br />

Fürstentümern sanktionierenden Monarchen es nahe gelegen hätte, dem Kaiser,<br />

der auch die Gesetze auszufertigen hatte, des Weiteren die Sanktion zuzuweisen.<br />

Dies hätte zweifelsohne sogar die nicht verkennbare monarchische Traditionslinie<br />

zum Konstitutionalismus in Reinkultur widergespiegelt.<br />

Es mag zudem sein, dass die Verfassungsrealitäten des Kaiserreiches einen anderen<br />

Verlauf nahmen, als es die ursprüngliche Verfassungskonzeption vorsah.<br />

Aber die Grundsystematik der Reichsverfassung war dennoch auf den Abbau der<br />

Macht be<strong>im</strong> monarchischen Staatsoberhaupt ausgerichtet. Wie schon oben herausgearbeitet,<br />

war dies der Preis, den Bismarck für die über die Bundesratskonstruktion<br />

avisierte starke Position der Reichsfürsten bereit war, zu zahlen. Eigentlich<br />

sollte der Kaiser, mangels Inhaberschaft der Reichsgewalt, als neutraler Pol<br />

und über Art. 17 RV 1871 als eine Art Verfassungshüter <strong>im</strong> Reichsgefüge positioniert<br />

werden. Dass aus der nationalen Kraft, die aus der Einigung des Reiches<br />

erwuchs, sich der Wunsch nach der Widerbelebung alter monarchischer Stärke an<br />

der Staatsspitze emanzipierte, mag zwar als realistische Bestandsaufnahme verfassungspolitisch<br />

richtig sein. Bei der Betrachtung verfassungsrechtlicher Parameter<br />

darf dies indessen keine Rolle spielen, es sei denn, man ist bedingungslos bereit,<br />

für den zur Jahrhundertwende faktisch starken Kaiser ein Vetorecht in die Reichs-<br />

374 Laband, Das Staatsrecht des <strong>deutschen</strong> Reiches Bd. II, S. 4.<br />

375 A.a.O., S. 29.<br />

376 A.a.O., S. 6.

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