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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Die These von der Sanktion als Veto 107<br />

Für Kolbow folgt aus diesem Verfassungsaufbau die Verpflichtung des Kaisers<br />

zur Ausfertigung, ohne das ihm ein erweitertes Sanktionsveto zuzugestehen sei. Er<br />

tritt damit der <strong>im</strong> damaligen Staatsrecht weit verbreiteten These entgegen, dass der<br />

Kaiser ein selbständiges und freies Reichsorgan sei. Kolbow kommt zur gegenteiligen<br />

Auffassung und daher zur Ablehnung eines aus der Sanktion entspringen<br />

Vetorechts:<br />

„… Der Kaiser als gesetzgebender Factor ist Delegirter der Verbündeten, ist princeps inter<br />

pares, ist dasjenige Organ, welches man <strong>im</strong> Verfassungsbau nothwendig braucht, um den<br />

Reichswillen zu repräsentieren. Weitere Bedeutung kommt ihm […] nicht zu. Daraus folgt seine<br />

Verpflichtung zur Ausfertigung und Publication. …“ 372<br />

Die Darstellungen zur kritischen Sichtweise Kolbows sollen hier als Beispiel dafür<br />

dienen, dass nicht das gesamte Schrifttum des kaiserlichen Staatsrechts von der<br />

Labandschen Sanktionsthese eingehegt war, sondern das es einige St<strong>im</strong>men gab,<br />

die schon damals jenen Ansatz zu reflektieren wussten. Kolbow als eine der diesbezüglich<br />

vernehmbarsten St<strong>im</strong>men widerlegte den Ansatz Labands, in dem er die<br />

beiden Zuordnungsorgane Bundesrat und Kaiser nüchtern nacheinander ob ihrer<br />

Sanktionsqualität untersucht. Er zeigt an beiden separat auf, dass ihre systematische<br />

Stellung in der Reichsverfassung für ein Veto aus der Sanktion keinen Raum<br />

bietet. Sowohl dem Bundesrat als dem Labandschen Favoriten als auch dem Kaiser<br />

bescheinigt er die Untauglichkeit als Sanktionsorgane zu fungieren. Aus dieser<br />

Feststellung schließt Kolbow <strong>im</strong> Umkehrschluss, dass die Sanktion als exekutives<br />

Vetorecht der Reichsverfassung nicht zu eigen ist.<br />

2. Fruchtbarkeit der Sanktionsdebatte für die Vetofrage<br />

Für die Vetodebatte legt dieser Exkurs in die Welt der Interpretation der Reichsverfassung<br />

von 1871 eines ganz klar offen: Die kaiserliche Reichsverfassung sah<br />

eine ausdrückliche Teilnahme des Staatsoberhauptes an der Normsetzung nicht<br />

mehr vor. Anders als die nicht zur Verfassungsrealität gewordene Paulskirchenverfassung,<br />

verweigerte sie dem Kaiser ferner jeglichen sonstigen diesbezüglich<br />

freien Einspruch in Form eines unbedingten Vetos. Wie in dieser Abhandlung<br />

schon herausgearbeitet, handelte es sich bei der Bismarckschen Reichsverfassung<br />

dennoch nicht um eine tatsächlich parlamentarische Verfassungskonstruktion,<br />

vielmehr war das monarchische Element stetig virulent und in ständigem Expansionsdrang<br />

befindlich. Davon zeugt auch, dass in der Staatsrechtlehre des Kaiserreichs<br />

über den Verfassungswortlaut hinaus entwickelte momentum der Gesetzessanktion.<br />

Dieses wollte für eine exekutiv geprägte monarchische Institution die<br />

372 A.a.O., S. 104.

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