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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Die These von der Sanktion als Veto 105<br />

b. Kritikansätze in der Staatsrechtswissenschaft zur Kaiserzeit<br />

Die Sanktionsidee Labands, welcher weite Teile der konservativen Staatslehre folgten,<br />

blieb trotz ihrer Dominanz nicht unkommentiert und unkritisiert. Es war<br />

dabei nicht allein die nicht nur von E. R. Huber in Frage gestellte Organzuweisung<br />

an den Bundesrat, die zweifelhaft erschien, sondern die These einer vermeintlichen<br />

Sanktionsgewalt an sich wurde als problematisch erachtet. Eine diesbezüglich<br />

umfassende Kritik aus der Staatsrechtswissenschaft zur Kaiserzeit lässt sich<br />

schon sehr frühzeitig bei Kolbow 368 finden. Die wesentlichen Aspekte der dortigen<br />

Infragestellung der Sanktionsidee sollen nun <strong>im</strong> Folgenden aufgezeigt werden, um<br />

<strong>im</strong> Anschluss daran eine qualifizierende Einordnung der Vetoqualität des Sanktionsgedankens<br />

vornehmen zu können.<br />

Als Verdienst Kolbows kann angesehen werden, dass er zwar den Streit, ob die<br />

Sanktionsgewalt nun dem Bundesrat oder dem Kaiser zuzuordnen sei, zum Ausgangspunkt<br />

seiner Betrachtungen machte, sich dann allerdings von dieser Grundvorgabe<br />

löste und die eigentlich wesentliche Debattenfrage in den Mittelpunkt der<br />

Analyse stellte. Er fragte nämlich danach, inwieweit die erste mit wesentlichen<br />

parlamentarischen Zügen ausgestattete Reichsverfassung eine Sanktion der Gesetze<br />

überhaupt systemlogisch vorsah.<br />

Anders als Laband und die ihm folgende maßgebliche staatsrechtliche Literatur<br />

des Kaiserreichs verneinte Kolbow die Notwendigkeit einer Sanktionsexistenz. In<br />

der Folge konnte er aus der Reichsverfassung auch kein über die Parameter des<br />

verfassungsrechtlich bedingten Vetos aus Art. 17 RV 1871 hinausgehendes, absolutes<br />

Einspruchsrecht als existent betrachteten; weder für den Bundesrat noch für<br />

den Kaiser.<br />

Kolbow behauptete, dass die Reichsverfassung von 1871 nicht <strong>im</strong> Ansatz einen<br />

Sanktionsaspekt beinhaltete. Er bezieht sich dabei auf eine Aussage des<br />

Staatsrechtlers Otto von Gierke:<br />

„…Der Begriff der Sanction ist keineswegs der Ausdruck eines logisch notwendigen Stadiums<br />

der Rechtserzeugung; sondern Ausdruck eines positiven Verfassungssatzes über die ungleiche<br />

Betheiligung der verschiedenen staatlichen Organe an der Herstellung des Gesetzeswillens… .<br />

Auch die deutsche Reichsverfassung bietet keinen Anhalt, um <strong>im</strong> Widerspruch mit dem Wortlaut<br />

des Art. 5 den Begriff der Sanktion in das Reichsstaatsrecht einzuführen und diese entscheidende<br />

Befugnis dem Bundesrath zuzuweisen. …“ Kolbow fügt dieser Aussage zugespitzt<br />

noch hinzu: „…Die eminente juristische Wichtigkeit der eventuellen Sanction, welche<br />

Laband betont, wird geleugnet. Denn ein richtiges Verständnis von dem Verfassungsbau des<br />

Reiches zu gewinnen, gelingt hoffentlich auch ohnehin, wenn man sich nur getreu an die Grundlage<br />

desselben, an die Verfassungsurkunde hält. Und die Wichtigkeit für die Erkenntnis des<br />

Gesetzgebungsvorganges wird um deswillen nicht anerkannt, weil die Sanction, als eigenes Stadi-<br />

368 Kolbow, Das Veto des <strong>deutschen</strong> Kaisers, in: AöR 5 (1890), S. 88 ff.

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