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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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102<br />

B. Systematische und strukturelle Einordnung der <strong>Vetorechte</strong><br />

Doch nicht nur in der staatsrechtlichen Literatur des Kaiserreichs wurde die<br />

Labandsche Organzuordnung zum Bundesrat in Frage gestellt, sondern bis in das<br />

verfassungsgeschichtliche Schrifttum heutiger Tage lässt sich eine Zuweisung des<br />

Sanktionsrechts zum Kaiser ausmachen. Ausgehend davon, dass die Sanktionsidee<br />

an sich auch für die Reichsverfassung greife, kommt allen voran Ernst Rudolf Huber<br />

362 zu der Auffassung, dass es der Kaiser sei, dem dieses Vetorecht zuzustehen<br />

habe. Der Beschluss der Gesetze <strong>im</strong> Sinne einer inhaltlichen Feststellung des Gesetzesinhalts<br />

erfolgt nach E. R. Huber durch die dazu best<strong>im</strong>mten Legislativorgane<br />

Reichstag und Bundesrat, in Form einer übereinst<strong>im</strong>menden Beschlussfassung<br />

über den Gesetzestext, des in der Entstehung befindlichen Reichsgesetzes. Die<br />

Verkündungsformel zugrundelegend, führt E. R. Huber seine Gegenthese dann<br />

folgendermaßen aus:<br />

„…Das ‚Wir verordnen <strong>im</strong> Namen des Reichs‛ hingegen war der Gesetzesbefehl, der ‚Erlaß des<br />

Gesetzes‛, die Ausstattung des beschlossenen Rechtssatzes mit ‚äußerer Autorität‛. Aber war der<br />

Kaiser durch die Reichsverfassung auch wirklich mit der Sanktionsgewalt ausgestattet, die er mit<br />

dieser ständig benutzten Sanktionsformel für sich in Anspruch nahm? Laband hat diese Frage<br />

entschieden verneint. Nicht der Kaiser, sondern der Bundesrat sei nach der Reichsverfassung<br />

zuständig für die Erteilung des Gesetzesbefehls gewesen. Diese These hat damals viel Beifall<br />

gefunden. Gleichwohl hält sie einer Prüfung nicht stand. Sie beruht nämlich <strong>im</strong> Kern lediglich auf<br />

der Erwägung, die Sanktion als ‚Erteilung des Gesetzesbefehls‛ setze begrifflich eine freie Entscheidung<br />

des Befehlenden voraus. Wer das Recht habe, die Sanktion zu erteilen, müsse auch das<br />

Recht haben, sie zu verweigern. Wer verpflichtet sei, einen Befehl zu geben, habe nicht die Befehlsgewalt,<br />

die ein anderer ausübe. Da der Kaiser gegenüber dem Gesetzesbeschluß der beiden<br />

Legislativorgane kein Vetorecht habe, sondern zur Inkraftsetzung des gefassten Gesetzesbeschlusses<br />

verpflichtet sei, könne er nicht Inhaber der Sanktionsgewalt sein. …“ 363<br />

Nach E. R. Hubers Auffassung fehlte es für die Sanktionszuweisung an den Bundesrat<br />

nicht nur an jeglicher verfassungsrechtlicher Grundlage, sondern sie soll<br />

auch mit dem Gesetzgebungssystem des Konstitutionalismus an sich unvereinbar<br />

gewesen sein. Daher versucht er die vermeintliche Unmöglichkeit der<br />

Labandschen Konstruktion auf mehrfachem Wege aufzuzeigen. Ein wesentlicher<br />

Bodinus. Die deutsche Wissenschaft des 18. Jahrhunderts hat auch lange vor der französischen Revolution die nämliche Vorstellung<br />

von dem Sanktionsbegriff gehabt wie Laband. Insbesondere war der Praxis der preußischen Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts der<br />

Sanktionsbegriff als das wichtigste Element <strong>im</strong> Gesetzgebungsverfahren wohl bekannt, ohne daß hier an Einflüsse seit der französischen<br />

Revolution gedacht werden kann. Im 19. Jahrh. hat die preußische Gesetzgebungspraxis konstant ebenfalls an dem Sanktionsbegriff<br />

als dem entscheidenden Moment für das Gesetzgebungsverfahren festgehalten, sowohl in vorkonstitutioneller, wie in konstitutioneller<br />

Zeit, obwohl der Wortlaut der preußischen Verfassung vom 31.1.1850 die Sanktion nicht unmittelbar nennt. Das für die<br />

konstitutionelle Zeit in Preußen das Sanktionsrecht des Königs an sich weiter in A.L:R. II 13 § 6 wurzelte, erkennt jetzt auch<br />

Giese… […] Wie hiernach bei solcher Einbürgerung der Sanktionsbegriff sowohl in dem Recht der nord<strong>deutschen</strong> Bundesverfassung,<br />

wie der Reichsverfassung von 1871 seine entscheidende Bedeutung in Wahrheit behauptet hat, kann er auch nicht für das Recht der<br />

neuen R.V. weggeleugnet werden, zumal jeder Nachweis fehlt, daß die Schöpfer der neuen R.V. absichtlich den hergebrachten<br />

Sanktionsbegriff, der an sich auch <strong>im</strong> Wesen der Sache liegt, haben ausmerzen wollen. …“.<br />

362 Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 923-927.<br />

363 A.a.O., S. 923/924.

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