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Exekutive Vetorechte im deutschen Verfassungssystem - Oapen

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II. Die These von der Sanktion als Veto 101<br />

über die definitive Gesetzesfassung gefallen war, auch von Seiten des Königs allein die Erteilung<br />

des Gesetzesbefehls, die ‚Sanktion‛. …“ 358<br />

Die argumentative Pointe gelang dann durch eine schier brillant anmutende Idee,<br />

welche sich, basierend auf der Gesetzgebungsregel des Art. 62 Preußische Verfassung<br />

dahingehend zusammenfassen ließ, dass davon auszugehen sei, dass trotz der<br />

verfassungsrechtlichen Konzessionen, die der König mit der neuen Verfassung<br />

von 1850 machte, die staatsrechtlichen Grundsätze des alten Preußens weiter<br />

galten. Der König von Preußen blieb Repräsentant der Staatsgewalt und behielt<br />

damit das Recht zur Gesetzgebung. Zur überleitenden Schlüsselnorm sollte dann<br />

§ 83 des Königlichen Verfassungsentwurfes 359 erhoben werden.<br />

„…Der § 83 des Entwurfes stellte folgenden Grundsatz auf. ‚Alle durch das gegenwärtige<br />

Verfassungsgesetz nicht berührten Gesetze und Rechtsnormen bleiben in voller Kraft‛. Damit<br />

war gesagt, dass für alle in dem Entwurf nicht erwähnten Punkte die staatsrechtlichen Hauptsätze<br />

des ALR. in Wirksamkeit bleiben sollten, und so behielten auch, was die gesetzgebende<br />

Macht der Hohenzollernfürsten anlangt, die §§ 6, 7 II, 13 ALR ihre Wirksamkeit.…“ 360<br />

Diese bis dahin noch ansatzweise nachvollziehbare Pirouette gipfelte schließlich<br />

ferner in folgender These: Dadurch, dass das sanktionierende Organ in seiner<br />

Entscheidung frei sei musste, konnte nur der Träger der Souveränität dieses Sanktionsorgan<br />

darstellen. Da jedoch sowohl die Reichsverfassung als auch die sie<br />

maßgeblich beeinflussende Preußische Verfassung keine ausdrücklichen Vorschriften<br />

über den Träger der Staatsgewalt enthielten, sollten automatisch die entsprechenden<br />

Vorschriften des Allgemeinen Preußischen Landrechts, die den Monarchen<br />

zum Träger der Staatsgewalt erklärten, weiter gelten. Diese Substitutionsthese<br />

gipfelte in der Annahme, dass es für die Verhältnisse zwischen Regierung<br />

und Volksvertretung bei dem blieb, was hergebracht war. Und hergebracht war<br />

die Existenz des Sanktionsrechts bei der Spitze der Regierung. Diese Exekutivspitze<br />

stellte <strong>im</strong> Kaiserreich der Kaiser dar, dem mithin als Inhaber des Sanktionsrechts<br />

ein freies und absolutes Vetorecht zuzuordnen gewesen wäre. 361<br />

358 So die Darstellung jener These bei Lürman, Zur Streitfrage über das Veto des <strong>deutschen</strong> Kaisers bei der<br />

Reichsgesetzgebung, Diss. Jur. Greifswald 1912, S. 31.<br />

359 Königlicher Entwurf eines Verfassungs-Gesetzes für den preußischen Staat (20.05.1848) – „Alle durch das<br />

gegenwärtige Verfassungs-Gesetz nicht berührten Gesetze und Rechtsnormen bleiben in voller Kraft“.<br />

360 So die Darstellung jener These bei Lürman, Zur Streitfrage über das Veto des <strong>deutschen</strong> Kaisers bei der<br />

Reichsgesetzgebung, Diss. Jur. Greifswald 1912, S. 33.<br />

361 Jener phantasievolle Brückenschlag war jedoch nicht nur in der staatsrechtlichen Literatur zum Kaiserreich<br />

selbst zu lesen, sondern auch noch zur Zeit der We<strong>im</strong>arer Republik glorifizierten die reaktionären<br />

Monarchieanhänger unter der Professorenschaft die Sanktionsthese und unterstützten deren Inkorporierung über<br />

das A.L.R. – So Hubrich, in: Das demokratische Verfassungsrecht des <strong>deutschen</strong> Reiches, S. 144: Ausgehend von<br />

der Aussage, dass es sich um eine „vulgäre Annahme“ handeln würde, wenn Literaten der Auffassung sind „…daß<br />

der Sanktionsbegriff in Deutschland erst infolge der französischen Revolution zur Aufnahme gelangt sei…“ stellt Hubrich folgenden<br />

historischen Zusammenhang her: „…Aber in Aufnahme ist der Sanktionsbegriff gerade schon in der Bedeutung die<br />

später auch Laband ihm beigelegt hat, in Deutschland gekommen seit Ende des 16. Jahrhunderts – in Folge des Einflusses von

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