Ausgabe 1972 - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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Ständer, an dem die Lavabotüchlein aufgehängt wurden.<br />
Der Ständer ist eine Miniaturausgabe von den früher<br />
üblichen Wäscheständern, wie sie zum Wäschetrocknen im<br />
Haushalt gebraucht wurden. An jedem Arm dieses Ständers<br />
stehen die Namen der Patres, die damals in Stetten<br />
die kleine franziskanische Gemeinschaft gegründet hatten,<br />
so u. a. Präses (Vorsteher), P. Gregor.<br />
Aufzeichnungen Schulers während der Exerzitien und des<br />
Noviziats lassen ein reges inneres Leben und Streben erkennen.<br />
Am 21. November 1872, dem Feste Mariä Opfergang,<br />
legte Frater Dionysius die einfachen Gelübde ab. Während<br />
seiner Studienzeit brach 1871 der Kulturkampf aus,<br />
der in Preußen 1875 den Höhepunkt erreichte.<br />
Das Kloster auf dem Frauenberg wurde am 20. Oktober<br />
1875 geschlossen. Da man damit trotz Warnungen nicht<br />
gerechnet hatte, mußte die Provinz vorläufig aufgelöst<br />
werden. Die Verteilung auf benachbarte Provinzen war<br />
recht schwierig, und es dauerte eine Zeit, bis die belgische<br />
und holländische Provinz Patres und studierende Kleriker<br />
aufnahm. Einige Patres gingen auch als Pioniere nach<br />
Nordamerika, um Vorbereitungen für die Umsiedlung der<br />
Provinz zu treffen.<br />
Frater Dionysius wurde von der belgischen Provinz übernommen.<br />
Ihm fiel diese Verbannung schwer, da er stets<br />
sehr an seiner Heimat hing. Auch noch in späteren Jahren,<br />
als er bereits hohe Ämter bekleidete, kehrte er immer<br />
wieder für einige Tage in seine Heimat Schlatt zurück. In<br />
der Zeit, da er in Belgien weilte, schrieb er in sein Tagebuch<br />
als Exerzitienvorsatz: „. . . Geduldig (will ich) mich<br />
Deinem heiligen Willen unterwerfen und mich in mein<br />
Schicksal fügen". Am 22. November 1875 legte Frater<br />
Dionysius im Kloster Reckhem die feierlichen Gelübde ab.<br />
Im folgenden Jahr begann er das Studium der Theologie<br />
im Kloster zu St. Trond. Seine Kolleghefte bewahrte er<br />
bis zu seinem Tode auf. Es folgten die verschiedenen Weihen<br />
des jungen Klerikers. Am 21. September 1878 wurde<br />
er zu Mecheln vom Weihbischof Karl Andreas Anthonis<br />
zum Priester geweiht. Seine Primiz hielt er wahrscheinlich<br />
in Epinal. Dann kehrte er wieder nach Belgien zurück und<br />
beschloß Ostern 1879 seine Studien.<br />
Zwei Dinge lernte Pater Dionysius in der belgischen Ordensprovinz:<br />
die Pflege des inneren Lebens über die<br />
äußere Wirksamkeit zu stellen; Selbstheiligung, Chorgebet<br />
und die Feier der Liturgie sahen die Rekollekten als erste<br />
Aufgabe des Franziskaners. In einer Niederschrift legte<br />
P. Dionysius seine Vorsätze fest: „ . . . mich mehr und<br />
vollkommener Gott hinzugeben, nämlich, mich nicht zu<br />
bekümmern, wie es in der Welt geht, sondern nur für die<br />
gegenwärtigen Stunde leben, im übrigen für alle Menschen<br />
beten, ... im Stillen mit Jesus allein zu verkehren . . . und<br />
nur dann aus diesem einsamen Verkehr herauszutreten,<br />
wenn der Gehorsam oder die Liebe es verlangen."<br />
Zum zweiten eignete er sich in seinem vierjährigen Aufenthalt<br />
in Belgien die französische Umgangssprache so<br />
vollkommen an, daß er selbst in französischen Wortbildern<br />
so denken konnte, wie in deutschen. Als Generalminister<br />
kam ihm dies sehr zunutze.<br />
In Epinal begann für P. Dionysius die seelsorgerische Tätigkeit.<br />
Der Bischof von S. Die stellte den vertriebenen<br />
Franziskanern die Michaelskapelle mit einer kleinen Einsiedelei<br />
bei Epinal zur Verfügung. Die Unterkunft war<br />
armselig, das Volk mißtrauisch gegen die Deutschen, da<br />
kaum fünf Jahre nach dem Krieg von 1870/71 vergangen<br />
waren. Predigttätigkeit als einzig französisch sprechender<br />
Pater nahm seine Zeit in Anspruch. Volksmissionen,<br />
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die bisher dort unbekannt waren, führte er ein. Trotzdem<br />
1880 alle Männerklöster in Frankreich aufgelöst wurden,<br />
die keine staatliche Genehmigung hatten, behielt P. Dionysius<br />
Epinal immer in guter Erinnerung. Aber wieder<br />
einmal mußte er wandern. Diesmal nach Straßburg. Von<br />
dort aus versuchten die Patres eine Niederlassung im Elsaß<br />
zu gründen. Bergholzzell schien geeignet, aber die Tätig<br />
keit der Patres ward trotz wohlwollender Behandlung<br />
durch Reichsstatthalter von Manteuffel eingeschränkt<br />
keine Seelsorge, keine Hochämter. P. Dionysius kam erst<br />
im Januar 1881 dorthin. Es war für alle ein harter Winter,<br />
es fehlte Nahrung und Heizung. Das Volk verstand<br />
die Maßnahmen des Reichsstatthalters nicht, strömte herbei,<br />
aber die Patres hielten sich streng an die Vorschriften.<br />
Lediglich bei offenen Türen hielten sie das Chorgebet und<br />
feierten die heilige Messe, sonntags mit Harmonium und<br />
deutschen Kirchenliedern. Sie sollten schließlich bei den<br />
heiligen Handlungen auch die Türen schließen, denn die<br />
Klostergesetze des Kulturkampfes bestanden immer noch.<br />
Mutlos geworden wanderte P. Dionysius mit seinen Mitbrüdern<br />
nach Amerika aus. Er wurde dort in Paterson für<br />
kurze Zeit Novizenmeister. Seine Tätigkeit in Amerika<br />
war verschiedener Art: Kooperator des Klosterpfarrers<br />
von Paterson, Direktor des Dritten Ordens, wiederum<br />
Novizenmeister, Vikar des Konventes Paterson, Stellvertreter<br />
des Kustos in Amerika, Lektor der Moraltheologie,<br />
Geistlicher Leiter der Kleriker.<br />
Inzwischen waren in Preußen die klosterfeindlichen Gesetze<br />
gefallen. P. Dionysius Schuler konnte wieder nach<br />
Deutschland zurückkehren. Er trennte sich schwer von<br />
seinem Wirkungskreis in Nordamerika. Sein Biograph<br />
schreibt: „Für ihn selbst waren die zwölf Jahre in der<br />
Neuen Welt nicht ohne bleibenden Gewinn. Er eignete<br />
sich die englische Umgangssprache an, so daß er jetzt die<br />
drei wichtigsten Sprachen gut beherrschte: Deutsch, Französisch<br />
und Englisch. Bedeutsamer war, daß er dort jene<br />
gesunde Weitherzigkeit lernte, ohne die kein Oberer denkbar<br />
ist. Das war für ihn um so notwendiger, als die Rekollektenerziehung,<br />
die er in Belgien genossen hatte, bei<br />
aller Vortrefflichkeit zu Enge und Kleinlichkeit neigte.<br />
Amerika hatte ihm geholfen, diese Nachteile zu überwinden.<br />
Bei so ganz anders gearteten seelsorglichen Erfordernissen<br />
lernte er das Wesentliche des Klosterlebens vom<br />
Unwesentlichen zu scheiden und in kluger Weise ab- und<br />
zuzugeben. Das um so mehr, als sein Amt als Commissarius<br />
des Kustos ihn immer wieder vor die Notwendigkeit<br />
stellte, Entscheidungen zu treffen.<br />
Der Kustos und Provinzial<br />
Als P. Damasus Rüsing, erst 53 Jahre alt, im Oktober<br />
1893 starb, wurde P. Dionysius zum Nachfolger gewählt.<br />
Bis 1903 hatte er das Vertrauen seiner Wähler.<br />
Wenn wir von Schulers Wirken während desem Jahrzehnt<br />
sprechen, so war das bedeutendste Ereignis in dieser Zeit<br />
die Wiederherstellung der Thuringia als Ordensprovinz,<br />
deren Provinzial er 1894 wurde. Es würde zu weit führen,<br />
die einzelnen Etappen der Wiederherstellung der Ordensprovinz<br />
aufzuführen. P. Damasus Rüsing hatte gute Vorarbeit<br />
geleistet, so daß der Provinzial Schuler ihn als<br />
eigentlichen Begründer der Provinz nennt. Unter anderem<br />
gewann die Thuringia die Niederlassung Gorheim bei<br />
Sigmaringen. Vermutlich bemühte sich P. Kustos auch um<br />
die frühere Niederlassung in Stetten bei Hechingen. Am<br />
11. März 1890, nachdem alle Genehmigungen vorlagen,<br />
konnte das Kloster Gorheim eröffnet werden, „zwecks<br />
Aushilfe in der Seelsorge".