Ausgabe 1972 - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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HERBERT BURKHART<br />
Dorf und Stadt Veringen<br />
Ein kunstgeschichtlicher Rundgang von Franz Gluitz<br />
Vor kurzem erschien ein kleines, schmuckes Büchlein, tadellos<br />
ausgestattet mit über 30 Abbildungen auf 44 Seiten.<br />
Stadtpfarrer Gluitz hat seiner Pfarrei einen Kunstführer<br />
geschenkt, um den man Veringen beneiden wird. Bemerkenswert<br />
ist, daß hier erstmalig in einer Veröffentlichung<br />
von den „Urveringern" die Rede ist. Aus der Verknüpfung<br />
von Altenburg und St. Michaelskirche in Veringendorf<br />
ergibt sich die Erkenntnis, daß vor den historisch<br />
bekannten Grafen von Altshausen-Veringen hier ein<br />
älteres Geschlecht von Veringen saß. So ist vielleicht die<br />
Behauptung der Zimmerschen Chronik, der hl. Ulrich von<br />
Augsburg sei „von der Mutter" her ein Graf von Veringen<br />
gewesen, gar nicht so unwahrscheinlich. Oder war<br />
etwa Gräfin Hiltrud, die Mutter Hermanns des Lahmen,<br />
eine Gräfin von Veringen? Immerhin ist die Entdeckung<br />
eines Bildes Hermanns des Lahmen unter den Fresken der<br />
St. Michaelskirche eine kleine Sensation. Reichenau-Niederzell<br />
als Vorbild für die Kirche von Veringendorf! Das<br />
sind alles ganz neue Gesichtspunkte. Gluitz bringt unter<br />
den Kunstdenkmälern auch das Strübhaus. Hoffentlich<br />
wird das für die Stadtväter von Veringen ein Anlaß dafür<br />
sein, zu überlegen, ob man alte Häuser immer nur abbrechen<br />
kann. Die Veringer haben in den letzten 20 Jahren<br />
ihr Städtle zu einem Schmuckkästchen gemacht und<br />
jetzt will man das Strübhaus abbrechen?<br />
Es würde zu weit führen, hier alles aufzuzählen, was in<br />
Veringen zu finden ist. Unser Vorschlag: Besorgen Sie sich<br />
das Büchlein und fahren Sie an einem sonnigen Tag ins<br />
Laucherttal und schauen Sie sich alles an, das alte Städtle,<br />
Heimatmuseum, Höhlen, Hochberg, Burg, Petersk : -chle<br />
Deutstetten, Altenburg und die St. Michaelskirche in Vei<br />
ngendorf.<br />
Doch lassen wir Gluitz doch selbst kurz zu Wort kommen:<br />
„Nach dem Jahre 496 und besonders nach 536 setzte im<br />
Laucherttal die königüch-fränkische Missionierung ein,<br />
als deren Zeugen die Maidnus- und M^chaelskirchen zu<br />
gelten haben. Die Missionierung wurde nach dem Schwinden<br />
der fränkischen Königsmacht systematisch von iröschottLcnen<br />
Mönchen fortgesetzt. Bereits um das Jahr 800<br />
waren die Bewohner ganz Schwabens chris ch, ja sogar<br />
regional Kirchlich geordnet. In dieser Zeit dürfte wohl<br />
ne erste Holzkirche in Veringendorf (Namensnennung:<br />
Veringen, Feringen, Unterveringen. Veringen im Dorf)<br />
entstanden sein, um die der Friedhof angelegt wurde. Die<br />
Dorfanlage selbst deutet auf eine noch frühere Siedlung<br />
hin, wozu die günsti6e Lage in einem Tal beitrug. Der<br />
natürliche Wasserfall „Gies" schützte vor Hochwasser<br />
und spendete zugleich das lebensnotwendige Wasser. Er-<br />
142<br />
wähnung findet der Ort im Jahre 786 in einer Urkunde,<br />
durch welche Graf Gerold vom Bussen dem im Jahre 724<br />
gestifteten Kloster Reichenau eine Güterschenkung machte.<br />
Über die „LTrveringer" ist uns urkund. ch nichts bekannt,<br />
doch die „Alte Burg", die keinerlei Ähnlichkeit mit einer<br />
typischen mittelalterlichen Burg hatte, läßt auf den Sitz<br />
eines sehr alten und bedeutenden Adelsgeschlechtes schließen,<br />
dem die Kirche St. M hael gehörte. Damit liegt die<br />
begründete Vermutung nahe, daß die beiden im Chor gefundenen<br />
Skelette die Überreste der „Herren von Veringen"<br />
sein könnten. Eine genauere Da erung ist nicht möglich,<br />
da Grabbeigaben fehlten. Die Vermutung wird dadurch<br />
bestärkt, daß in dieser Weise Grafen und Gründer<br />
beigesetzt wurden, wie es von erforschten anderen Funden<br />
erwiesen ist.<br />
Überhaupt scheint dieser Laucherttalabschnitt mit der damals<br />
weltbekannten Reichenau engste Verbindung gehabt<br />
und starke Impulse empfangen zu haben. In den Jahren<br />
919-934 war der Bischofsstuhl in Konstanz mit Nothinger,<br />
einem Grafen von Veringen-Altshausen besetzt. Hermann<br />
der Lahme, der Dichter des „Salve Regina" (1020<br />
bis 1054) entstammte denen von Veringen-Altshausen.<br />
Die Ähnlichkeit der St. Peterskirche in Reichenau-Niederzell<br />
und der St. Michaelskirche in Veringendorf dürfte<br />
hierin eine Erklärung finden (siehe Seite 41).<br />
Im 11. Jahrhundert suchten die Grafen von Veringen<br />
einen neuen Platz für ihre Burg und fanden ihn 3 km<br />
lauchertaufwärts auf einer Anhöhe, die beinahe als Umlaufberg<br />
kriegstechnisch günstig gelegen war. Im Jahre<br />
1134 tritt in dem neuen „Veringen" ein Marquard auf<br />
und nennt s ; di „Graf von Veringen". In Anlehnung an c'.e<br />
schützende Burg entstand dip städtii"he Siedlung Veringenstadt<br />
(Namensnennung: Veringen, Vöringen, Veringenstadt),<br />
die bereits im Jahre 1285 die Marktgerechtigkeit<br />
erl. «lt und von da an Si'z der Grafen von Veringen<br />
war. Zu ihrer Grafschaft gehörten Veringendorf, Harthausen<br />
a. Sch., Benzingen, Blättringen, Billafingen, Langenensr-gen<br />
und HitzKofen (1300-1806). Die Grafschaft<br />
blieb bis 1344 unter der Herrschaft der Grafen von Veringen,<br />
die kurze Zeit oin bedeutendes Geschlecht waren.<br />
Die Zimmersche Chronik schreibt allerdings später: „durch<br />
großen unfall und Ungehorsams, liederliches hausen, nebst<br />
einem grossen bracht, sein sie nach und nach umb al*e ire<br />
gueter kommen und in eine solche armuet gerathen, das<br />
man sagt, es haben die letzten Grafen von Veringen die<br />
settei ab den rossen genommen und ins stettle zu Verengen<br />
verkauft." Der Letzte dieses Geschlechts, Graf Wölfin,<br />
starb 1410 in Saulgau und soll in der Kirche zu Hettingen<br />
beerdigt sein.