Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Urkunde dem Beuroner Konvent, seinen Schirmvogt selbst<br />
wählen und bei eigenem Verlangen absetzen zu können. Immer<br />
wieder angefochtene Herrschaftsrechte übten dennoch<br />
in Folge oder gemeinsam u. a. die Grafen von Nellenburg,<br />
Zollern und Hohenberg aus, seit dem 15. Jahrhundert unter<br />
besonderen Spannungen die Herren von Enzberg, die nach<br />
Angaben des Konvents 1591 zur Sicherung ihrer Autorität<br />
als Kastenvögte sogar Urkunden und Dokumente aus dem<br />
Klosterarchiv raubten. 1687 von Papst Innozenz XI. zur Abtei<br />
erhoben, erhielt das Kloster zwar fortan eine stärkere Unabhängigkeit<br />
vom Konstanzer Bischof. Die volle Reichsunmittelbarkeit<br />
konnte es jedoch nicht durchsetzen. Zu gering<br />
war der territoriale Besitz Beurons, das von 1615 an, nunmehr<br />
unter der Vogtei des Erzhauses Osterreich stehend, bis<br />
zum Ende des Alten Reiches dessen Lehenträger blieb.<br />
Neugestiftet von Fürstin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />
wurde Beuron 1863 unter dem Benediktinerprior<br />
und späteren Erzabt Maurus Wolter wiederbesiedelt. Lediglich<br />
unterbrochen vom zwölfjährigen Exil während der Zeit<br />
des Kulturkampfs, besteht der Benediktinerkonvent dort bis<br />
heute. Den römischen Titel »Erzabtei« erhielt Beuron 1887<br />
als Oberhaupt der »Beuroner Kongregation«, welche derzeit<br />
siebzehn Benediktinerabteien im In- und Ausland umfaßt.<br />
Die 1738 vom Riedlinger Maler Joseph Ignaz Wegscheider<br />
ausgestaltete Konventskirche ist seit ihrer Rebarockisierung<br />
ein weithin geschätzter künstlerischer Anziehungspunkt. Internationales<br />
Ansehen erlangte das Kloster nach dem Aufblühen<br />
der von altägyptischer Kunst beeinflußten »Beuroner<br />
Kunstschule« zur Jahrhundertwende hauptsächlich durch<br />
das 1951 geschaffene »Vetus Latina-Institut«, das altlateinische<br />
Bibelübersetzungen aus der griechischen Septuaginta<br />
sammelt und herausgibt.<br />
Die auf uns gekommene älteste Nachricht über das Bestehen<br />
Beurons stellt gleichzeitig das älteste urkundliche Zeugnis der<br />
gesamten Sigmaringer Archivbestände dar. Es ist dies eine<br />
vom päpstlichen Vizekanzler Lanfrancus im Lateran ausgefertigte<br />
Originalurkunde aus dem Jahr 1097, in der Papst Urban<br />
II. den zu einer Martinskirche gehörenden Beuroner<br />
Konvent in seinen Schutz nimmt und ihm die freie Propstwahl<br />
zusichert. Nach dem Wortlaut der Bulle stiftet dazu<br />
Peregrinus eine andere Kirche, die der Jungfrau und Gottesmutter<br />
Maria geweiht und auf seinem Grund errichtet ist, an<br />
den Heiligen Stuhl (... ecclesiam beute dei genitricis et Semper<br />
virginis Marie, qamfilius noster Peregrinus in proprio fundo<br />
constructam beato Petro eiusque sancte Romane ecclesie in<br />
alodiumproprium obtulit...). Der aufgeführte Stifter, von der<br />
klösterlichen Tradition zum »dux Alemaniae« (Herzog Alemanniens)<br />
erhoben, wurde vom ehemaligen Hofarchivar Karl<br />
Th. Zingeler, inzwischen durch weitere Quellen gestützt, als<br />
Edelfreier von Hoßkirch identifiziert. Über die Ordenszugehörigkeit<br />
der regulierten Chorherren, die spätestens ab<br />
1146 nach der Regel des hl. Augustinus lebten, wird explizit<br />
nichts ausgesagt. Die wohlerhaltene Pergamenturkunde (0,61<br />
1, 0,39 br) mit angebundenem päpstlichen Bleisiegel, von der<br />
noch eine erweiterte, nicht autorisierte Fassung angelegt wurde,<br />
hat für die Stiftungsumstände folgende interessante Einleitung:<br />
Urbanus episcopus servus servorum dei dilecto filio Bertaldo<br />
preposito eiusque fratribus in ecclesia qui vocabulum est beati<br />
Martini que consecranda est in honore beate Marie virginis<br />
in loco qui Bueron dicitur inter duos montes super ripamfluminis<br />
Danubii in territorio Constantiensi...<br />
Bischof Urban, Diener der Diener Gottes, an seinen Sohn<br />
Berthold, gewählten Vorsteher (Propst) ebenso an die Mitbrüder<br />
in der Kirche, die nach dem seligen Martin benannt ist<br />
und noch zu Ehren der seligen Jungfrau Maria zu weihen ist,<br />
an einem Ort, der Beuron genannt wird, gelegen zwischen<br />
zwei Felsen über dem Ufer des Flusses Donau auf dem Gebiet<br />
des (Bistums) Konstanz ...<br />
44<br />
In dieser Einleitung fällt das Verlangen Roms auf, daß der<br />
Beuroner Martinskirche zusätzlich ein Marienpatrozinium<br />
übertragen werden müsse, worauf bereits Edmund Bercker<br />
hingewiesen hat. Diese Aufforderung taucht ein zweites Mal<br />
auf, und zwar mit der für die Stiftungskirche identischen Ergänzung<br />
»dei genitricis«, in einer von Papst Honorius II.<br />
stammenden Urkunde, irrtümlich datiert auf das Jahr 1124<br />
(recte 1125). Auch nach der Texteinführung dieses erhaltenen<br />
Schriftzeugnisses, einer in den wesentlichen Teilen überarbeiteten<br />
Abschrift der in jener Zeit noch existierenden Originalbulle,<br />
die Papst Eugen III. 1146 zur Grundlage einer<br />
erneuten Privilegierung machte, konnte damit nur das Patrozinium<br />
der von Peregrin gestifteten Marienkirche gemeint<br />
sein. Nämlich in beiden päpstlichen Schutzbriefen wird die<br />
auf Eigengrund erbaute Stiftungskirche nur als Marienkirche<br />
bezeichnet. Urkundlich wird die Übernahme des Doppelpatroziniums<br />
für die Konventskirche erst 1131 bestätigt<br />
(...ecclesiam beate dei genitricis et Semper virginis Marie et<br />
sancti Martini Peregrinus in proprio fundo constructam ...),<br />
ausdrücklich für die von Peregrin auf eigenem Grund errichtete<br />
und gestiftete Kirche. Demzufolge ist davon auszugehen,<br />
daß Stiftungs- und Konventskirche räumlich und patroziniumsrechtlich<br />
bis um das Jahr 1130 getrennt waren. Zu<br />
dieser Zeit müssen die Rechte der offenbar aufgegebenen<br />
Konventskirche auf die gestiftete Marienkirche übergegangen<br />
sein.<br />
Die ursprünglich anderslautende römische Forderung war in<br />
der Phase vor der Vereinigung eine juristisch notwendige<br />
Formulierung, denn im Mittelalter galt der Schutzheilige<br />
einer Kirche als Rechtssubjekt, dem das mit der Kirche verbundene<br />
Vermögen anvertraut war. Erst unter der Voraussetzung<br />
der Patroziniumsanbindung, seinerzeit wohl einer<br />
bewußt angestrebten Interimslösung, wurde die Beuroner<br />
Konventskirche Bestandteil jener der Jungfrau Maria unterstellten<br />
Stiftungsabsicht. Allgemeine Rechtsgrundlage für ein<br />
Patronat waren außerdem nicht das uneingeschränkte<br />
Eigentum an einem Gotteshaus, sondern die Bewilligung der<br />
für die Stiftung dankbaren Kirche. Eine herrschaftsrechtliche<br />
Trennungslinie zwischen Martins- und Marienkirche konnten<br />
demnach der Grund gewesen sein, warum Peregrin, sichtlich<br />
zum Stiftungszeitpunkt nicht Eigenkirchenherr der Martinskirche,<br />
nicht in der Lage war, dem Konvent die freie Vogtwahl<br />
zuzusichern. Dieses Recht erhielt der Konvent in der<br />
Tat, wenn auch nur für kurze Zeit, im Jahre 1131 nach der<br />
erfolgten Übersiedelung.<br />
Es erstaunt, daß sich der Beuroner Propst Friedrich nach Erwirkung<br />
der Bulle von 1125 und der außerordentlichen königlich-päpstlichen<br />
Privilegierung von 1131 schon vor 1146<br />
wieder veranlaßt sieht, die Prozedur zur Erlangung eines<br />
päpstlichen Schutzbriefes einzuleiten. Eben in jener von Eugen<br />
III. bewilligten Bestätigung, von der eine Abschrift erhalten<br />
ist, wird ohne weiteren Zusatz nur die Martinskirche<br />
erwähnt, unmißverständlich als Gabe, nicht als Erschaffung<br />
des (Neu)gründers. (... Friderico preposito ecclesie beati Martini<br />
de Buron eiusque fratribus... ex dono bone memorie Peregrini<br />
nobilis viri fundatore loci vestri...). Das verwundert<br />
umso mehr, weil die Rangfolge der Schutzheiligen der Konventskirche<br />
die (Erst)nennung Marias erfordert hätte. Eine<br />
schlüssige Erklärung dafür könnte darin bestehen, daß sich<br />
der Papst im Versäumnis der Patroziniumsergänzung für diese<br />
neue Bestätigung ausschließlich auf die Bulle von Honorius<br />
II. beruft (...predecessoris nostrifelicis memorie P. P. Honoriivestigiis...),<br />
ohne Erwähnung der sechs Jahre später von<br />
Innozenz II. mitbeglaubigten Freiheitsgarantie, da 1125 die<br />
Patroziniumsübertragung auf die alte Konventskirche, wie<br />
oben erläutert, tatsächlich noch nicht vollzogen war. Viel<br />
wahrscheinlicher ist aber, daß die römische Kanzlei bewußt<br />
nur die alte Konventskirche ansprach und somit von den Bedingungen<br />
vor dem Ortswechsel ausging. Es liegt auf der