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Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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haltung und Willensausdruck derjenigen, die Planende und<br />

gemeindliche Entscheidungsträger sind.<br />

In welcher Zeit dem Platz die jeweilige Funktion und Gestalt<br />

gegeben wurde, ob nun nur planerisch oder tatsächlich<br />

realisiert, wird in vier Teilen aufgezeigt. Diese Teile<br />

stehen gleichzeitig für unterschiedliche Epochen: Die Zeit<br />

des souveränen Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen<br />

(1806-1850), der darauffolgenden Epoche, bis zum Ende des<br />

Kaiserreichs (1850-1918), der Nachkriegsmoderne um 1970,<br />

und der Postmoderne um 1990.<br />

Das Stadtbild 1823<br />

1848 - fast 150 Jahre sind es her - war die Platzrandbebauung<br />

des Leopoldplatzes, des damals Carlsplatz genannten Ensembles<br />

vollendet 3. In einem völlig anderen Bild zeigte sich<br />

dieser Ort, der südöstliche Altstadtbereich und die angrenzende<br />

Umgebung, über Jahrhunderte hinweg bis fast 1838,<br />

wie dies die Darstellung für das Jahr 1823 (Abb. 1) und der<br />

zugehörige Stadtgrundriß (Abb. 2) wiedergeben: Auf einem<br />

Sattel zwischen dem zur Donau hin jäh abfallenden Schloßfelsen<br />

im Norden und dem Josephsberg im Süden erstreckte<br />

sich die kleine Residenzstadt, ungefähr acht Meter über der<br />

Talaue liegend, auf einer Fläche von annähernd drei Hektar.<br />

Im Westen wie im Osten führte die einzige Hauptstraße über<br />

das Stadttor in kurzen, steilen Steigungen zu den Donaubrücken.<br />

Außerhalb der Stadt verlief im Süden eine Ringstraße<br />

von Stadttor zu Stadttor parallel zu Stadtgraben und<br />

Stadtmauer. Jenseits dieser Ringstraße lag seit 1744 der Friedhof,<br />

eingezwängt zwischen der steil aufsteigenden Straße<br />

nach Krauchenwies und dem Fußweg nach Hedingen. Abweisend<br />

gegen die Landschaft, hinter der Mauer sich bergend,<br />

lag die Stadt da. Dicht gereiht standen die Häuser in ihr, giebelständig<br />

zu den Gassen hin und steile Satteldächer tragend.<br />

Giebelständig lehnten sich die Häuser auch an die Stadtmauer<br />

und bekränzten diese mit ihren Dächern. Die größeren Gebäude<br />

waren entlang der Hauptgasse, der heutigen Fürst-Wilhelm-Straße,<br />

zu finden, die kleineren Gebäude, eher unregelmäßig<br />

gestellt, im südlichen Stadtbereich. Die Bebauung<br />

vor der ummauerten Stadt suchte bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

die unmittelbare Nähe zu ihr und den direkten Anschluß<br />

an die Stadttore. Ab 1812 versuchte sich die Stadt über<br />

die Ringstraße - die in der heutigen Antonstraße noch teilweise<br />

weiterexistiert - hinweg gemächlich und in kleinen<br />

Schritten, Haus für Haus zu erweitern. Giebelständiges Bauen<br />

war nun des Brandschutzes wegen nicht mehr gestattet.<br />

Traufständig sollten die Häuser zur Straße hin gestellt werden,<br />

und zum Nachbargebäude war ein Mindestabstand einzuhalten.<br />

Im Osten wurde an der Straße nach Riedlingen ab<br />

1817 der Bauhof errichtet und im Südosten ließ Fürst Anton<br />

Aloys für seine Frau, die getrennt von ihm lebte, 1822 ein<br />

kleines Palais, das sog. »Schlößle« errichten, das später den<br />

Namen »Alter Prinzenbau« erhielt. Noch war die Altstadt<br />

klar ablesbar. Doch hob sich die in der nachnapoleonischen<br />

Ära erfolgte Bebauung aufgrund der andersartigen Struktur<br />

deutlich vom alten Bestand ab. Dies war die Ausgangssituation,<br />

bevor sich das Stadtbild während eines Dezeniums im<br />

südlichen Bereich völlig veränderte.<br />

Das Stadtbild 1850<br />

1848, nach einem Jahrzehnt raumausgreifender Bautätigkeit,<br />

war der Carlsplatz das Herzstück, das Zentrum der Hauptund<br />

Residenzstadt geworden, wie dies das Schaubild für das<br />

Jahr 1850 (Abb. 3) und der zugehörige Stadtgrundriß<br />

(Abb. 4) zeigen. Verschwunden sind Friedhof, Fahr- und<br />

Fußweg nach Hedingen und die bürgerlichen Gemüsegärten,<br />

nicht mehr aufzufinden der Stadtgraben, ein Teil der alten<br />

Bebauung und die Stadtmauer auf einer Länge von mehr als<br />

120 Meter. An ihrer Stelle erstreckt sich nun der Carlsplatz,<br />

34<br />

der heutige Leopoldplatz, längsrechteckig geformt und die<br />

Fläche des Platzes vor dem Rathaus um das Fünffache überragend.<br />

Auf der östlichen Seite tangiert ihn die Carlsstraße,<br />

auf der westlichen die Straße nach Krauchenwies, die nun bis<br />

in die Altstadt hineinführt, und auf der südlichen die Antonstraße.<br />

Mit den zwei neu geschaffenen Straßendurchbrüchen<br />

nördlich des Leopoldplatzes in die Altstadt hinein war diese<br />

durchlässiger geworden und hatte das dortige Quartier seine<br />

Abgeschiedenheit und seine Hinterhofqualität verloren. Auf<br />

der südöstlichen Platzseite, die achsensymmetrisch aufgebaut<br />

ist, stehen die drei zwischen 1837 und 1841 errichteten Privathäuser<br />

nach sämtlichen Seiten hin frei da, mit unterschiedlicher<br />

Traufhöhe und Dachform. Auf der nordöstlichen<br />

Platzfront ist das »Schlößle« zum »Prinzenbau« für die<br />

erbprinzliche Hofhaltung erweitert worden. Sie zeigt ebenfalls<br />

drei Gebäude, »Alter Prinzenbau«, Zwischentrakt und<br />

»Neuer Prinzenbau«, deren Fassaden völlig unterschiedlich<br />

gestaltet sind. Dort sind die Gebäude ohne Zwischenraum<br />

aneinandergefügt. Auf der gegenüberliegenden Seite sind die<br />

beiden funktional getrennten Privathäuser bei unterschiedlicher<br />

Fassadengestaltung mittels einheitlicher Trauf- und<br />

Firsthöhe strukturell zusammengefaßt. Schließlich vereint<br />

die nordwestliche Platzrandbebauung, in der heute die hohenzollerische<br />

Landesbank ihren Sitz hat, drei funktional unabhängige<br />

Bauten unter einem Dach und hinter einer Fassade.<br />

Das Ständehaus war im Mittelbau, Spar- und Leihkasse,<br />

Landeskasse, Steuerrevision, Landesvermessung und Landwirtschaftliche<br />

Zentralstelle waren in den beiden Flügelbauten<br />

untergebracht. Während die bürgerlichen Wohnhäuser<br />

fast ausnahmslos Satteldächer tragen, zeigen die herrschaftlichen<br />

Gebäude als markantes Unterscheidungsmerkmal<br />

Flachdächer und gedrückte Giebel über dem Mittelrisalit.<br />

Die politischen Voraussetzungen<br />

Welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen haben<br />

zu diesem herausragenden, überregional bedeutenden Resultat<br />

geführt, wer war bestimmend bei der Planung und Durchführung,<br />

und mit welcher Intention wurde dieser Platz geschaffen?<br />

1806 war die hohenzollerische Residenzstadt Sigmaringen<br />

Hauptstadt des souveränen Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen<br />

geworden, dessen Gebietsfläche innerhalb weniger<br />

Jahre aufgrund der Säkularisation und der Mediatisierung auf<br />

mehr als das Doppelte angewachsen war. Der Wiener Kongreß<br />

und die Bundesakte 1815 sicherten die Souveränität und<br />

den Fortbestand dieses kleinen Fürstentums. Erst 1833, unter<br />

Fürst Carl (1785-1853), hatte es eine Verfassung bekommen.<br />

Den Anstoß dazu hatte die Juli-Revolution von 1830<br />

gegeben. Die Revolution von 1848 schließlich leitete das Ende<br />

dieses Fürstentums und des benachbarten der Hohenzollern-Hechingen<br />

ein. Durch dieses Ereignis enttäuscht verzichtete<br />

Fürst Carl zu Gunsten seines Sohnes Carl Anton<br />

(1811-1885), der nach langwierigen Verhandlungen und nicht<br />

gerade zu seinem Nachteil die Souveränitätsrechte 1850 an<br />

die Krone von Preußen abtrat.<br />

Die planerischen und rechtlichen Voraussetzungen<br />

Bereits 1825 hatten höhere Beamte schriftlich darauf hingewiesen,<br />

daß sich der Status der Residenzstadt verändert hatte,<br />

seitdem sie Hauptstadt eines souveränen Fürstentums geworden<br />

war. Diese Tatsache sollte ihrer Meinung nach auch<br />

im Stadtbild Ausdruck finden, in einer angemessenen baulichen<br />

und städtebaulichen Gestalt. Doch erst im Dezember<br />

1832 lag, abgestimmt mit dem Verfassungsentwurf, ein Bauplan-Entwurf<br />

für die Residenzstadt vor. Oberst von Hövel,<br />

damals Referent in Bausachen bei der Landesregierung, hatte<br />

diesen Plan entworfen. Zuvor hatte er die Struktur der Alt-

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