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Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Die Villa Eugenie in Hechingen.<br />

Federlithographie von J. Ling<br />

(um 1835)<br />

biler Duodezstaat behaupten konnte, waren die Verhältnisse<br />

im immer noch vom Krieg gezeichneten, wirtschaftlich wenig<br />

entwickelten Hechingen durchweg ärmlich.<br />

Das Erbprinzenpaar nahm seinen Wohnsitz zunächst im<br />

außerhalb gelegenen Jagdschloß Lindich, einer im Spätbarock<br />

entstandenen Anlage inmitten eines sternförmig angelegten<br />

Gartens mit Kavaliershäusern und Wasserspielen. Fürst<br />

Friedrich, der Vater Constantins, bewohnte damals das »Alte<br />

Schloß« in Hechingen, nachdem das teilweise eingestürzte<br />

Stadtschloß 1814 abgebrochen und das an seiner Stelle errichtete<br />

»Neue Schloß« aufgrund akuten Geldmangels im Innern<br />

nie fertiggestellt worden war.<br />

Obwohl die Ehe von Constantin und Eugenie nicht sehr harmonisch<br />

verlief, dem Erbprinzen lassen sich zahlreiche außereheliche<br />

Nachkommen nachweisen, verband die beiden u. a.<br />

ein großes Interesse für Musik. Constantin sang selbstkomponierte<br />

Lieder, seine Gemahlin begleitete ihn auf dem Klavier.<br />

Es wurden Musiker aus München zum Wiederaufbau<br />

der Hofkapelle herangezogen und eine Singschule für Kinder<br />

eingerichtet. In dieser Zeit entstand der Begriff vom<br />

»orpheischen Hechingen«, in dem große Musiker und Komponisten<br />

wie Franz Liszt, Hector Berlioz oder Louis Spohr<br />

vielbeachtete Gastspiele gaben.<br />

Dennoch darf die biedermeierliche Idylle des kleinen Musenhofes<br />

nicht über die desolaten Zustände hinwegtäuschen,<br />

in denen ein Teil der sich mühsam von Landwirtschaft und<br />

bescheidenem Handel ernährenden Bevölkerung lebte. Hier<br />

sollte Eugenie ihre neue Aufgabe und eigentliche Berufung<br />

finden. Durch eine streng katholische Erziehung schon früh<br />

der Nächstenliebe verpflichtet, galt ihre Fürsorge vor allem<br />

Alten, Kranken und Kindern, die sie regelmäßig besuchte und<br />

für die sie spezielle Einrichtungen schuf. So gründete sie z. B.<br />

1839 die »Kinderbewahranstalt«, eine der ersten ihrer Art in<br />

Süddeutschland, in welcher Kinder aus sozial schwachen<br />

Familien unterrichtet und verköstigt wurden.<br />

Das Hechinger Hofleben erlebte durch die Besuche der<br />

Geschwister und Verwandten Eugenies lange vermißte<br />

Höhepunkte. Ihre Schwester Amelie hatte inzwischen Kaiser<br />

Dom Pedro I. von Brasilien geheiratet, Theodolinde war<br />

als Gemahlin des Grafen Wilhelm von Württemberg in das<br />

nahegelegene Schloß Lichtenstein bei Reutlingen eingezogen<br />

30<br />

und der jüngste Bruder Maximilian war Schwiegersohn des<br />

russischen Zaren geworden.<br />

Die Jahre 1833/34 verbrachte Eugenie größtenteils in Italien,<br />

wo sie in Begleitung ihrer Familie bis nach Neapel gelangte.<br />

In der Zwischenzeit wurde ein im Hechinger Fürstengarten<br />

gelegenes »Lustgartenhaus« durch seitliche Anbauten zur<br />

»Villa Eugenia« ausgebaut. Den umliegenden Park im englischen<br />

Stil erweiterte man um einen als Billardhäuschen dienenden<br />

dorischen Tempel und die zum Sommer- und Gästehaus<br />

umgebaute »Villa Silberburg«.<br />

Im Jahr 1836 reiste sie in Begleitung ihrer Mutter nach Stockholm,<br />

um ihre Schwester Kronprinzessin Josephine von<br />

Schweden zu besuchen. Nach einer stürmischen Uberfahrt<br />

und einem strapaziösen Fest- und Besichtigungsprogramm<br />

führte die Reise über Berlin und Dresden nach München, wo<br />

sich im Frühjahr 1837 erste Anzeichen einer Erkrankung bemerkbar<br />

machten. Wieder in Hechingen, widmete sie sich unermüdlich<br />

ihren fürsorglichen Tätigkeiten, doch gab ihr geschwächter<br />

Zustand bald Anlaß zur Besorgnis. Die damals<br />

weitverbreitete medizinisch noch unzureichend erforschte<br />

Lungentuberkulose, »Schwindsucht« genannt, versuchte<br />

man mit heute absonderlich anmutenden Methoden zu<br />

bekämpfen: In einem Nebengebäude der Villa Eugenia wurden<br />

die Ausdünstungen von fünf Rindern in den Aufenthaltsraum<br />

der Fürstin geleitet und eine sogenannte »Moxakur«,<br />

d. h. das Verbrennen von Flachs, Feuerschwamm u. a.<br />

auf dem Körper der Erkrankten, durchgeführt. Die sich ihrem<br />

Schicksal durch einen tiefverwurzelten Glauben fügende Eugenie<br />

verbrachte den Sommer 1847 zur Kur in Badenweiler<br />

und Baden-Baden und verstarb am 1. September auf der<br />

Rückreise inFreudenstadt, ohne ihre geliebte Hechinger Heimat<br />

noch einmal gesehen zu haben.<br />

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde die schon<br />

bald zur »Hl. Elisabeth des Hohenzollernlandes« verklärte<br />

Fürstin in der Gruft der Hechinger Stiftskirche beigesetzt. In<br />

ihrem Testament vermachte sie die beträchtliche Summe von<br />

273.000 Gulden für wohltätige Zwecke, darunter Mittel zum<br />

Bau und Unterhalt eines Spitals, sowie für einen Stipendienfonds<br />

zugunsten katholischer Theologiestudenten.<br />

Kurz nach ihrem Tod sollte für Hohenzollern-Hechingen ein<br />

weiteres historisches Kapitel zu Ende gehen; als Reaktion auf

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