Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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dingen; DP - Wilhelm Dörr, Diplomingenieur, Überlingen,<br />
Georg Baumann, Landwirt, Untersiggingen; KP - Willi<br />
Rahner, Automechaniker, Markdorf.<br />
Die auf zwei Jahre gewählten Kreisversammlungen treten offenbar<br />
überall am Dienstag, 29. Oktober 1946, in feierlichem<br />
Rahmen unter dem Vorsitz des jeweiligen Landrats zu ihren<br />
konstituierenden Sitzungen zusammen. Zumindest in Sigmaringen<br />
und Saulgau sind dabei auch die französischen<br />
Kreisgouverneure zugegen, die eigentlichen Machthaber in<br />
den Landkreisen, die in gesetzten Worten auf die hohe Verantwortung<br />
der Kreisversammlungsabgeordneten bei der<br />
nunmehr beginnenden Demokratisierung des Landes verweisen.<br />
Der wohl wichtigste Akte der konstituierenden Sitzungen<br />
war die Bestimmung des sog. Kreisversammlungsausschusses,<br />
eines mit dem späteren, bis zur Kreisreform von<br />
1972 bestehenden Kreisrat vergleichbaren ständigen Ausschusses.<br />
Bei dessen Besetzung fällt allenthalben das<br />
Bemühen um die Einbindung auch der kleineren Parteien auf.<br />
In Sigmaringen wird in den fünfköpfigen Ausschuß auch ein<br />
SPD-Vertreter, der Sigmaringer Lagerverwalter Felix Gerster,<br />
gewählt, und unter den Stellvertretern findet sich der einzige<br />
KPD-Abgeordnete, der Kraftfahrer Gustav Mühl aus<br />
Sigmaringendorf. In Stockach verzichtet die CSV freiwillig<br />
auf einen der ihr nach ihrem Kräfteanteil zustehenden vier<br />
Sitze und ermöglicht damit jeweils einem Vertreter der Liberalen<br />
und der Sozialdemokraten das Einrücken in den Ausschuß.<br />
In Saulgau schließlich, wo die CDU zunächst die fünf<br />
Ausschuß-Sitze zur Gänze für sich reserviert hatte, ist man<br />
nach einem Protest der Sozialdemokraten bereit, einen Platz<br />
zugunsten des einzigen SPD-Vertreters, des Buchdruckerei-<br />
Geschäftsführers Alois Müsch aus Mengen, zu räumen.<br />
Die Protokolle und Zeitungsberichte dieser ersten Kreisversammlungs-Sitzungen<br />
machen deutlich, daß der demokratische<br />
Neubeginn in den Landkreisen 1946 in einer wirtschaftlich<br />
nahezu hoffnungslosen Lage stattfindet. An nahezu<br />
allem herrschte Mangel, bei dessen Verwaltung den Landratsämtern<br />
und den dort bestehenden Wirtschaft- und<br />
Ernährungsämtern eine ebenso wichtige wie undankbare<br />
Schlüsselrolle zukam. In der Saulgauer Sitzung beispielsweise<br />
wird über die schlechte Verkehrslage im Kreis geklagt, da<br />
lediglich eine Eisenbahnlinie intakt sei und der Mangel an<br />
Benzin, Reifen und Ersatzteilen den Einsatz von Kraftfahrzeugen<br />
behindere. Gänzlich unzureichend sei die erfolgte Zuteilung<br />
von Schuhen und von Arbeits- und Straßenbekleidung<br />
für den Landkreis. Der Mangel an Kohle habe zu starken<br />
Abholzungen in den Wäldern geführt, im Torfwerk Sattenbeuren<br />
bei Schussenried seien dankenswerterweise an etwa<br />
500 Familien aus dem Kreis Torfstiche zur Selbstversorgung<br />
eingeteilt worden. »Alles im Leben, Politik und Arbeit, Kultur<br />
und Volksstimmung (geht) von der Magenfrage aus«, beschreibt<br />
der Saulgauer Landrat Dr. Hans Eisele die Lage. In<br />
ULRICH FELDHAHN/STEFAN SCHMIDT-LAWRENZ<br />
Stockach sorgt man sich um eine ausreichende Kartoffelbelieferung<br />
für die Bevölkerung angesichts des zu erwartenden<br />
schweren Winters und klagt über den Mangel an Teer, der<br />
dringend notwendige Straßenarbeiten verhindere. Die Saulgauer<br />
<strong>Ausgabe</strong> der Schwäbischen Zeitung hatte in ihrem<br />
Wahlbericht vom 15. Oktober zu Recht ebenso nüchtern wie<br />
realistisch prophezeit, daß die zweijährige Amtszeit der neugewählten<br />
Kreisversammlung »angesichts der beispiellosen<br />
Katastrophe unseres Volkes mit viel Schwierigkeiten und<br />
einem Berg von Sorgen angefüllt sein wird«. Der Saulgauer<br />
Landrat Dr. Eisele umreißt wohl die Stimmung der Mehrzahl<br />
dieser Kreisräte der ersten Stunde, wenn er zum Abschluß<br />
seiner Eröffnungsrede ausführt: »Wir arbeiten ja alle nicht für<br />
uns, nicht bloss um des Geldes willen, das wir heute erhalten<br />
und das vielleicht morgen wertlos ist, sondern wir arbeiten,<br />
weil wir aufbauen helfen wollen, wie in der Gemeinde so im<br />
Kreis und so im Staat aufbauen wollen, geistig und materiell,<br />
damit unser Volk wieder einmal glücklichere Zeiten sehen<br />
wird und seinen Platz an der Sonnenseite der Völker einnehmen<br />
kann.«<br />
Leicht überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags<br />
vor dem Sigmaringer Kreistag am 4. November 1996 in Leibertingen-Thalheim<br />
Herangezogene Quellen und Literatur<br />
Saulgauer Kreisversammlungsprotokolle 1946-1948 (KAS III—1991/1<br />
Nr. 49).<br />
Sigmaringer Kreisversammlungsprotokolle 1946-1948 (KAS 11-1991/2<br />
Nr. 363).<br />
Schwäbische Zeitung, Lokalausgabe Saulgau, J. 1946.<br />
Schwäbische Zeitung, Lokalausgabe Sigmaringen,]. 1946.<br />
Südkurier, <strong>Ausgabe</strong> Stockach/Meßkirch, J. 1946.<br />
Südkurier, <strong>Ausgabe</strong> Uberlingen/Pfullendorf, J. 1946.<br />
Eugen Frick, 40 Jahre kommunale Selbstverwaltung der baden-württembergischen<br />
Landkreise. In: Beiträge zur Geschichte der Landkreise<br />
in Baden und Württemberg. Festschrift zum 20jährigen<br />
Landratsjubiläum von Landrat Dr. Wilhelm Bühler, Alb-Donau-<br />
Kreis, am 11. März 1987. Hg. v. Landkreistag Baden-Würtemberg.<br />
Stuttgart 1987, S. 75-85.<br />
Kurt Gerhardt, Vogt-Oberamtmann - Landrat. Zur Geschichte des<br />
Hauptverwaltungsbeamten in Württemberg. In: Beiträge zur Geschichte<br />
der Landkreise (wie oben), S. 60-74.<br />
Meinrad Häberle, Der Landkreis Sigmaringen 1925-1972. Ein Beitrag<br />
zu seiner Geschichte. Sigmaringen 1985.<br />
Albert Neckenauer, Von den altbadischen Kreisen bis zur Kreisreform<br />
1803<br />
1973. In: Beiträge zur Geschichte der Landkreise (wie oben), S. 27-59.<br />
Konrad Frh. von Rotberg, Die Entwicklung des Kreisrechts in Baden-Württemberg.<br />
50 Jahre neues Landkreisrecht in Württemberg<br />
und Baden - 40 Jahre Landkreisordnung für Baden-Württemberg.<br />
In: Landkreis-Nachrichten Baden-Württemberg 35. J. (1996)<br />
Heft 3, S. 67-70.<br />
Eugenie von Hohenzollern-Hechingen - eine Fürstin in der Zeit des Biedermeier<br />
Als in Mailand am Tag vor Heiligabend des Jahres 1808 dem<br />
italienischen Vizekönig Eugène de Beauharnais und seiner<br />
Gemahlin Auguste von Bayern eine Tochter geboren wurde,<br />
stand der Stern Napoleons I. im Zenit. Niemand hätte damals<br />
ahnen können, daß seine auf den Namen Eugenie getaufte<br />
Stiefenkelin nur 39 Jahre später im schwäbischen Hechingen<br />
als letzte Fürstin des Hauses Hohenzollern-Hechingen zu<br />
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Grabe getragen werde würde. Dazwischen lag ein wechselvolles<br />
Leben, das gleichermaßen von Glanz und Elend jener<br />
Epoche geprägt war. Der Weg führte von Mailand über München<br />
und Eichstätt in das kleine Fürstentum Hechingen, wo<br />
ihr über zwei Jahrzehnte währendes soziales Engagement<br />
unvergessen bleiben sollte. Noch heute erinnern in der ehemaligen<br />
Residenzstadt am Fuß der Burg Hohenzollern zahl-