22.01.2013 Aufrufe

Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1997 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gerichtsbarkeit auf den Felder von Kalkreute »nur soweit der<br />

Zwing und Bann (die Markung) des Ortes ging«.<br />

Sigmaringen wollte 1709 den Einwohnern von Kalkreute nur<br />

erlauben, das Wild von ihren Feldern mit kleinen Hunden,<br />

nicht aber mit angelegten Prügeln wegzutreiben. Salem<br />

dagegen widersprach dem und berief sich auf die österreichische<br />

Forstordnung, nach der auch kleine Prügel erlaubt seien.<br />

Im Jahre 1733 wurde Kalkreute als vollkommen abgesonderte<br />

Gemeinde mit separatem Recht vom Beitrag zur Schießstatt<br />

(sie lag an der heutigen Schießstattstraße) in Ostrach befreit,<br />

ebenso von der Besoldung der Hebamme und den Kosten für<br />

das Feuerhaus. Da Kalkreute 1756 hiernach 100 Gulden für<br />

die vom salemischen Amt Ostrach gekaufte Feuerspritze zahlen<br />

sollte, suchte man Hilfe bei Sigmaringen, wurde aber von<br />

Salem, das jetzt zuständig war, gestraft und gab seinen Fehler<br />

zu. Salem hatte hier seit 1743 wieder für einige Zeit größere<br />

Rechte erhalten. Nach österreichischer Verfügung sollten<br />

die Kalkreuter 1766 bei der österreichischen Feuerversicherung<br />

versichert werden. Nach einer weiteren österreichischen<br />

Verfügung von 1770 konnten die Sigmaringer Mediat-Orte,<br />

zu denen Kalkreute zählte, nur an österreichische Gerichte<br />

appellieren. Diese Verfügung wurde vom Sigmaringer Kassier<br />

der Gemeinde übersandt und vom salemischen Oberamtmann<br />

zu Ostrach bestätigt.<br />

Wie es nach der Schlacht bei Ostrach 1799, bei der ein österreichisches<br />

Heer am 21. März unter Erzherzog Karl im zweiten<br />

Koalitionskrieg gegen eine französische Armee unter dem<br />

General Jourdan kämpfte, in Kalkreute ausgesehen hat, erfahren<br />

wir aus dem Tagebuch des Salemer Conventualen<br />

Pater Karl Wächter, damals salemischer Beauftragter in<br />

Ostrach. Nachdem er am 8. Mai 1799 mit Michael Kohlhund<br />

von Ostrach nach Pfullendorf gefahren war, um dort die kläglichen<br />

Reste Früchte (Getreide) vom Pfleghof zu holen, kam<br />

er um 12 Uhr nach Kalkreute. Hier hielt er Rat mit den Verantwortlichen<br />

der Gemeinde. Durchmarschierende Truppen<br />

und Einquartierungen hatten im Ort allerhand Schaden angerichtet.<br />

Es herrschte eine große Unordnung, zu der auch<br />

der neue Marschkommissär in Pfullendorf beigetragen hatte.<br />

Zwei Tage später fuhr Pater Wächter zu den Herren Hofräten<br />

nach Sigmaringen und wurde wegen der Probleme in<br />

Kalkreute vorstellig. Über das Ergebnis wird von ihm allerdings<br />

nichts gesagt. Am 23. Mai war er wieder in der<br />

Gemeinde Kalkreute und erbot sich, Rücksprache bei den<br />

Heiligenberger Herren zu nehmen, die für die Burgweiler<br />

Lehenswiesen zuständig waren. Offenbar machte man den<br />

Bewohnern Schwierigkeiten bei der Nutzung dieser außerhalb<br />

ihrer Markierung liegenden Wiesen. Pater Wächter<br />

besichtigte dann am 26. Mai die Wiesen mit dem Kalkreuter<br />

Gemeindeausschuß und einigen Bauern aus Spöck.<br />

Die Kalkreuter Einwohner wurden auch weiterhin in Atem<br />

gehalten, als man im August dieses Jahres 1799 russische<br />

Truppen zur Einquartierung ansagte. Nach Kalkreute sollte<br />

1 Escadron, deren 2 nach Spöck kommen. Auch hier setzte<br />

sich Pater Wächter ein. Er ging sofort nach Spöck und Kalkreute,<br />

wo er die Russen »ausbot« was vermutlich bedeutet,<br />

daß er sie zum Weiterziehen veranlassen konnte.<br />

Wenige Jahre später führte Napoleon auf der Höhe seiner<br />

Macht die sogenannte »Flurbereinigung« durch. Drei Staatsgrenzen<br />

entstanden 1806 in unserem Gebiet durch die Bildung<br />

der drei souveränen Staaten Fürstentum Hohenzollern-<br />

Sigmaringen, Großherzogtum Baden und Königreich Württemberg.<br />

Kalkreute gehörte nach wie vor zu Hohenzollern-<br />

Sigmaringen.<br />

Die Kriegszeiten, sie dauerten bis ins Jahr 1815 und die anschließenden<br />

Hungerjahre Jahre 1816 und 1817, hatten viel<br />

Not und Elend gebracht. Jetzt nahmen sich Diebesbanden<br />

Entwurzelter ein Beispiel am ungezügelten Leben der durch-<br />

24<br />

ziehendenen Soldaten und machten ganz Oberschwaben<br />

unsicher.<br />

Um 1818 trat die bekannte Bande des Xaver Hohenleiter, genannt<br />

der Schwarze Vere, besonders in Erscheinung und<br />

nahm häufig Quartier im Pfullendorfer Wald. Hier konnten<br />

sie schnell über die kaum kontrollierten Staatsgrenzen wechseln<br />

und sich so der Verfolgung entziehen. Treffpunkte waren<br />

das alte Wirtshaus von Spöck und der Schlößlehof. 1819 hielten<br />

sich einige Mitglieder der Bande auch in Kalkreute auf.<br />

Am 16.4.1819 gelang es dem Forstpraktikanten Heinrich<br />

Langen aus Königseggwald in der Nähe der Laubbacher<br />

Mühle den schwarzen Vere und einige Mitglieder seiner Bande<br />

festzunehmen. Heute erinnert eine Tafel an dieser Stelle<br />

daran. Die übrigen Bandenmitglieder wurden nach und nach<br />

gefaßt. Danach stabilisierten sich die Verhältnisse wieder. Der<br />

Schwarze Vere verlor durch einen Blitzschlag im Ehinger<br />

Turm in Biberach am 20. Juli 1819 sein Leben. Die übrigen<br />

wurden zu Zuchthausstrafen verurteilt. Sie waren Räuber,<br />

aber keine Mörder. Als letzter von ihnen starb am 16. Januar<br />

1878 Joseph Anton Jung, in der Bande als der »Condeer«<br />

bekannt. Seine lebenslängliche Strafe war ihm anläßlich des<br />

25jährigen Thronjubiläums von Württemberg nach 23 Jahren<br />

Haft erlassen worden.<br />

Straftaten Einzelner wurden in den nächsten Jahrzehnten im<br />

Fürstlichen Oberamt Sigmaringen durch das Fürstliche Hofgericht<br />

geahnet. Als höhere Instanz sprach bei Einsprüchen<br />

das Königlich Württembergische, durch Staatsvertrag gleichzeitig<br />

Fürstlich Sigmaringische Obertribunal in Stuttgart, das<br />

Urteil.<br />

Noch 1838 wurden Todesurteile durch Enthauptung mit dem<br />

Schwert ausgesprochen, jedoch nicht vollzogen. Bekanntlich<br />

wohnte der letzte Scharfrichter Hohenzollerns in Lausheim,<br />

der in solchen Fällen das Urteil zu vollstrecken hatte.<br />

Die Grundherren und ihre Güter in Kalkreute<br />

Eine wesentliche Rolle im Alltag der Einwohner spielten die<br />

Grundherren als Eigentümer der Höfe. Sie verfügten oft auch<br />

über die richterliche Gewalt bei ihren Untertanen, die sogenannte<br />

niedere Gerichtsbarkeit. Die hohe Gerichtsbarkeit,<br />

besonders über Leben und Tod, war, wie wir sahen, dem Landesherrn<br />

vorbehalten.<br />

Die meist nicht in Kalkreute lebenden Eigentümer gaben ihre<br />

Güter als Lehen zur Bewirtschaftung an abhängige Bauern<br />

oder Söldner. Die Söldner (auch Seidner oder Häußler)<br />

betrieben oft noch ein Handwerk, zum Beispiel als Weber,<br />

Schneider, Schmied, Wagner oder sie waren Holzhauer oder<br />

Erntearbeiter, kurz Taglöhner.<br />

Im Laufe der Jahrhunderte konnten die Untertanen auch<br />

einen gewissen Eigenbesitz nebenher erwerben, selbst außerhalb<br />

der Gemarkung, wie zum Beispiel als Einwohner Kalkreutes<br />

auf der Markung Burgweiler. Hier wurden sie in den<br />

Grundbüchern, den sogenannten Urbaren, als Fremde geführt.<br />

In der Zeit des wirtschaftlichen und politischen Niedergangs<br />

des Adels, besonders in der2. Hälfte des 13. und in der 1. Hälfte<br />

des 14. Jahrhunderts, erwarb das aufstrebende Kloster<br />

Salem eine Reihe von Besitzungen in Kalkreute. Verkäufer<br />

waren meist Ritter oder sonstige Adelige und Freie. Neben<br />

dem Kauf spielten auch Schenkungen an das Kloster »um des<br />

Seelenheils willen« eine Rolle.<br />

Grundeigentümer in vorsalemischer Zeit<br />

Falls Kalkreute identisch ist mit »Rütin« bei Ostrach, einiges<br />

spricht dafür, dürfte dort ein Hezelo schon 1125 sein Gut im<br />

Tausch an das Kloster Reichenau übergeben haben. Es wäre<br />

dann die erste urkundliche Erwähnung des Ortes.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!