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Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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CLAUS GRÄWE<br />

20 Jahre Volkshochschulheim Inzigkofen<br />

Als sich das Leben nach dem letzten Kriege langsam<br />

wieder zu normalisieren begann, regten sich überall im<br />

Lande die ersten Neuanfänge dessen, was wir heute Erwachsenenbildung<br />

nennen. Volkshochschulen, Volksbildungswerke<br />

und Kulturvereine wurden gegründet oder<br />

nahmen nach langer Zeit der zwangsweisen Untätigkeit<br />

die Arbeit wieder auf. In dieser Lage, in der zunächst<br />

jeder für sich an seinem Ort schaffte und aufbaute,<br />

wurde sehr bald der Wunsch nach einer Stätte laut, an<br />

der man sich treffen, miteinander diskutieren und die<br />

gemeinsamen Probleme besprechen, aber auch mit Hörergruppen<br />

intensiv arbeiten konnte. Kurzum: die Volkshochschulen<br />

Südwürttemberg-Hohenzollern suchten ein<br />

„Heim". Sie fanden es im ehemaligen Kloster Inzigkofen,<br />

das verfügbar war, nachdem es von 1938—47<br />

verschiedenen Organisationen undZwecken gedient hatte.<br />

So wurde denn am 1. April 1948 das Volkshochschulheim<br />

Inzigkofen eröffnet.<br />

Die erste große Überraschung für diese junge Einrichtung<br />

kam sehr bald: die Währungsreform im Juni 1948.<br />

Mit einem Schlage waren alle gleich vermögend, jeder<br />

besaß 40 D-Mark Kopfgeld. Zu wenig um davon Fahrgeld<br />

und Kursgebühren zu zahlen. Trotzdem schrieb das<br />

Volkshochschulheim sehr bald nach der Währungsreform<br />

den ersten Kurs aus. Was niemand zu hoffen wagte,<br />

traf ein: Anmeldungen kamen und der Kurs fand statt.<br />

Inzwischen sind 20 Jahre vergangen, und Inzigkofen<br />

wurde zu einem Begriff im Lande. Es sprach sich herum,<br />

was damals wie heute noch das Besondere dieses Volkshochschulheimes<br />

war: die Atmosphäre des Hauses und die<br />

Einstellung der darin wirkenden Menschen. Vom ersten<br />

Tage an und auch heute noch steht das Haus unter der<br />

Leitung von Dr. Walter Koblitz, der es verstanden hat,<br />

zusammen mit seiner Gattin das Volkshochschulheim zu<br />

dem zu machen, was es heute ist: eine Einrichtung, die<br />

ihren festen Platz in der deutschen Erwachsenenbildung<br />

hat und daraus nicht mehr fortzudenken ist.<br />

Nicht nur Volkshochschulen treffen sich in Inzigkofen.<br />

Sehr bald wurden auch andere Gruppen auf das Volkshochschulheim<br />

aufmerksam und kamen zu Tagungen<br />

und Arbeitswochen. Volksmusiker und Lehrer, Jungbuchhändler<br />

und „Bürger im Staat", um nur einige zu<br />

nennen, kommen seit Jahren immer wieder nach Inzigkofen.<br />

Aus dieser Arbeit heraus erwuchs Anfang der 50er Jahre<br />

eine zweite Einrichtung, die dem Heimgast zunächst<br />

kaum auffällt: die „Pädagogische Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung".<br />

Es begann damit, daß das Volkshochschulheim<br />

Arbeitsberichte und -anregungen, Stoffsammlungen<br />

und Dia-Reihen zusammenstellte und an<br />

die Volkshochschulen im Lande abgab. Neue Arbeitsweisen<br />

und Arbeitsmittel wurden in Inzigkofen erprobt<br />

und die gewonnenen Erfahrungen anderen Einrichtungen,<br />

die oft unter weit ungünstigeren Verhältnissen arbeiten<br />

mußten, mitgeteilt. Von hier aus war es nur noch ein<br />

kurzer Schritt zur Gründung der Pädagogischen Arbeitsstelle.<br />

Unter der Leitung von Dr. Walter Koblitz entwickelte<br />

sich die „PAE" zu einer selbständigen Einrichtung,<br />

deren Aufgabenbereich heute weit über das<br />

hinausgeht, womit es ursprünglich begann. So kamen zur<br />

Entwicklung von der Erwachsenenbildung eigenen Arbeitsmitteln<br />

und Methoden die Vermittlung von Lehr-<br />

26<br />

kräften und Dozenten an die Volkshochschulen Baden-<br />

Württembergs. Im Jahre 1966 konnten allein über 1000<br />

Abende mit Hilfe der PAE im ganzen Lande stattfinden,<br />

deren Organisation sich verteilt auf die Arbeitsstelle<br />

in Inzigkofen und die Büros der PAE in Stuttgart<br />

und Freiburg.<br />

Und wie sieht es heute im Volkshochschulheim aus?<br />

Nachdem anfänglich die Kurse und Tagungen in Zusammenarbeit<br />

mit den Volkshochschulen und ähnlichen<br />

Organisationen durchgeführt, bzw. von diesen allein<br />

getragen wurden, treten mehr und mehr die eigenen<br />

Kurse in den Vordergrund. Das Volkshochschulheim<br />

veranstaltet in jedem Jahr Ferienkurse, an denen jeder<br />

teilnehmen kann. Dabei darf das Wort „Ferienkurse"<br />

nicht falsch verstanden werden. Es sind keine Ferien-<br />

Erholungswochen, sondern Kurse in den Ferien. Die<br />

Themen dieser Wochen sind weit gespannt. Baukunst<br />

und Vorgeschichte, Biologie und Wirtschaftspolitik, aber<br />

auch Laienspiel und Tanz, um nur einige Beispiele des<br />

diesjährigen Programmes zu nennen. Die Programmgestaltung<br />

richtet sich dabei nicht nur nach den Erfordernissen<br />

der Zeit — Freizeitgestaltung, politische Bildung<br />

usf. —, sondern auch nach den Gegebenheiten des Hauses<br />

und der Umgebung. Die Baukunst oder die Vorgeschichte<br />

Südwest-Deutschlands lassen sich eben von diesem<br />

recht zentral gelegenen Ort sehr gut erfassen, und<br />

das Haus bewirkt eine gute Einstimmung auf diese<br />

Themen. Man kann daher von einem für das Volkshochschulheim<br />

Inzigkofen typischen Programm sprechen.<br />

Daneben bekommen ein immer größeres Schwergewicht<br />

die Kurse der Pädagogischen Arbeitsstelle, die im Rahmen<br />

der Dozentenfortbildung sich in erster Linie an die<br />

Mitarbeiter der Volkshochschulen wenden, jedoch, soweit<br />

Platz vorhanden, auch frei ausgeschrieben werden. In<br />

der ersten Woche dieses Jahres fanden sich, um ein Beispiel<br />

zu nennen, über 40 Hörer zu einer „Urgeschichtswoche"<br />

zusammen, in der von namhaften Wissenschaftlern<br />

die neuesten kultur- und naturwissenschaftlichen<br />

Aspekte der Menschwerdung behandelt wurden.<br />

So hat sich im Laufe der Jahre die Arbeit im Volkshochschulheim<br />

gewandelt und entwickelt. Aber auch die<br />

Räume konnten den veränderten Ansprüchen der Hörer<br />

angepaßt werden. Die Zellen, 1938 zu Mehrbettzimmern<br />

durch Entfernung der Zwischenräume zusammengelegt,<br />

wurden größtenteils wieder in den alten Zustand<br />

versetzt, behaglich eingerichtet und mit fließendem Wasser<br />

versehen, ein kleiner, privater Bereich für den Hörer<br />

zur Entspannung nach der Arbeit im Kurs. Die Gänge<br />

und Gemeinschaftsräume, mit viel Geschmack unter der<br />

Obhut von Frau Koblitz gerichtet, die Stuckdecken und<br />

die originalgetreu wiederhergestellten bleiverglasten Fenster<br />

bieten einen Rahmen, wie er sich für diese Arbeit<br />

nicht idealer gedacht werden kann.<br />

20 Jahre Volkshochschulheim Inzigkofen, eine Entwicklung,<br />

die sich fast unbemerkt von der Umgebung vollzogen<br />

hat. Unbemerkt, weil die Arbeit sich auf das<br />

ganze Land erstreckte und doch im Stillen geschah.<br />

Wenn sich das Volkshochschulheim jetzt nach 20 Jahren<br />

einmal meldet, dann nicht nur wegen des Geburtstages,<br />

sondern auch um ein wenig aufmerksam zu machen auf<br />

den Teil der Arbeit, der sich an die ganze Öffentlichkeit<br />

wendet,

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