22.01.2013 Aufrufe

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

er als Facharzt in Konstanz. Auf ihn trifft der von<br />

ihm selber geprägte Begriff eines „Heimatverliebten"<br />

zu. Er war Sammler aus Leidenschaft und verband<br />

damit eine starke, nicht immer glückliche Neigung zum<br />

Systematisieren, wovon seine Gesamtbibliographie der<br />

Hohenzollerischen Lande zeugt. Seine geschichtlichen<br />

Kenntnisse waren breit fundiert, sein Interesse keineswegs<br />

nur auf die engere Heimat und auch nicht nur auf die<br />

Geschichte beschränkt. Schon im Laufe der 20er Jahre<br />

begann er, sich an der schlaffen Vereinsarbeit zu stoßen;<br />

seine Wünsche gewannen allmählich programmatischen<br />

Charakter. Auch er wollte vieles, zu vieles auf einmal<br />

durchsetzen, wie Hebeisen, aber er hatte diesem voraus,<br />

daß er unabhängiger war und so auch heterogene Kräfte<br />

verbinden konnte. Es ist in unserem Zusammenhang<br />

nicht möglich, das bis ins Detail Normen setzende Programm<br />

Senns wiederzugeben, dieses ist ohnehin leicht<br />

greifbar im „Hohenzollerischen Jahresheft" von 1938 unter<br />

dem Titel: „Der Aufbau der Hohenzollerischen<br />

Landesforschung 1933—1938. Erstrebtes und Erreichtes."<br />

Diesen Aufsatz beschließt Senn mit der emphatischen<br />

Bitte, Opfer für die Heimatforschung zu bringen: „führt<br />

sie im Geiste rücksichtslosesten Kämpfens und Strebens<br />

durch, aufgeschlossen nach allen Seiten, der Sache allein<br />

fanatisch hingegeben und verpflichtet! Laßt sie lebendigstes<br />

Leben des Geistes sein! Und gebt ihre Leitung<br />

nur dem in die Hände, der Euch solches verbürgt."<br />

Wir müssen uns hüten, in diesen verkrampften Formulierungen<br />

den ganzen Senn zu sehen, aber sie spiegeln<br />

das manische Element wider, von dem Senns Heimatliebe<br />

überlagert war.<br />

Im neuen Namen, „Verein für Geschichte, Kultur<br />

und Landeskunde" kommt die Erweiterung der Vereinsziele<br />

schon zum Ausdruck. Da Senns ursprüngliches<br />

Ziel, eine historische Kommission für die Hohenzollerischen<br />

Lande zu errichten, unerreichbar war, übertrug<br />

er deren Aufgaben kurzerhand dem Verein und suchte<br />

ihn so zu oganisieren, daß er auf alle kulturellen Institutionen<br />

des Landes einwirken konnte. Die Vereinssatzung,<br />

für deren Abfassung ihm Ausschuß und Mitglieder<br />

freie Hand ließen, ist eine im wesentlichen auf<br />

ihn selbst zugeschnittene Konstruktion. Nicht zufällig<br />

trägt das Exemplar der Heimatbücherei den späteren<br />

handschriftlichen Vermerk Senns: „Gültig bis 1945. —<br />

Nie gedruckt." Senn teilte die Vereinsleitung zwischen<br />

einem Vorstand und einem wissenschaftlichen Ausschuß.<br />

Der Vorstand hatte die „verwaltungstechnische und wirtschaftliche<br />

Führung des Vereins in Händen", seine Mitglieder<br />

sollten „möglichst nicht ausübende Heimatforscher"<br />

sein. Daneben der wissenschaftliche Ausschuß: er<br />

hat „die Leitung der wissenschaftlichen Aufgaben des<br />

Vereins allein und als verantwortliche Stelle in Händen."<br />

Da dieser wissenschaftliche Ausschuß bald zu sehr<br />

anschwoll, wurde ihm ein ständiger wissenschaftlicher<br />

Ausschuß vorgesetzt, dessen Obmann Senn war. Sagen<br />

wir es offen, Senns Einfluß auf die Vereinsarbeit ging<br />

weit über das hinaus, was Hebeisen je im Verein an<br />

Macht besessen hatte. Unzweifelhaft gelang es ihm, die<br />

Arbeit des Vereins in ungeahnter Weise anzukurbeln.<br />

Was er persönlich für den Verein und für die Heimatkunde<br />

leistete, ist ohne Beispiel. Sein bleibendes Verdienst<br />

ist es, daß das Unterland durch die Heimatbücherei<br />

ein eigenes bibliothekarisches Zentrum bekam,<br />

in das die Vereinsbücherei überführt wurde. Ein beträchtlicher<br />

Teil des Bestandes der Heimatbücherei ist<br />

Stiftungen Ernst Senns zu verdanken. Durch seine Initiative<br />

ist auch das Staatsarchiv in Sigmaringen der<br />

Forschung besser erschlossen worden. Mit einer Denkschrift<br />

„Zur Lage des staatlichen Archivwesens in Ho-<br />

24<br />

henzollern" hat er die preußische Archivverwaltung auf<br />

die mißlichen Verhältnisse am Staatsarchiv hingewiesen.<br />

Im Frühjahr 1938 zog ein hauptamtlicher wissenschaftlicher<br />

Achivar im Staatsarchiv auf.<br />

Es könnte der Eindruck entstehen, Senn habe mit<br />

seinen heimatkundlichen Zielen auf dem Boden der sogenannten<br />

nationalsozialistischen Weltanschauung gestanden.<br />

Davon kann aber nicht ernsthaft die Rede sein.<br />

Er hat sich sofort dagegen gestellt, als im Sommer 1933<br />

der Gesamtverein der Geschichts- und Altertumsvereine<br />

das Bekenntnis zum Nationalsozialismus und die Einführung<br />

des Führerprinzips von den Mitgliedsvereinen<br />

forderte. Senn löste noch 1933 die Verbindung zum Gesamtverein.<br />

Auch die 7 Bände der Zeitschrift, die Senn<br />

redigierte und die nun den Namen „Hohenzollerische<br />

Jahreshefte" führte, zeigen, daß es ihm nicht um eine<br />

Politisierung des Heimatgedankens im nationalsozialistischen<br />

Sinne ging. Es ist geradezu rührend zu sehen,<br />

wie Senn im Kriege verzweifelt versuchte, die Vereinstätigkeit<br />

und die Vereinsorgane am Leben zu halten.<br />

Es mußte Senn besonders schmerzlich treffen, daß gerade<br />

von einem Mann, den er sich zu unauslöschlichem<br />

Dank verpflichtet glaubte, nämlich vom neuen Leiter<br />

des Staatsarchivs — dessen Stelle, wie wir gesehen haben,<br />

seiner Initiative entsprang —, daß gerade von<br />

dieser Seite Widerspruch gegen seine heimatkundliche<br />

Konzeption erhoben wurde. Es liegt mir fern, hier etwas<br />

über die persönliche Kontroverse Senn-Herberhold sagen<br />

zu wollen. In ihrem sachlichen Gehalt geht diese<br />

Kontroverse zurück auf den Protest des Historikers, der<br />

es nicht zulassen kann, daß die Geschichtswissenschaft<br />

nur in ihrer Hilfsfunktion für die Heimatkunde verstanden<br />

und gewissermaßen von ihr herangezogen wird.<br />

Senn hat den sachlichen Gehalt dieser Kritik nie sehen<br />

wollen und in ihr ausschließlich einen Angriff auf sein<br />

heimatgeschichtliches Lebenswerk gesehen.<br />

Schon bald nach dem Kriege wurde die Wiederaufnahme<br />

der Vereinstätigkeit versucht. Im Sommer 1948<br />

kam mit Genehmigung der französischen Militärregierung<br />

die Neugründung des Vereins zustande. Ein Kreis<br />

von etwa 30 alten Vereinsmitgliedern wählte Stadtpfarrer<br />

Nikolaus Maier, Gammertingen, der sich für die<br />

Wiederbegründung des Vereins besonders eingesetzt<br />

hatte, zum Vorsitzenden. Schon 1949 konnte wieder ein<br />

„Jahresheft" ausgegeben werden. Deutlich kommt das Bestreben<br />

zum Ausdruck, die Kontinuität zu wahren. Das<br />

mehrjährige Ruhen der Vereinstätigkeit wurde als eine<br />

Pause verstanden, der Name von 1933 wurde ebenso<br />

beibehalten wie die grundsätzliche Zielsetzung, sie mußte<br />

in den Statuten aber so gefaßt werden, daß die Militärregierung<br />

sie billigte.<br />

Vom Sommer 1951 bis zu seinem Tode, 1964, übernahm<br />

Prinz Franz Joseph von Hohenzollern den Vereinsvorsitz.<br />

Das eingangs erwähnte Ende der Sonderstellung<br />

Hohenzollerns im deutschen Südwesten hat nun<br />

dazu geführt, daß sich der <strong>Geschichtsverein</strong> als eine vor<br />

allem traditionswahrende Institution verstand. Immer<br />

wieder stößt man auf die Besorgnis, von Württemberg<br />

überherrscht zu werden. So heißt es etwa lakonisch im<br />

Protokoll der Ausschußsitzung vom 26. Februar 1951:<br />

„Der Vorschlag, an den württembergischen Staat [gemeint<br />

ist das Land Südwürttemberg - Hohenzollern]<br />

zwecks Geldspende für das Jahresheft heranzutreten,<br />

findet keinen Beifall." Schlägt man das Vorwort eines<br />

„Jahresheftes" der 50-er Jahre auf, kann man Sätze lesen<br />

wie diesen von 1955: „Die Entwicklung des hohenzollerischen<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s müßte allen Landsleuten,<br />

die wirklich noch Interesse für ihre engere Heimat<br />

haben, besonders in heutiger Zeit am Herzen liegen . . ,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!