22.01.2013 Aufrufe

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Ausgabe 1968 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

menkunft im Fidelishaus geladen. So dürfte nun freilich<br />

die Sache ein Geschmäckchen bekommen, bei dem es<br />

ein ordentlicher Mensch nicht aushält."<br />

Bei dieser Vorbesprechung kam es zwar, wie Lehner<br />

berichtet, zu einigen Auseinandersetzungen, die sich aber<br />

erledigten, nachdem der Geistliche Rat Geiseihard als<br />

Hausherr des Fidelianum erklärte, es sei nie und nimmer<br />

an etwas Klerikales gedacht gewesen. Nun wurde ein vorbereitendes<br />

Komitee bestimmt, bestehend aus Mayenfisch,<br />

Schwarzmann und Lehner, und eine weitere Besprechung<br />

— nach den Worten des Stadtpfarrers Miller — „auf<br />

neutrales Gebiet" einberufen. In dieser zweiten Versammlung<br />

wurde über die Zwecke des Vereins in ausführlicher<br />

Diskussion Einigkeit erzielt und in einer<br />

weiteren Kommissionssitzung das Ergebnis in einen von<br />

Lehner redigierten Statutenentwurf gebracht. Am 15.<br />

April 1867 fand dann die Gründungsversammlung mit<br />

der Wahl von Vorstand und Ausschuß statt. Dieses<br />

Vorgehen zeigt, daß der Vereinsgründung nichts mehr<br />

von obrigkeitlicher Einflußnahme anhaftet, sondern daß<br />

sie ein freier gesellschaftlicher Zusammenschluß zu einem<br />

gemeinschaftlich anerkannten Zweck war. Obgleich Lehner<br />

die Gründungsorganisation schließlich in die Hand<br />

genommen hatte, war es ihm klar, daß für den Vorsitz<br />

nur ein Kompromißkandidat, nämlich Mayenfisch, in<br />

Frage kam, denn der verstand sich gut mit der einflußreichen<br />

Geistlichkeit und besuchte gern deren Kneipabende.<br />

Lehner, als Kritiker des Sigmaringer Kleinstadtlebens<br />

ein würdiger Nachfolger Mezlers, mokierte sich<br />

gegenüber Karl Anton über Mayenfisch: „Wenn er etwas<br />

schwarz angelaufen ist und darum in Gefahr steht, von<br />

den Schwarzen blau angelaufen gelassen zu werden, so<br />

ist das seine Sache. Daß er eifersüchtig ist und eine Art<br />

Krähwinkler Ehrgeiz besitzt, kitzelt nur meinen Humor."<br />

Man muß allerdings sagen, daß Lehner den<br />

Verein faktisch doch leitete, denn obgleich er nur dem<br />

Ausschuß und nicht dem Vorstand angehörte, präsidierte<br />

er den Sitzungen und faßte die Berichte über<br />

die Vereinstätigkeit ab. 1871 trat dann auch Mayenfisch<br />

zurück und Lehner an seine Stelle.<br />

Wenn man die Statuten des Vereins liest, ist man<br />

betroffen von der zweckbezogenen Nüchternheit des<br />

Vereinsprogramms: „Der Zweck des Vereins in erster<br />

Reihe ist, Material für eine Geschichte Hohenzollerns<br />

in umfassendem Sinn zu sammeln, und zu publizieren,<br />

darneben aber auch anderes historisch merkwürdiges<br />

Material, welches sich in Hohenzollern findet, bekannt<br />

zu machen." Diese unterkühlte Zielsetzung ist gewiß<br />

zum guten Teil eine Folge des klerikal-liberalen Kompromisses,<br />

sie deutet aber auch den Rückzug der vaterländischen<br />

Studien aus der politischen Arena an, vor<br />

allem jedoch den sich entfaltenden Geist des Positivismus.<br />

Der Umfang dessen, was gesammelt werden soll,<br />

reicht von den Urkunden, Volkssagen, monumentalen<br />

Überresten bis zu den Bodenfunden, doch will der<br />

Verein keine eigene Altertumssammlung unterhalten,<br />

was von Lehner folgendermaßen motiviert wird: „Erstlich<br />

fehlen ihm hiezu die Mittel, nachdem der Jahresbeitrag,<br />

um eine allgemeine Theilnahme zu ermöglichen,<br />

so niedrig als möglich gestellt wurde; zweitens findet<br />

sich in den hiesigen fürstlichen Sammlungen ein allzeit<br />

zugängliches, überreiches und in gewissen Zweigen vaterländisches<br />

Material, sowohl für oberflächliche Anschauung<br />

als auch für eingehendes Studium."<br />

Damit ist zugleich auch gesagt, daß der Schwerpunkt<br />

der Vereinsarbeit auf der Herausgabe der jährlichen<br />

Veröffentlichungen liegen mußte. Wir können dazu im<br />

Rückblick ohne Anmaßung feststellen, daß der Verein<br />

in den 100 Jahren seines Bestehens im Rahmen seiner<br />

Zeitschrift eine Produktivität entfaltete, wie kein an-<br />

22<br />

derer vergleichbarer landes- oder lokalgeschichtlicher<br />

Verein im deutschen Südwesten. Dafür gibt es mehrere<br />

Gründe: Der wichtigste ist zweifellos, daß es ihm immer<br />

gelang, aus dem Kreis seiner Mitglieder auch Mitarbeiter<br />

zu finden, wobei der hohenzollerischen Geistlichkeit,<br />

die wir ja schon als ein konstitutives Element<br />

kennengelernt haben, ein würdiger Anteil zukommt; die<br />

Namen Dreher, Schellhammer, Friedrich Eisele, Johann<br />

Wetzel und Johann Adam Kraus sollen auch für viele<br />

andere stehen. Es hat dem Verein auch nie an Gönnern<br />

gefehlt, mit deren Hilfe die Zeitschrift finanziert werden<br />

konnte, wobei private — vorab das Fürstliche<br />

Haus —, staatliche und kommunale Förderer dankbar<br />

zu erwähnen sind. Stimulierend hat ohne Zweifel auch<br />

gewirkt, daß die wesentlichen Quellen zur hohenzollerischen<br />

Landesgeschichte im Lande selber greifbar sind.<br />

Fürst Karl Anton hat, als er 1868 das Protektorat des<br />

Vereins annahm, das Fürstliche Hausarchiv der Forschung<br />

zugänglich gemacht; es ist bis heute ein dem Benützer<br />

freundlich gesinntes Archiv geblieben, was ich<br />

hier auch mit eigenem Dank feststellen möchte. Dagegen<br />

darf das Entgegenkommen, mit dem der Benützer<br />

heute im Staatsarchiv aufgenommen wird, nicht<br />

weiter als 30 Jahre zurückprojiziert werden. Daß unser<br />

Verein nicht ganz unbeteiligt ist an der Erschließung<br />

dieses Archivs für die Landesgeschichte, wird noch kurz<br />

zu erwähnen sein. Endlich soll auch eine letzte Ursache<br />

für die Fülle der Beiträge im Vereinsorgan nicht verschwiegen<br />

werden, daß nämlich nicht immer sehr strenge<br />

Maßstäbe an die Qualität der veröffentlichten Beiträge<br />

gelegt wurden.<br />

In der Aera Lehner, die bis 1886 reicht, dominieren<br />

die Regestenarbeiten der Lichtschlag, Locher und Schnell,<br />

aber auch die germanistisch-historische Volkskunde eines<br />

Michel Buck und eines Anton Birlinger haben ihren<br />

Sebastian Locher (geb. 19. 1. 1825 in Stetten u. Holstein, gest. 27. 6. 188S<br />

in Sigmaringen). Bildnachweis: Franz Keller, Sebastian Locher, 1825—188S<br />

(Hohenzollerische Jahreshefte, 4, 1937, S. 218),

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!