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DIE BESTE ZEIT<br />
Das Magazin für Lebensart<br />
Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 17, 2012 - 3,50 Euro<br />
Peter Paul Rubens<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
Anja Harteros<br />
Eine Sopranistin der Weltspitze<br />
Ulle Hees<br />
Nachruf von Ulrike Müller<br />
Schöne Post im Kasten<br />
Geschichte der Postkarte<br />
PIXAR - 25 Years of Animation<br />
Bundeskunsthalle Bonn<br />
Wieder gelesen<br />
Hermann Schulz<br />
That’s amore<br />
Komödie von Richard Alfi eri<br />
Renate Massmann<br />
40 Jahre für die Lebenshilfe<br />
Neue Kunstbücher<br />
Die Moderne in der Konvention<br />
Der Mensch ist gut<br />
erzählt von Karl Otto Mühl<br />
10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />
Viele namhafte Jazz-Musiker<br />
18695205<br />
Kulturnotizen<br />
Kulturveranstaltungen in der RegionISSN 1
2<br />
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Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
mit dieser Ausgabe erscheint unser Magazin Die Beste Zeit bereits im 4.<br />
Jahrgang. Es hat sich in dieser Zeit etabliert und ist zu einer interessanten<br />
Lektüre für die Stadt am schwarzen Fluss geworden. Seit Beginn im Jahr<br />
2009 sind mit der aktuellen Ausgabe fast 1000 Seiten Kulturinformation<br />
aus der Region entstanden.<br />
So danke ich an dieser Stelle allen Autoren, die uns auf diesem Weg mit<br />
ihrer Arbeit immer wieder unterstützt haben und die das Magazin zu dem<br />
gemacht haben, was es heute ist - eine informative Quelle des kulturellen<br />
Lebens unserer Region.<br />
Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Frank Becker, den Herausgeber<br />
des Internetportals Musenblätter, den Kunsthistoriker Thomas Hirsch sowie<br />
den Journalisten Matthias Dohmen hervorheben, die das Magazin mit ihren<br />
Beiträgen regelmäßig unterstützen. Aber auch Marlene Baum, Karl Otto<br />
Mühl und Heiner Bontrup steuern immer wieder fachkundige Artikel für<br />
Die Beste Zeit bei. Ohne sie wäre eine erfolgreiche Arbeit für mich nicht<br />
möglich. Dank aber auch den hier namentlich nicht genannten Autoren<br />
sowie dem Von der Heydt-Museum, das uns regelmäßig mit Beiträgen aus<br />
den laufenden Ausstellungen unterstützt.<br />
Erfreulicherweise konnte ich Herrn Michael Maus von der Firma Maus<br />
Marketing für unsere Anzeigenakquise gewinnen. Gemeinsam möchten wir<br />
die wirtschaftliche Basis des Magazins stärken, ohne dabei unsere eigentliche<br />
Aufgabe zu vernachlässigen. Michael Maus hat exklusiv für Die Beste Zeit<br />
ein Anzeigenformat entwickelt, das auf die Verbindung von analoger und<br />
digitaler Werbung setzt. Über einen in die Anzeige integrierten QR-Code<br />
können die Leser mit ihren Smartphones direkt zusätzliche Informationen<br />
abrufen – zum Beispiel Videos. Unsere Inserenten, die sich für diese Kombination<br />
aus traditioneller Anzeige und multimedialem Auftritt entscheiden,<br />
erhalten für das Komplettpaket einen Sonderpreis. Lassen Sie sich unverbindlich<br />
von Herrn Maus beraten!<br />
Lesen Sie in dieser Ausgabe u. a. eine Ankündigung zur großen Peter Paul<br />
Rubens-Ausstellung im Von der Heydt-Museum, die am 16. Oktober eröffnet<br />
wird. Zu dieser Ausstellung werden wieder tausende Besucher aus dem<br />
ganzen Bundesgebiet in der Stadt erwartet. Weiterhin fi nden Sie ein Porträt<br />
der Sopranistin Anja Harteros, einen Nachruf auf die Bildhauerin Ulle<br />
Hees sowie einen Bericht über die Geschichte der Postkarten. Ferner werden<br />
wir das 10. Wuppertaler Jazzmeeting ankündigen, das ein kleines Jubiläum<br />
dieser erfolgreichen Konzertreihe Wuppertaler Jazzmusiker darstellt. Und<br />
erneut werden wir einen weiteren ‚Ort der Stille‘ vorstellen. Darüber hinaus<br />
erwarten Sie viele kulturell informative Beiträge aus der Region. Es ist die<br />
umfangreichste Ausgabe, die wir seit Entstehen herausgebracht haben. Ihnen<br />
wünsche ich nicht nur beim Lesen der 17. Ausgabe Muße für Die Beste Zeit.<br />
Herzliche Grüße<br />
Ihr HansPeter <strong>Nacke</strong><br />
3
4<br />
Nico Ueberholz<br />
Impressum<br />
Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />
Erscheinungsweise: alle zwei Monate<br />
Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Die beste Zeit<br />
Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />
Telefon 02 02 - 28 10 40<br />
E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />
V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />
Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />
Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />
Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />
zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
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16.10.2012 - 28.2.2013<br />
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Wir gratulieren zur<br />
PETER PAUL<br />
RUBENS<br />
Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />
im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />
keine Gewähr übernommen werden.<br />
Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />
Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />
Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />
Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />
Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />
Abbildung Cover:<br />
Peter Paul Rubens, Dianas Heimkehr von der Jagd, um 1616<br />
(Ausschnitt), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, © Staatliche<br />
Kunstsammlungen Dresden<br />
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Ueberholz. GmbH<br />
Büro für temporäre Architektur<br />
Telefon: +49 (0) 202 2 80 96-0<br />
www.ueberholz.de<br />
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Inhalt<br />
Ausgabe 17, 4. Jahrgang, Oktober/November 2012<br />
Von der Heydt-Museum<br />
Ausstellung Peter Paul Rubens<br />
16. 10. 2012 – 28. 2. 2013 Seite 6<br />
Anja Harteros<br />
Eine Sopranistin der Weltspitze begann<br />
in Wuppertal – von Klaus Göntzsche Seite 14<br />
Ulle Hees<br />
Ein Nachruf auf die Wuppertaler Künstlerin<br />
von Ulrike Müller<br />
10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />
Seite 18<br />
mit vielen namhaften Künstlern aus der Szene<br />
von Rainer Widmann Seite 22<br />
Dennis Scharlau<br />
ein Nachruf auf den Wuppertaler Fotografen<br />
von Magdalene Zuther Seite 26<br />
Pina Bausch-Kalender 2013<br />
mit Fotografi en von Jochen Viehoff<br />
von Susanne Buckesfeld Seite 27<br />
Schöne Post im Kasten<br />
Geschichte der Postkarte<br />
von Frank Becker Seite 28<br />
Die Postkarte auf dem Rückzug<br />
Volkskundler untersuchen die Geschichte<br />
der Postkarte – von Andreas Rehnolt Seite 31<br />
Glückwunsch, Edgar<br />
20 Jahre Edgar E-Cards<br />
von Frank Becker Seite 33<br />
Stille Tage in der Lüntenbeck<br />
Abende gab es, die gingen in den<br />
Farben des Allvaters Seite 34<br />
PIXAR - 25 Years of Animation<br />
Ausstellung in der Bundeskunsthalle<br />
in Bonn Seite 39<br />
Wieder Gelesen<br />
Auf dem Strom von Hermann Schulz<br />
von Matthias Dohmen Seite 42<br />
That’s amore<br />
Komödie von Richard Alfi eri<br />
von Frank Becker Seite 44<br />
Lichteinfall<br />
Schwarz-Weiß-Fotografi e von<br />
Elisabeth Heinemann Seite 46<br />
Traum<br />
Gedicht von Roman Libbertz Seite 47<br />
Eine Hommage<br />
Einmal Wupper rauf und runter mit Dorothea<br />
Bohde und Matthias Schriefl Seite 49<br />
Renate Massmann<br />
Vierzig Jahre für die Lebenshilfe<br />
von Joachim Krug Seite 51<br />
Leser, Sammler, Verkäufer<br />
Annäherungen an ein Porträt<br />
über Michael Kozinowski Seite 54<br />
Paragraphenreiter<br />
Interessantes zu den Themen Steuern<br />
und Recht Seite 56<br />
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Porträtiert von Matthias Dohmen<br />
Seite 57<br />
Neue Kunstbücher<br />
Die Moderne in der Konvention<br />
Vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 58<br />
Schüsse aus dem Geigenkasten<br />
Kalender der Bergischen Symphoniker<br />
von Frank Becker Seite 60<br />
Der Mensch ist gut<br />
erzählt von Karl Otto Mühl Seite 61<br />
SPEEciale im Opernhaus-Foyer<br />
Veranstaltungen der Friedrich-Spee-Akademie<br />
von Joachim Krug Seite 64<br />
Kulturnotizen<br />
Kulturveranstaltungen in der Region Seite 67<br />
5
Ausstellung im<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
16. 10. 2012 – 28. 2. 2013<br />
Linke Seite:<br />
Peter Paul Rubens mit seiner Frau<br />
Isabella Brant, 1609/1610,<br />
Alte Pinakothek, München<br />
rechts:<br />
Peter Paul Rubens (und Werkstatt)<br />
Mucius Scaevola vor Porsenna, 1616-18<br />
©Museum of Fine Arts, Budapest,<br />
Hungary/Bridgeman Berlin<br />
Peter Paul Rubens<br />
Peter Paul Rubens war das künstlerische<br />
Genie des 17. Jahrhunderts. Er schuf<br />
Porträts, Landschaften, Genrebilder und<br />
mythologische Werke, vor allem aber<br />
historisch-politische Bilder und religiöse<br />
Werke aus dem Geist der katholischen<br />
Reform. Rubens verkehrte mit Königen,<br />
Fürsten und den bedeutendsten Heerführern<br />
seiner Zeit, er bewegte sich auf den<br />
politischen Bühnen Europas und korrespondierte<br />
mit wichtigen Intellektuellen.<br />
Abgesehen von Rubens‘ umfangreichem<br />
und vielfältigem, künstlerischem Schaffen,<br />
avancierte er in den frühen zwanziger<br />
Jahren auch zu einem der angesehensten<br />
Diplomaten des 17. Jahrhunderts. Als<br />
Ratgeber und Unterhändler entfaltete er<br />
im Einklang mit den Interessen seiner Vaterstadt<br />
Antwerpen und der Landesherren<br />
in Brüssel an den Höfen in Madrid, Paris,<br />
Den Haag und London seine Vision eines<br />
geeinten Europas. Gemälde, aber auch<br />
Zeichnungen, Tapisserien, Buchillustrationen,<br />
Grafi ken und Briefe gaben seinen<br />
politischen Ideen weit über Europa hinaus<br />
einprägsame Gestalt. Unter Einsatz<br />
seiner tagespolitisch zu deutenden Historienbilder<br />
leistete er seinen Beitrag, um<br />
den 30- jährigen Krieg zu beenden. Kein<br />
anderer Künstler wirkte mit seiner Kunst<br />
so direkt auf die politischen Prozesse<br />
seiner Zeit. Malend gelang es ihm gerade<br />
in schwierigen Missionen, den politischen<br />
Akteuren Visionen mit tagespolitischer<br />
Zuspitzung vor Augen zu führen und<br />
so Möglichkeiten zur Überwindung der<br />
Konfl ikte zu eröffnen.<br />
7
8<br />
Die Ausstellung gliedert sich in acht, an der Biografi e<br />
orientierte Kapitel, die die komplexe Verbindung zwischen<br />
künstlerischen und politischen Themen erfahrbar<br />
machen. Am Anfang steht „Das Haus des Diplomaten",<br />
in dem nicht nur Rubens‘ persönliches Umfeld vorgestellt,<br />
sondern auch seine literarischen, antiquarischen<br />
und politischen Interessen aufgezeigt werden. Während<br />
die folgende Sektion seinen Aufenthalt in Italien beleuchtet,<br />
präsentiert das dritte Kapitel den Maler im Dienst<br />
seiner wichtigsten frühen Auftraggeber, des Erzherzogs<br />
Albrecht und der Erzherzogin Isabella, in Brüssel. Das<br />
Kapitel „Rubens und die Kirche" stellt seine Rolle in der<br />
katholischen Reformbewegung dar. Neben einer Auswahl<br />
triumphaler Themen für kirchliche und private Auftraggeber,<br />
zeigen wir hier die Entwürfe für die Antwerpener<br />
Jesuitenkirche, die eindrucksvoll die Politisierung der<br />
Religion vor Augen führen. Der folgende Themenkomplex<br />
„Zwei Gemäldezyklen für den französischen Hof"<br />
stellt die Entwürfe für den Medici-Zyklus und den unausgeführten<br />
Heinrich-Zyklus in den Mittelpunkt. Die<br />
Sektion „Friedendiplomatie" konzentriert sich auf Rubens‘<br />
diplomatisch- politisch wichtigste Zeit in London,<br />
als er im Auftrag des spanischen Königs am englischen<br />
Hof Friedensverhandlungen führte. Im letzten Kapitel<br />
wird anhand einiger herausragender Spätwerke deutlich,<br />
dass seine Malerei, meist lyrische Landschaftsbilder und<br />
Mythologien, über das anhaltende Kriegsgeschehen<br />
triumphierten.<br />
Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Königlichen<br />
Museum für Schöne Künste in Antwerpen entsteht,<br />
wird Rubens‘ politische Ambitionen in Verbindung zu<br />
seiner herausragenden Kunst stellen und damit das alte<br />
Thema Europa aus einem neuen Blickwinkel sehen.<br />
Öffnungszeiten<br />
Di, Mi 11–18 Uhr, Do, Fr 11–20 Uhr, Sa, So 10–18 Uhr,<br />
Mo geschlossen.<br />
www.rubens-ausstellung.de<br />
Peter Paul Rubens<br />
Dianas Heimkehr von der Jagd, um 1616<br />
Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, © Staatliche<br />
Kunstsammlungen Dresden / The Bridgeman Art Library<br />
Nationality
10<br />
Peter Paul Rubens<br />
Wildschweinjagd, um 1615/16<br />
© Musée des Beaux-Arts, Marseilles, France, Giraudon,<br />
The Bridgeman Art Library Nationality
12<br />
Selbstportrait, 1623<br />
© National Gallery of Australia, Canberra<br />
Peter Paul Rubens (1577-1640) ist der<br />
große Barock-Künstler „par excellence“.<br />
In seinem Leben wie in seiner Kunst<br />
spiegelt sich beispielhaft die Leidenschaft<br />
einer bewegten Epoche. So verkörpert der<br />
geniale und umfassend gebildete fl ämische<br />
Maler in seinem Schaffen den Drang<br />
des Barock nach umfassendem Begreifen,<br />
humanistischer Weltsicht und vorbildlichem<br />
Gesamtkunstwerk.<br />
1577 in Siegen geboren, verbrachte er die<br />
ersten zehn Jahre seines Lebens mit seiner<br />
aus Antwerpen stammenden Familie<br />
im Exil in Köln. Nach dem Tod des als<br />
Juristen tätigen Vaters, der aufgrund<br />
seines protestantischen Glaubens aus<br />
Antwerpen fl iehen musste, kehrte die<br />
Familie 1589 dorthin zurück. Der junge<br />
Rubens besuchte die Lateinschule und<br />
war für kurze Zeit Page in Diensten<br />
einer Gräfi n. Nach erster künstlerischer<br />
Schulung bei dem Landschaftsmaler<br />
Tobias Verhaecht, arbeitete Rubens für<br />
mehrere Jahre in der Werkstatt von Adam<br />
van Noort und später bei Otto van Veen.<br />
1598 wurde er als Freimeister in die St.<br />
Lukasgilde, die Antwerpener Malerzunft,<br />
aufgenommen. 1600 zog er nach Italien,<br />
wo er als Hofmaler des Herzogs Vincenzo<br />
Gonzaga in Mantua tätig war. Der<br />
Fürst ermöglichte Rubens in dieser Zeit,<br />
sich in verschiedenen Städten Italiens,<br />
unter anderem in Genua und Florenz,<br />
künstlerisch weiterzubilden. 1603 ist er<br />
im Auftrag des Fürsten von Gonzaga am<br />
spanischen Königshof in Valladolid. Die<br />
entscheidende Zeit in Italien verbrachte er<br />
aber in Rom, wo er nicht nur die Meisterwerke<br />
der italienischen Renaissance und<br />
der Antike studierte, sondern auch bereits<br />
erste renommierte Aufträge ausführte, so<br />
für die Kirche Santa Croce in Gerusaleme<br />
und für Santa Maria in Vallicella. Die<br />
Nachricht von der Erkrankung seiner<br />
Mutter ließ ihn 1608 nach Antwerpen<br />
zurückkehren.<br />
Der Augenblick seiner Rückkehr<br />
nach Antwerpen war günstig, denn einige<br />
Monate später sollte der Zwölfjährige<br />
Waffenstillstand geschlossen werden, der<br />
für das wirtschaftliche, kulturelle und<br />
religiöse Wiederaufl eben der Südlichen<br />
Niederlande äußerst förderlich sein<br />
sollte. Als erstes malte er 1609 für das<br />
Antwerpener Rathaus die „Anbetung der<br />
Könige" (Madrid, Museo del Prado). Im<br />
selben Jahr wurde Rubens Hofmaler des<br />
Erzherzogspaars Albrecht und Isabella,<br />
sein Wohnsitz blieb jedoch Antwerpen.<br />
Ebenfalls 1609 heiratete er Isabella Brant,<br />
die Tochter eines angesehenen Juristen. In<br />
den folgenden Jahren erhielt er zahlreiche<br />
Bestellungen für Altarbilder, darunter die<br />
monumentale „Kreuzabnahme" für die<br />
Antwerpener Kathedrale, machte sich<br />
aber ebenso einen Namen mit mytholo-<br />
gischen Kompositionen, die auch vom<br />
humanistisch gebildeten Kaufmannspatriziat<br />
geschätzt wurden. Die zahlreichen<br />
Aufträge veranlassten ihn, nicht nur<br />
auf Bestellung, sondern auch „op stock",<br />
für den freien Markt zu malen und einen<br />
Atelierbetrieb zu organisieren, für den<br />
er ab 1616 sein großes Wohnhaus „op<br />
de Wapper" baute. Rubens‘ zahlreiche<br />
religiöse Aufträge gipfelten 1620 in der<br />
Bestellung von ca. 40 Deckengemälden<br />
für die Antwerpener Jesuitenkirche. Von<br />
diesem Zeitpunkt an, sollte sich sein<br />
Interesse zunehmend auf prestigeträchtige<br />
Aufträge für die Höfe in Brüssel, Madrid,<br />
Paris und London verlagern.<br />
Ab etwa 1617 (bis ca. 1627) erhielt<br />
Rubens Aufträge für eine Reihe großer<br />
Bilderzyklen. Unter anderem gestaltete er<br />
für den in Antwerpen lebenden, genuesischen<br />
Textilhändler Franco Cattaneo die<br />
Geschichte des römischen Konsuls Decius<br />
Mus (Sammlungen des Fürsten von und<br />
zu Liechtenstein). Zudem malte er die<br />
Stationen aus dem Leben des römischen<br />
Kaisers Konstantin und für die Erzherzogin<br />
Isabella die Entwürfe für die Wandteppichserie<br />
„Triumph der Eucharistie"<br />
(Madrid, Museo del Prado). Die französische<br />
Königinmutter Maria de Medici<br />
bestellte bei ihm für die Dekoration von<br />
zwei Galerien im Palais du Luxembourg<br />
zwei Serien von historisch- allegorischen<br />
Szenen. Einer dieser Zyklen war ihrem<br />
Leben und ihrer Regierungszeit gewidmet<br />
(Paris, Musée du Louvre), der andere<br />
sollte als Ehrenbezeugung für ihren<br />
verstorbenen Gemahl König Heinrich<br />
IV. angefertigt werden (Ölskizzen im<br />
Rubenshaus, Antwerpen und in Berlin,<br />
Gemäldegalerie, und andere Orte).<br />
1622 begann Rubens’ diplomatische<br />
Tätigkeit, die 1628 ihren Höhepunkt erreichen<br />
würde. Im Januar des Jahres und<br />
ein weiteres Mal 1623 weilte er in Paris,<br />
um mit Maria de Medici und Richelieu<br />
über den großen Gemäldezyklus zu<br />
verhandeln. 1624 unternahm er mehrere<br />
diplomatische Reisen zwischen Brüssel<br />
und dem Feldlager Ambrogio Spinolas<br />
und im Oktober führte er geheime Friedens-<br />
und Waffenstillstandsverhandlungen<br />
für Spanien. Für den Sommer 1627<br />
ist eine Reise in die nördlichen Provinzen<br />
dokumentiert, wo er mit den englischen<br />
Unterhändlern ebenfalls in Friedensver-
handlungen eintrat. Im darauffolgenden<br />
Jahr befand Rubens sich in diplomatischer<br />
Mission – aber auch zur Erfüllung<br />
künstlerischer Aufträge – in Spanien, wo<br />
er König Philipp IV. über die Verhandlungen<br />
mit den englischen Unterhändlern<br />
unterrichtete. Über Paris, Brüssel,<br />
Antwerpen und Dünkirchen reisend, traf<br />
er 1629 als außerordentlicher Gesandter<br />
der spanischen Krone in England ein,<br />
um mit König Karl I. Friedensverhandlungen<br />
aufzunehmen. Sein Aufenthalt<br />
in London wurde dadurch gekrönt, dass<br />
er am 3. März 1630 in Whitehall zum<br />
Ritter geschlagen wurde. In Begleitung<br />
der aus Frankreich gefl üchteten Königinmutter<br />
Maria de Medici unternahm<br />
er weitere diplomatische Reisen, die ihn<br />
auch nach Den Haag führen, wo er mit<br />
dem Prinzen Friedrich Heinrich von<br />
Oranien zusammentraf. Nach dem Tod<br />
seiner ersten Frau 1626 heiratete Rubens<br />
am 6. Dezember 1630 die junge Helene<br />
Fourment, die in den nächsten Jahren vier<br />
Kinder zur Welt bringen würde. Die letzten<br />
zehn Jahre seines Lebens verbrachte er<br />
zeitweise auf seinem Landgut in Elewijt.<br />
In den späten Jahren seines Schaffens<br />
erhielt er weiterhin bedeutende Aufträge,<br />
so führte er zum Beispiel die Entwürfe<br />
für die Festdekorationen anlässlich des<br />
feierlichen Einzugs des Kardinal- Infanten<br />
Ferdinand in Antwerpen aus. Der spanische<br />
König Philipp IV. erteilte Rubens<br />
1636 den umfangreichen Auftrag, ca. 100<br />
mythologische Szenen für die Dekoration<br />
seines Jagdschlosses Torre de la Parada<br />
anzufertigen. Auch andere, oft kleinere<br />
Höfe, wie der des Wolfgang Wilhelm<br />
von der Pfalz-Neuburg, waren an seinen<br />
Arbeiten interessiert und gaben Gemälde<br />
bei Rubens in Auftrag. In den letzten<br />
Jahren seines Lebens plagten Rubens<br />
schwere Gichtanfälle, die ihn zunehmend<br />
bei seiner Arbeit behinderten. Am 30.<br />
Mai 1640 starb Rubens hoch geehrt in<br />
Antwerpen.<br />
Peter Paul Rubens<br />
Thetis empfängt die Waffen für Achill,<br />
1630-35, © Musée des Beaux-Arts, Pau,<br />
France, Giraudon, The Bridgeman Art<br />
Library<br />
13
14<br />
Eine Sopranistin der Weltspitze<br />
begann in Wuppertal<br />
Anja Harteros<br />
Vom langjährigen Kultur-und Sportdezernenten<br />
Heinz-Theodor Jüchter kam der<br />
Hinweis auf Anja Harteros. Als die heute zur<br />
absoluten Weltelite der Sopranistinnen zählende<br />
Sängerin ihr erstes festes Engagement<br />
zu den Zeiten der schwierigen Theater-Ehe<br />
Wuppertal/Gelsenkirchen antrat, war kaum<br />
an eine solche Karriere zu denken. Sie fi el<br />
auch damals nur wenigen Experten auf.<br />
Einer davon war Henning Dickel,<br />
viele Jahre Kultur-Redakteur der Ruhr-<br />
Nachrichten in Gelsenkirchen: „Es war die<br />
Rolle der Gouvernante in „The turn oft he<br />
screw“. Da konnte man schon erkennen,<br />
welches Potenzial in dieser Stimme steckte.<br />
Es war für sie auch nicht einfach gegen die<br />
etablierten Kräfte.“ Henning Dickel hat uns<br />
für das Interview mit Anja Harteros auch das<br />
Szenenfoto aus der eher selten gespielten Oper<br />
vermittelt.<br />
Aber es gab noch einen weiteren Anlass,<br />
den Kontakt mit Anja Harteros aufzunehmen.<br />
Im stilvoll restaurierten Barmer Bahnhof<br />
plauderten die Besitzer Christiane und<br />
ihr Ehemann, der Wiener Megabass Kurt<br />
Rydl mit der großen Kollegin Edda Moser,<br />
die ihre beeindruckende Karriere beendet hat<br />
und deren Memoiren erschienen sind. Mit<br />
einer euphorischen Erwähnung über Anja<br />
Harteros: „Sie ist die derzeit beste Sopranistin<br />
der Welt.“<br />
Schließlich galt es, sich auch persönlich<br />
von den Qualitäten der so Hochgelobten zu<br />
überzeugen. Es bot sich Gelegenheit einer<br />
Gala im Düsseldorfer Opernhaus mit Frau<br />
Harteros als Mimi in Giacomo Puccinis „La<br />
Bohéme“. Obwohl es nicht ihre Paraderolle<br />
war, wurde der Abend zu einem großen<br />
Erlebnis. Daran konnten auch Außentemperaturen<br />
kurz vor 30 Grad Celsius und<br />
immerhin 100 Euro für die Karte nichts<br />
ändern. Schließlich erwies sich die Agentin<br />
Elisabeth Seifert bei der Kontaktaufnahme<br />
mit Anja Harteros als weitgehend unkompliziert.<br />
Wohltuend schließlich waren auch<br />
die Erinnerungen der heute auf allen großen<br />
Bühnen dieser Welt tätigen Sängerin an<br />
Wuppertal.<br />
Plácido Domingo als Simon Boccanegra und Anja Harteros als seine Tochter Maria Boccanegra (Foto: picture-alliance/dpa)
Anja Harteros: Eigentlich wollte sie in Wuppertal nur Vorsingen üben…<br />
15
16<br />
Als Gouvernante in der Benjamin Britten-Oper<br />
„The turn of the screw” 1998 in Wuppertal<br />
und Gelsenkirchen. Foto: Rudolf Finkes<br />
Ihre Auftrittsorte sind heute die bedeutenden<br />
Opernhäuser der Welt. Die<br />
Kammersängerin Anja Harteros, 1972 in<br />
Bergneustadt als Tochter eines griechischen<br />
Vaters und einer deutscher Mutter<br />
geboren, gilt als eine der vollkommensten<br />
Sopranistinnen unserer Zeit. Die internationale<br />
Karriere der Sängerin des Jahres<br />
2009 begann 1999 mit dem Gewinn des<br />
„Cardiff Singer of the world“ Wettbewerbs<br />
der BBC und brachte sie über die<br />
Grenzen Deutschlands zu Auftritten<br />
in Berlin, München, Hamburg, Köln,<br />
Frankfurt, Dresden und dem Festspielhaus<br />
von Baden-Baden auf die Bühnen<br />
von Mailand, New York, Paris, Salzburg,<br />
Wien, London, Amsterdam, Boston,<br />
Florenz, Edinburgh, Tel Aviv, Boston und<br />
Vicenza.<br />
Daran war kaum zu denken, als Anja<br />
Harteros Ende der 90-er Jahre ihr erstes<br />
festes Engagement am damaligen Schiller-<br />
Theater Wuppertal/Gelsenkirchen antrat.<br />
Im Grunde als zunächst wenig beachtete<br />
Anfängerin und nach einer Premiere von<br />
„The turn of the screw“ (Die sündigen<br />
Engel) am 25.Januar 1998 im überschaubar<br />
gefüllten Wuppertaler Opernhaus<br />
(wie das gesamte Ensemble) mit nur mit<br />
bescheidenem Applaus bedacht. Doch<br />
bereits nach der Premiere von „Hänsel<br />
und Gretel“ am 15.November 1997 – mit<br />
Claudia Visca als „Mutter“ und dem Öl-<br />
Als Desdemona in Othello mit Hanna Hipp als Emilia © ROH / Catherine Ashmore<br />
berger Kinderchor – gab es großes Lob der<br />
Fachwelt für sie in der Gretel-Rolle und<br />
ihrer Kollegin Anke Sieloff als Hänsel.<br />
Beste Zeit: Welche Erinnerungen sind<br />
für Sie mit der Zeit in Wuppertal und<br />
Gelsenkirchen verbunden?<br />
Anja Harteros: Sie sind bestimmt von der<br />
aufregenden Zeit des Neuen, erste Schritte<br />
im Theaterleben zu gehen, echte professionelle<br />
Sängerin zu sein und viele nette<br />
Kollegen kennenzulernen, die teils auch<br />
neu waren, teils aber auch schon auf eine<br />
lange Zeit in diesem Beruf zurückblicken<br />
konnten und mir wertvolle Ratschläge geben<br />
konnten. Es war eine Zeit mit absolut<br />
schönen Erfahrungen, etwas schwer fi elen<br />
mir allerdings die strengen Anforderungen<br />
an ein Ensemblemitglied. Ich möchte diese<br />
Zeit nicht missen und wahrscheinlich<br />
war sie unerlässlich für die nachfolgenden<br />
Schritte.<br />
Beste Zeit: Nach der Premiere der eher<br />
selten aufgeführten Benjamin Britten-<br />
Oper „The turn of the screw“ am 25.<br />
Januar 1998 gab es für Sie von den Fachleuten<br />
fast euphorische Kritiken wie z. B.<br />
„Auffallend gut überzeugte Anja Harteros<br />
in ihrer Rolle als Gouvernante. Es gab<br />
kaum jemanden im Publikum, der nicht<br />
mir ihr fühlte, ja sogar mit zitterte…“<br />
Harteros: Ich hatte nur sieben Wochen Zeit,<br />
diese schwierige Rolle zu erlernen und es sollte<br />
eine äußerst fruchtbare Erfahrung für mich<br />
werden. Die Zusammenarbeit zum Beispiel<br />
mit den Kindern war sehr nett, Kinder<br />
spielen halt naturgemäß gerne, spontan<br />
und natürlich, was bei älteren Darstellern<br />
manchmal, vielleicht auch phasenweise,<br />
etwas untergeht. Aber auch „La clemenza di<br />
Tito“ oder „Gefährliche Liebschaften“ waren<br />
ganz tolle Projekte.<br />
Beste Zeit: Wie ist das Engagement überhaupt<br />
zustande gekommen?<br />
Harteros: Eigentlich auf etwas lustigem Wege<br />
zustande. Ich studierte damals noch auf der<br />
Hochschule für Musik in Köln, als die Stelle<br />
in Gelsenkirchen/Wuppertal vakant wurde.<br />
Ich erfuhr davon und besprach mit meiner<br />
Lehrerin, einen ersten Schritt zu wagen und<br />
das Vorsingen einfach mal zu probieren,<br />
immerhin muß man auch im Vorsingen<br />
Erfahrungen sammeln. Ich sang also in<br />
Gelsenkirchen vor und anschließend bat mich<br />
der damalige Intendant Ludwig Baum in sein<br />
Büro und eröffnete mir, dass er mich gerne<br />
engagieren würde. Ich war sehr überrascht,<br />
sagte ihm aber, dass dies nicht möglich sei,<br />
weil ich ja noch studierte und auch, weil ich<br />
das Vorsingen ja doch nur hätte üben wollen.<br />
Später dann besprach er sich mit meiner Lehrerin<br />
und konnte sie offensichtlich überzeugen<br />
und ich bekam von ihr das o.k.<br />
Beste Zeit: Verbunden mit ständigem<br />
Pendeln zwischen Gelsenkirchen und Wuppertal.
Harteros: Das war in der Tat nicht ganz<br />
so einfach, zumal ich ja montags am<br />
Ruhetag des Theaters noch in Köln mein<br />
Studium absolvieren musste. Ich nahm mir<br />
eine kleine Wohnung in Gelsenkirchen, da<br />
dort in der ersten Spielzeit meine Hauptstätte<br />
war, allerdings wohnte ich auch<br />
weiterhin noch zu Hause im Oberbergischen<br />
Kreis, da ich dort natürlich noch<br />
privat verwurzelt war. Ich war also oft auf<br />
der Autobahn.<br />
Beste Zeit: Gibt es noch Kontakte zu<br />
Kollegen aus dieser Zeit? Mehrfach<br />
standen Sie mit Claudia Visca auf der<br />
Bühne.<br />
Harteros: Ach, Kontakte habe ich eher<br />
weniger, bin so viel unterwegs und es bleibt<br />
nicht viel Zeit. Claudia Visca, die inzwischen<br />
Professorin in Wien ist, habe ich dort<br />
wiedergesehen und wir haben angeregt<br />
miteinander gesprochen. Thomas Piffka<br />
war gleichzeitig mit mir an der Scala,<br />
allerdings habe ich ihn nicht sehen können,<br />
da wir in verschiedenen Produktionen waren.<br />
Gabi Rech allerdings habe ich kürzlich<br />
wiedergetroffen, als ich Köln meinen ersten<br />
Meisterkurs gab, sie ist inzwischen an der<br />
Hochschule tätig. Es war ein wirklich<br />
schönes Wiedersehen.<br />
Beste Zeit: In der Biographie der Kollegin<br />
Edda Moser „Ersungenes Glück“<br />
werden Sie von ihr als die „derzeit beste<br />
Sopranistin der Welt“ bezeichnet; „Sie<br />
singt mit einer solchen Souveränität und<br />
zaubert in scheinbarer Gelassenheit solche<br />
wunderbare Phrasen, dass ich einfach<br />
dankbar bin, so große Künstlerschaft<br />
zu erleben.“ Mehr geht doch eigentlich<br />
nicht und das von einer bedeutenden<br />
Kollegin.<br />
Harteros: Eine begeisterte Operngängerin<br />
in München steckte mir nach einer Vorstellung<br />
den Abschnitt aus Edda Moser´s Buch<br />
zu und ich habe mich natürlich sehr darüber<br />
gefreut. Es ist eine ganz besondere Auszeichnung,<br />
wenn man so hoch gelobt wird<br />
von einer Sängerin, die selbst die wichtigsten<br />
Bühnen der Welt beglückt hat. Aber<br />
ich lasse mich nicht zu sehr beeindrucken<br />
von solch hohem Lob, denn ich weiß, wie<br />
schnell sich mühsam angeeignete Qualität<br />
auch verschlechtern kann, schauen Sie nur<br />
den Leistungssport an. Immerhin ist die<br />
Stimme ein Organ unseres Körpers, abhängig<br />
von unzählig vielen kleinen und großen<br />
Faktoren und Funktionen, damit darf man<br />
weder zu verschwenderisch umgehen, noch<br />
darf man sich seiner Gesundheit und Kraft<br />
zu sicher sein. Doch die Erfahrung auf<br />
höchstem Niveau singen zu können ist eine<br />
wunderbare.<br />
Klaus Göntzsche<br />
Anja Harteros und Jonas Kaufmann in<br />
Verdis „Don Carlo“ an der Bayerischen<br />
Staatsoper München Foto: Wilfried Hösl<br />
17
Ulle Hees<br />
Ein Nachruf von Ulrike Müller<br />
Die Malerin und Bildhauerin Ulle<br />
Hees war vieles auf einmal: Künstlerin,<br />
Kriegsgegnerin und Menschenfreundin<br />
überzeugte Europäerin, Weltbürgerin –<br />
vor allem aber Wuppertalerin ! Sie, die<br />
Alberto Giacometti verehrte, und nie von<br />
sich behauptete, etwas Neues zu machen,<br />
dafür aber immer etwas Eigenes, hat mit<br />
ihren künstlerischen Eigenheiten auch<br />
und vor allem diese Stadt geprägt. Und:<br />
sie wolllte sie etwas für diese Stadt tun !<br />
An einem Nachmittag gebar sie ihre ihre<br />
Idee für die Figur der Mina Knallenfalls –<br />
und wer kennt s i e nicht, wie sie da seit<br />
1979 auf der Elberfelder Poststraße steht.<br />
Ebenerdig und selbstbewußt, und die<br />
meisten, die den Namen Ulle Hees hören,<br />
denken an diese streichelfreundliche<br />
Romangestalt des Heimatdichters Otto<br />
Hausmann. Dass man die bodenständige<br />
Mina mag, hat Ulle Hees immer gefallen,<br />
aber das man ihre anderen Kunstwerke<br />
kaum kennt, hat sie stets auch<br />
geschmerzt.<br />
Sie liebte diese Stadt. Was man umgekehrt<br />
nicht immer sagen konnte, und<br />
das machte ihr diese Liebe zuweilen sehr<br />
schwer. Aber sie wußte durchaus, was<br />
sie wollte. Und was nicht. Unangepasst,<br />
gegen den Strom schwimmend. Diese<br />
Richtung kennt sie - die hat sie immer<br />
wieder eingeübt. Ihr Leben lang. Schon<br />
als Kind. Nicht das zu tun, was andere<br />
tun. Ihren Weg gehen. Das beginnt<br />
schon in der Schule, wo sie zielgerichtet<br />
ihr wahre Leidenschaft demonstriert,<br />
indem sie zeichnet, zeichnet und noch<br />
einmal zeichnet, wo immer es möglich ist.<br />
Und wenn‘s sein muß, auf der Straße....<br />
In Vohwinkel, da, wo sie aufwächst und<br />
Tierzeichnungen – auch gerne im Großformat<br />
– aufs Pfl aster zaubert. Ihre für<br />
die Schule modellierte Figur der Bremer<br />
Stadtmusikanten bringt der 11Jährigen<br />
einen Rapport bei der ungläubigen<br />
Direktorin ein. Professor Ernst Oberhoff<br />
erkennt ihr Talent sehr früh – und macht<br />
das Unmögliche möglich: Die erst 14jährige<br />
darf bei ihm an der Wuppertaler<br />
Werkkunstschule studieren...<br />
Ulle Hees, Foto Ziad Kobeissi<br />
Gegen den Strom gängiger Konventionen<br />
arbeitet sie sich auch fortan durch die<br />
Erwartungshaltungen einer bürgerlichen<br />
Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland.<br />
Ein Mädchen hat so zu sein, wie es zu<br />
sein hat - Ulle Hees, die damals noch<br />
Schettler heißt, will alles sein, nur nicht<br />
so. Sie will ihr Ding machen, und das ist<br />
die Kunst. Und diese Eigen-Sinnigkeit<br />
wird auch ihr ganzes KünstlerInnen-Leben<br />
prägen, unbeeindruckt von vorherrschenden<br />
Modetrends. “Ich bin Bildhauerin“,<br />
sagt sie später “Das ist mein Beruf,<br />
und das mache ich!“<br />
Mit gerade 16 Jahren besteht sie die<br />
Aufnahmeprüfung an der Akademie der<br />
Bildenden Künste in München. Spätestens<br />
jetzt muß aller familiärer Widerstand<br />
kapitulieren. 1958 verläßt sie Wuppertal<br />
und damit alles, was Enge ist. Auf der Suche<br />
nach neuen Perspektiven in der Fülle<br />
der Eindrücke eines Studiums, das sie in<br />
den frühen 60ern nach Rom an die dortige<br />
Akademie der Schönen Künste führen<br />
wird. Erst 1964 kehrt Ulle Hees wieder in<br />
ihre Geburtsstadt zurück - und bleibt ihr<br />
seitdem verbunden. Mit allem, was eine<br />
schwierige Beziehung ausmacht: Nähe,<br />
Sehnsucht, Streit. Womöglich Distanz für<br />
zwischendurch. Und die Versöhnung. Bis<br />
zum nächsten Streit.<br />
Ihre Plastiken und Bilder widerspiegeln<br />
Momente von menschlicher Größe, von<br />
Einsamkeit, Verfolgung, sozialer wie persönlicher<br />
Not. Von Glück, Aufl ehnung<br />
und Empörung. Ihre Liebe zur Kunst: das<br />
ist immer wieder aufs Neue eine Liebe auf<br />
dem schwankenden Boden der Ungewissheit.<br />
Ideen werden zu Form und formen<br />
sich doch nicht. Zerstörung und Neuanfang,<br />
bis es denn gut ist. Formale, schöne<br />
Dinge sind ihr wichtig. Aber vor allem<br />
eben, was an Aussage dahinter steht.<br />
Das, was die Bildhauerin Ulle Hees in<br />
den vergangenen Jahrzehnten geschaffen<br />
hat, fi ndet man vielerorts. In Elberfeld,<br />
wo ihr Spielbrunnen beim Haus der<br />
Jugend immer wieder die verzaubert, die<br />
sie so geliebt hat: Kinder, die genau das<br />
hier tun dürfen, was vielerorts verpönt<br />
ist: einfach nur spielen und übermütig<br />
sein. Und ein Stück humorgetränkter<br />
Übermut durchfährt auch die Künstlerin<br />
Ulle Hees, die im Rahmen einer öffentlichen<br />
Aktionswoche des Wuppertaler<br />
Fuhlrott-Museums 1996 mit ihrer unnachahmlichen<br />
„Hommage à Grandville“<br />
dem großen französischen Karikaturisten<br />
des 19. Jahrhunderts ihre künstlerische<br />
Referenz erweist. Eine grazile Figur mit<br />
Baseballkappe, langem Schnabel, noch<br />
längeren Beinen und Plateauschuhen an<br />
den Füßen. Für Ulle Hees steht unverrückbar<br />
fest: Jeder Mensch hat auf seine<br />
Weise ein Pendant in der Tierwelt!<br />
In Barmen fi ndet man die künstlerischen<br />
Spuren der Bildhauerin ebenso wie in<br />
Langerfeld oder vor der Klosterkirche in<br />
Beyenburg. In Remscheid-Lüttringhausen<br />
erinnert eine Brunnenplastik an die<br />
Geschichte der heimischen Bandindustrie,<br />
und in Hemer thematisiert die Stele<br />
‚Aus der Tiefe‘ Leben und Kultur der<br />
Region. In Radevormwald, wo sie mit<br />
ihrer Bronzeskulptur ‚Menschenkreis‘<br />
der zehnjährigen Städtepartnerschaft mit<br />
dem bretonischen Chateaubriant ein<br />
Denk-Mal setzt. In Sprockhövel, wo seit<br />
2003 eine von ihr geschaffene Relief-<br />
Tafel auf dem Sparkassenvorplatz an das<br />
Schicksal der durch die Gemeinde ihres<br />
Grundbesitzes beraubte und durch die<br />
Nazis vertriebene und ermordete jüdische<br />
Familie Röttgen erinnert. In Gevelsberg,<br />
wo seit dem 14. März 2004 auf dem<br />
Rathausforum ihre Stele ‚Wachsamkeit<br />
und Erinnerung‘ an die ermordeten,<br />
vertriebenen und erniedrigten Menschen<br />
dieser Stadt erinnert: Menschen jüdischen<br />
Glaubens, Roma, politisch Verfolgte und<br />
Zwangsarbeiter.<br />
Auch und vor allem ihre ‚Fingerzeige der<br />
Geschichte‘ sind es, die denjenigen, der<br />
sehen will, immer wieder zu den Tiefen<br />
menschlicher Abgründe führen. Zum<br />
Beispiel ins westfälische Ahlen, wo die<br />
Wuppertalerin Ulle Hees - übrigens im<br />
Auftrag der Stadt Ahlen! - ein Mahnmal<br />
für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde<br />
erschaffen hat, von denen nur wenige<br />
den Holocaust überlebten.<br />
Gerade an diesem Tag, dem 20. Juli, der<br />
an den Widerstand gegen die Hitler-Barbarei<br />
erinnert, fi ndet hier diese Trauerfeier<br />
statt. Das wäre sehr in Ulles Sinn gewesen.<br />
Aber nicht als Veranstaltung mit Gelegen-<br />
19
20<br />
heit zum pfl ichtgemässen Kranzabwurf,<br />
sondern als Gedenken an all jene, von<br />
denen man hier lange Jahre so gar nicht<br />
gerne sprechen mochte, weil es nicht ins<br />
politische Weichbild der Bundesrepublik<br />
passen wollte. An den anderen Widerstand.<br />
Den der kleinen Leute. Ulle Hees‘<br />
Ding war eben nicht nur Claus Schenck<br />
Graf von Stauffenberg – sie identifi zierte<br />
sich mit dem Mut des Schreiners Georg<br />
Elser, der lange vor den kriegstragenden<br />
Offi zieren des 20. Juli einen Anschlag auf<br />
Hitler verübt hatte – und dafür im KZ mit<br />
seinem Leben büßte. Die künstlerisch-po-<br />
litische Auseinandersetzung mit der deutschen<br />
Vergangeheit hat das Leben der im<br />
Kriegsjahr 1941 geborenen Ulle Hees tief<br />
geprägt. Kunst war nie Selbstzweck für sie,<br />
sondern in erster Linie Ausdruck dessen,<br />
was in ihr durch visuelle Erlebnisse und<br />
Erfahrungen, auch und vor allem durch<br />
ihre Konfrontation mit Zeitgeschichte,<br />
ausgelöst wird.<br />
Die Teilnahme am Wettbewerb Gedenkstätte<br />
Synagoge in den späten 80er Jahren<br />
ist dabei nur ein - aber durchaus sehr<br />
wichtiger! - Aspekt ihrer künstlerisch-poli-<br />
tischen Auseinandersetzung mit der deutschen<br />
Vergangenheit. Ein weiterer sind<br />
die bereits erwähnten ‚Fingerzeige der<br />
Geschichte‘, die Ulle Hees, gemeinsam<br />
mit ihrem Mann Herbert Hees, entworfen<br />
hat und die an jene MENSCHEN<br />
erinnern sollen, die einem menschenverachtenden<br />
System widersprochen haben,<br />
die aus dieser Stadt Wuppertal vertrieben<br />
oder umgebracht worden sind:<br />
Foto aus Privatbesitz Jürgen Schäfer
Zum Beispiel an den 1894 in Barmen<br />
geborenen katholischen Arbeiterführer<br />
Bernhard Letterhaus, dem seine zutiefst<br />
christliche Überzeugung Antrieb zum Widerstand<br />
gegen die Hitler-Diktatur war...<br />
Zum Beispiel an die Barmer Synode, bei<br />
der sich vom 29. bis 31. Mai 1934 in der<br />
Gemarker Kirche Vertreter kirchlicher<br />
Gruppen aus allen Teilen des Deutschen<br />
Reiches zusammenfanden und mit der<br />
von ihnen formulierten Theologischen<br />
Erklärung als bekennende Christen<br />
Stellung bezogen gegen die Untaten des<br />
nationalsozialitischen Regimes.<br />
Zum Beispiel an die Bewohner des<br />
jüdischen Altersheimes in der Elberfelder<br />
Friedrich Ebert-Straße. Hees‘ Entwurf<br />
einer Figurengruppe alter gebeugter<br />
Menschen, deren müde und geschwächte<br />
Körper ihre letzte Habe ins grausige<br />
Ungewisse mitschleppen, macht dem Betrachter<br />
bewußt, dass es auch hier einmal<br />
eine jüdische Gemeinde gegeben hat.<br />
Zum Beispiel an die Opfer der Wuppertaler<br />
Gewerkschaftsprozesse vor über 75<br />
Jahren. Arbeiter und ‚Kleine Leute‘ waren<br />
es vor allem, die den Mut hatten, der braunen<br />
Welle entgegenzutreten. Aber, so der<br />
ehemalige Bundespräsident Johannes Rau,<br />
anlässlich der Enthüllung des Mahnmals<br />
1995 vor dem Justizhochhaus auf der<br />
Gerichtsinsel: „Es hat lange, zu lange gedauert,<br />
dass die Opfer der Gewerkschaftsprozesse<br />
ein Denkmal bekommen“ haben<br />
- und verweist damit auf das jahrelange<br />
Bemühen um die Austellung eines solchen<br />
Mahnmals, das schließlich - nach Jahren<br />
des Wartens im Keller des Gewerkschaftshauses<br />
– durch die Geldspenden von vielen<br />
Gewerkschaftern letztendlich doch noch<br />
hat realisiert werden können. Nach dem<br />
Umbau der Justizgebäude ist das Mahnmal<br />
auch neu installiert worden – allerdings<br />
nicht, wie von der Künstlerin urspünglich<br />
gewünscht – in Augenhöhe, sondern in<br />
unaufdringliche Tiefe verbannt.<br />
Liegt es womöglich daran, dass diese Fingerzeige<br />
auf u n s weisen, die wir hier<br />
in dieser Stadt leben und die uns nicht<br />
aus der Verantwortung entlassen für das,<br />
was auch hier in der Zeit des Nationalsozialismus<br />
geschehen ist ? Denn: auch<br />
in Wuppertal sind Bücher verbrannt<br />
worden – und zwar, in vorauseilendem<br />
Gehorsam – bereits Anfang April 1933,<br />
sechs Wochen vor den reichsweiten<br />
Aktionen am 10. Mai ! Geächtet und<br />
verbrannt worden sind auch Bücher von<br />
Söhnen und Töchtern dieser Stadt. Eine<br />
davon ist die expressionistische Dichterin<br />
Else Lasker-Schüler, die 1869 im Tal der<br />
Wupper geboren, 1933 aus Deutschland<br />
vertrieben, 1945 im Jerusalemer Exil<br />
stirbt. Auch und gerade diese Frau ist es,<br />
mit der Ulle Hees so vieles gemein hatte.<br />
Mit jener Fee aus dem Märchen. Zauberhaft.<br />
Geheimnisvoll. Perlenglitzernd. Mit<br />
all dem Lachen und Weinen. Mit all der<br />
Freude und Trauer. Spielverträumt und<br />
übermütig. Ungebärdig. Verrückt. Unordentlich.<br />
Anders eben als die anderen.<br />
„Ich habe Liebe in die Welt gebracht<br />
Das blau zu blühen jedes Herz vermag...“<br />
Diese Worte der Dichterin hat die<br />
Bildhauerin ihrer Bronze-Stele zu Else<br />
Lasker-Schüler mit auf den Weg gegeben.<br />
Um sie zu sehen und auf sich wirken zu<br />
lassen, muss der Betrachter ganz nah an<br />
das „Zerbrochene Herz“ herantreten. Sich<br />
behutsam dieser Frau nähern. Die Berührung<br />
wagen und den Blick ins dunkel-patinierte<br />
Innere. Das Äußere des Herzens<br />
ist licht und hell. Mit Zeichnungen von<br />
Ulle Hees, die mit denen der Else Lasker-<br />
Schüler verwoben sind. Eingebettet in die<br />
Lyrik der Dichterin. Ein Leben erzählt<br />
sich so fast wie von selbst. Verspielt und<br />
ernst. Schwer und leicht zugleich.<br />
Für Ulle Hees war es ein langer und mit<br />
vielen Widerständen gepfl asterter Weg<br />
von den ersten Gedanken und Entwürfen<br />
bis zu dieser Stele, die von der Enno und<br />
Christa Springmann-Stiftung der Stadt<br />
Wuppertal geschenkt worden ist, und die<br />
zuerst im Rathaus Barmen ihren Standort<br />
hatte, bis zum Umzug ins wuppernahe<br />
Schauspielhaus, nach Elberfeld. Man hat<br />
es auch Else Lasker-Schüler bis heute<br />
nicht leicht gemacht in ihrer Geburtsheimat.<br />
Denn kaum ist sie angekommen,<br />
wird sie erneut zur Emigrantin. In ihrer<br />
eigenen Stadt. Wieder muss sie weichen.<br />
Diesmal sind es Bauaufsicht und Haushaltslage,<br />
die der ungeliebten Dichterin<br />
im baufälligen Schauspielhaus den Garaus<br />
machen. Im Barmer Opernhaus wartet<br />
die Flüchtige nun, abgestellt und ebenerdig,<br />
auf ein ungewisses Morgen...<br />
Die Dichterin Else Lasker-Schüler u n d<br />
die Fingerzeige der Geschichte gehören<br />
zu dieser und in diese Stadt. Genauso wie<br />
Mina Knallenfalls und der Zuckerfritz (mit<br />
bürgerlichem Namen Fritz Pothen) - die<br />
eben weit mehr sind als bloße Wuppertaler<br />
Originale, sondern die für Menschen stehen,<br />
ob sie, den Rücken krumm gebeugt,<br />
die Hände schwielig, in den Textilfabriken<br />
dieses Tales geschwitzt oder als Habenichtse<br />
und kleine Schubkarrenfahrer eben<br />
immer zu denen ‚da unten‘ gehört haben.<br />
Auch ihnen hat die Bildhauerin Ulle Hees<br />
ein Denkmal gesetzt.<br />
Wenige Monate vor ihrem Tod war der<br />
französische Schriftsteller- Diplomat, Emigrant<br />
und Widerstandskämpfer Stéphane<br />
Hessel für eine Lesung in Düsseldorf<br />
zu Gast. Ulle Hees wollte so gerne noch<br />
hinfahren – es hat nicht mehr sollen sein.<br />
Dabei war es etwas sehr Besonderes, was<br />
auch diese beiden Menschen im Geiste<br />
verbunden hat: die Kraft des Eigen-Sinns<br />
und zum Widerspruch. „Indignez-vous!“<br />
„Empört Euch!“ hat der über 90jährige<br />
Hessel seine kleine Streitschrift überschrieben<br />
- d a s hat Ulle Hees direkt und<br />
außerordentlich gefallen - solche Menschen<br />
mochte sie zeitlebens! Und daraus<br />
hat sie immer auch die Kraft ihres Werkes<br />
geschöpft.<br />
Ein großer Herzenswunsch erfüllte sich für<br />
Ulle Hees noch im vergangenen Herbst:<br />
Ein Katalog und Werkverzeichnis zu ihren<br />
Plastiken im Öffentlichen Raum. Sie<br />
hatte noch so vieles vor. Nicht alles hat sie<br />
beenden können. Ihre Arbeiten zu Pina<br />
Bausch genauso wenig wie eine Skulptur<br />
der Wuppertaler Frauenrechtlerin Helene<br />
Stöcker, und auch die Zeichnungen für ein<br />
Buch über ihre New Yorker Fotografen-<br />
Freundin Ellen Auerbach bleiben nunmehr<br />
ungezeichnet.<br />
Aber eines bleibt uns allen: die Liebe, die<br />
Ulle Hees mit ihrem künstlerischen Werk<br />
in die Welt gebracht hat. Dafür, liebe Ulle,<br />
und für vieles mehr, danken wir Dir!<br />
Ulrike Müller<br />
21
Saxophon, Foto Thorsten Leiendecker<br />
22
von Rainer Widmann<br />
Rainer Widmann und Ulrich Armbruster<br />
Foto Thorsten Leiendecker<br />
10 Jahre Jazzmeeting<br />
Alle Musikinteressierten sollten sich<br />
Freitag, den 26. Oktober im Kalender<br />
dick anstreichen. An diesem Tag feiert<br />
das Wuppertaler Jazzmeeting runden<br />
Geburtstag. Zum zehnjährigen Jubiläum<br />
bietet das Festival an einem Abend auf<br />
zwei Bühnen acht Gruppen mit über<br />
vierzig hervorragenden Jazzmusikern und<br />
-musikerinnen, von denen die meisten<br />
aus der Region um Wuppertal kommen.<br />
Am Anfang des neuen Jahrtausends<br />
traf sich eine Gruppe musikbegeisterter<br />
Wuppertaler, unter ihnen Peter Kowald,<br />
um darüber nachzudenken, wie man die<br />
lokale Jazzszene fördern und beleben<br />
könnte. Als Ergebnis ihrer Überlegungen<br />
installierten sie ein Festival, dessen<br />
Grundgedanke war, vorwiegend Bands<br />
und Projekte aus Wuppertal zu präsentieren.<br />
Die Macher der ersten Stunde<br />
waren optimistisch genug, die Veranstaltung,<br />
die am 3. Oktober 2003 zum<br />
erstenmal stattfand, „1. Wuppertaler<br />
Jazzmeeting“ zu nennen, obwohl es damals<br />
noch in den Sternen stand, ob es je<br />
ein zweites geben würde. Das Jazzmee-<br />
ting etablierte sich jedoch rasch im Café<br />
ADA als Schauplatz aktueller Jazztrends<br />
und als Szene-Treff im Wuppertaler Musikherbst.<br />
Nun fi ndet am 26. Oktober<br />
schon das 10. Jazzmeeting statt. Dass es<br />
so eine Erfolgsgeschichte werden würde,<br />
hatte niemand vorausgesehen. Auch<br />
im Jubiläumsjahr werden ab 19:30 h<br />
wieder acht Bands und Projekte jeweils<br />
im Wechsel auf beiden ADA-Bühnen<br />
präsentiert. Das treue und zahlreiche<br />
Publikum ist aufs Neue eingeladen,<br />
aufregend innovative Gruppen und Musikprojekte<br />
aus dem Tal und der Region<br />
zu entdecken.<br />
Auftragskomposition von Carolin Pook<br />
aus New York für Peter Brötzmann<br />
Besonderer Höhepunkt des 10. Jazzmeetings<br />
ist eine Auftragskomposition eigens<br />
für das Jubiläum, die das Jazzmeeting-<br />
Team an die junge in New York lebende<br />
Geigerin Carolin Pook vergeben hat. Die<br />
Komponistin, die bei der Aufführung<br />
anwesend sein wird, hat das Stück für<br />
Peter Brötzmann und das Schlagzeug-<br />
23
24<br />
Carolin Pook<br />
Ensemble Q geschrieben. Das Ensemble<br />
Q besteht aus vier klassischen Musikern<br />
und vier Studenten der Wuppertaler<br />
Musikhochschule aus der Klasse von<br />
Professor Roderburg. Die klassisch<br />
ausgebildeten Schlagzeuger werden<br />
sich bei der Zusammenarbeit mit Peter<br />
Brötzmann, dem Nestor des deutschen<br />
Freejazz, in einem für sie ungewohnten<br />
Kontext bewegen. Die Leitung des<br />
Ensemble Q hat der Vibraphonist und<br />
Leiter des Düsseldorfer Mallet-Institute<br />
Matthias Goebel. Dirigent des gesamten<br />
Projekts ist der Cronenberger Musikprofessor<br />
Werner Dickel.<br />
Wiedersehen mit „Das Pferd“<br />
Ein weiteres Highlight wird der Auftritt<br />
der legendären Wuppertaler Fusion-<br />
Band „Das Pferd“. Die in den neunziger<br />
Jahren von Jan Kazda und Wolfgang<br />
Schmidtke gegründete Jazzrock-Gruppe,<br />
die internationale Erfolge feiern<br />
konnte, kommt einzig für das Jazzmeeting-Jubiläum<br />
noch einmal zusammen.<br />
Aus Wuppertal stammt der Meister<br />
des Poetry-Slam Patrick Salmen. Er<br />
verfasst Lyrik und Prosa, ist Buchautor<br />
und Kabarettist. Mit seiner gewagten<br />
Wortakrobatik ist Salmen auf deutschsprachigen<br />
Bühnen präsent und überaus<br />
erfolgreich.<br />
Das von dem John-Scofi led-Preisträger<br />
Alex de Macedo gegründete Quartett<br />
„Maceedo Groove Square“ mit Schlagzeug,<br />
Bass, Keyboard und Macedo an der Gitarre<br />
Patrick Salmen<br />
Foto: Dennis Scharlau †<br />
Peter Brötzmann<br />
Marvin Dillmann<br />
machte im Rahmen der Fußball-EM mit<br />
einem Bob-Marley-Cover Furore und wird<br />
beim Jazzmeeting seinen elektronischen,<br />
groovenden Jazzrock mit brasilianischer<br />
Lebendigkeit und Leichtigkeit vorstellen.<br />
Kollektiv zum Höhepunkt<br />
Der Wuppertaler Pianist Ulrich Rasch hat<br />
exklusiv für das Jazzmeeting die achtköp-
fi ge Band „Meet’n Jazz“ zusammengestellt,<br />
deren Besetzung einem Who’s Who der<br />
lokalen Jazzszene gleicht: die Vocalistin<br />
Banu Böke ist Ensemblemitglied der Wuppertaler<br />
Bühnen, Altmeister Dietrich Geese<br />
an der Trompete war schon beim ersten<br />
Jazzmeeting dabei, Michael Hablitzel spielt<br />
im Sinfonieorchester Wuppertal Cello, der<br />
Percussionist Thomas Lensing ist langjähriges<br />
Mitglied der „Formation Ufermann“,<br />
am Schlagzeug sitzt Raschs langjähriger<br />
Weggefährte Peter Funda.<br />
Das „Lieblingstrio“ um Markus Chancy<br />
Gärtner, das sich in den letzten Jahren<br />
in der Region einen Namen als Liveband<br />
erspielt hat, wird in neuer Besetzung mit<br />
Dirk Schaadt an der Hammond-Orgel und<br />
Ralf Heinrich am Schlagzeug Jazzklassiker<br />
in neuem Gewand präsentieren.<br />
Mit sphärischen Klängen und magischen<br />
Rhythmen gespielt auf Instrumenten,<br />
die man im Jazz selten hört, möchte<br />
ein Duo das Publikum verzaubern: Marvin<br />
Dillmann mit dem Didgeridoo, dem Holz-<br />
Blasrohr der australischen Aborigines, und<br />
Daniel Bark auf Harmonium und Flügel.<br />
African Brass zum Auftakt und Einstieg<br />
Eine Formation mit einer ungewöhnlichen<br />
Geschichte wird für einen furiosen Auftakt<br />
sorgen: die „Bergische Brass Band“ ist<br />
2011 aus einer Begegnung von deutschen<br />
und kongolesischen Jugendlichen hervorgegangen.<br />
Unter der Leitung von Volker<br />
Eigemann, Susanne Strobel und Winfried<br />
Walgenbach werden die jungen Leute<br />
aus Wuppertal, Solingen, Remscheid und<br />
Schwelm Stücke von Abdulla Ibrahim<br />
(Dollar Brand) und solche aus dem Repertoire<br />
afrikanischer Brass-Bands spielen.<br />
Gefördert wird das Jazzmeeting seit einigen<br />
Jahren durch den Landesmusikrat vom<br />
Ministerium für Familie, Kinder, Jugend,<br />
Kultur und Sport des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen aufgrund der Tatsache, dass<br />
hier Profi s und Laienmusiker auf gleichen<br />
Bühnen zu gleichen Konditionen auftreten<br />
können. Dies war auch schon von Anbeginn<br />
die Intention der Festivalmacher, dass nicht<br />
nur unterschiedliche Musikstile, sondern<br />
auch immer Nachwuchsmusiker neben alten<br />
Hasen präsentiert werden und so oft ihre ersten<br />
Auftritte vor großem Publikum hatten.<br />
Karten: www.wuppertal-live.de<br />
weitere Infos unter: www.jazzmeeting.de<br />
10.<br />
wuppertaler jazzmeeting 26.10.‘12<br />
bergische brass band bergische jugendliche und afrikanisches<br />
feeling // peter brötzmann & ensemble Q unter leitung von mathias goebel //<br />
lieblingstrio back to the hammond // patrick salmen slam poetry // daniel<br />
bark & marvin dillmann klangreise mit dem didgeridoo // maceedo groove<br />
square brazilian roots // meet’n jazz kollektiv zum höhepunkt //<br />
das pferd ten years after<br />
cafe ada<br />
wiesenstr. 6<br />
wuppertal-elberfeld<br />
einlass 19 uhr<br />
beginn 19.30 uhr<br />
eintritt 20 / (erm. 13)<br />
vorverkauf 15 / (erm. 9)<br />
über:<br />
www.wuppertal-live.de<br />
info:<br />
www.jazzmeeting.de<br />
25
26<br />
Ein Nachruf von Magdalene Zuther<br />
Der Wuppertaler Fotograf Dennis<br />
Scharlau verstarb Anfang Juli kurz vor<br />
seinem 32. Geburtstag in Wuppertal.<br />
Die Nachricht über seinen plötzlichen<br />
Tod hat alle, die ihn kannten, fassungslos<br />
zurückgelassen.<br />
Dennis Scharlau war ein Mensch<br />
mit vielen Ideen und Begabungen.<br />
Wenn er sich einer Sache widmete,<br />
dann mit ungebremster Leidenschaft<br />
und Hingabe.<br />
Nach einem anfänglichen Studium<br />
hatte er Fotografi e bei Wolf Birke im<br />
Wuppertaler Luisenviertel gelernt.<br />
Danach widmete er sich viele Jahre<br />
sehr erfolgreich der Bühnenfotografi<br />
e. Besonders Musiker aus dem Jazz<br />
hatten es ihm angetan: Hans Reichel,<br />
Audry Chen, Peter Brötzmann,<br />
Günter „Baby“ Sommer, das Alexander<br />
von Schlippenbach Trio, Wolfgang<br />
Schmidtke, Maik Ollhoff, Alvin Queen<br />
und viele mehr hatte er in den letzten<br />
Jahren abgebildet. Aber auch anderen<br />
Stilen und Kunstsparten wendete er<br />
sich zu. Hörte oder las man seinen Namen,<br />
begegnete man ihm im Kontext<br />
vieler namhafter Projekte in Wuppertal:<br />
OLGA, ein Raum für Kunst, den<br />
er mit dem Maler, Tänzer und Choreographen<br />
Milton Camillo in der Wuppertaler<br />
Nordstadt aufgebaut hatte,<br />
gehörte ebenso dazu wie die Konzertreihe<br />
KlangArt, die E. Dieter Fränzel<br />
im Skulpturenpark von Tony Cragg<br />
Dave Tucker. Foto: Dennis Scharlau<br />
Dennis Scharlau<br />
Dennis Scharlau. Foto: Helmut Steidler<br />
Dennis Scharlau bei einem KlangArt-Konzert. Foto: K. H. Krauskopf<br />
kuratiert, das Wuppertaler Jazzmeeting,<br />
die Performance-Reihe „Sichtlaut“<br />
um den Tänzer und Choreographen<br />
Geraldo Si, das Ernst-Jandl-Festival<br />
„tohuwabohu“ und einiges mehr, das<br />
er fotografi sch begleitet hat.<br />
2007 waren seine Arbeiten in der<br />
Wuppertaler Galerie Epikur bei dem<br />
Gemeinschaftsprojekt NorngBoy von<br />
Dennis und der Tänzerin und Performance-Künstlerin<br />
Nusara Mai-ngarm<br />
zu erleben. 2010 gewann er mit einem<br />
Bild des britischen Gitarristen Dave<br />
Tucker den von einer internationalen<br />
Community für Foto und Video<br />
ausgetragenen Wettbewerb „photokina<br />
PIONEERS“ Als Fotograf begleitete<br />
er die Arbeit der Peter Kowald Gesellschaft<br />
seit ihrer Gründung. 2011<br />
präsentierte er dort im Rahmen der<br />
Ausstellung „7 Jahre Ort-Fotografi e“<br />
ein Bild der japanischen Jazzmusikerin<br />
Aki Takase, das er im April desselben<br />
Jahres während ihres Konzerts im Ort<br />
aufgenommen hatte.<br />
Nach einem zeitweiligen Rückzug<br />
von der Fotografi e und wechselnden<br />
Aufenthalten im Sauerland, in Wuppertal,<br />
Berlin und London kam er<br />
im letzten Jahr wieder in Wuppertal<br />
an. Seine Leidenschaft für den Film<br />
brachte ihn in das Cinema, einem<br />
traditionsreichen Programmkino in<br />
Wuppertal-Barmen. Dort arbeitete er<br />
im letzen Jahr und wollte das Filmvorführen<br />
lernen.
Der neue Pina Bausch Kalender<br />
mit Fotografi en von Jochen Viehoff<br />
Pina Bausch lebt! Die aktuellen Fotografi<br />
en von Jochen Viehoff im neuen Pina<br />
Bausch Tanztheater Wuppertal Kalender<br />
2013 blättern die überraschende Lebendigkeit<br />
auf, die in den weltweiten Aufführungen<br />
des Wuppertaler Ensembles auch<br />
drei Jahre nach dem Tod der berühmten<br />
Choreografi n noch auf die Bühne kommt.<br />
In den Szenenfotos zu Stücken wie Two<br />
Cigarettes in the Dark (1985) Água<br />
(2001), Nefés (2003), Sweet Mambo<br />
(2008), Bamboo Blues (2007) und …<br />
como el musguito en la piedra, ay si, si, si …<br />
(2009) richtet Viehoff den Fokus auf die<br />
überbordende Farbigkeit vor allem der<br />
jüngeren Stücke, auf die opulente Kleiderpracht<br />
der Tänzerinnen und die Intensität<br />
der Emotionen, die in den Soloszenen<br />
und Paarfi guren zum Ausdruck kommen.<br />
Vor allem die stark farbigen Fotografi<br />
en des Ensembles heben sich ab von den<br />
Momentaufnahmen einzelner Tanzfi guren,<br />
deren Ausdruckskraft vor dunklem<br />
Bühnengrund gesteigert wird. Eingebunden<br />
in die traumartigen Landschaften<br />
der Videoprojektionen präsentieren die<br />
Aufnahmen eine Feier des Lebens: Ausgelassenheit,<br />
Romantik, Kälte und Schmerz<br />
werden durch die wechselnden Farbwerte<br />
besonders eindringlich vermittelt. Mit<br />
seinem guten Gespür für Komposition<br />
und Licht rückt Viehoff in diesem Jahr<br />
einige Male mit der Kamera ganz nah<br />
an die Tänzer heran. Die bildfüllenden<br />
Figuren von Ditta Miranda Jasjfi und<br />
Fernando Suels Mendoza (Nefés) oder<br />
Julie Shanahan und Michael Strecker<br />
(Two Cigarettes in the Dark), verkörpern<br />
emphatisch die komplexen Gefühle im<br />
Verhältnis zwischen Mann und Frau, so<br />
dass der Eindruck zarter Intimität entsteht.<br />
Ohne Wehmut zeigen die Fotografi<br />
en, wie das Erbe von Pina Bausch auch<br />
nach ihrem Tod bis heute weiterlebt.<br />
Jochen Viehoff wurde am 15. Juni<br />
1968 in Wuppertal geboren. Seit 1996<br />
Zusammenarbeit mit dem Tanztheater<br />
Wuppertal von Pina Bausch. Von 1999<br />
bis 2005 künstlerisch - wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter an der Kunsthochschule für<br />
Medien Köln, seit Juni 2005 Kurator<br />
am Heinz Nixdorf Museums Forum in<br />
Paderborn.<br />
Pina Bausch-Kalender 2013<br />
Ditta Miranda Jasjfi (…como el musguito<br />
en la piedra, ay si, si, si…)<br />
Daphnis Kokkinos, Julie Anne Stanzak<br />
(Sweet Mambo)<br />
Buchveröffentlichungen u. a.: „Pina<br />
Bausch – Ein Fest. Fotografi en von Jochen<br />
Viehoff“ (2000), „Rheingold. Fotografi en<br />
von Jochen Viehoff“ (2004). „Es tut mir<br />
leid – Ein Novembertag in Berlin, Fotografi<br />
en von Jochen Viehoff “ (2006).<br />
Information: www.jochenviehoff.de<br />
Susanne Buckesfeld M. A.<br />
Julie Shanahan, Michael Strecker<br />
(Two Cigarettes in the Dark)<br />
Ditta Miranda Jasjfi , Fernando Suels<br />
Mendoza (Nefés)<br />
Der neue Pina Bauch Kalender von<br />
Jochen Viehoff ist im <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Verlag<br />
erschienen und ab dem 15. Oktober über<br />
den Buchhandel zum Preis von<br />
18,90 Euro erhältlich.<br />
27
28<br />
Geschichte und Geschichten<br />
um ein rechteckiges Stückchen<br />
Karton<br />
Seit 142 Jahren gibt es in Deutschland<br />
Postkarten. Das immer größer werdende<br />
Angebot an originellen und lustigen Exemplaren<br />
dieses praktischen Vehikels zur kurzen<br />
Nachrichten- oder Grußübermittlung regt<br />
zu einer Betrachtung an.<br />
Schöne Post im Kasten!<br />
Schreib mal wieder!<br />
Mit diesem Slogan hat einst die Deutsche<br />
Bundespost, als sie noch nicht<br />
zum geldgierigen Kommerzbetrieb Post<br />
AG umgestaltet worden ist, jahrelang<br />
versucht, Sie und mich dazu zu bewegen,<br />
ein paar Zeilen zu Papier zu bringen<br />
und ordentlich adressiert und frankiert<br />
- natürlich mit dem Monopo listen Post<br />
- zur Freude des Empfängers und der<br />
Staatskasse zu verschicken. Lange Zeit<br />
ging das auch gut. Aber die Briefkultur,<br />
die nach Matthias Claudius, Schiller und<br />
Goethe bei Gottfried Keller, Theodor<br />
Storm und Eduard Mörike, später bei<br />
Hermann Hesse und Thomas Mann zu<br />
neuer Hochblüte gelangt war, kam von<br />
Jahr zu Jahr mehr zum Erliegen. Erste<br />
Verluste fügte früh der Fernsprechapparat<br />
der Briefpost zu, das "Fräulein vom<br />
Amt" ver knüpfte schneller, als es der<br />
Briefträger schaffte. Schließlich konnte<br />
man gar selber wählen ("Wähle 333 auf<br />
dem Telefon, wähle 333 und du hast<br />
mich schon...“ - O-Ton Graham Bonney),<br />
heutzutage bis in den hintersten<br />
Winkel der Mongolei und wenn man<br />
will, mit dem Mobiltelefon von jedem<br />
Platz der Welt, ob Klo oder Linienbus<br />
(„Ich bin hier grad' in der Linie 733<br />
am Borsigplatz - ich fahr noch nachem<br />
ALDI, dann komm ich zu Hause", teilt<br />
jeder Schwachkopf den Mitreisenden<br />
und seinem Telefonpartner heutzu tage<br />
mit).<br />
Elektropost<br />
Dann der nächste Schlag ins Gesicht des<br />
anständigen und aufs Briefaufkommen<br />
angewiesenen Zustellers: Fax! Häßliche<br />
Billigkopien von der Endlosrolle spie mit<br />
einem Mal der an den Fern sprechapparat<br />
angeschlossene Impulsnehmer aus, und<br />
kaum einen Atemzug später folgt noch<br />
Grausameres: beim Stichwort E-Mail<br />
(„Du, ich schau mal eben in meinen<br />
Account.") bricht Liebhabern von<br />
Tintenschrift auf weißem Papier der<br />
Schweiß aus, Tränen füllen ihre Augen<br />
und die jedes anständigen Postboten,<br />
und Hersteller von Briefkuverts träumen<br />
von besseren Zeiten. Hausbriefkästen<br />
enthalten nicht mehr den berühmten<br />
duftenden Umschlag mit der „blaßblauen<br />
Frauenhandschrift“, sondern Berge<br />
unerwünschter Werbesendungen, die<br />
dem Postboten die Freude am Zustellen<br />
nehmen. Von den erotisches Glück und<br />
günstige Geldanlagen verheißenden<br />
SPAM-Fluten mal ganz zu schweigen.<br />
Mit all diesen begrenzt praktischen<br />
Neue rungen geht natürlich der Hang<br />
zur Faulheit einher - oder war es umgekehrt?<br />
Ist die Denk- und Schreibfaulheit<br />
derer, die das Verfassen umfänglicher<br />
und inhaltsreicher Botschaften, den rituellen<br />
Vorgang des Umschlagbeschriftens<br />
und Aufklebens einer Briefmarke lieber<br />
vermeiden, der Grund? Schreibt denn<br />
niemand mehr?
Schauen wir mal zurück<br />
Banausen! schreit der Fühlende gequält<br />
auf und schaut sich nach Rettung um.<br />
Dabei steht die seit besagten 142 Jahren<br />
in Deutschland unauffällig in der zweiten<br />
Reihe bereit und zeigt sich für den Kurz-<br />
Mitteiler att raktiver und schillernder als je<br />
zuvor. Wir sprechen von der recht eckigen,<br />
aus festem Karton bestehenden Erfi ndung<br />
des Generalpost meisters Heinrich<br />
von Stephan, 1865 erstmals von ihrem<br />
Erfi nder der Postkonferenz der deutschen<br />
Staaten vorgeschlagen, 1869 in Österreich<br />
eingeführt und schließlich 1870 im<br />
Norddeutschen Postgebiet: der Postkarte<br />
des Weltpostvereins, anfangs Correspondenzkarte<br />
genannt.<br />
Das schlichte Stückchen Pappe wurde<br />
seitdem sehr gut angenommen und erfreut<br />
sich vor allem als Glückwunsch oder<br />
Urlaubsgruß ungebrochener Beliebtheit.<br />
Eine kurze Mit teilung sollte seinerzeit<br />
schnell den Empfänger erreichen und<br />
nicht viel kosten. Das klappte auch, denn<br />
über Jahrzehnte, bis weit ins 20. Jahrhundert<br />
konnte man für 5 Pfennige Porto innerhalb<br />
von 24 Stunden Nachrichten von<br />
Berlin nach Thorn, von Tübingen nach<br />
Hamburg oder von Lieberhausen nach<br />
Elberfeld expedieren – Absende- und<br />
Eingangsstempel belegen das. Innerhalb<br />
einer Stadt war die Übermittlung sogar<br />
vom Vor- bis zum Nachmittag garantiert:<br />
"Lieber Wilhelm, ich komme heute<br />
Nachmittag um 1/2 vier Uhr zum Kaffee<br />
bei Euch vorbei." Zustellung zweimal täglich.<br />
Gol dene Zeit! Mit viel Glück gelingt<br />
das heute innerhalb 1-2 Tagen, manchmal<br />
braucht´s aber auch eine Woche und<br />
kostet in jedem Fall 45 Cent.<br />
Eine Freude für Empfänger und Sammler<br />
Aber zurück zur Geschichte der Postkarte.<br />
War es einst eine schmucklose Mittei lung,<br />
entwickelte sich bald eine Kombination<br />
von Bild- und Text seite daraus: die Ansichtskarte.<br />
Aus dem Urlaub konnte man<br />
einen Wetter- und Stimmungsbericht<br />
schicken, kurz gefaßt natürlich, denn<br />
die andere Seite der Karte zeigte eine<br />
photographische An sicht des Urlaubsortes.<br />
Dort konnte man das Zimmerfenster<br />
des Hotels ankreuzen, hinter dem man<br />
faulenzte oder den Berg, den man tapfer<br />
29
30<br />
erklommen hatte. Gilt bis heute! Schnell<br />
kamen andere Themen- und Motivkreise<br />
dazu - Glückwunschkarten zu allen<br />
möglichen Anlässen, Scherzkarten und<br />
leider auch ungezählte Feldpostkarten.<br />
Mit vaterländischem Pathos, Wehmut<br />
und Galgenhumor wurde dem Untergang<br />
ins Auge geblickt. Schier unerschöpfl ich<br />
zeigte sich die Welt von Illustration, Idee<br />
und Motiv. Und weil der Mensch ein<br />
Wesen ist, das sehr über das Auge lebt<br />
und genießt, wurde bald erkannt, daß<br />
Absen der und Empfänger das Originelle<br />
und das Opulente zu schätzen wissen und<br />
ein Geschäft damit zu machen ist.<br />
Ein neues Steckenpferd entstand: das<br />
Sammeln von Postkarten. Die wurden in<br />
prächtige Alben gesteckt, nach Motiven<br />
und Serien sortiert und so sorgfältig aufbewahrt,<br />
daß viele davon zwei Weltkriege<br />
überdauert haben und im Nachhinein<br />
heute noch Freude machen können. Und<br />
weil das Sammeln nun mal eine Wissenschaft<br />
ist, gibt es dazu Kataloge, Untersuchungen<br />
und Sekundärliteratur.<br />
Mit Kitsch und viel Humor<br />
Die Fülle der angebotenen hübschen,<br />
ästhetischen, originellen, erotischen, witzigen<br />
und künstlerischen Bildpost karten<br />
ist mittlerweile nahezu unüberschaubar.<br />
Unzählige oft kleinste Verlage bringen<br />
herrlich komische oder wunderschöne<br />
Motive auf den Markt und man hat als<br />
Schreiber gar nicht genug Empfänger zur<br />
Hand, um all die spaßige Pracht an den<br />
Mann und die Frau zu bringen. Da gibt<br />
es die fotografi sche Satire, die originelle<br />
Visualisierung von Texten, die Karikatur<br />
und den Cartoon, die Kunstverfremdung,<br />
Weisheiten und kluge Sprüche und vieles,<br />
vieles andere. Ganze Kollektionen wurden<br />
von namhaften Illustratoren wie Loriot<br />
und Bernd Pfarr, Michael Sowa oder<br />
André Poloczek gestaltet. Mal ist das Kartenmotiv<br />
der Träger der Botschaft, dann<br />
wieder nur höherer Blödsinn, auf den<br />
sich Verlage wie Joker, Inkognito, Voller<br />
Ernst, Retro, Weltniveau und viele andere<br />
besonders gut verstehen.<br />
Daß es darunter natürlich auch Ausreißer<br />
gibt, liegt auf der Hand. Die fi ndet<br />
man dann (natürlich auch gesammelt)<br />
in Büchern wie „Boring Postcards“,<br />
"Langweilige Postkarten" oder „Bild der<br />
Heimat – Die Echt-Foto-Postkarten aus<br />
der DDR“. Es ist, glauben sie mir, höchst<br />
kurzweilig, sich aufmerksam auch solche<br />
Exemplare anzuschauen. Aber Vorsicht –<br />
macht süchtig!<br />
Tips, wo´s gratis ist<br />
In Kneipen, Cafés und Postämtern (Tip!)<br />
gibt es häufi g nette Gratis-Postkarten, die<br />
meist Werbebotschaften transportieren<br />
und kostenlos sind, z.B. "City-Cards"<br />
und "Edgar auf der Karte“ (lesen sie zu<br />
Edgar hier unseren Jubiläumsbericht).<br />
Meist im Format 10 x 15 cm gibt es eigentlich<br />
nichts, was es als Thema auf der<br />
Karte nicht gibt: dumme Sprüche, echte<br />
Kunst oder pure Reklame – meist aber<br />
originell. Im Zweifelsfall bastelt man sich<br />
fl ugs selber eine. Eigene Fotos sind beliebt.<br />
Nur ein paar Beispiele aus der Fülle<br />
können wir hier zeigen, als Anregung, die<br />
Postkartenständer in Buchhandlungen,<br />
Schreibwarengeschäften, Souvenirläden<br />
und Gra phik-Agenturen zu durchstöbern,<br />
die Beute zu beschriften, zu adressieren<br />
und ordentlich frankiert zur Freude der<br />
Empfänger und der Postboten auf den<br />
Weg zu bringen. Mir klingt noch der Ruf<br />
meines früheren Zustel lers Heribert B. im<br />
Ohr: "Komm runter, is' schöne Post im<br />
Kas ten!"<br />
Frank Becker<br />
Fotos: Archiv Musenblätter
Die Zahl verschickter Postkarten<br />
ging seit 1982<br />
um 715 Millionen Stück zurück<br />
Volkskundler untersuchen<br />
die Geschichte der Postkarten<br />
Die Postkarte auf dem Rückzug<br />
Volkskundler des Landschaftsverbandes<br />
Westfalen-Lippe haben die Geschichte<br />
der Postkarten untersucht. Die erste<br />
"Correspondenzkarte" wurde zum 1.<br />
Juli 1870 von der Postverwaltung des<br />
Norddeutschen Bundes eingeführt und<br />
hatte noch keine Bildmotive. „Postkarten<br />
stellten zunächst einmal ein kostengünstiges<br />
Medium für kurze Mitteilungen dar“,<br />
erklärte Anna Maria Löchteken kürzlich<br />
in Münster. Die Karte war nach ihren<br />
Angaben sofort „ein Verkaufshit“ und<br />
wurde in allen Bevölkerungsschichten<br />
schnell bekannt, als im Deutsch-Französischen<br />
Krieg 1870/71 die Feldpost-Korrespondenzkarte<br />
portofrei in die Heimat<br />
befördert wurde. Auch nach Kriegsende<br />
war die Beliebtheit ungebrochen, da nur<br />
die Hälfte des Briefportos zu entrichten<br />
war.<br />
Mit dem Aufkommen bebilderter Postkarten<br />
gewannen die Karte noch einmal<br />
an Popularität. Die ersten (selbst)-illustrierten<br />
Karten sind schon für das Jahr<br />
1870 bekannt, offi ziell wurden Ansichtskarten<br />
aber erst Mitte der 1890er Jahre<br />
von den Postverwaltungen zugelassen.<br />
Zuvor empfand man es als unangebracht,<br />
Karten mit Bildern zu verschicken. Da<br />
die Rückseite der Postkarte bis 1905 nur<br />
mit der Adresse beschriftet werden durfte,<br />
reichte der Platz auf der Bildseite kaum<br />
für mehr als einen kurzen Gruß.<br />
Ab der Jahrhundertwende gehörten<br />
Fotopostkarten fest zum touristischen<br />
Reiserepertoire, da breite Bevölkerungsschichten<br />
auf diese Weise in der Lage<br />
waren, ihren Urlaubsaufenthalt zu präsentieren.<br />
Der Schriftsteller Hans Fallada<br />
erinnerte sich an Ferien zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts und schrieb: „Ansichtspostkarten<br />
mußten geschrieben werden,<br />
an jeden erdenklichen Bekannten und<br />
Verwandten. Sie waren ein Beweis, daß<br />
man in einer Sommerfrische gewesen war,<br />
und im übrigen schickte sich dieser Gruß<br />
aus Ferientagen.“<br />
Die Postkarte hält sich schon über 140<br />
Jahre, hat aber in den vergangenen<br />
Jahrzehnten einen starken Einbruch zu<br />
verzeichnen. Wurden 1954 noch 920<br />
Millionen Karten verschickt und 1982<br />
noch 877 Millionen, haben Internet und<br />
Mobiltelefon zu einem drastischen Rückgang<br />
geführt. Nach Angaben der Deutschen<br />
Post beschränkt sich die Versendung<br />
privater Postkarten heute eher auf<br />
das Saisongeschäft im Sommer sowie zu<br />
Ostern und Weihnachten. Deutschlandweit<br />
wurden im vergangenen Jahr noch<br />
162 Millionen Postkarten verschickt.<br />
Andreas Rehnolt<br />
Fotos: Archiv Musenblätter<br />
31
32<br />
Gartendekorationen und Wohnaccessoires,<br />
Kunsthandwerk und<br />
Kunst für den Indoor- und<br />
Outdoorbereich bietet die<br />
Gärtnerei Wierzba auf ihrem<br />
3.000 Quadratmeter großen<br />
Gelände an der Oberbergischen<br />
Straße 44 in Wuppertal:<br />
Ein ideales Areal, um unter dem<br />
Firmenmotto „Pfl anzen und Kunst“<br />
über die üblichen Dimensionen<br />
von grünen und blühenden<br />
Gewächsen aller Art hinaus zu gehen.<br />
Die Gärnerei Wierzba verbindet<br />
das Thema Garten mit dem Thema<br />
(Objekt)Kunst – und schafft auf<br />
diese Weise neue Räume.<br />
Räume draußen – aber ebenso auch<br />
Räume im Inneren eines Hauses,<br />
die mit dem Garten vor den<br />
Fenstern in enger Verbindung<br />
stehen.<br />
Deko-Details und kleines Schönes<br />
Doch „Pfl anzen und Kunst“<br />
bietet nicht nur „große“ Kunst,<br />
sondern ist auch im Segment<br />
Kunstgewerbe und kleinerer<br />
Kunstgegenstände stark:<br />
Außergewöhnliches Schiefertafel-Geschirr,<br />
nicht alltägliches<br />
Tischzubehör sowie saisonunabhängige<br />
Deko-Details<br />
erweitern das Spektrum der<br />
Gärtnerei, mit der Bernd-Ulrich<br />
Wierzba im März 2010 schon<br />
25-jähriges Firmenjubiläum feiert,<br />
um zahlreiche Facetten.<br />
Die Gärtnerei Wierzba „Pfl anzen und Kunst“ hilft Ihnen, Ihren Lebensraum zu vergrößern<br />
und zu einer individuellen Einheit zu verschmelzen:<br />
Heben Sie mit uns die Grenzen von „drinnen“ und „draussen“ auf, holen Sie sich die Natur ins<br />
Haus und machen Sie Ihren Garten zu Ihrem ganz persönlichen „Wohlfühl Wohnbereich“!<br />
Pfl anzen und Kunst<br />
Bernd-Ulrich Wierzba<br />
42285 Wuppertal, Oberbergischen Straße 44<br />
Telefon 0202 - 88 084<br />
info@pfl anzen-und-kunst.de
Glückwunsch, Edgar<br />
20 Jahre Edgar-Karten aus<br />
Hamburg<br />
Wer kennt ihn nicht? Edgar, den Mann<br />
mit dem markanten Kinn, dem Balken<br />
über den Augen und der Shag-Pfeife im<br />
Mundwinkel. Edgar-Karten sind aus<br />
Szene-Bars, Kneipen und Cafés nicht<br />
mehr wegzudenken, wenn auch vielenorts<br />
die Kartenständer nach kurzer Zeit schon<br />
leergeräumt sind und dann wochenlang<br />
sehr traurig aussehen. Edgar wartet<br />
mit frechen, hin und wieder auch recht<br />
derben Sprüchen auf, gibt sich aufmüpfi<br />
g, laut, jung, mitunter ein bißchen<br />
wild - und macht Reklame. Denn das<br />
ist die Seele des Geschäfts: Werbung<br />
über Gratis-Postkarten auffällig und<br />
vielfach künstlerisch zu transportieren.<br />
Automarken und Fernsehserien, neue<br />
Kinofi lme und Körperpfl ege, Kondome<br />
und Online-Dienste werden beworben.<br />
Kneipengänger lieben und sammeln die<br />
attraktiven Karten – und die wenigen,<br />
die heute noch „handgemachte“ Post verschicken,<br />
freuen sich, daß sie zum einen<br />
keine Karte kaufen müssen, zum anderen,<br />
daß die angepeilte Botschaft oft schon<br />
mitgeliefert wird. Jetzt feiert Edgar seinen<br />
20. Geburtstag.<br />
Aus der ungewöhnlichen Geschäftsidee,<br />
mit einer attraktiven und dazu kostenlosen<br />
Postkarte dennoch Geld zu verdienen,<br />
wurde eine beachtliche Erfolgsstory.<br />
1992 wurde der Gedanke in einer<br />
Hamburger Kneipe geboren und „Edgar“<br />
getauft, abgeleitet von der „Ad-Card“<br />
(engl. Advertising Card). Das Besondere:<br />
Edgar-Karten verbinden Kunst, Kommerz<br />
und Kommunikation und in vielen<br />
Fällen sehr originell miteinander. Meist<br />
ist der spontane Lacher, den die Botschaft<br />
auslöst, der Kontaktfunke. Mit den<br />
Einnahmen aus den Werbekarten wird<br />
u.a. junge Kunst gefördert und ebenfalls<br />
wieder im Postkartenformat mit dem<br />
Edgar-Logo verteilt – ebenso gratis, versteht<br />
sich. Konsequent geführt eroberte<br />
die Edgar-Idee die Szene-Kneipen-Welt<br />
der Republik - 1996 kamen erste Plakate<br />
dazu und seit 1997 ist Edgar im Internet.<br />
Auf www.edgar.de wurde damals die<br />
erste E-Card (elektronische Grußkarte)<br />
verschickt. Andere Unternehmen mit<br />
ähnlicher Konzeption (wie z. B. City<br />
Card) drängten auf den Markt und eroberten<br />
nicht unerhebliche Anteile, doch<br />
trotz dieser Konkurrenz und der Krise in<br />
der Werbebranche im Jahr 2000 konnte<br />
Edgar glücklicherweise überleben - keine<br />
Edgar-Karten mehr zu fi nden, wäre für<br />
viele eine mittlere Katastrophe gewesen -<br />
und begründete auf edgar.de im Internet<br />
eine Online-Community.<br />
2006 wurde eine magische Zahl erreicht:<br />
Eine Milliarde Edgar-Karten wurden<br />
bis dahin verteilt, in der Gastronomie,<br />
aber auch in Geschäften für junge Mode,<br />
Fitness-Studios und sogar in Schulen. In<br />
der Werbewelt sind Edgar-Karten längst<br />
zum „Klassiker“ mit Kultstatus avanciert.<br />
Edgar gehört für viele Unternehmen der<br />
unterschiedlichsten Branchen einfach zu<br />
einer kreativen Werbekampagne. Nicht<br />
nur als „normale“ Postkarte auf dem<br />
üblichem Karton, auch als Spiegelkarte,<br />
3D-Karte, Wechselbildkarte, Duftkarte<br />
oder sogar Blechkarte werben Edgar-<br />
Karten für unterschiedlichste Produkte<br />
und Dienstleistungen. Neben seinem<br />
künstlerischen Engagement unterstützt<br />
Edgar soziale Kampagnen und ist lobenswerterweise<br />
in der Hamburger Szene u. a.<br />
als langjähriger Sponsor des FC St. Pauli<br />
– eines der wenigen noch wirklich echten<br />
Fußballvereine aktiv. Fußball ist ohnehin<br />
ein Thema, dem sich Edgar recht liebevoll<br />
gewidmet hat.<br />
Edgar stellt sich einer selbst gewählten<br />
Herausforderung für die nächsten Jahre:<br />
Neue Trends setzen, ohne dabei Toleranz,<br />
Kreativität und Menschlichkeit zu verlieren.<br />
Wenn das kein hehres Ziel ist! Also:<br />
noch einmal „Glückwunsch zur 20“ und<br />
toi, toi, toi für die Zukunft!<br />
Frank Becker<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.edgar.de<br />
33
34<br />
Dolce far niente<br />
am gelben Schloss in Vohwinkel<br />
Barocker Sehnsuchtsort:<br />
Schloss Lüntenbeck (Foto: Esther Hildebrandt)<br />
Stille Tage in der Lüntenbeck<br />
Orte gibt es, an denen die Uhren anders<br />
ticken. Orte, die aus dem Kontinuum<br />
unserer täglichen Verrichtungen fallen.<br />
Gefährliche Orte sind dies. Denn man<br />
kommt von ihnen nur schwerlich los.<br />
Gut also, dass das Restaurant im Schloss<br />
Lüntenbeck in Wuppertal-Vohwinkel feste<br />
Öffnungszeiten hat. Man könnte hier<br />
sonst ewig verweilen. Zumal im Sommer,<br />
wenn es sich auf der Terrasse, unter der alten<br />
Marone im Schlosshof, ein Genießerpublikum<br />
versammelt, das die Pause vom<br />
Alltag sichtlich und ausgiebig genießt.<br />
Wozu das Speisen- und Weinangebot<br />
von Pilkens im Schloss Einiges beiträgt.<br />
Spanferkelbäckchen an einer Trüffeljus<br />
auf mediterranem Kartoffelstampf<br />
entwickeln in der milden Spätsommerluft<br />
vor der Kulisse des barocken Herrensitzes<br />
Lüntenbeck einen authentischen<br />
Landhauscharme – ohne das Schischi der<br />
Lifestyle-Hochglanzmagazine. Welche Erholung<br />
von brüllend heißen Augusttagen<br />
und den Aufgeregtheiten der Welt!<br />
Jürgen Tschuschke, Patron von Pilkens im<br />
Schloss, hat sich lange mit der 800-jährigen<br />
Geschichte von Schloss Lüntenbeck<br />
beschäftigt. „Ein Rundgang durch die<br />
Anlage und ihre Gebäude ist eine faszinierende<br />
Zeitreise. Viele Epochen haben<br />
hier ihre Spuren hinterlassen – Spuren,<br />
die vom jeweiligen Zeitgeist berichten.“<br />
Zum Beleg führt uns Jürgen Tschuschke<br />
in das schlossartige Herrenhaus mit<br />
seinen drei markanten Giebeltürmchen.<br />
Das ist sein Reich – das Restaurant<br />
Pilkens im Schloss. Hinter der schweren,<br />
hochbarocken Eingangstür öffnet sich<br />
die Diele. Eine eichene Nageltür aus der<br />
Entstehungszeit des Gebäudes führt in die<br />
Küche; zum Herrenzimmer links öffnet<br />
der Gast eine Tür in fl oralem Jugendstil.<br />
Gegenüber geht´s in Kaminzimmer<br />
– durch ein Rokoko-Portal. Jürgen<br />
Tschuschke hat Recht: Es ist dieser über<br />
die Zeiten gewachsene Stilmix, der die<br />
Verführungskraft von Schloss Lüntenbeck<br />
ausmacht. Das ganze Anwesen atmet<br />
Geschichte – und lässt vielleicht deshalb<br />
die Uhren anders ticken.<br />
Küchenmeister Tschuschke macht<br />
sich seinen kulinarischen Reim auf<br />
den Eklektizismus seines Domizils. Er<br />
präsentiert nunmehr seit etwas mehr als
einem Jahr eine Landhausküche, die das<br />
Rustikale nicht scheut und doch über<br />
den Tellerrand blickt und der guten, alten<br />
bürgerlichen Küche mit Anleihen aus den<br />
Rezeptbüchern Asiens und den Ländern<br />
rund um Mittelmeer auf die Sprünge<br />
hilft. Der Kalbsrücken kommt hier zum<br />
Beispiel mit Gorgonzola überbacken aus<br />
der Küche – auf Blattspinat mit Tomaten-<br />
Sugo und Gnocchi. Die Barbarie-Entenbrust<br />
wird, zart rosa gebraten, von einem<br />
köstlichen Orangen-Graupen-Risotto<br />
und einem knackigen Pak-Choi-Gemüse<br />
begleitet.<br />
In der Küche von Pilkens im Schloss<br />
geht vieles zusammen, was auf den ersten<br />
Blick unvereinbar erscheint: Deutschland<br />
mit Asien, Italien mit dem Libanon –<br />
einem noch weitgehend unbekannten<br />
Refugium der ambitionierten Aromaküche.<br />
Tschuschke und sein Küchenteam<br />
verbinden die scheinbar widersprüchlichen<br />
Traditionen, indem sie sich auf<br />
gutes altes Kochhandwerk besinnen.<br />
„Bei uns kommt nichts aus der Tüte.<br />
Convenience-Produkte lehne ich ab.<br />
Wir ziehen jeden Fond und jede Sauce<br />
selbst – von Grund auf“, sagt der Meister,<br />
der sich seine Meriten unter anderem in<br />
der luxemburgischen Sternegastronomie<br />
verdiente.<br />
Es ist kein Zuckerschlecken, in einer Stadt<br />
wie Wuppertal mit ihren Strukturproblemen<br />
ein Restaurant der gehobenen<br />
Kategorie zu betreiben. Das weiß auch<br />
Johannes Dinnebier, ohne den es die<br />
einzige Wuppertaler Schlossanlage heute<br />
vermutlich nicht mehr gäbe. Dinnebier,<br />
Selfmademan, Visionär und Licht-Avantgardist<br />
von Weltruhm, übernahm das<br />
weitgehend verfallene Anwesen 1971 von<br />
der Stadt und begann mit der Restaurierung<br />
der Gebäude. Ein Kraftakt, in den<br />
der Unternehmer über die Jahrzehnte<br />
neben erheblichen fi nanziellen Mitteln vor<br />
allem eines steckte: Leidenschaft für seine<br />
Idee von einem Ort, an dem sich Historie<br />
und Moderne – jenseits von musealer<br />
Verklärung – begegnen können. Diese<br />
Vorstellung hat nicht nur das Restaurierungskonzept<br />
geprägt, sondern schlägt<br />
sich auch in der heutigen Nutzung der<br />
verschiedenen Gebäude nieder. Neben der<br />
Manufaktur Dinnebier Licht beherbergt<br />
Kochhandwerker: Patron Jürgen Tschuschke (Foto: Michael Schumacher)<br />
Landhausküche als Augenschmaus (Foto: Esther Hildebrandt)<br />
Auf ein Glas unter der alten Marone... (Foto: Freistil)<br />
35
36<br />
Behaglich, nicht verschnuckelt: das Restaurant (Foto: Freistil)<br />
Terrassenfreuden am Nachmittag (Foto: Esther Hildebrandt)
die Schlossanlage Arztpraxen, verschiedene<br />
Ateliers, einen Weinhandel, ein Yoga-<br />
Institut, eine Immobilienagentur – und<br />
eben das Restaurant Pilkens im Schloss.<br />
Jürgen Tschuschke: „Johannes Dinnebier<br />
hat mit der Erhaltung von Schloss Lüntenbeck<br />
eine Großleistung vollbracht. Ich<br />
freue mich als Wuppertaler, mit meinem<br />
Restaurant einen Beitrag zu diesem Projekt<br />
leisten zu dürfen.“<br />
Das „Projekt“ erlebt der Besucher von<br />
Schloss Lüntenbeck als ein Idyll wie aus<br />
einer anderen Zeit. Ein kleiner Spaziergang<br />
führt vorbei an stillen Teichen, auf<br />
denen Seerosen blühen, und weiter hinauf<br />
auf den Lüntenberg mit seinem alten<br />
Baumbestand. Der Blick auf das Schloss<br />
unten im Tal lässt verstehen, was Johannes<br />
Dinnebier vor vier Jahrzehnten bewog,<br />
diesen Ort vor dem Untergang zu bewahren:<br />
„Ich sah das Schloss erstmals in einer<br />
verschneiten Winternacht – und war sofort<br />
verzaubert.“<br />
So ergeht es wohl manchem Besucher.<br />
Und so erging es auch Jürgen Tschuschke.<br />
„Das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt<br />
er heute. Und wie es in der Liebe so geht,<br />
kommt mit der Zeit das Verstehen. Das<br />
Verständnis dafür, wie im Laufe der vielen<br />
Generationen dieser Ort zu dem wurde,<br />
was er heute ist. Wie aus einem alten Rittergut<br />
zunächst ein Hof des Damenstiftes<br />
Gerresheim und schließlich ein landwirtschaftlicher<br />
Betrieb mit wechselnden Besitzern<br />
wurde. Wie die Zeit Verluste forderte<br />
– durch Krieg, Brände und den Unverstand,<br />
dem nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
noch die alte Mühlenanlage zum Opfer<br />
fi el. Wie sich adelige Besitzer im frühen 17.<br />
Jahrhundert ein Denkmal setzten, indem<br />
sie der Anlage die bis heute prägende barocke<br />
Gestalt gaben. Und wie das Adelsgut<br />
für die Bauern in der Umgebung über viele<br />
Jahrhunderte schicksalsprägend gewesen<br />
ist. Diese Zeiten sind vorbei. „Stille Tage in<br />
der Lüntenbeck“ sind heute ein ganz und<br />
gar bürgerliches Vergnügen, das Pilkens im<br />
Schloss mit einer erfreulich unprätentiösen<br />
Küche adäquat begleitet.<br />
Die Sonne versinkt hinter dem alten Wald<br />
über dem Schloss. Ein letztes Glas von<br />
diesem wunderbaren Riesling aus dem<br />
Weingut Odinstal. Am Nachbartisch<br />
F. W. Kernekamp überm Kamin: der Trausaal (Foto: Freistil)<br />
Stiller Wintertag in der Lüntenbeck (Foto: Freistil)<br />
zitiert ein Gast Gottfried Benn: „Aber<br />
Abende gab es, die gingen in den Farben<br />
des Allvaters.“ Drinnen im Restaurant wird<br />
der Kamin entzündet.<br />
Die wechselvolle Geschichte von Schloss<br />
Lüntenbeck hat Antonia Dinnebier in<br />
dem Bändchen „Grüne Meile Lüntenbeck“<br />
dokumentiert. Das Buch ist in der<br />
Edition Köndgen erschienen.<br />
Michael Schumacher<br />
Pilkens im Schloss<br />
Schloss Lüntenbeck<br />
Wuppertal-Vohwinkel<br />
Telefon 0202 - 26 477 100<br />
www.pilkens-im-schloss.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mittwochs bis Sonntags, 11 bis 23 Uhr<br />
37
38<br />
M - E A T<br />
H A U T E C U I S I N E<br />
I N V E R T R A U T E R<br />
U M G E B U N G<br />
P R I V A T E C O O K I N G<br />
Sie möchten nicht selber das Essen zubereiten und<br />
sich mit den Weinen und sogar der Tischdekoration<br />
beschäftigen, sondern einfach mit Ihren Gästen<br />
genießen und Spaß haben?<br />
Wenn ja, sehr gerne, ich stehe für Sie bereit!<br />
M-EAT – Der Name ist Programm.<br />
Sie treffen sich (meet) mit Ihren Gästen und essen<br />
gemeinsam (eat), um mehr brauchen Sie sich nicht<br />
zu kümmern.<br />
Meine Philosophie:<br />
„Exclusiv entspannt genießen.“<br />
Gordon Berning<br />
In der Fleute 33 · 42389 Wuppertal<br />
T 0202 - 26514 - 14 · M 0173 - 7445968<br />
Mail@m-eat-private-cooking.de<br />
www.m-eat-private-cooking.de
Bundeskunsthalle Bonn<br />
Noch bis zum 6. Januar 2013<br />
PIXAR – 25 Years of Animation bringt<br />
die Geschichten, Charaktere und Welten<br />
aus den Animationsfi lmen wie Findet<br />
Nemo, Ratatouille, Das große Krabbeln<br />
oder Cars nach Bonn. Erstmalig<br />
in Deutschland werden mehr als 500<br />
Exponate zur Entstehung der computeranimierten<br />
Spielfi lme aus den Pixar Animation<br />
Studios als Kunstausstellung präsentiert.<br />
Den Besucher erwarten Skizzen,<br />
Grafi ken, Farbzeichnungen und Skulpturen,<br />
ergänzt um eine Vielzahl an Monitoren,<br />
Projektionen und Touchscreens, die<br />
einen Einblick in die Kunstfertigkeit und<br />
den Schaffensprozess geben.<br />
Kuratorin<br />
Elyse Klaidman<br />
Ausstellungsleitung<br />
Dr. Angelica Francke und Ulrich Best,<br />
Kunst- und Ausstellungshalle der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
F32_TS, Bob Pauley<br />
Woody und Buzz, Toy Story, 1995<br />
Filzstift- und Bleistiftreproduktion<br />
© Disney/Pixar FIGUREN<br />
PIXAR – 25 Years of Animation<br />
PIXAR – 25 Years of Animation bringt<br />
die Geschichten, Charaktere und Welten<br />
aus den Animationsfi lmen wie Findet<br />
Nemo, Ratatouille, Das große Krabbeln<br />
oder Cars nach Bonn. Erstmalig<br />
in Deutschland werden mehr als 500<br />
Exponate zur Entstehung der computeranimierten<br />
Spielfi lme aus den Pixar Animation<br />
Studios als Kunstausstellung präsentiert.<br />
Den Besucher erwarten Skizzen,<br />
Grafi ken, Farbzeichnungen und Skulpturen,<br />
ergänzt um eine Vielzahl an Monitoren,<br />
Projektionen und Touchscreens, die<br />
einen Einblick in die Kunstfertigkeit und<br />
den Schaffensprozess geben.<br />
Pixar, heute zur Walt Disney Company<br />
gehörend, begann im Jahr 1986 mit<br />
Kurz- und Werbefi lmen. 1995 revoluti-<br />
onierte das Unternehmen mit Toy Story,<br />
dem ersten vollständig computeranimierten<br />
Film, das Genre Trickfi lm. Mehr<br />
als 40 Millionen Kinobesucher haben<br />
die zwölf großen Spielfi lme seither in<br />
Deutschland gesehen, im Sommer 2012<br />
kommt ein weiterer in die Kinos:<br />
Merida – Legende der Highlands.<br />
PIXAR – 25 Years of Animation ist<br />
eine Kunstausstellung, deren Arbeiten<br />
aus Filmwerkstätten kommen. Sie bietet<br />
die Gelegenheit, einen Blick hinter die<br />
Kulissen der Filmemacher zu werfen, da<br />
die Studios für die Öffentlichkeit nicht<br />
zugänglich sind. In den Pixar-Studios in<br />
Emeryville nahe San Francisco entsteht<br />
ein Film zunächst in den als traditionell<br />
angesehenen Methoden durch Zeichnung,<br />
39
40<br />
PXR3006, Harley Jessup, Farbstudie zu<br />
Ratatouille, 2007, Digital © Disney/Pixar<br />
Daniel_04.19.07.02, Daniel Up. 2009,<br />
Gouache © Disney/Pixar<br />
Malerei, Pastellmalerei und Modellieren.<br />
Im weiteren Prozess werden die Charaktere<br />
am Computer digital umgesetzt. Der<br />
Besucher wird in der Ausstellung keine<br />
fertige Filmszene, das Endprodukt, sehen,<br />
sondern Skizzen, Grafi ken, Farbzeichnungen<br />
und Skulpturen vorfi nden:<br />
erste, mit dem Filzstift skizzierte Ideen<br />
zu Filmfi guren, Farbkreidezeichnungen<br />
von Landschaften oder Städten, in denen<br />
sich die Handlung abspielt, plastische<br />
Modelle, sogenannte Maquetten, die für<br />
die Figurenentwicklung einen intensi-<br />
veren Eindruck ihrer dreidimensionalen<br />
Erscheinung geben und so die Weiterarbeit<br />
erleichtern. Auch Colorscripts, großformatige<br />
Farbzeichnungen, die ganze Szenen<br />
zusammenfassen und auf einen Blick<br />
die Farbstimmung des gesamten Films<br />
offenbaren, werden präsentiert. Von John<br />
Lasseter, dem kreativen Kopf von Pixar,<br />
stammt der Kernsatz, dass Pixar-Filme aus<br />
drei wesentlichen Elementen bestehen,<br />
aus „World“, „Character“ und „Story“:<br />
den Welten, in denen der Film spielt, den<br />
handelnden Figuren und den Geschichten,
die erzählt werden. Daraus gehen auch die<br />
drei Hauptkapitel der Ausstellung hervor,<br />
die eine Vielzahl von Monitoren, Projektionen<br />
und Touchscreens bereithält, um<br />
Filmelemente plastisch darzustellen oder<br />
Zusatzinformationen zu geben.<br />
Zu den Höhepunkten der Präsentation<br />
zählen das „Artscape“ und das „Zoetrop“.<br />
Das „Artscape“ ist ein Kinoraum, in dem<br />
auf einer breiten Leinwand ein Film über<br />
Pixars Welten in HD-Qualität mit Dolby<br />
Surround und Ambient Light zu sehen ist.<br />
Dafür wurden Originalzeichnungen und<br />
-gemälde aus verschiedenen Filmen digital<br />
zum Leben erweckt und mit Sounddesign<br />
versehen. Der Film wurde eigens für die<br />
Ausstellung konzipiert. Das „Zoetrop“ ist<br />
ebenfalls eine für die Ausstellung entwickelte<br />
Installation, die auf die Prinzipien<br />
der Animation vor der Erfi ndung des Films<br />
zurückgreift. Eine Art dreidimensionales<br />
Daumenkino zeigt auf immer kleineren,<br />
konzentrisch übereinander liegenden Scheiben<br />
verschiedene Figuren aus den Filmen<br />
Toy Story und Toy Story 2, die alle in einer<br />
anderen Haltung angeordnet sind. Bei<br />
F171_TS3 – James Robertson,<br />
Feuereffekte von Andrew Jimenez<br />
Storyboard: Müllverbrennungsanlage<br />
Toy Story 3, 2010, Digitalzeichnung<br />
© Disney/Pixar STORY<br />
Ausstellungsansicht, Foto: David Ertl<br />
© Kunst- und Ausstellungshalle der<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
schneller Umdrehung und Stroboskoplicht<br />
entsteht somit für das menschliche Auge die<br />
Illusion, dass sich die Figuren bewegen.<br />
Öffnungszeiten<br />
Di und Mi: 10 bis 21 Uhr,<br />
Do bis So: 10 bis 19 Uhr<br />
Fr für Gruppen ab 9 Uhr geöffnet,<br />
Mo geschlossen<br />
www.bundeskunsthalle.de<br />
41
42<br />
Hermann Schulz<br />
Hermann Schulz, Schriftsteller, Weltreisender<br />
und Verleger, wurde 1938 als Sohn eines<br />
deutschen Missionars im tansanischen Nkalinzi<br />
geboren und wuchs im Wendland und<br />
am Niederrhein auf. Nach einer Buchhändlerlehre<br />
arbeitete er zunächst im Bergbau.<br />
Anschließend führten ihn Reisen in mehr als<br />
sechzig Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas<br />
und des Vorderen Orients. Seit 1960 lebt<br />
Hermann Schulz in Wuppertal und war von<br />
1967 bis 2001 Leiter des Peter-Hammer-<br />
Verlags, den er durch politische Literatur,<br />
Belletristik aus Lateinamerika und Afrika<br />
sowie ausgesuchte Kinder- und Jugendliteratur<br />
profi lierte. Zu seinen Entdeckungen<br />
zählen Autoren wie Ernesto Cardenal und<br />
Illustratoren wie Wolf Erlbruch. Für seine<br />
verlegerische Arbeit wurde ihm u. a. 1998<br />
die Hermann-Kesten-Medaille des PEN-<br />
Zentrums Deutschland verliehen.<br />
Quelle: www.literaturfestival.com/teilnehmer/autoren/2006/hermann-schulz<br />
Foto: Fritz Kohmann<br />
Wieder gelesen<br />
Ein Afrika-Versteher, ein Fabulierer von<br />
Rang und als Autor ein Spätberufener.<br />
Hermann Schulz war 60, als sein erster<br />
Roman erschien – seit 1998 sind insgesamt<br />
26 größere und kleinere Buchtitel erschienen.<br />
Zehn Jahre zuvor hatte er sich bereits an<br />
einem größeren Prosawerk versucht, an dem<br />
er drei Jahre schrieb, um dann festzustellen,<br />
dass der hoffnungslos überladene Text,<br />
gewissermaßen Hermann Schulz hoch zwei,<br />
ungenießbar sei. Dieses Manuskript gilbt<br />
immer noch vor sich hin.<br />
Sein in diesem Frühjahr wieder neu aufgelegtes<br />
Debüt, „Auf dem Strom“, stieß 1998 auf<br />
eine ausgesprochene positive Resonanz. Den<br />
Roman feierte die Wochenzeitschrift „Die<br />
Zeit“ als „erzählerische Kostbarkeit“. „Selten<br />
fi ndet man in der Jugendliteratur aus der<br />
Feder europäischer Autoren so genau ausgewogene<br />
Porträts von Schwarzafrikanern“,<br />
befand auch die „Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung“.<br />
Schulz, einem Vermittler zwischen den<br />
Kulturen Europas, Lateinamerikas und Afrikas,<br />
gelingt es, über Schwarze zu schreiben,<br />
ohne Kitsch zu produzieren, auf onkelhafte<br />
Weise „Partei“ für sie zu ergreifen oder, wie er<br />
etwa mit Blick auf Tanja Blixen sagt, „europäische<br />
Konfl ikte auf die afrikanische Bühne zu<br />
projizieren“. „Wir suchen dort keine Kultur,<br />
sondern schöne Strände und wilde Tiere“,<br />
weiß er aus langjähriger Beschäftigung mit<br />
literarischen Versuchen, sich dem schwarzen<br />
Kontinent zu nähern.<br />
In dem Roman, für den er im Jahr 2005<br />
den Prix des Lecteurs erhielt, schildert er<br />
die dramatische Floßfahrt eines deutschen<br />
Missionars und seiner schwer erkrankten<br />
Tochter Gertrud hin zu einem „europäischen<br />
Krankenhaus“, das, als die beiden dort<br />
eintreffen, gerade geschlossen wird. Doch der<br />
Gottesmann Friedrich Ganse wie das Kind<br />
sind realen Personen nachempfunden … und<br />
lernen wie Menschen im nichtfi ktionalen Leben.<br />
Vater und Tochter erleben auf ihrer dramatischen<br />
Fahrt viel Solidarität ihnen völlig<br />
unbekannter Menschen, und wenn Gertrud<br />
überlebt, verdankt sie das auch einem Heiler.<br />
Einem Scharlatan? „Sie waren mächtig,<br />
diese Zauberer, und Feinde der Missionare.<br />
So wie die Missionare Feinde der Zauberer<br />
waren“, heißt es in dem Buch, bei dessen<br />
Lektüre man vielfach lachen darf, etwa über<br />
die acht Kinder von Herrn Goldschmitt, die
im Herzen von Afrika in fehlerlosem Deutsch<br />
gemeinsam plärren: „Wir sind die Hoffnung<br />
Afrikas. Wir fürchten nur Papa und<br />
Mama und sonst nichts auf der Welt.“ Auch<br />
Goldschmitt ist einem Menschen nachempfunden,<br />
der tatsächlich gelebt hat.<br />
Die Feder, auch Tastatur geheißen,<br />
sträubt sich, Schulz‘ Prosa Jugendliteratur<br />
zu nennen, weil sie für Kinder und für<br />
Erwachsene verfasst ist, die mindestens so<br />
viel Gewinn beim Lesen verspüren wie ihre<br />
Nachkommen. Etwa beim Roman „Sonnennebel“,<br />
im Jahr 2000 erschienen und<br />
mit einem wunderschönen Schutzumschlag<br />
von Wolf Erlbruch versehen, den Schulz aus<br />
seiner langjährigen verlegerischen Arbeit beim<br />
Peter-Hammer-Verlag kennt. Ein fünfzehnjähriger<br />
Waise eckt ständig mit seiner<br />
Umgebung an, lässt so schnell niemanden<br />
an sich heran, frönt seiner Leidenschaft für<br />
Brieftauben (ein Hobby, über das man nicht<br />
nur im angehängten Glossar eine Menge<br />
erfährt) und erlebt auf eine anrührende Weise<br />
seine erste Liebe. Die Geschichte spielt am<br />
Niederrhein in den 1950er-Jahren. Das Buch<br />
hat Schulz dem Andenken an den Polizisten<br />
Johannes Dicksken, der auch im Roman so<br />
benannt ist, gewidmet, der in brauner Zeit<br />
Antifaschisten warnte, die mit einer unmittelbar<br />
bevorstehenden Durchsuchung durch die<br />
Gestapo rechnen mussten. Als schicksalhaft<br />
erweisen sich für Freddy Halstenbach jedenfalls<br />
ein „blöder Lehrer mit seiner mageren<br />
Tochter“. Mehr sei an dieser Stelle nicht<br />
verraten.<br />
Vor dem Freundeskreis des Instituts für<br />
Jugendbuchforschung der Goethe-Universität<br />
Frankfurt am Main hat der Weltenbummler<br />
Schulz, übrigens lange Jahre mit der Wuppertaler<br />
Bürgermeisterin gleichen Namens<br />
verheiratet, in einem längeren Vortrag sein<br />
Leben Revue passieren lassen. Die Rede ist als<br />
Broschüre erschienen und kann beim Freundeskreis<br />
gegen eine kleine Gebühr bezogen<br />
werden. Dort beschreibt er auch sein erstes<br />
Zusammentreffen mit Johannes Rau, der seinerzeit<br />
den auf die Herausgabe von Traktätchen<br />
und „Erbauungsliteratur“ spezialisierten<br />
Verlag leitete. Das erste Zusammentreffen<br />
erwies sich als leicht spannungsgeladen. Der<br />
sich schnell anbahnenden Freundschaft hat es<br />
keinen Abbruch getan.<br />
Unsere Kulturförderung<br />
ist gut für die Sinne.<br />
Schulz wohnt in dem Haus, das ehedem<br />
Ruth und Willi Dirx gehörte, mit dessen<br />
Sohn Axel, dem langjährigen IG-Metall-<br />
Bevollmächtigten und späteren Wuppertaler<br />
Landtagsabgeordneten, er noch immer<br />
verbunden ist. Zu seinen Lieblingsautoren<br />
zählen Heinrich Böll und Günter Grass, die<br />
er persönlich kennengelernt hat, Henry Miller,<br />
Ernesto Cardenal sowie viele Autorinnen<br />
und Autoren, die er selbst verlegt hat. Täglich<br />
ackert er im eigenen Garten, pfl anzend<br />
und erntend. Unterwegs ist der Träger des<br />
Von-der-Heydt-Kulturpreises oftmals an<br />
Schulen. Selbst Vater und mittlerweile Opa,<br />
stellt er immer wieder fest: Jungen kommen<br />
im Leben wie in der Literatur zu kurz. Einer<br />
der Gründe: Die Masse der Grundschullehrer<br />
wie der Kinder- und Jugendbuchverfasser ist<br />
weiblich. Dem umtriebigen Hatzfelder Autor<br />
gehen Aufgaben und Themenstellungen<br />
nicht aus.<br />
Matthias Dohmen<br />
Sparkassen-Finanzgruppe<br />
Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />
Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />
die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />
Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />
S<br />
43
44<br />
oder<br />
Reformhaus-Margerita<br />
und Schonkaffee<br />
Sechs Tanzstunden in sechs Wochen<br />
Von Richard Alfi eri<br />
Eine intelligente Komödie,<br />
die eigentlich keine ist<br />
Inszenierung:<br />
Sabine Misiorny & Tom Müller<br />
Choreografi e: Dana Großmann<br />
Bühne und Kostüme: Thomas Pfau<br />
Besetzung:<br />
Beate Rüter als Lily Harrison<br />
Michael Baute als Michael Minetti<br />
That’s amore<br />
Eine Komödie?<br />
Vordergründig spielt sich auf der kleinen<br />
Bühne des TiC-Podiums eine charmante<br />
kleine Komödie um die Geschichte<br />
einer ungewöhnlichen Freundschaft ab.<br />
Lily Harrison (Beate Rüter), eine ältere<br />
Dame, die in einer luxuriösen Senioren-<br />
Residenz irgendwo an der Küste des<br />
sonnigen Florida ihren Lebensabend<br />
verbringt, mietet bei einer Agentur einen<br />
Tanzlehrer für „sechs Tanzstunden in<br />
sechs Wochen“ – um ein paar Tanzschritte<br />
zu lernen, wie sie sagt. Es erscheint der<br />
ebenfalls schon ein wenig in die Jahre<br />
gekommene, spitzzüngige ehemalige<br />
Broadway-Tänzer Michael Minetti (Michael<br />
Baute). Beide tragen ihre verborgenen<br />
Geheimnisse, Ängste und Lebenslügen<br />
mit sich herum, doch sie entdecken<br />
schnell die Achillesferse des anderen. Lily<br />
verdrängt den Tod ihrer Tochter, die bei<br />
einer illegalen Abtreibung ums Leben<br />
kam und versucht die Schatten ihres<br />
verstorbenen Mannes, eines bigotten<br />
Baptistenpredigers, zu verscheuchen. Sie<br />
ist in selbstgewählter Isolation einsam.<br />
Michael, ein mäßig erfolgreicher ehemaliger<br />
Profi tänzer, homosexuell und im<br />
pietistischen „Bible Belt“ des Südostens<br />
der USA wahrlich nicht gut aufgehoben,<br />
hat nach bösen Enttäuschungen und<br />
dem Krebstod seines über alles geliebten<br />
Freundes den Glauben an die wahre<br />
Liebe aufgegeben und ist einsam durch<br />
Hoffnungslosigkeit.<br />
Einsame Menschen<br />
Also: beileibe keine Komödie im simplen<br />
Sinn, wenn auch das sehr sensibel angelegte<br />
Stück spritzig, pointiert, ja höchst<br />
unterhaltsam ist und sowohl an intelligentem<br />
Witz wie an herzlichen Lachern<br />
kein Mangel herrscht. Das geht sogar,<br />
selbst wenn die Dialoge und Wortgefechte<br />
der beiden Protagonisten dunkle seelische<br />
Kammern öffnen, Krankheit, Tod<br />
und Verzweifl ung aufscheinen lassen. Von<br />
den Bühnenprofi s Sabine Misiorny und<br />
Tom Müller feinfühlig inszeniert, entwickelt<br />
sich die ergreifende Geschichte<br />
zweier sehr einsamer, verletzlicher Menschen,<br />
die aneinander wachsen. Stefan
Hüfner hat den Pointenreichtum von<br />
Richard Alfi eris anrührendem Drama so<br />
brillant wie sympathisch ins Deutsche<br />
übertragen. Da paßt jedes Wort, sitzt jede<br />
Wendung. Mit Michael Baute und Beate<br />
Rüter hat das Regie-Team zudem eine<br />
Besetzung gefunden, die Alfi eris liebevolle<br />
Späße mit dem Alter, der Einsamkeit,<br />
dem Aufeinandertreffen von Realismus<br />
und Lebensfreude bewegend umsetzt.<br />
Natürlich merkt Michael schnell, dass<br />
Lily durchaus tanzen kann: „Eigentlich<br />
brauchen sie gar keinen Lehrer.“ –<br />
worauf Lily bekennt: „Nein, aber einen<br />
Partner.“ Das wechselseitige Zugeben der<br />
eigenen Schwächen macht beide stärker,<br />
sicherer.<br />
Esprit und Lebensfreude<br />
Beate Rüters Lily ist durch und durch<br />
glaubhaft, man nimmt der Schauspielerin<br />
das Alter und die Gebrechen ihrer Figur<br />
ab, ist tief berührt. Mit elegant gebremstem<br />
Tempo läßt sie an der trotz einer Krebserkrankung<br />
wiederkehrenden Lebensfreude<br />
Lilys teilnehmen. Michael Baute überzeugt<br />
mit leisem Understatement in seiner<br />
unaufdringlich gegebenen Rolle des einsam<br />
und älter gewordenen Homosexuellen,<br />
dessen Esprit durch die Aufgabe mit Lily<br />
zu tanzen neuen Aufschwung bekommt<br />
und dessen inniger Liebeswunsch sich<br />
schließlich zu erfüllen beginnt. Es sind die<br />
leisen Töne, mit denen die beiden Darsteller<br />
den Abend so besonders machen. Dana<br />
Großmanns Choreographie verleiht der<br />
tänzerischen Komponente – denn darum<br />
geht es ja im Stück vordergründig – mit beachtlichem<br />
Erfolg Gewicht: beide Darsteller<br />
zeigen zu Recht gefeierte Tanzeinlagen.<br />
Den Bühnenumbau zwischen den Szenen<br />
haben Müller/Misiorny mit viel Musik von<br />
Dean Martin und einer stumm agierenden,<br />
jedoch witzigen Putzfrau gestaltet – eine<br />
hübsche Idee.<br />
Brillante Produktion<br />
Nebenbei: man könnte dank der intelligenten<br />
Dialoge, der eingängigen Stimmen<br />
- vor allem Michael Bautes Sprache ist unbedingt<br />
rundfunktauglich - und der ausgewählten<br />
Musikeinspielungen das Stück in<br />
dieser Inszenierung ohne Verlust auch als<br />
Hörspiel genießen. Allen Beteiligten ein<br />
anerkennendes „Chapeau!“ Wieder eine<br />
bemerkenswerte Produktion des TiC-Theaters<br />
in Wuppertal. Eine uneingeschränkte<br />
Empfehlung der Musenblätter. Man sollte<br />
mal wieder Tanzunterricht nehmen.<br />
Weitere Informationen: www.tic-theater.de<br />
Frank Becker<br />
Fotos: Martin Mazur<br />
45
Traum<br />
Ich habe mir gewünscht,<br />
dass Augen fortwährend strahlen,<br />
Menschen sich ohne Argwohn in die Arme nehmen,<br />
ehrliche, notwendige Diskussionen sich friedvoll lösen,<br />
und wir uns immer verhalten, um den Anderen nicht zu verletzen.<br />
schweben durch jede Wolke,<br />
bis zum Horizont,<br />
unter einem Himmel,<br />
vielleicht,<br />
vielleicht wie Donnervögel?<br />
Ich habe mir gewünscht,<br />
dass wir uns immer die Wahrheit sagen,<br />
ohne weh zu tun,<br />
nur küssen, wenn wir es auch so meinen,<br />
nichts schmälern,<br />
und den Andern mehr lieben als uns selbst.<br />
schweben durch jede Wolke,<br />
bis zum Horizont,<br />
unter einem Himmel,<br />
vielleicht,<br />
vielleicht wie Donnervögel?<br />
Ich habe mir gewünscht,<br />
dass Menschen bleiben, selbst wenn sie gehen,<br />
Unausgesprochenes liebevoll zur Sprache wird,<br />
Menschen gegenseitig in Gemeinschaft wachsen,<br />
und das Sinnstiften jeden Tag aufs Neue lernen.<br />
In Träumen habe ich es tausendfach gesehen.<br />
und dann muss ich aufwachen.<br />
Vielleicht ist Alles was wir heute wirklich brauchen nur ein wenig mehr:<br />
Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit.<br />
Roman Libbertz<br />
47
48<br />
Elisabeth Heinemann<br />
geboren in Zittau als Tochter von Pia-<br />
Monika Nittke und Willy Jähnig, aufgewachsen<br />
in Meißen und Magdeburg, Schulzeit in Magdeburg<br />
(Abitur), Pädagogik-Studium in Erfurt<br />
(Kunst und Russisch), verheiratet, zwei Kinder<br />
seit 1993 Beschäftigung mit Fotografi e<br />
seit 1996 freiberufl iche Tätigkeit als Fotografi<br />
n<br />
zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen<br />
sowie Preise bei Fotowettbewerben<br />
Arbeit am Ausstellungsprojekt „außer<br />
gewöhnlich (Künstlerportraits)<br />
gemeinsames Ausstellungsprojekt<br />
„Die Feinheit des Sehens” mit dem Maler<br />
und Grafi ker Willy Jähnig<br />
Veröffentlichungen (Auswahl)<br />
1999<br />
fotografi sche Gestaltung des Gedichtbandes<br />
„Poetic Allegories”, Pennsylvania, USA<br />
mit Prof. Claude R. Foster, Lyrik, und Pia-<br />
Monika Nittke, Nachdichtung und<br />
Vertonung<br />
2002<br />
Kalender „Von Frauen und Katzen” mit Gedichten<br />
von Torsten Olle<br />
2003<br />
Lyrik-Foto-Band „schon morgen ist alles anders”-<br />
mit Dorothea Iser<br />
2003<br />
Fotografi en für den Gedichtband „Trügerische<br />
Ruhe” von Pia-Monika Nittke<br />
2004<br />
Fotografi en für die Anthologie „Herz über Kopf”<br />
2005<br />
„Alte Liebe” - mit Dorothea Iser und<br />
Marcus Waselewski<br />
2005<br />
„Lebenswege Magdeburger Frauen in Porträts<br />
und Texten”<br />
2006 und 2009<br />
Fotografi en für die Gedichtbände „Zwölf<br />
Monde” und „Zwischentöne” von Pia-Monika<br />
Nittke<br />
2010<br />
Fotografi en für das Buchprojekt<br />
„Die Facetten des Alter(n)s” von Prof. Gerd K.<br />
Schneider<br />
www.elisabeth-heinemann.de<br />
Roman Libbertz<br />
wuchs, als Sohn des Rechtsanwaltes Lutz<br />
Libbertz und dem Model Uschi Mood, in<br />
München-Obermenzing auf und absolvierte<br />
1997 das Abitur am Louise Schröder Gymnasium<br />
in Untermenzing.<br />
Nach seiner Schulzeit arbeitete er zwei<br />
Jahre als Model für Tommy Hilfi ger, Bogner,<br />
Romeo Gigli, wie andere namhafte Firmen.<br />
Im Alter von zwanzig Jahren begann er ein<br />
Jurastudium an der Ludwig- Maximilians-<br />
Universität und fi nanzierte sich die Studienzeit<br />
als Veranstaltungschef der Diskothek „P1“.<br />
2000 gründete er die Eventagentur<br />
„R&M“, veranstaltete über fünf Jahre die<br />
überregional bekannte monatliche Eventreihe<br />
„Luna Lounge“ und organisierte für „Smirnoff“,<br />
„Sony“ und „Benson ´n Hedges“ und<br />
weitere Industrieunternehmen, diverse Europatourneen.<br />
Nach etwa sechs Jahren hatte er jedoch<br />
genug von alledem, brach sein Jurastudium<br />
ab, schloss seine Agentur und widmete sich<br />
nunmehr alleinig seinen Leidenschaften.<br />
Unter „Anrufe ohne Meldung“ betreibt<br />
er ein beliebtes Weblog im Internet, dessen<br />
Bekanntheitsgrad sich mit zwei deutschlandweiten<br />
Lesereisen ausdrückte.<br />
Im Jahre 2006 konzipierte er den Nachtclub<br />
„Privee“ zuerst als Bar in der Hohenzollernstrasse<br />
und später als gleichnamigen Club<br />
in der Maximilianstrasse.<br />
Unter dem Namen „Fotographie und<br />
Abstraktion“ stellte er im Herbst 2007 zum<br />
ersten Mal seine leinwandlichen Abstraktionen<br />
in der „Galerie Holzstraße“ aus. Seitdem stellt<br />
er jährlich seine Werke zur Schau.<br />
Mit „Triebjagd oder 31 gute Nachtgeschichten“<br />
legte er im Dezember 2007 erfolgreich<br />
sein erstes Kurzgeschichtenbuch vor und wird<br />
seitdem von Literaturagentin Lianne Kolf<br />
vertreten.<br />
Seit 20. Januar 2008 war er wöchentlich<br />
in der Literatur-Talk-Fernsehsendung „Blogshow<br />
- Nilz und Roman erklären die Welt“<br />
(mit Nilz Bokelberg) auf „Sky“ zu sehen.<br />
Mit dem im Juli 2009 erschienen Gedichtband<br />
„Mit Liebe“, der im Grunde nur für die<br />
Mitglieder seiner Facebook-Gruppe „Mehr<br />
Liebe ist der Schlüssel“ gedacht war, erhielt er<br />
auch im lyrischen Bereich größere Anerkennung.<br />
2010 folgte unter dem Titel „Mit mehr<br />
Liebe“ sein zweiter Gedichtband und im November<br />
2012 wird sein Liebeszyklus mit dem<br />
bei Dotbooks erscheinenden Buch „63 x Liebe“<br />
abgeschlossen.<br />
Das Musikstück „Donnervoegel“, in<br />
Zusammenarbeit mit DJ Daniel Falkenberg,<br />
mit einem von ihm geschriebenen, als auch gesprochenen<br />
Text erscheint Anfang August 2012.<br />
Er schreibt Kurzgeschichten, Literaturkritiken<br />
und Kolumnen für diverse Magazine.<br />
Sein erster Roman erscheint in Kürze.<br />
Seine Bilder werden vom 7. 12. 2012 bis<br />
zum 1. 2. 2013 unter dem Titel „Spontan“ in<br />
der Galerie Hegemann in München zu sehen<br />
sein.<br />
www.romanlibbertz.com<br />
Vorherige Seiten:<br />
Lichteinfall<br />
S/W-Fotografi e von Elisabeth Heinemann<br />
Stettin, 2004<br />
Traum<br />
Gedicht von Roman Libbertz, August 2012
Einmal Wupper rauf und runter mit Matthias<br />
Schriefl , - ein Konzert mit Alphorn<br />
und Trompete - und danach ein Treffen<br />
im schönen alten DB-Bahnhof Vohwinkel<br />
bei Speis und Trank und kurzen Filmen<br />
über Galerie Parnass und Fluxus. Das<br />
ganze M.A.C. ist auch eine Hommage an<br />
Wuppertal, diese liebenswürdig verschrobene<br />
Stadt, in der ich mein Studium<br />
begann. Die Stadt von Friedrich Engels,<br />
Else Lasker-Schüler, Pina Bausch, um nur<br />
einige der Bekanntesten zu nennen.<br />
Und das Epizentrum des Jazz! Musiker<br />
um Peter Brötzmann und Peter Kowald<br />
werden zur ersten Generation des europäischen<br />
Free Jazz gezählt und spielten in<br />
ganz Europa. In ganz Europa tourt und<br />
spielt auch Matthias Schriefl , der übrigens<br />
mit 13 Jahren an einem Workshop bei<br />
Peter Brötzmann im Allgäu teilnahm, der<br />
für ihn sehr prägend war.<br />
„Umtriebig und mit der Energie eines<br />
Kraftwerks bewegt sich Matthias Schriefl ,<br />
1981 in Kempten / Allgäu geboren, in der<br />
europäischen Jazzszene und außerhalb”,<br />
schreibt die „Jazzzeitung“, also genau der<br />
Richtige für dieses spannende Kunstprojekt!<br />
Matthias Schriefl wird improvisieren, auf<br />
Fluss, Bahn und Menschen reagieren.<br />
Dorothea Bohde<br />
Fotos: links Dorothea Bohde,<br />
rechts Matthias Schriefl<br />
Eine Hommage<br />
Er passte zum Ereignis, der Universalsymphoniker<br />
Matthias Schriefl , der im<br />
grellbunten Aufzug und mit wilden Verrenkungen<br />
durch den Schwebebahnzug<br />
rannte, verschiedene Musikinstrumente<br />
bedienend und Texte vortragend, die 50<br />
Jahre Fluxus, die Galerie Parnass und die<br />
Stadt an der Wupper zum Thema hatten.<br />
Hauptsächlich sah man ihn am Alphorn<br />
und an seiner Trompete. Mit 11 war er<br />
Bundessieger bei „Jugend musiziert“, vier<br />
Jahre später das jüngste Mitglied des Landesjugendjazzorchesters<br />
Bayern. Seitdem<br />
tourt er mit seiner Band „Shreefpunk“<br />
durch Europa, Lateinamerika, Australien<br />
und Afrika. Neben anderem.<br />
Organisiert war der Event am Antikriegstag,<br />
dem 1. September, von der Künstlerin,<br />
Galeristin und Kunstwissenschaftlerin<br />
Dorothea Bohde im Rahmen ihres Projekts<br />
Mobiles Art-Café (MAC). Tatkräftige<br />
Unterstützung fand sie in dem ehemaligen<br />
Kunsthändler und umtriebigen<br />
Katernberger Klaus Stiebeling, der vielen<br />
als Oberhaupt der kleinen, aber feinen<br />
Wuppertaler Japan-Community bekannt<br />
ist. Er war gleich Feuer und Flamme, als<br />
er von Bohdes Plan erfuhr und stellte Verbindungen<br />
her zu Prof. Dipl.-Ing. Will<br />
Baltzer, dem ehemaligen Vorsitzenden des<br />
Kunst- und Museumsvereins, der 1980<br />
die Ausstellung „Treffpunkt Parnass“ im<br />
Von-der-Heydt-Museum organisierte,<br />
und – Ehrengast am 1. September – zu<br />
dem Maler, Grafi ker und Fluxus-Begleiter<br />
Jordan Boehm.<br />
Im Bürgerbahnhof Vohwinkel, Ausgangs-<br />
und Endpunkt der Kunstaktion, gab es<br />
den animierten Kunstfi lm „psst-pp-piano“<br />
zu sehen (www.psst-pp-piano.com),<br />
eine Hommage an Mary Bauermeister,<br />
ebenfalls eine Große aus der Fluxusbewegung.<br />
Doch zurück ins Jahr 1963 und zur ersten<br />
Einzelausstellung des US-Koreaners<br />
Nam June Paik, die laut „Frankfurter<br />
Allgemeine“ vom 23. Dezember 2005<br />
„eine der Schlüsselausstellungen des 20.<br />
Jahrhunderts“ war. Der Stockhausen-<br />
Schüler stellte in der Galerie Parnass aus.<br />
Und es war nichts für zarte Gemüter. Der<br />
Berichterstatter der NRZ begann seinen<br />
Bericht so: „Vor der Eingangstür erwartet<br />
den Besucher ein abgehackter Ochsenkopf,<br />
bluttriefend, frisch geliefert vom<br />
Schlachthof und etwas verregnet bei dem<br />
schlechten Wetter. Später, am Ausgang,<br />
begegnet man dem Kopf wieder. Man<br />
begrüßt ihn, nach allem, was man in der<br />
Zwischenzeit erlebt hat, wie einen alten<br />
Bekannten.“<br />
Anneliese Jährling, Frau des legendären<br />
Parnass-Galeristen, erinnerte sich später<br />
an turbulente Ereignisse. So hatte der<br />
Metzger versehentlich an die falsche<br />
Adresse geliefert, das Nachbarhaus des<br />
Oberbürgermeisters Frowein, und dort<br />
einen Aufschrei ausgelöst. Kurz nach der<br />
Ausstellungseröffnung alarmierten die<br />
Nachbarn die Polizei, einen Verstoß gegen<br />
das „Kadavergesetz“ befürchtend.<br />
49
50<br />
Zwei Jahre später kam es – und daran<br />
erinnerte das Mobile Art-Café – zu dem<br />
legendären 24-Stunden-Happening,<br />
an dem sich auch Joseph Beuys, Bazon<br />
Brock, Charlotte Moorman, der erwähnte<br />
Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas<br />
Schmit und Wolf Vostell beteiligten.<br />
Wuppertal hatte einen ausstrahlenden<br />
Namen in der Kunstszene – vor allem<br />
Parnass galt als eine der ersten und bedeutendsten<br />
Nachkriegsgalerien im Rheinland,<br />
die für internationale avantgardistische<br />
Kunst, Literatur und Musik stand.<br />
1995 hat sich Stella Baum im „TOP-<br />
Magazin“ dieses „wohl berühmtesten<br />
europäischen Happenings“ erinnert.<br />
Das Feuilleton „Das Tor zur Welt – Die<br />
Fluxus-Bewegung in der Rückschau“<br />
kann man in dem 2011 in ihrem im<br />
Nordpark-Verlag erschienenen Buch<br />
„Kunst ist unwiderstehlich“ nachlesen.<br />
Jährlings Kunstort war für die bildungshungrige<br />
Nachkriegsgeneration, die lange<br />
genug von „entarteter Kunst“ ferngehalten<br />
worden war, wie Baum schreibt, „das<br />
Tor zur Welt für uns“: „Man kann sich<br />
heute unseren Hunger nach internationaler<br />
Kunst gar nicht mehr vorstellen.“<br />
1980 schließlich fand die Retrospektive<br />
im Von-der-Heydt-Museum statt.<br />
Mit dem Ablauf der Kunstaktion in der<br />
Schwebebahn, die von den Wuppertaler<br />
Stadtwerken gesponsert wurde, ist die<br />
Veranstalterin Dorothea Bohde sehr<br />
zufrieden: „Ein ungewöhnliches Erlebnis,<br />
diese Kombination aus einzigartigem<br />
Verkehrsmittel, schwebend über Fluss<br />
und Autobahn, vorbei an Fabriken und<br />
Opernhaus, dazu ein Konzert dieses<br />
exzellenten Musikers, der mit Alphorn,<br />
Trompete und Quietscheente alle Register<br />
zog und adäquat zur vorbeiziehenden<br />
Landschaft mal wohltönend, mal schrill,<br />
auf jeden Fall kreativ und spannend<br />
spielte.“<br />
Was ihr noch auffi el: Die Kölner, die<br />
einen Großteil der Besucher stellten, seien<br />
erstaunt gewesen über die vielen Wuppertaler.<br />
Die Domstädter meinten, die Wuppertaler<br />
würden „die Schwebebahn doch<br />
kennen“. (Allerdings nicht als Tatort eines<br />
Mobilen Art-Cafés.) Und Wuppertaler<br />
hätten den Kopf geschüttelt, nachdem sie<br />
in Oberbarmen beim Wechsel der Fahrtrichtung<br />
der Schwebebahn nicht hatten<br />
aussteigen müssen: „Mein Gott, wir sind<br />
durch die Wendeschleife gefahren.“<br />
Für die Kölner war das natürlich<br />
keine Sensation.<br />
Dorothea Bohde sitzt längst an neuen<br />
Plänen. Gerade hat sie, den Erfolg von<br />
Wuppertal im Rücken, ihre Bewerbung<br />
für eine Teilnahme an der Biennale in<br />
Venedig formuliert. Informationen über<br />
die 1946 in Hagen geborene Künstlerin<br />
fi ndet man auf der Webseite www.<br />
dorothea-bohde.de. Von Wuppertal nach<br />
Venedig: das wäre doch ein Weg.<br />
Matthias Dohmen<br />
Weitere Inofs:<br />
http://mobilesartcafe.wordpress.com
40 Jahre für die Lebenshilfe<br />
Ein Leben für die Lebenshilfe Wuppertal ist<br />
Dr. Renate Massmanns Beitrag für Menschen<br />
mit geistiger Behinderung in der Stadt<br />
an der Wupper. Ihre überaus positive Bilanz<br />
verdanke sie „der Kraft aus dem Elternhaus,<br />
der Ehe und der Familie“,so die immer noch<br />
vielseitig engagierte Ärztin.<br />
(Foto: Helmut J. Massmann)<br />
Renate Massmann<br />
„Mein Leben ist die Lebenshilfe“, sagt<br />
Massmann, „und das meine ich ganz<br />
allgemein und natürlich vor allem für die<br />
`Lebenshilfe´ in Wuppertal“, die 1961<br />
erst die zehnte Ortsstelle in der Bundesrepublik<br />
war – heute gibt es 523. Für die<br />
Allgemeinheit verantwortlich fühlte sich<br />
Massmann auch als Mutter. Zur Zeit der<br />
Geburt ihrer beiden Töchter spendete<br />
sie insgesamt 110 Liter abgepumpter<br />
Muttermilch, die besonders für Frühgeburten<br />
anderer Mütter von lebenswichtiger<br />
Bedeutung ist, an die Kinderklinik<br />
Wuppertal.<br />
Die eigenverantwortliche Arbeit bei<br />
der Lebenshilfe Wuppertal begann Mitte<br />
der 1960er Jahre. Massmann schuf eine<br />
Institution, die sich für Menschen mit<br />
Behinderung verantwortlich fühlt. Zu<br />
Beginn waren 25 Behinderte zu betreuen,<br />
2007, am Ende von Massmanns aktiver<br />
Tätigkeit, 420. Bei ihrer Arbeit hat sich die<br />
Ärztin Massmann bewusst auf das Medizinische<br />
beschränkt, weshalb sie immer<br />
wieder Anfragen, im Vorstand tätig zu sein,<br />
ablehnte. Sie wollte neutral und eigenverantwortlich<br />
arbeiten. Unter ihrer Leitung<br />
im medizinischen Fachbereich erarbeitete<br />
sie ein einheitliches Aufnahmeverfahren<br />
unter anderem für eine Krankenanamnese<br />
Behinderter, wobei sie komplett für den<br />
wichtigen medizinischen Bereich zuständig<br />
war. „Ich kann mich noch gut erinnern, als<br />
Teile der Ärzteschaft mich regelrecht angefeindet<br />
haben: ,Wie können Sie sich für so<br />
etwas einsetzen!‘ “, erinnert sich Massmann.<br />
Ab den 1970er Jahren initiierte sie die<br />
Frühförderung von Behinderungen und<br />
erreichte auch, dass geistig Behinderte sonderschulabschlussfähig<br />
wurden. Ab 1976<br />
gelang der rührigen Ärztin die Beteiligung<br />
der Kassen an den Krankenkosten – für Patienten<br />
der Lebenshilfe Wuppertal. Zuvor<br />
waren Behinderte lediglich über ihre Eltern<br />
krankenversichert. Heute ist sie, nachdem<br />
sie im März 2007 bei ihrer Verabschiedung<br />
von einen Laudator „als Wadenbeißerin<br />
für eine gute Sache“ bezeichnet wurde,<br />
51
52<br />
Renate Massmann, 2007 bei der Verabschiedung,<br />
Ehrenmitglied der Lebenshilfe, Trägerin<br />
der Ehrenplakette und der Ehrennadel in<br />
Gold der Bundesvereinigung. Nachdem<br />
ihr zu Beginn ihrer Arbeit Vorbehalte<br />
entgegen gebracht wurden, kann sich<br />
Massmann heute sowohl auf die Eltern der<br />
Betroffenen als auch auf die Zusammenarbeit<br />
mit der Ärzteschaft verlassen. „Es war<br />
und ist für mich immer eine Verpfl ichtung,<br />
die Individualität der betreuten Personen<br />
zu respektieren und auf sie in vollem<br />
Umfang einzugehen. Das Vertrauen der<br />
Behinderten und deren Eltern ist bis heute<br />
das, was mich am meisten berührt“, sagt<br />
Massmann nicht ohne Stolz. Sie initiierte<br />
den Therapiebereich der Lebenshilfe und<br />
richtete künstlerisch arbeitende Gruppen<br />
ein, außerdem regelmäßige Sportstunden,<br />
einschließlich wöchentlich stattfi ndende<br />
Kurse in Fußball und Schwimmen für ihre<br />
Schützlinge. Anfänglich wurden diese von
Renate Massmann, 2007 mit dem<br />
Wuppertaler Oberbürgermeister Peter Jung<br />
den Krankenkassen minimal bezuschusst,<br />
im Zuge der Mittelverknappung erfolgte<br />
aber schließlich die endgültigen Streichung.<br />
Seit einer Benefi z- Boxveranstaltung<br />
der Lebenshilfe auf dem Barmer Rathausvorplatz<br />
fungierte Massmann zwei Jahre<br />
lang als Ringärztin für die „starken“ Männer,<br />
ein wichtiger persönlicher Beitrag<br />
für die Außenwirkung der Lebenshilfe.<br />
Darüber hinaus vertrat sie die Lebenshilfe<br />
auf nationalen Workshops und hält<br />
nach wie vor Verbindung zur Lebenshilfe<br />
Österreich. Zum 50. Jahrestag der<br />
Menschenrechte startete Massmann von<br />
der Lebenshilfe Wuppertal als Delegierte<br />
der Soroptimisten eine Aktion mit 250<br />
blaugelben Luftballons aus Solidarität<br />
für benachteiligte Frauen und behinderte<br />
Menschen.<br />
Während eines Kamingesprächs mit Jochen<br />
Zoerner-Erb von der Friedrich Spee-<br />
Akademie am 8. November, 16 Uhr, in der<br />
Mundus Seniorenresidenz werden auch<br />
solche spektakulären Details ihrer „Öffentlichkeitsarbeit“<br />
zur Sprache kommen.<br />
Mehrfach im Laufe ihres berufl ichen<br />
Lebens erhielt Dr. Renate Massmann<br />
verschiedenste öffentliche Weihen für ihre<br />
Arbeit: 1993 das Bundesverdienstkreuz<br />
für ihre Pionierarbeit bei der Lebenshilfe<br />
durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker<br />
und 1999 das Bundesverdienstkreuz<br />
Erster Klasse für die Förderung von Künstlerinnen<br />
durch Bundespräsident Roman<br />
Herzog.<br />
Renate Massmann, 1999 mit dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog<br />
Renate Massmann, 2000 mit Herzogs Nachfolger Johannes Rau<br />
Neben ihrer ärztlichen Tätigkeit in der<br />
Lebenshilfe hat sich Renate Massmann<br />
auch für die Kunst engagiert. So hat<br />
sie 1976 die Zweigstelle der bergischen<br />
Musikschule mit begründet. Darüber<br />
hinaus war ihr die Förderung der weiblichen<br />
Kunst und der Künstlerinnen ein<br />
großes Bedürfnis. Massmann war sechs<br />
Jahre lang Leiterin der GEDOK Wuppertal<br />
und 13 Jahre lang Präsidentin der<br />
GEDOK Deutschland und Österreich.<br />
Die GEDOK ist die 1926 gegründete Gemeinschaft<br />
deutscher und österreichischer<br />
Künstlerinnenvereine aller Kunst-gattungen.<br />
Seit 2001 ist Massmann Ehrenmitglied<br />
im Ehrenkomitee DONNE IN MUSICA/<br />
Italien und UNESCO-Preisträgerin.<br />
Verheiratet ist die engagierte Medizinerin<br />
mit dem Internisten und Röntgenologen<br />
Dr. Helmut Massmann. Die Eheleute<br />
haben zwei erwachsene Töchter. Sie<br />
unterstützen ihre Mutter in ihrem Kampf<br />
für den Abbau von immer noch bestehenden<br />
Vorurteilen gegenüber Menschen mit<br />
Behinderungen sowie bei der Förderung<br />
von deren Akzeptanz und Integration.<br />
Joachim Krug<br />
Bilder: Kollektion Massmann<br />
Freigabe der Bildrechte besteht.<br />
53
54<br />
Annäherungen an ein Porträt von<br />
Michael Kozinowski<br />
Für unsere Zeitschrift hat M. K. ein paar<br />
Bücher aufgelistet, die ihn in seinem<br />
bisherigen Leser-Leben am nachhaltigsten<br />
beeindruckt haben:<br />
Michail Bulgakow,<br />
Der Meister und Margarita<br />
Das Buch habe ich während meiner<br />
Ausbildung zum Buchhändler gelesen. Die<br />
großen Themen „Gut und Böse“, „Gott<br />
und Teufel“, „Leben und Tod" haben mich<br />
fasziniert. Das Buch steckt voller absurder<br />
Ideen und ist ein Dokument über die Zustände<br />
im Moskau der 1930er-Jahre.<br />
Peter Ustinov,<br />
Der alte Mann und Mr. Smith<br />
Gott ist (anonym) in Amerika unterwegs,<br />
begleitet wird er dabei vom Teufel (Mr.<br />
Smith). Und Gott kommt aus dem Staunen<br />
über die Entwicklung seiner (!) Schöpfung<br />
nicht mehr heraus ... Liebevoll und<br />
humorvoll erzählt.<br />
Tschingis Aitmatow, Dshamilja<br />
Eine kleine, unscheinbare Liebesgeschichte:<br />
Dshamilija nimmt in dieser Erzählung ihr<br />
Schicksal selbst in die Hand und wählt,<br />
während ihr Mann im Krieg ist, mit Danijar<br />
einen neuen Lebensgefährten. Damit<br />
stellt sie sich gegen alle Traditionen ... Die<br />
Liebenden verlassen ihr Heimatdorf.<br />
Marlen Haushofer, Die Wand<br />
Eine Frau fährt mit Freunden in deren<br />
Jagdhaus in die Berge. Während ihre<br />
Begleitung zurück ins Dorf geht, bleibt<br />
sie zurück. Am nächsten Morgen ist sie<br />
abgeschnitten von der Welt. Sie stößt<br />
gegen eine (unsichtbare) Wand, hinter der<br />
offensichtlich alles in Totenstarre liegt. In<br />
dieser für sie neuen Welt versucht sie sich<br />
einzurichten.<br />
Elias Canetti, Die Blendung<br />
Bei diesem Buch erinnere ich mich nur<br />
noch an Bücherberge, Isolation, selbstgewählte<br />
Einsamkeit. Zwei Personen, die sich<br />
lieben, die sich hassen, sich benutzen?<br />
Leser, Sammler, Verkäufer<br />
Lesen, die Reklametrommel rühren, verkaufen,<br />
sammeln: Es gibt so schnell nichts, was<br />
Michael zu Büchern nicht einfällt. Mitten in<br />
seiner Buchhndlung an der Ecke Friedrich-<br />
Ebert-Straße/Laurentiusstraße steht sein<br />
Feldherrenhügel, schlichter formuliert:<br />
sein Schreibtisch. Der leidenschaftliche<br />
Buchhändler will nicht aus der Etappe seine<br />
Angestellten dirigieren, sondern selbst ohne<br />
Umweg Ansprechpartner für Angestellte und<br />
Kunden sein.<br />
Am Anfang war das Buch. Nach Volks- beziehungsweise<br />
Grundschule und Wilhelm-<br />
Dörpfeld-Gymnasium macht der am 30.<br />
Dezember 1956 im norddeutschen Einbeck<br />
geborene Michael Kozinowski eine Ausbildung<br />
zum Sortimentsbuchhändler. Es folgt<br />
der Zivildienst beim Diakonischen Werk in<br />
Barmen, in dem er anschließend zwei Jahre<br />
als Angestellter arbeitet. Doch dann geht<br />
es 1983 zurück in die mittlerweile 66 Jahre<br />
bestehende Buchhandlung v. Mackensen, die<br />
er am 1. Januar 1990 übernimmt.<br />
55 Jahre alt und seit 22 Jahren selbständig, da<br />
hat man etwas zu erzählen. Vor allem, wenn<br />
man neben der originären Arbeit eine Reihe<br />
von ehrenamtlichen Tätigkeiten ausfüllt.<br />
Wie diejenige des 2. Vorsitzenden der (bundesweiten)<br />
Arbeitsgemeinschaft verlagsunabhängiger<br />
juristischer Sortimenter. Die Hälfte<br />
seines Umsatzes machen Kozinowski und<br />
seine acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
von denen die Hälfte vollzeitbeschäftigt ist,<br />
mit Fachliteratur für Rechtsanwälte und<br />
Steuerberater. Beim Rheinischen Einzelhandels-<br />
und Dienstleistungsverband gehört<br />
er dem Ortsvorstand Bergische Region an<br />
– und erlebt gerade mit, was es heißt, wenn<br />
David und Goliath fusionieren. Als Schatzmeister<br />
war er im nordrhein-westfälischen<br />
Landesverband des Börsenvereins des Deutschen<br />
Buchhandels engagiert, der altehrwürdigen<br />
Institution in Frankfurt am Main. Die<br />
NRW-Filiale wurde allerdings dichtgemacht,<br />
auch wenn das Büro in Düsseldorf bestehen<br />
bleibt.<br />
Sein Wort hat Gewicht in der Interessengemeinschaft<br />
Friedrich-Ebert-Straße, deren<br />
Licht nicht nur in der Weihnachtszeit<br />
aufgeht und die sich um die Belange des<br />
Handels in der gleichnamigen Elberfelder<br />
Einkaufsmeile kümmert und der es<br />
weitgehend zu verdanken ist, dass sie bislang<br />
von Leerständen und der Häufung von Ein-<br />
Euro-Geschäften verschont blieb. Oder als<br />
2. Vorsitzender der Friedrich-Spee-Akademie<br />
Wuppertal, die vor allem Bildungsangebote<br />
„für Menschen in der zweiten Lebenshälfte“<br />
bereit hält. Auch die Ausbildung in seiner<br />
Branche ist ihm nicht egal. Kozinowski sitzt<br />
seit langen Jahren dem Prüfungsausschuss<br />
für Buchhändler der Industrie- und Handelskammer<br />
vor.<br />
Und – die Aufl istung sei hiermit beendet<br />
– er gehört dem Aufsichtsrat eines Wuppertaler<br />
Kulturproduzenten an, der ohne<br />
Zweifel auf dem Gebiet der Literatur der 3.<br />
Welt bundesweit ganz vorne mitschwimmt,
Michael Kozinowski<br />
dem in seinen Anfangsjahren von Johannes<br />
Rau geleiteten Peter-Hammer- (ehedem<br />
Jugenddienst-) Verlag.<br />
Michael Kozinowski kann „schlecht nein<br />
sagen“. Beim Deutschlandradio spricht er<br />
alle paar Monate Buchempfehlungen aus.<br />
Als Hobbys gibt der Vater zweier Söhne,<br />
von denen der eine, Ben (24), als Erzieher<br />
arbeitet, während der andere, Jonas (27),<br />
als Autor von drei gut verkauften Fußball-<br />
büchern hervorgetreten ist, die Musik an:<br />
Er spielt Saxophon, gehörte einige Jahre der<br />
Kantorei Unterbarmen an und kennt fast<br />
jedes Buch über Jazz und Orgelmusik. Er<br />
fährt gern Fahrrad und … Straßenbahn: Die<br />
Bergischen Museumsbahnen sind der einzige<br />
Verein, dem er quasi privat angehört.<br />
Bücher ohne Ende hat er nicht nur tagsüber<br />
am Laurentiusplatz, sondern auch zu Hause,<br />
wobei er vor allem auf seine Sammlung von<br />
Literatur über das Bergische Land im allgemeinen<br />
und Wuppertal im besonderen stolz<br />
ist. Zum Beispiel das weltbekannte Tanztheater.<br />
Es betrübt ihn, dass die Wuppertaler<br />
so wenig mit ihrem Pfund wuchern „und<br />
es womöglich hinnehmen, dass das Pina-<br />
Bausch-Archiv in Solingen entsteht oder<br />
gar auf die Insel Hombroich auswandert“.<br />
Also anderwärts zu Buche schlägt und nicht<br />
dort, wo es erklärtermaßen herkommt. Ein<br />
bisschen mehr Selbstbewusstsein und ein<br />
bisschen mehr Zugehen der Politik auf die<br />
Menschen: das wünscht er sich.<br />
Matthias Dohmen<br />
Unsere alljährliche Veranstaltung, Trösten & Erinnern,<br />
findet dieses Jahr in der Alten Kirche Wupperfeld,<br />
Bredde 69, statt. Am Mittwoch, dem 14. November,<br />
um 19:15 Uhr. Sie sind herzlichst eingeladen.<br />
Willkommen sind alle, die Ihrer Liebsten gedenken wollen, welche nicht mehr<br />
unter uns weilen. In starker Gemeinschaft möchten wir mit ausgesuchter Musik,<br />
Worten und künstlerischen Darbietungen, Zeit für Trost und Erinnerung möglich<br />
machen. Unser Fahrdienst-Service holt Sie ab und bringt Sie wieder nach Hause.<br />
Einfach vorher anmelden: 0202 - 663674. www.neusel-bestattungen.de<br />
55
56<br />
Interessantes zu den Themen<br />
Steuern und Recht<br />
Susanne Schäfer, Steuerberaterin<br />
Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH<br />
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/<br />
Steuerberatungsgesellschaft<br />
Paragraphenreiter<br />
Kann ich mit Kunst Steuern sparen?<br />
Eigentlich nicht. Aber ich kann mich gut<br />
unterhalten, wenn die Zahlenwelt der Finanzbehörden<br />
mit der nach vollkommen<br />
anderen Maßstäben zu beurteilenden<br />
Kunstwelt in Berührung kommt.<br />
Zum Beispiel wenn ich mich als Anwalt,<br />
Zahnarzt oder Unternehmer frage, welche<br />
steuerlichen Konsequenzen es hat, wenn<br />
ich meine Kanzlei, Praxis oder Geschäftsräume<br />
mit einem Kunstwerk repräsentativ<br />
gestalten will.<br />
Darf ich Rolf Behms „Blaue Stunde“<br />
(1986, Mischtechnik auf Leinwand,<br />
damaliger Kaufpreis: DM 6.542,06)<br />
vom Firmenkonto bezahlen, meinem<br />
Betriebsvermögen zuordnen, Kosten der<br />
Hängung und der Versicherung steuermindernd<br />
als Betriebsausgabe ansetzen<br />
und die Kosten der Anschaffung auf 15<br />
Jahre verteilt als Abschreibungen, oder<br />
steuerlich richtig: Absetzungen für Abnutzung,<br />
geltend machen?<br />
Das Finanzgericht Berlin hat entschieden:<br />
ich darf! Der arme Herr Behm ist<br />
nämlich kein „anerkannter“, sondern nur<br />
ein „Gebrauchskünstler“, was heißt, dass<br />
seine Werke laut den Finanzbehörden<br />
dem Verschleiß unterliegen und über die<br />
Zeit voraussichtlich im Wert sinken.<br />
Anders Markus Lüpertz. Er hat es mit<br />
„Die Bürger von Florenz, Il Principe“<br />
(1983, Bronze, damaliger Kaufpreis:<br />
DM 47.663,55) immerhin schon zum<br />
vom Finanzgericht Berlin „anerkannten<br />
Künstler“ gebracht. Das ist zwar schön<br />
für Herrn Lüpertz, nicht aber für den<br />
Steuerpfl ichtigen, der ein Lüpertz´sches<br />
Werk in seinem Betriebsvermögen steuermindernd<br />
abschreiben möchte. Denn<br />
Werke „anerkannter Künstler“ werden<br />
den Finanzbehörden zufolge voraussichtlich<br />
im Wert steigen, für Absetzungen für<br />
Abnutzung ist somit kein Raum.<br />
Und da Finanzamt und Finanzgerichte<br />
sich zwar mit vielem, aber nicht mit der<br />
Anerkennung jedes einzelnen (vermeintlichen)<br />
Künstlers beschäftigen können,<br />
haben sie den interessierten Steuerpfl ichtigen<br />
und Künstlern gleich eine zahlen-<br />
mäßige Faustregel an die Hand gegeben:<br />
Kunstwerke mit einem Kaufpreis von bis<br />
zu 5.000 Euro sind grundsätzlich „Gebrauchskunst“,<br />
ein „anerkannter Künstler“<br />
bin ich grundsätzlich erst, wenn ich<br />
meine Werke für mehr als 10.000 Euro<br />
verkaufen kann, und über den Bereich<br />
dazwischen kann man diskutieren.<br />
Bleibt die Frage, was passiert, wenn<br />
das Werk eines anerkannten Künstlers<br />
wider Erwarten doch Schaden nimmt.<br />
Was geschieht steuerlich, wenn sich der<br />
Damien Hirst´sche Hai (1992, Fisch in<br />
Formaldehyd, letzter Kaufpreis: GBP<br />
6.500.000,00) zersetzt oder der stolze<br />
neue Besitzer seinen Gästen Picassos<br />
„Le Rêve“ (1932, Öl auf Leinwand,<br />
letzter Kaufpreis: USD 139.000.000,00)<br />
vorführt und vor Begeisterung mit dem<br />
Ellbogen durchsticht?<br />
Die Antwort: Nichts! Denn zwar kennt<br />
das Steuerrecht das Konstrukt der „Absetzung<br />
für außergewöhnliche Abnutzung“,<br />
d. h. Wertminderungen aufgrund außergewöhnlicher<br />
Begebenheiten können<br />
grundsätzlich gewinn- und steuermindernd<br />
angesetzt werden. Probleme hätte<br />
es hier aber bereits bei der Anschaffung<br />
und Zuordnung derart wertvoller Werke<br />
zum Betriebsvermögen gegeben. Ist der<br />
Kaufpreis nach der Verkehrsauffassung<br />
(der Finanzbehörden, nicht des Kunstmarktes!)<br />
unangemessen hoch, ist das<br />
Werk automatisch dem Bereich der<br />
privaten Lebensführung zuzuordnen.<br />
Abschreibungen, Versicherungen, Kosten<br />
des Sicherheitsdienstes usw. mindern<br />
den betrieblichen Gewinn in diesem Fall<br />
nicht.<br />
www.rinke-gruppe.de
Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />
Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />
Es geht auch kurzweilig. In seinem<br />
„kleinen Buch der botanischen Wunder“<br />
beleuchtet der in Potsdam lehrende<br />
Biologe PD Dr. Ewald Weber Artenreichtum,<br />
Wachstum, Vermehrung und das<br />
Zusammenleben von Pfl anzen. Auch<br />
wenn sie nicht sprechen: Den Kampf ums<br />
Überleben kennen Pfl anzen durchaus.<br />
Hierhin gehört das Gesetz der Selbstausdünnung,<br />
wozu es sogar eine Formel gibt<br />
(S. 117).<br />
Ein eigenes Kapitel widmet Weber den<br />
fl eischfressenden (korrekter: insektenfangenden)<br />
Pfl anzen, die wie der Sonnentau<br />
auf ihre außergewöhnliche Nahrung beispielsweise<br />
wegen des akuten Stickstoffmangels<br />
in Hochmooren verfallen sind<br />
– der Panzer der Insekten aber enthält<br />
das stickstoffreiche Chitin. Doch nicht<br />
alle Kannen oder Schläuche bei Pfl anzen<br />
sind tödliche Fallen: In den Behältnissen<br />
einiger Pfl anzen der Nepenthesart lebt der<br />
2010 entdeckte gerade mal einen Zentimeter<br />
lange Frosch Microhyla nepenthicola<br />
(S. 124).<br />
Zwölf Zeichnungen von Sonia Schadwinkel<br />
lockern den sehr fl üssig geschriebenen<br />
Text weiter auf. Bemerkungen zum Pfl anzenschutz,<br />
ein Quellen- und ein Pfl anzenartenverzeichnis<br />
runden den Band ab.<br />
Ewald Weber, Das kleine Buch der botanischen<br />
Wunder, München: Beck 2012 (=<br />
becksche reihe, 6033).171 S., 12,95 Euro<br />
Mit dem reich bebilderten und überhaupt<br />
großzügig umbrochenen Buch über das<br />
„Mannesmann-Röhrenwerk in Remscheid“<br />
legt der langjährige Chefarchivar<br />
des gleichnamigen, wenn auch inzwischen<br />
zerschlagenen Konzerns, Horst August<br />
Wessel, im Auftrag des Fördervereins<br />
Mannesmann-Haus ein Heimatbuch vor,<br />
das in die Hand jedes an der Geschichte<br />
seiner Vaterstadt interessierten Remscheiders<br />
gehört. Technik, Fabrikgeschichte,<br />
Betriebssport, der „blauer Mond“ genannte<br />
Turm im Mannesmann-Park, das Werk<br />
heute – kein Thema bleibt unbelichtet,<br />
auch nicht das Hohelob auf die kreativen<br />
Arbeiter, das der ehemalige Personalchef<br />
der AG singt. Aufregend, wenn auch<br />
aus nachvollziehbaren Gründen unkommentiert:<br />
Auszüge aus dem „Soldaten-<br />
Frontbrief“ 1942 bis 1944. Freunde des<br />
Historikers fi nden denselben, in der Bildunterschrift<br />
unbenannt, auf dem Foto auf<br />
S. 158 links. Satzung des Fördervereins,<br />
Abbildungsnachweis, Register, Autoren<br />
und Mitarbeiter: Nichts fehlt.<br />
Horst A. Wessel (Hrsg.), Die Geburtsstunde<br />
des nahtlos gewalzten Stahlrohres.<br />
Das Mannesmannröhren-Werk in Remscheid,<br />
die Erfi nder und die Mechanische<br />
Werkstatt – Geschichte und Geschichten,<br />
Essen: Klartext 2012. 189 S., 19,95 Euro<br />
Wer weiß das noch? Der später stramm<br />
links wirkende Verband Deutscher<br />
Studentenschaften war bereits in seinen<br />
Anfangsjahren hochpolitisch, bei den<br />
damaligen Bundesregierungen wegen<br />
seines scharfen, rüden Antikommunismus<br />
aber wohl gelitten. Uwe Rohwedder verweist<br />
in seiner quellengesättigten Arbeit<br />
„Kalter Krieg und Hochschulreform“<br />
auf zahlreiche Querverbindungen vor<br />
allem in der „Frontstadt“ Westberlin von<br />
Geheimdiensten und VDS, der offi ziell<br />
die „Gleichartigkeit des Widerstandes<br />
gegen die nationalsozialistische und die<br />
stalinistische Willkür“ feststellte und sogar<br />
westdeutsche Linke bespitzeln ließ. Volte<br />
der Geschichte: Als die Übernahme von<br />
Links „drohte“, verscheuerte der VDS-<br />
Vorstand seine Akten handstreichartig<br />
an das Bundesarchiv: Wertvolle Bestände<br />
blieben so erhalten.<br />
Zwei Wuppertaler schafften es übrigens<br />
in die VDS-Spitze: 1962/63 der spätere<br />
Kulturdezernent Heinz-Theodor Jüchter<br />
und (in der vom Autor schon nicht mehr<br />
beleuchteten Zeit) der nachmalige Lehrer<br />
Dr. Dirk Krüger.<br />
Uwe Rohwedder, Kalter Krieg und<br />
Hochschulreform. Der Verband Deutscher<br />
Studentenschaften in der frühen Bundesrepublik<br />
(1949-1969), Essen: Klartext 2012.<br />
240 S., 19,95 Euro<br />
57
58<br />
Neue Kunstbücher<br />
Das Moderne in der Konvention<br />
vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Die Geschichte der Malerei kommt an<br />
Claude Lorrain (um 1600-1682) nicht<br />
vorbei. Er ist einer der Pioniere der<br />
europäischen Landschaftsmalerei, zu<br />
Lebzeiten vorwiegend von Deutschen<br />
und Engländern geschätzt, die seine<br />
Kunst in Rom kennengelernt hatten und<br />
in ihrer Heimat von ihm schwärmten.<br />
Dort wirkte sich sein Bildaufbau auf die<br />
Gartengestaltung aus, in England im 18.<br />
Jahrhundert. Lorrain, der Lothringer,<br />
Claude Lorrain – Die verzauberte Landschaft,<br />
252 S. mit 216 Farbabb., geb. mit<br />
Schutzumschlag, 28,7 x 23,8 cm, Hatje<br />
Cantz, 39,80 Euro<br />
der eigentlich Claude Gelée hieß, kam<br />
schon als Jugendlicher nach Rom, wo er<br />
die meiste Zeit seines Lebens blieb. Er<br />
notiert die Campagna in ihrer Klarheit<br />
und Weite, wie sie von geologischen<br />
Formationen durchzogen ist. Sein Thema<br />
ist die ideale Landschaft, die in weiches,<br />
gleichmäßiges Licht getaucht ist und<br />
stimmungsvoll Zeitlosigkeit vor Augen<br />
führt. Seine Bilder kennzeichnet<br />
eine klare Raumstaffelung, in die er<br />
mitunter Szenen der antiken und der<br />
alttestamentarischen Mythologie einfügt.<br />
Vielleicht am eindrucksvollsten sind die<br />
Hafenszenen mit ein- und ausfahrenden<br />
Schiffen. Für seine Bilder bestand damals<br />
schon ein Markt. Auch um die Gefahr<br />
der Kopie oder Fälschung zu minimieren,<br />
fertigte Lorrain Zeichnungen und<br />
Radierungen seiner Gemälde an, mit<br />
denen er seine Autorschaft bekundete.<br />
Als autonome Kunstwerke wurden diese<br />
grafi schen Werke freilich erst in späteren<br />
Zeiten geschätzt. Das Buch, das nun zu<br />
Lorrains Ausstellung im Städel Museum<br />
Frankfurt erschienen ist, sieht hingegen<br />
den Künstler als Ganzes. Es behandelt<br />
Malerei, Zeichnung und Grafi k gleichberechtigt.<br />
Im Umkehrschluss bedeutet<br />
dies allerdings, dass die Gemälde als<br />
eigentliche Hauptattraktion verhältnismäßig<br />
knapp bedacht sind, auch wenn<br />
sie kompetent gewürdigt werden.<br />
Corot – L‘Armoire Secrete, 174 S. mit<br />
100 Farbabb., Broschur, 28,5 x 23 cm,<br />
Hirmer, 34,90 Euro<br />
Mit Jean-Baptiste Camille Corot<br />
(1796-1875) sind wir zweihundert<br />
Jahre weiter. Corot verhält sich in seiner<br />
Landschaftsmalerei zwischen Tradition<br />
und Fortschritt. Geschult an Aufenthalten<br />
in Italien, ist seine Darstellung zwischen<br />
Klassizismus und Romantik anzusiedeln.<br />
Er führt eine Idealität vor Augen, die<br />
auf dem Einsatz klassischer Formen und<br />
einem genauen Bildaufbau beruht, der<br />
keine Überraschungen zulässt. Aber er<br />
hat auch draußen in der Natur gemalt,<br />
und das wirkt sich auf seine Arbeit im<br />
Atelier aus. Corot gehört der Schule<br />
von Barbizon an, die ihre Motive in<br />
den Wäldern vor den Toren von Paris<br />
fand und gemeinhin als Vorläufer des<br />
Impressionismus gilt. Corot malt mit<br />
einer offenen Pinselstruktur in duftend<br />
getupfter Skizzenhaftigkeit – damit ist er<br />
berühmt. Wenig bekannt ist hingegen,<br />
dass er auch Figuren gemalt hat. Er hat sie<br />
als Porträt zumeist vor der Staffage einer<br />
Landschaft und seltener ins Interieur<br />
gesetzt. Wie Lorrain hatte er sich mit dem<br />
Kunstmarkt zu arrangieren, was bei Corot<br />
bedeutete, dass er diese Figurenbilder bei<br />
sich zurückhielt. Erst nach seinem Tod<br />
gelangten sie an die Öffentlichkeit, allerdings<br />
ohne größeres Interesse zu entfachen.<br />
Das gilt bis heute, und natürlich stellt<br />
sich die Frage, ob dies an der herausragenden<br />
Stellung seiner Landschaften<br />
liegt oder daran, dass die Figurenbilder<br />
eben nicht so bedeutend sind. Nun hat<br />
erstmals seit einem halben Jahrhundert<br />
wieder eine Ausstellung stattgefunden,<br />
die sich speziell den Figurendarstellungen<br />
zuwendet, bei der Sammlung Oskar Reinhart<br />
in Winterthur. Ausgangspunkt ist das<br />
Gemälde „Sitzendes Hirtenmädchen beim<br />
Lesen“ aus der Sammlung selbst, dessen<br />
Kontext nun untersucht wird, also das<br />
Landschaftliche einbezieht. Deshalb geht<br />
es hier um den ganzen Corot und den<br />
Ton seiner Kunst, der sich in Hingabe<br />
und Genauigkeit äußert. Bei der „Lesenden“<br />
wird dies etwa anhand der Körperhaltung<br />
und dem Gestus, mit dem das<br />
Mädchen das Buch hält, deutlich. Aber<br />
weil Corot einem bestimmten idealen<br />
Kanon verpfl ichtet bleibt, sind im Bild<br />
austauschbare Versatzstücke zusammengefügt.<br />
Das Buch, welches dazu erschienen<br />
ist, führt Referenzabbildungen durch die<br />
gesamte Kunstgeschichte an und bezieht<br />
gelegentlich auch die Landschaften ein.<br />
Damit rundet sich das Bild von Corot,<br />
dessen wahre Bestimmung schlussendlich<br />
doch in der Landschaftsmalerei lag.<br />
In seiner Zeit war Hans Makart (1840-<br />
84) ein Held, aber sein „Malerruhm ist<br />
ebenso rasch verblichen wie seine Farben,<br />
denen er durch ein Herstellungsgeheimnis<br />
vorübergehend eine besondere Leuchtkraft<br />
zu geben wusste“, hat Egon Friedell<br />
in seiner berühmten Kulturgeschichte<br />
der Neuzeit geschrieben. Makart konnte<br />
alles, malte enorm sinnlich und hatte<br />
keine Skrupel in der Zusammenfügung<br />
unterschiedlicher Szenen. Er wird zum<br />
Regisseur der Stile seines Jahrhunderts.<br />
Makart wurde in Salzburg geboren; er<br />
hat – als außerordentliches Talent früh<br />
gefördert – an der Münchner Kunstakademie<br />
studiert. Mit wenigen Bildern wurde
Makart – Maler der Sinne, 252 S. mit<br />
173 Farbabb., geb. mit Schutzumschlag,<br />
28 x 23 cm, Hirmer, 39,95 Euro<br />
er in München und in Wien schlagartig<br />
berühmt. Kaiser Franz Joseph I. berief ihn<br />
als Hofmaler nach Wien, wo er 1879 als<br />
Nachfolger von Feuerbach Professor für<br />
Historienmalerei wurde. Hans Makart<br />
malte ganz Räume aus, er veranstaltete<br />
in seinem Atelier pompöse Kostümbälle<br />
und war der Mann der Pracht und des<br />
Prunkvollen. In seiner Malerei koppelt<br />
er Vergangenheit mit Realität und lässt<br />
mythologische Motive einfl ießen; seine<br />
Szenen sind vielfi gurig, spektakulär ist<br />
die Lichtregie, die in Verbindung mit<br />
der Farbigkeit vielleicht seine eigentliche<br />
– moderne – Leistung ist. Ein anderes<br />
ist sein Umgang mit der Vermarktung,<br />
die ihm außerordentlich gelingt: Neue<br />
Bilder wurden theatralisch vorgestellt,<br />
in Reproduktionen stellte er sich noch<br />
einer breiten Öffentlichkeit vor. Aber sein<br />
Ruf war vom eigenen Auftritt abhängig,<br />
nach seinem Tod wurde er bald vergessen.<br />
Um so sinnvoller ist nun der Werküberblick,<br />
der im Zusammenhang mit einer<br />
Ausstellung in Wien entstanden ist.<br />
Deutlich wird, warum er für einige Jahre<br />
so berühmt war und warum er wieder<br />
vergessen wurde.<br />
Félix Vallotton (1865-1925) ist in seiner<br />
Kunst ganz das Gegenteil von Makart,<br />
erst recht wenn man seine Zeichnungen<br />
vor Augen hat. Seine Kunst kennzeichnet<br />
eine große Nüchternheit, ja, Blässe. Vallotton<br />
ist Realist, der sich den einfachen<br />
Félix Vallotton – Zeichnungen, 224 S.<br />
mit 154 Farbabb., geb., 28 x 22,5 cm,<br />
Scheidegger & Spiess, 48,- Euro<br />
Situationen des Lebens zuwendet und dabei<br />
der Theorie folgt, dass ein Bild immer<br />
doch ein Bild sei, also künstlich bleiben<br />
müsse. Er legt die Welt still, verzichtet<br />
auf jede Atmosphäre und isoliert noch<br />
die Motive. Daraus entsteht eine relative<br />
Fremdheit. Vallotton, der frühzeitig von<br />
der Schweiz nach Paris übergesiedelt ist<br />
und dort ab 1892 Mitglieder der Gruppe<br />
der Nabis war, blieb mit seiner eigenen<br />
Kunst ein Außenseiter und wurde doch<br />
mit Ausstellungen geehrt. Schon zu<br />
Lebzeiten wurden seine Zeichnungen<br />
ausgestellt. Wie wichtig sie für das Gesamtwerk<br />
sind, zeigt nun ein Katalogbuch<br />
im Verlag Scheidegger & Spiess. Mit<br />
der Spontaneität der Linie fängt Vallotton<br />
Gebärden ein, umfasst Körper und<br />
defi niert die Natur. Man könnte sagen,<br />
für sich sind die Zeichnungen relativ<br />
langweilig, oft akademisch, souverän<br />
zwar, aber gerade deshalb kaum überraschend.<br />
Aber Vallotton vergegenwärtigt<br />
sich hier seiner Sujets für die Malerei. Er<br />
entwirft die Menschendarstellungen, die<br />
dann in die Gemälde einfl ießen. Er führt<br />
vor Augen, wie er seine Umgebung und<br />
auch die Natur erfasst und sich aneignet.<br />
In einer Qualität, die das Spezifi sche der<br />
Zeichnungen wiedergibt, ist das Buch<br />
dem entsprechend mit fünf Textbeiträgen<br />
relativ theoretisch angelegt, aber das<br />
macht hier besonderen Sinn.<br />
Peter Krämer<br />
WP/StB<br />
Andreas Niemeyer<br />
WP/StB<br />
Thomas Pintzke<br />
StB<br />
Katrin Schoenian<br />
WP/StB<br />
Dr. Jörg Steckhan<br />
RA/WP/StB<br />
Peter Temmert<br />
WP/StB<br />
Anke Jagau<br />
RA/StB<br />
Susanne Schäfer<br />
StB<br />
Stephan Schmacks<br />
StB<br />
Matthias Aprath<br />
WP/StB<br />
RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft<br />
Wall 39 – 42103 Wuppertal – 0202 2496-0<br />
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59
60<br />
Der Kalender der Bergischen<br />
Symphoniker mit Cartoons von<br />
Robin Chadwick<br />
Tuttischweine<br />
Schüsse aus dem Geigenkasten<br />
Zum Saisonabschluß der Bergischen<br />
Symphoniker stellte deren GMD Peter<br />
Kuhn den ab September 2012 alle wichtigen<br />
Termine anzeigenden traditionellen<br />
Wandkalender des Orchesters vor. Diesmal<br />
ist damit ein Orchestermitglied mit<br />
besonderer Begabung in den Mittelpunkt<br />
getreten: der Geiger Robin Chadwick.<br />
Seine humorvollen Beobachtungen des<br />
Musik(er)lebens mit dem Zeichenstift<br />
illustrieren kenntnisreich und witzig die<br />
zwölf Monatsblätter bis August 2013.<br />
Seit 1984 spielt der in Remscheid lebende<br />
Kanadier Robin Chadwick dort die<br />
1. Violine, zunächst beim Remscheider<br />
Sinfonieorchester, später den vereinigten<br />
Bergischen Symphonikern. Im Geigenkasten<br />
hat er neben seinem Arbeitsgerät<br />
und Kolophonium stets einen Skizzenblock<br />
und einen gut gespitzten Bleistift.<br />
Mit viel Humor und liebevoller Ironie<br />
beobachtet der Musiker, der sich auch<br />
gelegentlich als Conferencier einen guten<br />
Namen gemacht hat, das Orchesterleben,<br />
seine Kollegen und deren Eigenarten.<br />
Chadwick tritt damit in die Fußstapfen<br />
des großen englischen Musik-Karikaturisten<br />
Gerard Hoffnung, ohne jedoch den<br />
genialen Spötter zu kopieren.<br />
Der von den Orchesterfreunden<br />
fi nanzierte Kalender ist ab sofort für nur<br />
10,- Euro zum Besten der Symphoniker<br />
beim Orchesterbüro zu bekommen:<br />
Tel. 0212-2801-584 oder Kontakt@<br />
BergischeSymphoniker.de per E-Post.<br />
Schon bei den beiden Abschlußkonzerten<br />
in Solingen und Remscheid konnte<br />
Chadwick kaum so schnell signieren, wie<br />
ihm die Kalender förmlich aus der Hand<br />
gerissen wurden. Fast 400 Stück gingen<br />
insgesamt in nur wenigen Minuten über<br />
den Verkaufstisch.<br />
Bereits 2004 ist im Kölner Verlag<br />
Dohr eine Auswahl von 75 der köstlichen<br />
Cartoons und Karikaturen Chadwicks in<br />
Buchform erschienen: „Hornfl akes - und<br />
andere musikalische Leckereien“, und<br />
2008 bekam er eine Einzelausstellung<br />
im Remscheider Vaßbender-Saal. Da<br />
sieht man den nicht so sensiblen Pultnachbarn<br />
und die „Tuttischweine“ (als<br />
ein solches hat er weiland in Remscheid<br />
seinen Dienst aufgenommen), erlebt den<br />
Brennwert der Bratsche und den Unterschied<br />
zwischen Mozart und Brahms. Die<br />
Sportlichkeit des Dirigenten lernt man<br />
kennen, erfährt, wie Musiker Brot schneiden<br />
und darf über musikalische Marotten<br />
schmunzeln. Dies und mehr füllt die<br />
42x30 cm großen Blätter des Kalenders<br />
mit Spiralheftung, ein Bonbon und Muss<br />
für alle Freunde des Orchesters, Cartoonkenner<br />
und die gesamte Musikwelt.<br />
Text und Foto-Repros:<br />
Frank Becker
Karl Otto Mühl<br />
Der Mensch ist gut<br />
Der Tag begann recht herzstärkend. Auf<br />
der Hinfahrt zur Bäckerei kam ich durch<br />
den vertrauten Wald, war sicher, dass er<br />
mich wiedererkannte, traf Freunde dort,<br />
den Schriftsteller, den Bildhauer, den<br />
mehrfachen unehelichen Vater; und ihnen<br />
allen sah ich an, dass sie nichts an mir auszusetzen<br />
hatten. Ich war und blieb sicher,<br />
dass sie recht hatten. Der Bildhauer wird<br />
im Folgenden wieder eine Rolle spielen,<br />
ich nenne sie hier eine vertrauensbildende.<br />
Ausgerüstet mit der Überzeugung,<br />
zumindest ausreichend in Ordnung zu<br />
sein, begab ich mich auf den gewohnten<br />
Kurzspaziergang auf dem Höhenweg;<br />
beobachtete eine der blonden, schlanken<br />
Postbotinnen, mit denen die Post zumindest<br />
in unserem Viertel den Eindruck<br />
zeitlich gestreckter Zustellung zu verwischen<br />
scheint, sah im Vorbeigehen, ob der<br />
Wagen der Millionärsfrau, die hier wohnt,<br />
zuhause war, sah die farbigen Fensterrahmen<br />
der Psychotherapeutin, von der ich<br />
manchmal erfahre, hörte junge Joggerinnen<br />
mit Hund sich bedanken, denen ich<br />
höfl ich auswich, traf sogar auf einen alten<br />
Getränkelieferanten, der sich dankbar<br />
meine Gesundheitsermahnungen wegen<br />
seiner Fettleibigkeit anhörte und war<br />
beruhigt („Sie leben also noch“), als ich die<br />
gewohnten Frühtrinker durch das Fenster<br />
des Gasthauses an der Theke sah.<br />
Nach einer angemessenen Strecke begab<br />
ich mich auf den Rückweg zum Auto.<br />
Schon fast angekommen, sah ich auf der<br />
anderen Straßenseite einen jüngeren Mann<br />
- zumindest jünger als ich - aufmerksam zu<br />
mir herüber blicken.<br />
„Hallo!“<br />
Ich schaute ratlos zu ihm.<br />
„Moment! Ich komme.“ Er überquerte<br />
die Straße, nun stand er vor mir. Ein<br />
freundliches Gesicht in den Vierzigern.<br />
Er war aus einem der gegenüberliegenden<br />
Häuser gekommen, hatte einen Freund<br />
besuchen wollen, wie er sagte, aber der<br />
Freund war weggezogen, und, kenne ich<br />
ihn denn nicht mehr? Er sei doch der<br />
Antonio, der Lehrling, der Schlosser in<br />
unserer Firma war, und sein Vater sei<br />
doch der Giuseppe, der den Gabelstapler<br />
fuhr, und ich, wo war ich denn noch?<br />
Ich sei im Export gewesen, sagte ich.<br />
Richtig, richtig. Ich sei gut zu „die Italie-<br />
61
62<br />
ner“ gewesen, ja, ich liebe die Italiener. Er<br />
wisse das noch.<br />
Ich erinnerte mich nicht, aber es kam öfter<br />
vor, dass mich alte Kollegen oder frühere<br />
Lehrlinge aus dem Betrieb ansprachen. Ich<br />
glaube, dass sie mich als den erkennen, der<br />
ich immer sein wollte, ja vielleicht sogar bin<br />
– selbstlos und fürsorglich, und immer sind<br />
sie sicher, viel von mir gelernt zu haben.<br />
So ein Lehrling muss Antonio gewesen<br />
sein. Aber woher wusste er, dass ich die Italiener<br />
liebe? Mir selbst war es nie besonders<br />
aufgefallen. Er musste es ahnen, er war ja<br />
ein feinfühliger Mensch. Auch das wusste<br />
ich vor fünf Minuten noch nicht. Das<br />
Leben hat Überraschungen.<br />
Und er? Was mache er? frage ich.<br />
Er sei wieder nach Italien gezogen. Alle<br />
Italiener zögen irgendwann wieder nach<br />
Italien. Und ich? Was mache ich?<br />
„Ich schreibe.“<br />
„Genau! Bücher, nicht wahr?“<br />
„Ja“, sage ich. Auch das ahnt er, dachte<br />
ich.<br />
„Wie Dante Alighieri, haha.“<br />
Klassische Bildung, denke ich. Wenigstens<br />
Ansätze dazu. Er war zwar in der Schlosserei,<br />
aber er muss an sich und seiner Bildung<br />
gearbeitet haben. Nicht umfassend, aber<br />
das macht nichts, ich akzeptiere gerade<br />
solche strebsamen Menschen. Antonio<br />
muss sensibel sein. Darum hat sich auch<br />
die Erinnerung an mich so tief eingeprägt.<br />
Und dann kommt es ganz plötzlich. Er<br />
hat ein Geschenk für mich. Eine Überraschung.<br />
Ob ich mich freue?<br />
„Na ja“, sage ich. „Vielleicht muss ich<br />
anschließend die Schwester Ihrer Frau<br />
heiraten -„<br />
Aber in Wahrheit weiß ich diese überquellende<br />
Herzlichkeit zu schätzen. Ich<br />
muss ihm ein Geschenk wert sein. Es wird<br />
sich vielleicht als eine alberne Kleinigkeit<br />
herausstellen, irgend eine Kleinigkeit aus<br />
Plastik aus einem Billigladen, aber ich<br />
werde rückhaltlose Dankbarkeit zeigen.<br />
Das hat ein Mensch verdient, der so viel<br />
Anhänglichkeit beweist..<br />
„Nein, Nein,“ sagt er, „eine richtige<br />
Überraschung. Freuen Sie sich?“<br />
Ich weiß es immer noch nicht.<br />
„Warten Sie“ sagt er, „ ich hole die<br />
Überraschung aus dem Beutel.“ Antonio<br />
kommt mit einer Tragetasche zurück. Er ist<br />
ratlos, wo wir sie auspacken sollen. Wenn<br />
es denn sein müsse, sage ich, mein Auto<br />
stehe dort –<br />
„Nein, nein“, sagt Antonio, „wir<br />
brauchen Platz. Wo wohnen Sie?“<br />
Da und da wohne ich.<br />
„Gut“, sagt Antonio. „Da fahren wir<br />
hin. Ich fahre hinter Ihnen her.“<br />
Auf der Fahrt spürte ich ein gewisses<br />
Befremden. Wieso war ich plötzlich in<br />
einer Situation, in der ich mich mit fremden<br />
Leuten auseinandersetzen musste.<br />
Die Bäckerei war nur einige Hundert<br />
Meter entfernt, da hatte ich mich noch<br />
vor einer Viertel Stunde sicher und<br />
geborgen gefühlt, aber das hier, das war<br />
ungewohnt. Ich musste es hinter mich<br />
bringen.<br />
Alles um mich herum war bekannt<br />
und vertraut wie immer, nur mein Gefühl<br />
hatte sich geändert. Doch für lange Überlegungen<br />
blieb keine Zeit. Wir waren<br />
bereits an unserem Haus angekommen.<br />
Angekommen, erhalte ich ein Lob.<br />
Ich fahre ja hervorragend.<br />
Gedacht habe ich mir das immer<br />
schon. Aber Antonio bemerkt eben alles.<br />
Ihm liegt eben etwas an mir.<br />
“SCHON MAL EINE<br />
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KONNTEN?” Ihr Hörgeräte-Spezialist in Wuppertal-Elberfeld<br />
Und schon sind wir in unserer Wohnung.<br />
Wir haben heute eine Helferin da,<br />
die uns einen Kaffee machen will. Aber<br />
Antonio lehnt ab. Er hat ein Magengeschwür.<br />
Er spricht offen über alles, das<br />
merke ich. Auch, dass er spät geheiratet<br />
hat, dass er wegen seiner allein lebenden<br />
Mama zurück nach Italien gezogen ist –<br />
Dies ist eine Gelegenheit, mich<br />
anbiedernd über ein Vorurteil lustig zu<br />
machen: „Alle Frauen sind Huren, außer<br />
Mama.“ Aber Antonio ist jetzt zu konzentriert<br />
für meinen feinen Humor. Er hat<br />
mir seine Adresse in Mailand aufgeschrieben,<br />
damit ich ihm eine Karte schreiben<br />
kann, auch das Bild an der Wand hat er<br />
betrachtet.<br />
Nun sieht er ein Buch von mir. „Von<br />
Ihnen?“ Ich nicke.<br />
„Was steht darin? Von was handelt es?“<br />
In diesem Buch stünden tagebuchartig<br />
tägliche Begegnungen. So wie die hier<br />
mit ihm.<br />
„Ach? Wollen Sie das wirklich aufschreiben?“<br />
„Ja. Genau so wie es passiert, also<br />
jetzt.“<br />
Für einen Augenblick wird Antonio<br />
nachdenklich. „Also genau so?“Wieder<br />
nicke ich. Antonio scheint es gleichmütig<br />
hinzunehmen, er steckt das signierte Buch<br />
ein. Dann fällt ihm ein Bild an der Wand<br />
auf.<br />
„Positano!“ hat er mir auf den Kopf<br />
zugesagt. „Von wem ist es?<br />
„Von Hohberger“, antworte ich. „Hat<br />
er mir geschenkt.“<br />
„Wunderbar.“<br />
Aber nun will Antonio die Überraschung<br />
auspacken – Nein, vorher lobt er noch<br />
unsere Wohnlage, die Wohnung, meine<br />
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Frau, die er nun leider nicht kennenlernen<br />
kann, aber die ich grüßen soll.<br />
Und jetzt packt er die Überraschung<br />
aus, drei sehr schöne Lederjacken, einen<br />
Blouson aus Ziegenleder – „kostet ca.<br />
fünzehnhundert Euro“ – aber er schenkt<br />
ihn mir, ja, das ist die Überraschung, er<br />
schenkt mir alles. Er hat es für seinen<br />
Schwiegervater in Düsseldorf ausgestellt,<br />
und, jetzt, vor dem Rückfl ug, will der<br />
Zoll Geld dafür haben! Nein, das macht<br />
er nicht. Da schenkt er es mir lieber. Ich<br />
muss gegen meine Rührung ankämpfen.<br />
Bis auf die Lederjacke, die darf er<br />
nicht so weggeben.<br />
„Was kostet die?“<br />
„ Soundsoviel Euro“, sagt Antonio leise.<br />
„Aber soviel hab ich nicht hier.“<br />
„Macht doch nix. Fahren wir eben zur<br />
Bank.“<br />
Gut, sage ich, aber Angelika solle eben<br />
ein Foto von uns machen.<br />
„Nein. Kein Foto. Ich bin abergläubisch.<br />
Nehmen Sie mir das übel?“<br />
„Wie käme ich dazu!“ sage ich. Ich<br />
fi nde Antonio so offenherzig.<br />
Wir gehen zu seinem Auto, ich sehe das<br />
Nummernschild. „Sie wohnen in Dortmund?“<br />
„Nein“, sagt Antonio, das sei ein Leihwagen.<br />
Auf der Fahrt meldet sich das merkwürdige<br />
Gefühl, dass dies nicht so weitergehen<br />
sollte. Ich sollte die Jacken von meiner<br />
Frau begutachten lassen. Will sie die<br />
überhaupt? Aber habe ich die Kraft, jetzt<br />
auszusteigen, zurückzugehen? Ich merke<br />
wie in einer Betäubung, dass ich die Kraft<br />
jetzt nicht habe. Vielleicht gefallen ihr die<br />
Jacken ja. Und die meisten bekomme ich<br />
doch geschenkt!<br />
Auf den Parkplatz der Sparkasse will<br />
Antonio nicht fahren, nein, er parkt lieber<br />
da vorne an der Straße. Auch mit hineingehen<br />
will er nicht. Da raucht er doch<br />
lieber eine Zigarette vor dem Eingang.<br />
Die Kassiererin reicht mir die Scheine,<br />
ich gebe sie ihm.<br />
Nie werde ich verraten, wie viel es war.<br />
Unterwegs auf der Rückfahrt rätselt Antonio,<br />
wer bei der EM gewinnen würde,<br />
Griechenland oder Deutschland. Natürlich<br />
komme nur Deutschland in Frage,<br />
behauptet er.<br />
Zum Abschied küsst er mich auf die<br />
Wange.<br />
Später steht meine Frau nachdenklich<br />
vor dem Karton mit den Lederjacken.<br />
„Also hat er sie hiergelassen? Damit du es<br />
dir überlegen kannst? Und bist zum Schein<br />
darauf eingegangen? War sehr geschickt<br />
von dir. Und – hat Angelika währenddem<br />
die Polizei gerufen?“<br />
„Alles nicht nötig“, sage ich überlegen,<br />
„er hat sie mir ja geschenkt.“<br />
„Alle geschenkt? Das glaube ich nicht.“<br />
Ich muss zugeben, dass ich für eine ein<br />
bisschen bezahlt habe.<br />
Aha“, sagt meine Frau. „Und wieviel?“<br />
Ich nenne die Summe, betone aber, dass<br />
wir ja drei Jacken dafür bekommen haben.<br />
Jetzt blickt mich meine Frau sehr lange<br />
an. Dann geht sie hinaus.<br />
Sie hat mehrere Tage nicht mit mir<br />
gesprochen.<br />
Dann erst fängt sie wieder an, mit mir<br />
zu reden. „Nun schüttele es endlich ab“,<br />
sagt sie. „Stell dir vor: Beim nächsten Mal<br />
gehst du zum Schein darauf ein, informierst<br />
aber heimlich die Polizei, und die<br />
erwartet euch bei der Sparkasse.“<br />
Diese Vorstellung hat mich begeistert.<br />
So werde ich es machen. Hoffentlich<br />
kommt der Betrüger bald.<br />
Ich bin froh, als ich später wieder allein<br />
im Wald bin. Hier hört niemand, wenn ich<br />
zu mir sage: Du Idiot. Ein Blinder konnte<br />
den Betrug mit dem Krückstock fühlen.<br />
Ich nicht, antworte ich. Ich war in<br />
einem anderen Film. Ich sah Giuseppe mit<br />
dem Gabelstapler auf dem Fabrikhof herumkurven,<br />
ich sah die Ziegelmauern des<br />
Bürogebäudes, und vielleicht schloss ich<br />
mich aber auch zu sehr Antonios Meinung<br />
an, dass ich ein herausragender Mensch sei.<br />
Darum kümmern sich meine Bäume<br />
nicht. Sie wissen, dass über ein Kleines<br />
alles vergessen sein wird. Sie versichern<br />
mir, dass sie meine Freunde bleiben wollen<br />
und wiegen weise und gütig ihre Wipfel.<br />
Karl Otto Mühl<br />
63
64<br />
Mit vier Sonderveranstaltungen, bei<br />
denen sich Hochkultur und kulinarischer<br />
Genuss ergänzen, geht die Friedrich-Spee-<br />
Akademie Wuppertal ins zweite Halbjahr<br />
2012. Neben künstlerisch attraktiven<br />
Kulturträgern gibt es jeweils ein passendes<br />
kulinarisches Schmankerl, und das alles im<br />
großen Kronleuchter- Foyer des Wuppertaler<br />
Opernhauses. Partnerin für Speisen und<br />
Getränke ist die im Opernhaus beheimatete<br />
Brasserie, die sich durch ihr hochwertiges<br />
Speisen- und Getränkeangebot bereits einen<br />
Namen gemacht hat.<br />
Andreas Beutner<br />
SPEEciale im Opernhaus-Foyer<br />
Los geht es mit SPEEciale Nummer eins<br />
am Montag, 24. September, 18 Uhr,<br />
mit einem Heinz-Erhardt-Abend des<br />
bekannten Autors, Journalisten und<br />
Schauspielers Stefan Keim unter dem<br />
Motto „Noch’n Gedicht“. „Alles im<br />
Leben geht natürlich zu. Nur meine Hose<br />
geht natürlich nicht zu“, so der unvergessliche<br />
Kabarettist Heinz Erhardt in<br />
den 50er und 60er-Jahren des vorigen<br />
Jahrhunderts. Kaum einer verstand<br />
sich so auf das selbstironische Spiel mit<br />
der deutschen Sprache wie der 1979<br />
verstorbene Humorist. Neben zahlreichen<br />
Klassikerparodien wie Goethes „König<br />
Erl“ oder Schillers „Apfelschuss“ bringt<br />
Heinz Erhardt, alias Stefan Keim, sogar<br />
eine ganze Oper auf die Bühne, nämlich<br />
Bizets „Carmen.“<br />
Stefan Keim verwandelt sich auch stimmlich<br />
und optisch in Heinz Erhardt und<br />
singt bekannte Chansons des berühmten<br />
Humoristen wie „Fräulein Mabel“ und<br />
„Linkes Auge blau.“<br />
Klassisch deftig ist das Speisenangebot,<br />
bei dem die 50er-Jahre im Mittelpunkt<br />
stehen. Dabei darf natürlich auch der<br />
berühmte „Käse-Igel“ dieser Zeit nicht<br />
fehlen.<br />
Stefan Keim als Heinz Erhardt mit „Noch’n Gedicht“<br />
„Der Kontrabass“ – ein Einakter von<br />
Patrick Süskind steht im zweiten SPEEciale<br />
im Mittelpunkt, den am Freitag, 12.<br />
Oktober, 18 Uhr, Andreas Beutner –<br />
„ein „intimer Kenner der Seelenlagen von<br />
Orchestermusikern“ - (so ein Kritiker)<br />
im Opernhaus-Foyer zur Aufführung<br />
bringt. Hassliebe verbindet Süskinds<br />
Kontrabassisten mit seinem Instrument.<br />
„Manchmal möchte’ ich ihn am liebsten<br />
zerhacken“ – aber er kann nicht anders.<br />
Er ist Gefangener seines Instruments am<br />
dritten Pult im Staatsorchester, wo seine<br />
Position so sicher ist, „dass er spielen und<br />
lassen kann, was er will; er fl iegt nicht.“<br />
Darüber fl üchtet er in Tagträume, von der<br />
blutjungen Sängerin an der Oper: Sarah.<br />
Aber die lässt sich lieber von Gastsängern<br />
in teure Fischlokale einladen. „Ich habe<br />
das mal beobachtet, die Seezunge kostet<br />
da 52 Euro. Ich fi nde das widerlich.“<br />
Gar nicht widerlich wird dem Publikum<br />
die Seezunge schmecken, die an diesem<br />
Abend von der Brasserie – Gastronomie<br />
serviert wird. Zusammen mit Patrick<br />
Süskind schauen Andreas Beutner und<br />
das Publikum in die Seele eines Orchestermusikers<br />
und erleben eine tieftraurige<br />
Komödie, bei der das Lachen bisweilen<br />
im Halse stecken bleibt.
Gail Gilmore, stimmgewaltiger Mezzosopran,<br />
wuchs als Tochter eines farbigen<br />
Baptistenpfarrers auf, dessen Großeltern<br />
noch als Sklaven geboren wurden. Schon<br />
als junges Mädchen sang Gail Gilmore,<br />
die zum dritten SPEEciale am Mittwoch,<br />
21.November, 18 Uhr, im Wuppertaler<br />
Opernhaus-Foyer auftritt und die über 40<br />
Opernpartien an allen großen Opernhäusern<br />
der Welt gesungen hat, in der Kirche<br />
ihres Vaters Gospels und Spirituals, in<br />
denen das Leid, aber auch die Frömmigkeit<br />
der Sklaven und ihre Lebensfreude<br />
zum Ausdruck kommen. Mit „Back to<br />
the roots“ – zurück zu den Wurzeln - hält<br />
Gail Gilmore in ihren Konzerten die<br />
Erinnerung an die entwürdigende Zeit der<br />
Rassendiskriminierung wach und schenkt<br />
Gail Gilmore Kraft Eike Wrede<br />
zugleich Hoffnung auf eine gerechtere<br />
Welt. Kritiker loben ihre „machtvolle sonore<br />
Stimme, eine wahrhaft gestochene und<br />
prägnante Diktion.“Am Flügel begleitet<br />
Andreas Bügel<br />
Die Brasserie liefert „All-American-<br />
Food“ mit seinen Burgern, Salaten und<br />
Snacks, die sich als „Welternährung“ rund<br />
um den Globus ausgebreitet haben.<br />
Kurz vor Weihnachten, Mittwoch, 12.<br />
Dezember, 18 Uhr, führt eine nicht nur<br />
mediterrane Lesereise unter dem Motto<br />
„Reif für die Insel“ mit Kraft Eike Wrede<br />
rund ums Mittelmeer. Nur eine Kreuzfahrt<br />
ist teuerer. Mit Kraft Eike Wrede hören<br />
und sehen die Besucher des vierten SPEE-<br />
ciale die Welt des Mittelmeers und erleben<br />
die „Säulen des Herkules“ im Westen als<br />
das Ende der Welt in der Antike und die<br />
östliche Levante als zwei mittelmeerische<br />
Landschaften. Das „mare nostrum“ des<br />
römischen Imperiums ist so etwas wie die<br />
Wiege der Kultur und Zivilisation der<br />
Menschheit – ungebrochen seit der Antike<br />
bis in die Gegenwart. Kraft Eike Wrede<br />
erinnert sowohl an Charles Baudelaire<br />
und seine „Liebesinsel“ Kythera, als auch<br />
an Alexandria – Treffpunkt der eleganten<br />
Welt noch bis in die frühen 50er-Jahre,<br />
aber auch an Odysseus, der an fremde<br />
Inseln eines paradiesisch-glückseligen<br />
Lebens vorgestoßen war. Doch auch der<br />
Fall Konstantinopels 1453, ein bis heute<br />
im kollektiven Gedächtnis der Griechen<br />
kaum bewältigtes Trauma, fi ndet Eingang<br />
in Wredes Leseabend. Mittelmeer – Tapas<br />
stehen im Mittelpunkt des kulinarischen<br />
Teils des Abends, für den auch dieses Mal<br />
die Brasserie zuständig ist.<br />
Für Mitglieder der Spee-Akademie kostet<br />
der Abend inklusive Kulturprogramm<br />
und kulinarischen Teil 20 Euro, die rund<br />
fünf Tage vor dem Programmabend auf der<br />
Sonderkonto der Spee-Akademie 623 470<br />
bei der Stadtsparkasse Wuppertal(BLZ 330<br />
500 00) eingezahlt werden müssen (für<br />
Nicht-Mitglieder 30 Euro).<br />
Joachim Krug, FSA:<br />
Bilder: FSA-Archiv<br />
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65
66<br />
GOLDFIEBER! Wuppertaler stürmen Juwelier Dalmann in der<br />
Herzogstraße 5 in Wuppertal. Super-Kurs treibt Edelmetallbesitzer zum Verkauf.<br />
Seit Wochen erreichen die Goldpreise ständig neue<br />
Rekordhöhen. Das bringt immer mehr Menschen<br />
dazu, in ihren Schmuckschatullen zu kramen. Viele<br />
von ihnen entdecken dabei wahre Schätze, die sie<br />
schnell beim Juwelier Dalmann in Geld umwandeln<br />
können. ����� ���� �������� ��� ��������� ��������� �����<br />
direkt im Zentrum von Wuppertal. Allein in den<br />
letzten Wochen stieg der Goldverkauf um 40 Prozent,<br />
so Willi Fichel, Geschäftsführer des Bundesverbands<br />
der Juweliere. Ob Ringe, Broschen oder<br />
Zahnkronen-Gold, zu versilbern liegt im Trend.<br />
Sandra Schäfer entdeckt beim Aufräumen in der<br />
Wohnung Goldschmuck, den sie von ihrer Mutter<br />
geerbt hatte.<br />
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„Weil er damals für mich zu altmodisch wirkte, hatte<br />
ich ihn schnell vergessen“, erzählt sie. „Da ich in<br />
den letzten Tagen immer wieder von Rekordpreisen<br />
für Gold gelesen habe, entschied ich, jetzt zu<br />
handeln.“ Wert des Goldschatzes: rund 2.950 Euro.<br />
Auch bei Juwelier Dalmann in der Herzogstraße<br />
5 in Wuppertal, Tel.: 0202 - 94607923 blüht das<br />
Goldgeschäft. „Ich glaube, die Marke von 40.000<br />
Euro pro Kilo Feingold war für viele die magische<br />
Grenze“, sagt Herr Alegöz, während eine Kundin<br />
bei ihm anfragt, wie viel sie für ihren Schmuck bekommen<br />
würde. 795 Euro zahlt er der Kundin für<br />
Zahngold, Armband und Kette. „Das ist alter Familienschmuck,<br />
der im Schrank versauerte“.<br />
Gold habe in den letzten Jahren einen rasanten<br />
Preisanstieg hingelegt. Schon seit Wochen erreichen<br />
die Goldpreise bis dahin für unmöglich gehaltene<br />
Rekordstände. Derzeit steht der Preis bei<br />
ca. 1.300 Euro je Feinunze (31,1 Gramm). Wer im<br />
Jahr 1970 ein breites italienisches Armband für<br />
600 Mark gekauft hat, bekommt heute dafür möglicherweise<br />
990 Euro angerechnet“, sagt Juwelier<br />
Dalmann, der zurzeit mehr als doppelt so viele<br />
Kunden hat wie sonst. Auch Markenuhren, wie<br />
Rolex, Breitling und ähnliche werden beim Juwelier<br />
Dalmann angekauft. Denn für viele Menschen<br />
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Kulturnotizen<br />
Müllers Marionetten-Theater<br />
Versprechen muss man halten<br />
Der Froschkönig in Müllers Marionetten-<br />
Theater<br />
Weiter geht es mit der großen Grimm-<br />
Reihe in Müllers Marionetten-Theater. Am<br />
27. und 28. Oktober jeweils um 16 Uhr<br />
beweist der Froschkönig der schönen Prinzessin<br />
auf entzückende Weise, dass es besser<br />
ist, ein Versprechen zu halten.<br />
Der Frosch holt der Prinzessin die Goldkugel<br />
aus dem Brunnen und dafür muss<br />
sie seine Freundin werden. Versprochen<br />
ist versprochen! Aber muss die Prinzessin<br />
den glibberigen Kerl auch küssen? – Das<br />
wundervolle Theatermärchen von Günther<br />
Weißenborn nach Grimm mit Musik von<br />
Antonin Dvorak zeigt, dass selbst eine Prin-<br />
The art of tool making<br />
zessin ihre Versprechen halten muss. Natürlich<br />
soll sie dafür auch belohnt werden.<br />
Aufführungstermine: 27. und 28.<br />
Oktober 2012 jeweils 16 Uhr Weitere<br />
Vorstellungstermine am 1., 3., 4., und 10.<br />
November 2012.<br />
Wohngemeinschaft für Tiere<br />
Die Bremer Stadtmusikanten zu<br />
Gast in Wuppertal<br />
Mit den „Bremer Stadtmusikanten“ gibt<br />
Müllers Marionetten-Theater im Oktober<br />
ein weiteres Grimm-Märchen zum<br />
Besten. Esel, Hund, Katze und Hahn<br />
sind alt geworden und taugen nicht mehr<br />
zum Schleppen, Wachen, Mäusefangen<br />
und Mistkratzen. Da verlassen sie ihr zu<br />
Hause und gründen im Wald die erste<br />
Alters-Wohngemeinschaft der deutschen<br />
Geschichte.<br />
Eine wahrhaft lustvolle Inszenierung<br />
aus den Kindern- und Hausmärchen der<br />
Gebrüder Grimm erwartet Jung und Alt<br />
zum Start in den goldenen Oktober.<br />
Aufführungstermine: 3., 6., 14., 17., 20.<br />
Oktober 2012 um 16 Uhr.<br />
Neuenteich 80, 42107 Wuppertal-Elberfeld<br />
info@muellersmarionettentheater.de<br />
www.muellersmarionettentheater.de<br />
In der Akademie Remscheid neue<br />
Wege gehen<br />
Unter neuer Leitung bietet kreativ50plus die<br />
Möglichkeit, Ideen zu gestalten<br />
Kreativ50plus, das offene Kulturprogramm<br />
an der Akademie Remscheid hat<br />
eine neue Programmleiterin. Imke Nagel<br />
gehört zum ersten Absolventenjahrgang<br />
der Weiterbildung „Kulturgeragogik<br />
– Kulturarbeit mit Älteren“ der Fachhochschule<br />
Münster und des Instituts<br />
für Bildung und Kultur (kurz IBK)<br />
Remscheid. Motivation für ihre Arbeit<br />
ist die Tatsache, dass Kreativität und die<br />
Möglichkeit neue Wege zu beschreiten<br />
nie aufhören. Zukunft und Kreativität<br />
werden aber oft nur mit Jugend assoziiert.<br />
Der neuen Programmleiterin ist es ein<br />
Anliegen, Älteren mit den Seminaren von<br />
kreativ50plus Raum und Know-How zu<br />
bieten, um eigene künstlerisch-kreative<br />
Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen.<br />
Als Dipl.-Kulturpädagogin ist Imke<br />
67
68<br />
Kulturnotizen<br />
Nagel außerdem spezialisiert auf kulturelle<br />
Vermittlung in den Fachbereichen<br />
kreatives Schreiben und Kunst. So bot sie<br />
zuletzt das spielerische Schreibseminar<br />
„Herzstücke unter der Lupe“ an. Die Teilnehmerinnen<br />
im Alter von 60-87 Jahren<br />
gingen schreibend der Frage nach, was für<br />
sie Lebensqualität bedeutet. Kreativ50plus<br />
lädt mit seinem Angebot in den Bereichen<br />
Theater, Tanz, Musik, Medien und<br />
Kunst dazu ein, neue Ausdrucksformen<br />
zu erproben oder Bewährtes weiter<br />
auszubauen. Im Austausch innerhalb der<br />
Teilnehmergruppe lässt sich Entwickeltes<br />
verfeinern. Beim „experimentellen Gestalten<br />
mit Ton“ erhalten die Teilnehmenden<br />
Impulse, um Formen und Strukturen aus<br />
dem Alltag für ihre Arbeiten mit Ton zu<br />
nutzen. Auch Interessierte ohne Vorkenntnisse<br />
sind herzlich willkommen. Die<br />
abstrakten Werke des Künstlers Bernard<br />
Schultze stehen in der Reihe „Inspiration<br />
Künstlerbilder“ im Mittelpunkt. Durch<br />
verschiedene auf der Leinwand angebrachte<br />
Materialien lässt sich Malerei ins<br />
Dreidimensionale erweitern. Wer lieber<br />
schreibt, bekommt in „Darüber könnte<br />
ich ein Buch schreiben“ Tipps, um Autobiografi<br />
sches schriftlich in Szene zu setzen.<br />
Weitere Informationen zu kreativ50plus<br />
erhalten Sie unter: www.kreativ50plus.de<br />
oder telefonisch unter 02191-794 212.<br />
Von der Heydt-Preis für Anne Linsel<br />
Förderpreis für Roswitha Dasch<br />
Das Kuratorium für den Kulturpreis der<br />
Stadt Wuppertal hat entschieden: Die<br />
Kulturjournalistin und Filmemacherin<br />
Anne Linsel bekommt den Von der<br />
Heydt-Preis der Stadt Wuppertal. Der<br />
Anne Linsel<br />
Roswitha Dasch<br />
Musikerin Roswitha Dasch wird der<br />
Förderpreis zuerkannt.<br />
Die zukünftige Von der Heydt-Preisträgerin,<br />
die Wuppertaler Kulturjournalistin<br />
Anne Linsel, ist seit vielen Jahrzehnten auf<br />
verschiedenen Feldern aktiv. Sie arbeitet für<br />
den Hörfunk, schreibt Literatur-, Theater-<br />
und Kunstkritiken, Reportagen und<br />
Portraits und dreht Dokumentationen. Ihr<br />
Film "Tanzträume", eine Dokumentation<br />
der Arbeit Pina Bauschs mit Wuppertaler<br />
Teenagern, fängt die weltberühmte<br />
Choreografi n aus nächster Nähe ein - und<br />
das nur kurze Zeit vor Bauschs plötzlichem<br />
Tod. Die Annäherung an die scheue Gründerin<br />
und Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters<br />
und ihre Akteure, mit denen sie<br />
die Produktion "Kontakthof" einstudierte,<br />
erlebte seine Uraufführung bei der Berlinale<br />
und wurde auf vielen Festivals gezeigt.<br />
Den Laien-Tänzern und ihren Gefühlen<br />
kommt sie mit der Kamera nah und schafft<br />
damit einfühlsame Portraits ganz normaler<br />
Jugendlicher in einer besonderen Situation.<br />
"Mit dem Preis soll ihre außerordentliche<br />
Lebensleistung gewürdigt werden", so die<br />
Begründung des Kuratoriums.<br />
Der Förderpreis geht an Roswitha<br />
Dasch. Die Musikerin studierte Violine an<br />
der Musikhochschule Köln und absolvierte<br />
eine private Gesangsausbildung. Sie beschäftigt<br />
sich intensiv mit jüdischer Kultur<br />
und Musik und steht seit Mitte der 80er<br />
Jahre mit verschiedenen Musikern auf der<br />
Bühne. "Roswitha Dasch besticht durch<br />
ihre künstlerische Vielseitigkeit - als Musikerin,<br />
Sängerin, Schauspielerin, Rezitatorin,<br />
Moderatorin und Pädagogin, kurz: Sie<br />
ist eine Allrounderin, ohne je beliebig zu<br />
sein", heißt es in der Begründung der Jury.<br />
Der Kulturpreis der Stadt Wuppertal<br />
wird alle zwei Jahre verliehen, seit 2008<br />
unter dem Namen Von der Heydt-Preis.<br />
Seit 1950 wurden über 100 Persönlichkeiten<br />
und Ensembles mit dem Kulturpreis<br />
ausgezeichnet, darunter Heinrich Böll,<br />
Alice Schwarzer, Pina Bausch,Tony Cragg<br />
und Tom Tykwer. Im Kuratorium des Preises<br />
sitzen acht fachkundige Bürger, die vom<br />
Kulturausschuss gewählt werden, und fünf<br />
Mitglieder, die von den Ratsfraktionen<br />
nominiert werden. Mit dem Preis werden<br />
Künstler ausgezeichnet, die durch ihr Leben<br />
und Wirken mit dem Bergischen Land<br />
verbunden sind. Der Von der Heydt-Preis<br />
ist mit 12.500 Euro dotiert, der Förderpreis<br />
mit 5.000 Euro. Die Preisverleihung<br />
ist für dieses Jahr vorgesehen.<br />
Premieren<br />
im Oktober und November 2012<br />
Trilogie der Sommerfrische<br />
Komödie von Carlo Goldoni<br />
Premiere 11. Oktober 2012 / Opernhaus<br />
Der Barbier von Sevilla<br />
(Il Barbiere di Siviglia) Commedia in zwei<br />
Akten von Gioachino Rossini in italienischer<br />
Sprache mit deutschen Übertiteln<br />
Premiere 20. Oktober 2012 Opernhaus<br />
Vom guten Ton – Die Welt ist voller<br />
Geplapper (Urauführung)<br />
Musiktheater für vier Singstimmen, vier<br />
Bläser und Zupforchester. Musik von Thomas<br />
Beimel, Text von Cornelie Müller<br />
Glückliche Reise<br />
Operette in 3 Akten von Eduard Künneke<br />
Text Max Bertuch und Kurt Schwabach<br />
Premiere 31. 10. 2012 Teo Otto Theater<br />
Remscheid, 18. 11. 2012 Opernhaus<br />
Käthe Hermann<br />
Schauspiel von Anne Lepper, Premiere 24.<br />
November 2012 Kleines Schauspielhaus
Festival 3B<br />
Kammermusik in der Immanuelskirche.<br />
Jungstars der internationalen Klassikelite<br />
zu Gast in Wuppertal vom<br />
22. – 28. Oktober 2012<br />
Kammermusik pur! Ein Festival, das<br />
alle bisherigen Vorstellungen von Klassischer<br />
Kammermusik auf den Kopf stellt.<br />
Nach dem fulminanten Auftakt im Herbst<br />
2011 fi ndet das von der Wuppertaler Bratschistin<br />
Barbara Buntrock initiierte Festival<br />
zum zweiten Mal statt.<br />
Neben den vier Konzerten stehen für das<br />
Publikum ein öffentlicher Meisterkurs<br />
des Leipziger Streichquartetts und ein<br />
Rhythmus-Klang-Workshop, der sich an<br />
Erwachsene und Kinder ab dem Grundschulalter<br />
richtet sowie eine Late-Night-<br />
Lounge-Veranstaltung auf dem Programm.<br />
Neben dem Leipziger Streichquartett,<br />
das aktuell als eines der renommiertesten<br />
Kammermusikensembles weltweit gilt, sind<br />
Jungstars der internationalen Klassikelite zu<br />
Barbara Buntrock. Foto: Sonja Werner<br />
Gast, die allesamt bereits weltweit solistisch<br />
in den größten Konzerthäusern und auf den<br />
prominentesten Klassikfestivals spielen.<br />
Künstler des diesjährigen Festivals sind das<br />
Leipziger Streichquartett mit Stefan Arzberger<br />
(Violine), Tilman Büning (Violine),<br />
Ivo Bauer (Viola) und Matthias Moosdorf<br />
(Violoncello) sowie Alexandra Soumm<br />
(Violine), Agata Szymczewska (Violine),<br />
Erik Schumann (Violine), Werner Dickel<br />
(Viola), David Pia (Violoncello), Isang Enders<br />
(Violoncello), Kit Armstrong (Klavier),<br />
Julien Quentin (Klavier) und die Gastgeberin<br />
Barbara Buntrock (Viola).<br />
Vom 22. bis 28. Oktober kann man<br />
ihre Spielfreude und energiegeladenen<br />
Interpretationen in der Immanuelskirche in<br />
Wuppertal erleben.<br />
Veranstaltungsorte sind die Immanuelskirche<br />
Wuppertal, ein Konzertsaal, der<br />
für seine überragende Akustik international<br />
bekannt ist sowie die Hochschule für Musik<br />
und Tanz Köln, Abteilung Wuppertal.<br />
Alle Programminformationen über www.<br />
festival-3b.de www.festival-3b.de , Tickets<br />
über www.wuppertal-live.de www.wuppertal-live.de/<br />
, die Wuppertaler Vorverkaufsstellen<br />
und die Abendkassen.<br />
Ausstellung<br />
im Skulpturenpark Waldfrieden<br />
Didier Vermeiren<br />
vom 26. 10. 2012 bis 10. 3. 2013<br />
In seinem gesamten Schaffen befragt<br />
Didier Vermeiren die Tradition der<br />
Skulptur und ihrer heutigen Möglichkeiten.<br />
Er gehört einer Generation von Künstlern<br />
an, die seit den 1970er Jahren im Rückgriff<br />
auf das Vermächtnis der Konzeptkunst und<br />
des Minimalismus an einer Neudefi nition<br />
der Dialektik der Kunst gearbeitet haben.<br />
1951 in Brüssel geboren erlangte Vermeiren<br />
in den 1980er Jahren internationale<br />
Bekanntheit durch Werke, die sich der<br />
Frage nach der Bedeutung der Skulpturen<br />
ausgehend von der Plinthe, auf der sie stehen,<br />
nähern. Vermeiren ist Professor an der<br />
Düsseldorfer Kunstakademie, die Ausstellung<br />
seine erste Einzelschau in Deutschland<br />
seit 1993 (damals Haus Lange, Krefeld).<br />
Im Skulpturenpark Waldfrieden, www.<br />
skulpturenpark-waldfrieden.de www.<br />
skulpturenpark-waldfrieden.de/ ; Öffnungszeiten<br />
März bis November<br />
Di – So von 10 bis 18 Uhr; Dezember bis<br />
Februar: Fr – So von 10 bis 17 Uhr<br />
Didier Vermeiren, Étude pour l’Urne #2,<br />
2008, plaster, painted wood, 210,5 x 124,5<br />
x 124,5 cm, © Didier Vermeiren, ADAGP<br />
Sinfonieorchester Wuppertal<br />
Konzerte Oktober/November<br />
So. 28. Oktober 2012, 11 Uhr<br />
2. Sinfoniekonzert<br />
So. 4. November 2012, 11 & 15 Uhr<br />
Mendelssohn Saal<br />
1. Familienkonzert<br />
FELIX UND FANNY AUF REISEN<br />
So. 11. November 2012, 11 Uhr<br />
3. Sinfoniekonzert<br />
Do. 15. Nov. 2012, 10 & 12 Uhr<br />
Mendelssohn Saal<br />
1. Schulkonzert<br />
DIE VIER JAHRESZEITEN<br />
Mo. 19. November 2012, 20 Uhr<br />
Mendelssohn Saal<br />
1. Kammerkonzert<br />
Osthaus Museum Hagen<br />
Norbert Frensch – MalereI<br />
AM RAND DER SICHTBARKEIT<br />
In Duisburg und Hagen eröffnete am<br />
Wochenende eine Ausstellung in grau und<br />
schwarz. Es sind die Farben des Frankfurter<br />
Malers Norbert Frensch<br />
Mehr als ein Jahrzehnt lang glich<br />
Norbert Frenschs Atelier einer Dunkelkammer<br />
– er wollte der Malerei bis an den Rand<br />
der Sichtbarkeit folgen. Frensch (Jahrgang<br />
1960) malte mit Ölfarbe und spiegelnder<br />
Harzlasur ein einziges Motiv: eine schlich te,<br />
69
70<br />
Kulturnotizen<br />
Blick in die Ausstellung mit Werken von<br />
Norbert Frensch im Osthaus Museum Hagen<br />
2012 (© 2012 VG Bild-Kunst Bonn,<br />
Fotografi e: Heike Wippermann, Hagen )<br />
in tiefe Nacht getauchte, silbrig schimmernde<br />
Schale, in deren Oberfl äche sich letzte<br />
Reste des Lichts zu verfangen scheinen.<br />
Das Museum DKM in Duisburg und<br />
das Osthaus-Museum Hagen widmen<br />
Norbert Frensch jetzt eine zweiteilige<br />
Werkschau. Neben den zwischen 1992<br />
und 2004 entstan denen schwarzen Bildern<br />
umfasst sie vor allem die 2004 begonnene<br />
graue Serie. In ihr beschränkt sich Frensch<br />
ebenfalls auf wenige Motive: Auf den Gemälden<br />
einer Werkrei he sind abwechselnd<br />
helle und dunkle Farb streifen zu sehen, die<br />
Licht und Schatten in meditative Bahnen<br />
lenken.<br />
Im privaten Museum DKM, das Frensch<br />
einen ständigen Künstlerraum eingerichtet<br />
hat, sind rund 20 schwarze und graue Bilder<br />
zu sehen. Das Osthaus-Museum zeigt<br />
etwa 50 Werke, darunter ein fast 16 Meter<br />
messendes, für das Haus konzipiertes Breitwand<br />
gemälde, zahlreiche Papierarbeiten,<br />
die „Lasuren“, und einige selten gezeigte,<br />
vor 1992 entstandene abstrakte Bilder.<br />
Termin: bis 26. 11. im Museum DKM<br />
/ bis 30. 9. im Osthaus Museum<br />
www.osthausmuseum.de<br />
Klaus-Peter Kirchner<br />
„Herzensschatzi komm!“<br />
Bilder, Objekte und Installationen<br />
Kunstmuseum Ahlen<br />
28. Oktober 2012 – 20. Januar 2013<br />
Ausgangspunkt für das aktuelle Schaffen<br />
Klaus-Peter Kirchners sind Selbstäußerungen<br />
von Frauen, die im 19. und frühen 20.<br />
Jahrhundert zeitweilig in psychiatrischen<br />
Anstalten lebten und sich mit der Erschaffung<br />
eigener Weltbilder gegenüber den<br />
totalitären Institutionen zu behaupten suchten.<br />
Bereits von den Surrealisten rezipiert,<br />
refl ektiert Kirchner in der Ausstellung über<br />
das Verhältnis von bildnerischem Schaffen<br />
und Emotion, Ästhetisierung als Überlebensprinzip<br />
und das Wesen der Kunst.<br />
„Herzensschatzi komm!“<br />
„Herzensschatzi komm!“ Mit diesem<br />
dringenden Wunsch hat Emma Hauck,<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts Insassin der<br />
Psychiatrischen Klinik Heidelberg, in Briefen<br />
an ihren Mann vergeblich Blatt um Blatt<br />
gefüllt. Als sie im Februar 1908 erstmals in<br />
die Einrichtung kam, war sie seit viereinhalb<br />
Jahren verheiratet und Mutter zweier kleiner<br />
Kinder. Kurz nach ihrer Entlassung wurde<br />
sie für unheilbar krank erklärt und in die<br />
Heilanstalt bei Wiesloch eingewiesen. Dort<br />
starb sie 1920 im Alter von 42 Jahren.<br />
Aus den Briefen der Emma Hauck<br />
sprechen die Sehnsucht nach Zuwendung<br />
und das Leiden an den Geschlechterrollen<br />
der damaligen bürgerlichen Gesellschaft.<br />
Einige der zahlreichen eng beschriebenen<br />
Blätter bestehen aus unleserlichen Wortreihen,<br />
die abstrakte grafi sche Strukturen bilden<br />
und einer modernen Bildsprache ähneln.<br />
Neben vielen anderen solcher ästhetischen<br />
Äußerungen von psychisch Kranken<br />
haben die Blätter Eingang in die berühmte<br />
Sammlung Prinzhorn gefunden. Von dem<br />
an der Heidelberger Klinik arbeitenden<br />
Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn<br />
zusammengetragen, wurden sie 1922 unter<br />
dem Titel „Bildnerei der Geisteskranken“<br />
veröffentlicht. Die Publikation weckte unter<br />
den Avantgarde-Künstlern jener Zeit große<br />
Aufmerksamkeit. Vor allem den Surrealisten<br />
galt sie als eine Art Bibel. Dessen Vertreter<br />
sahen in der Sammlung einen Akt der Befreiung<br />
von gesellschaftlichen Konventionen;<br />
sie hielten die Bilder für einen unverfälschten<br />
Ausdruck individuellen Gestaltungswillens.<br />
Der in Berlin und Soest lebende<br />
Künstler Klaus-Peter Kirchner hat sich in<br />
seinem aktuellen künstlerischen Schaffen<br />
eingehend mit Selbstäußerungen von Frauen<br />
beschäftigt, die um die Wende vom 19. zum<br />
20. Jahrhundert in psychiatrischen Einrichtungen<br />
lebten und sich mit der Erschaffung<br />
eigener Weltbilder gegenüber den totalitären<br />
Institutionen zu behaupten suchten. Diese<br />
autonomen Individualisierungsbestrebungen<br />
äußern sich auch in den Anagrammen<br />
der surrealistischen Autorin Unica Zürn,<br />
Lebensgefährtin von Hans Bellmer, die unter<br />
Schizophrenie litt. Insbesondere aus ihrer<br />
produktiven Lust an der Zerstörung von<br />
Wörtern und Sinn – die Gedichte bestehen<br />
Zeile für Zeile aus denselben, immer wieder<br />
anders zusammen gesetzten Buchstaben<br />
– schöpft Kirchner für die Ent-wicklung<br />
einer neuen Formensprache. Mit hohem<br />
Assoziationspotential aufgeladene Bilder,<br />
Objekte, Zeichen und Symbole löst er aus<br />
ihrem ursprünglichen Kontext, um sie in<br />
völlig neue Zusammenhänge zu setzen.<br />
Die in den letzten Jahren entstandenen<br />
Arbeiten sind eindringliche Plädoyers für<br />
künstlerische Freiheit. Angeregt von den<br />
Ergebnissen seiner Kurse für künstlerisch<br />
begabte Menschen mit geistiger Beeinträchtigung,<br />
rührt Kirchner mit seinen Werken<br />
an existentielle Befi ndlichkeiten als Quelle<br />
der Kreativität. Eigens für die Ausstellung<br />
im Kunstmuseum Ahlen geschaffene Bilder,<br />
Objekte und Installationen treten mit älteren<br />
Arbeiten in einen Dialog und eröffnen<br />
Räume für umfassende ästhetische Erlebensmomente.<br />
Klaus-Peter Kirchner fragt nach<br />
dem Ursprung der Bilder und dem Wesen<br />
der Kunst, nach der Grenze zwischen Norm<br />
und Abweichung und nach dem Verhältnis<br />
von Ästhetik und Emotion. Zur Ausstellung<br />
erscheint ein umfangreicher zweibändiger<br />
Katalog.<br />
Museum Schloß Moyland<br />
KUNST. BEWEGT. 02<br />
Joseph Beuys und der Schwan<br />
29. September 2012 bis März 2013<br />
Mit dieser Präsentation stellt das Museum<br />
Schloss Moyland ein rätselhaftes und<br />
Joseph Beuys, abgestürzter Schwan, 1959<br />
© VG Bild-Kunst, Bonn 2012
vielschichtiges Thema aus dem Schaffen<br />
von Joseph Beuys vor. Dem Schwan kam<br />
bereits in der Antike, der germanischen<br />
Mythologie, aber auch für die Stadt Kleve,<br />
in der Joseph Beuys aufgewachsen ist, große<br />
Bedeutung zu. Zeitgleich erscheint im<br />
Richter Verlag, Düsseldorf, die Publikation<br />
von Heribert Schulz „Joseph Beuys und<br />
der Schwan“.<br />
Stiftung Museum Schloss Moyland<br />
Sammlung van der Grinten<br />
Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Am Schloss 4, 47551 Bedburg-Hau<br />
www.moyland.de/ausstellungen<br />
Städt. Galerie Villa Zanders<br />
Salonstücke RELOADED<br />
Künstlerräume<br />
28. 9. 2012 – 13. 1. 2013<br />
Dieter Froelich, Tina Haase, Karin<br />
Hochstatter, Anette Lauer, Axel Lieber, Andrea<br />
Ostermeyer, Klaus Schmitt, Heike Weber<br />
Anette Lauer, Salonstücke 4, 1996 (© VG<br />
Bild-Kunst, Foto: D. Janecek)<br />
In den neunziger Jahren fanden unter<br />
dem Titel „Salonstücke“ Rauminstallationen<br />
im Grünen Salon der Städtischen<br />
Galerie Villa Zanders statt. Mit diesen<br />
Installationen machte das neu eröffnete<br />
Museum sich seinerzeit in Kunstkreisen<br />
schnell einen Namen. Zahlreiche Magazine<br />
druckten die eindrucksvollen Werke ab,<br />
so dass das großbürgerliche Ambiente im<br />
Kontrast mit zeitgenössischer Kunst überregional<br />
publik wurde.<br />
Die Künstlerinnen und Künstler<br />
standen damals am Anfang ihrer Karriere,<br />
heute gehören sie zur internationalen<br />
Avantgarde. Zum zwanzigjährigen Jubiläum<br />
der Städtischen Galerie Villa Zanders<br />
knüpfen wir an diese erfolgreiche Reihe<br />
mit einer Neupräsentation der damaligen<br />
Teilnehmer an.<br />
Gezeigt werden Skulptur, Malerei,<br />
Zeichnung und Video sowie neue raum-<br />
bezogene Werke, in denen sowohl eine<br />
Kontinuität zum ehemaligen Salonstück<br />
als auch der innovative Ansatz eines jeden<br />
Werkes spürbar wird.<br />
Eintritt: 4 Euro / ermäßigt 2 Euro<br />
Städtische Galerie Villa Zanders<br />
Konrad - Adenauer - Platz 8<br />
51465 Bergisch Gladbach<br />
www.villa-zanders+de<br />
Museum Ostwall Dortmund<br />
Fluxus<br />
Zwei Ausstellungen im Dortmunder U<br />
In diesem Jahr wäre der amerikanische<br />
Komponist John Cage 100 Jahre alt<br />
geworden, zudem gab es vor 50 Jahren<br />
erstmals Fluxus-Konzerte in Deutschland.<br />
Beides ist Anlass genug, das Dortmunder<br />
U mit zwei Ausstellungen vom 25.<br />
August 2012 bis zum 6. Januar 2013 ganz<br />
unter das Zeichen von Fluxus und John<br />
Cages Einfl uss auf zeitgenössische Künstler<br />
zu stellen.<br />
Das Museum Ostwall zeigt mit FLU-<br />
XUS – Kunst für Alle! ein variationsreiches<br />
Spektrum künstlerischen Schaffens aus<br />
dem Fluxus-Zusammenhang. Mit der Präsentation<br />
von Werken aus der Sammlung<br />
Feelisch und der Sammlung Braun/Lieff<br />
werden erstmals zwei umfassende Kollektionen<br />
mit dem Schwerpunkt Fluxus<br />
zusammengebracht.<br />
Milan Knížák: Ein fl iegendes Buch<br />
(Flying Book), 1965/70 - Exponat der<br />
Sonderausstellung „FLUXUS - Kunst für<br />
Alle!“ im Museum Ostwall.<br />
Bildlizenz: Alle Rechte vorbehalten VG<br />
BILD-KUNST, Bonn 2012 / Foto:<br />
Jürgen Spiler<br />
Leonie-Reygers-Terrasse,<br />
44137 Dortmund<br />
www.dortmund.de/de/freizeit_und_<br />
kultur/museen/museum_ostwall<br />
Der neue<br />
Pina Bausch-<br />
Kalender<br />
Fotografi en von Jochen Viehoff<br />
2013<br />
Pina Bausch<br />
Tanztheater Wuppertal<br />
Ab 15. Oktober<br />
im Buchhandel<br />
18,90 Euro<br />
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Friedrich-Engels-Allee 122<br />
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71
72<br />
Kulturnotizen<br />
Paul Cézanne (1839–1906), Stillleben<br />
mit Äpfeln, 1893/94, The J. Paul Getty<br />
Museum, Los Angeles<br />
Wallraf-Richartz-Museum Köln<br />
1912 – Mission Moderne<br />
Noch bis zum 30. Dezember 2013<br />
Die Jahrhundertschau des Sonderbundes.<br />
Große Retrospektive mit van Gogh, Gauguin,<br />
Picasso, Munch & Co<br />
Vor 100 Jahren fand in Köln eine der<br />
wichtigsten Ausstellungen der jüngeren<br />
Kunstgeschichte statt. Die heute<br />
legendäre Kölner Sonderbundausstellung<br />
war im Sommer 1912 angetreten,<br />
dem konservativen Kaiserreich die<br />
moderne Kunst nahe zu bringen – mit<br />
durchschlagendem Erfolg. Die Schau<br />
wurde in Deutschland zum wichtigsten<br />
Wegbereiter für die Moderne. Qualität<br />
und Quantität der Exponate waren<br />
atemberaubend. Rund 650 Kunstwerke<br />
– darunter alleine 130 Gemälde von<br />
van Gogh, 26 von Cézanne, 25 von<br />
Gauguin, 32 von Munch und 16 von<br />
Picasso – waren in der eigens für die<br />
Schau errichteten Ausstellungshalle zu<br />
sehen. Das Spektrum der ausgestellten<br />
Kunst reichte vom Postimpressionismus<br />
bis hin zum deutschen Expressionismus,<br />
den jungen Malern der Brücke und des<br />
Blauen Reiters.<br />
Anlässlich des Jubiläums der Sonderbundausstellung<br />
zeigt das Wallraf<br />
mit „1912 – Mission Moderne“ bis<br />
zum 30. Dezember 2012 einen spektakulären<br />
Rückblick auf diese Jahrhun-<br />
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Henri-Edmond Cross, Die Lichtung,<br />
1906/07, Wallraf-Richartz-Museum &<br />
Fondation Corboud, Köln<br />
dertschau. Mit mehr als hundert Meisterwerken,<br />
die damals zu sehen waren, wird<br />
die ursprüngliche Ausstellung in ihren<br />
Schwerpunkten und Zielsetzungen<br />
rekonstruiert. Die hochkarätigen Exponate<br />
kommen aus der ganzen Welt nach Köln.<br />
www.wallraf.museum<br />
„Ein Bild ohne Rahmen<br />
ist wie eine Seele ohne Körper“<br />
Vincent van Gogh<br />
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Bestand bildeten 88 Werke, die das<br />
Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 1960<br />
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