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DIE BESTE ZEIT<br />

Das Magazin für Lebensart<br />

Wuppertal und Bergisches Land Ausgabe 17, 2012 - 3,50 Euro<br />

Peter Paul Rubens<br />

Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

Anja Harteros<br />

Eine Sopranistin der Weltspitze<br />

Ulle Hees<br />

Nachruf von Ulrike Müller<br />

Schöne Post im Kasten<br />

Geschichte der Postkarte<br />

PIXAR - 25 Years of Animation<br />

Bundeskunsthalle Bonn<br />

Wieder gelesen<br />

Hermann Schulz<br />

That’s amore<br />

Komödie von Richard Alfi eri<br />

Renate Massmann<br />

40 Jahre für die Lebenshilfe<br />

Neue Kunstbücher<br />

Die Moderne in der Konvention<br />

Der Mensch ist gut<br />

erzählt von Karl Otto Mühl<br />

10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

Viele namhafte Jazz-Musiker<br />

18695205<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der RegionISSN 1


2<br />

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Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

mit dieser Ausgabe erscheint unser Magazin Die Beste Zeit bereits im 4.<br />

Jahrgang. Es hat sich in dieser Zeit etabliert und ist zu einer interessanten<br />

Lektüre für die Stadt am schwarzen Fluss geworden. Seit Beginn im Jahr<br />

2009 sind mit der aktuellen Ausgabe fast 1000 Seiten Kulturinformation<br />

aus der Region entstanden.<br />

So danke ich an dieser Stelle allen Autoren, die uns auf diesem Weg mit<br />

ihrer Arbeit immer wieder unterstützt haben und die das Magazin zu dem<br />

gemacht haben, was es heute ist - eine informative Quelle des kulturellen<br />

Lebens unserer Region.<br />

Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle Frank Becker, den Herausgeber<br />

des Internetportals Musenblätter, den Kunsthistoriker Thomas Hirsch sowie<br />

den Journalisten Matthias Dohmen hervorheben, die das Magazin mit ihren<br />

Beiträgen regelmäßig unterstützen. Aber auch Marlene Baum, Karl Otto<br />

Mühl und Heiner Bontrup steuern immer wieder fachkundige Artikel für<br />

Die Beste Zeit bei. Ohne sie wäre eine erfolgreiche Arbeit für mich nicht<br />

möglich. Dank aber auch den hier namentlich nicht genannten Autoren<br />

sowie dem Von der Heydt-Museum, das uns regelmäßig mit Beiträgen aus<br />

den laufenden Ausstellungen unterstützt.<br />

Erfreulicherweise konnte ich Herrn Michael Maus von der Firma Maus<br />

Marketing für unsere Anzeigenakquise gewinnen. Gemeinsam möchten wir<br />

die wirtschaftliche Basis des Magazins stärken, ohne dabei unsere eigentliche<br />

Aufgabe zu vernachlässigen. Michael Maus hat exklusiv für Die Beste Zeit<br />

ein Anzeigenformat entwickelt, das auf die Verbindung von analoger und<br />

digitaler Werbung setzt. Über einen in die Anzeige integrierten QR-Code<br />

können die Leser mit ihren Smartphones direkt zusätzliche Informationen<br />

abrufen – zum Beispiel Videos. Unsere Inserenten, die sich für diese Kombination<br />

aus traditioneller Anzeige und multimedialem Auftritt entscheiden,<br />

erhalten für das Komplettpaket einen Sonderpreis. Lassen Sie sich unverbindlich<br />

von Herrn Maus beraten!<br />

Lesen Sie in dieser Ausgabe u. a. eine Ankündigung zur großen Peter Paul<br />

Rubens-Ausstellung im Von der Heydt-Museum, die am 16. Oktober eröffnet<br />

wird. Zu dieser Ausstellung werden wieder tausende Besucher aus dem<br />

ganzen Bundesgebiet in der Stadt erwartet. Weiterhin fi nden Sie ein Porträt<br />

der Sopranistin Anja Harteros, einen Nachruf auf die Bildhauerin Ulle<br />

Hees sowie einen Bericht über die Geschichte der Postkarten. Ferner werden<br />

wir das 10. Wuppertaler Jazzmeeting ankündigen, das ein kleines Jubiläum<br />

dieser erfolgreichen Konzertreihe Wuppertaler Jazzmusiker darstellt. Und<br />

erneut werden wir einen weiteren ‚Ort der Stille‘ vorstellen. Darüber hinaus<br />

erwarten Sie viele kulturell informative Beiträge aus der Region. Es ist die<br />

umfangreichste Ausgabe, die wir seit Entstehen herausgebracht haben. Ihnen<br />

wünsche ich nicht nur beim Lesen der 17. Ausgabe Muße für Die Beste Zeit.<br />

Herzliche Grüße<br />

Ihr HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

3


4<br />

Nico Ueberholz<br />

Impressum<br />

Die Beste Zeit erscheint in Wuppertal und im Bergischen Land<br />

Erscheinungsweise: alle zwei Monate<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> <strong>KG</strong> - Die beste Zeit<br />

Friedrich-Engels-Allee 122, 42285 Wuppertal<br />

Telefon 02 02 - 28 10 40<br />

E-Mail: verlag@hpnackekg.de<br />

V. i. S. d. P.: HansPeter <strong>Nacke</strong><br />

Erfüllungsort und Gerichtsstand Wuppertal<br />

Gastbeiträge durch Autoren spiegeln nicht immer die Meinung des<br />

Verlages und der Herausgeber wider. Für den Inhalt dieser Beiträge<br />

zeichnen die jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

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16.10.2012 - 28.2.2013<br />

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Wir gratulieren zur<br />

PETER PAUL<br />

RUBENS<br />

Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen<br />

im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann<br />

keine Gewähr übernommen werden.<br />

Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen<br />

Schutzfrist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.<br />

Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder<br />

Unterlassungen keine Haftung übernommen.<br />

Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt.<br />

Abbildung Cover:<br />

Peter Paul Rubens, Dianas Heimkehr von der Jagd, um 1616<br />

(Ausschnitt), Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, © Staatliche<br />

Kunstsammlungen Dresden<br />

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Inhalt<br />

Ausgabe 17, 4. Jahrgang, Oktober/November 2012<br />

Von der Heydt-Museum<br />

Ausstellung Peter Paul Rubens<br />

16. 10. 2012 – 28. 2. 2013 Seite 6<br />

Anja Harteros<br />

Eine Sopranistin der Weltspitze begann<br />

in Wuppertal – von Klaus Göntzsche Seite 14<br />

Ulle Hees<br />

Ein Nachruf auf die Wuppertaler Künstlerin<br />

von Ulrike Müller<br />

10. Wuppertaler Jazzmeeting<br />

Seite 18<br />

mit vielen namhaften Künstlern aus der Szene<br />

von Rainer Widmann Seite 22<br />

Dennis Scharlau<br />

ein Nachruf auf den Wuppertaler Fotografen<br />

von Magdalene Zuther Seite 26<br />

Pina Bausch-Kalender 2013<br />

mit Fotografi en von Jochen Viehoff<br />

von Susanne Buckesfeld Seite 27<br />

Schöne Post im Kasten<br />

Geschichte der Postkarte<br />

von Frank Becker Seite 28<br />

Die Postkarte auf dem Rückzug<br />

Volkskundler untersuchen die Geschichte<br />

der Postkarte – von Andreas Rehnolt Seite 31<br />

Glückwunsch, Edgar<br />

20 Jahre Edgar E-Cards<br />

von Frank Becker Seite 33<br />

Stille Tage in der Lüntenbeck<br />

Abende gab es, die gingen in den<br />

Farben des Allvaters Seite 34<br />

PIXAR - 25 Years of Animation<br />

Ausstellung in der Bundeskunsthalle<br />

in Bonn Seite 39<br />

Wieder Gelesen<br />

Auf dem Strom von Hermann Schulz<br />

von Matthias Dohmen Seite 42<br />

That’s amore<br />

Komödie von Richard Alfi eri<br />

von Frank Becker Seite 44<br />

Lichteinfall<br />

Schwarz-Weiß-Fotografi e von<br />

Elisabeth Heinemann Seite 46<br />

Traum<br />

Gedicht von Roman Libbertz Seite 47<br />

Eine Hommage<br />

Einmal Wupper rauf und runter mit Dorothea<br />

Bohde und Matthias Schriefl Seite 49<br />

Renate Massmann<br />

Vierzig Jahre für die Lebenshilfe<br />

von Joachim Krug Seite 51<br />

Leser, Sammler, Verkäufer<br />

Annäherungen an ein Porträt<br />

über Michael Kozinowski Seite 54<br />

Paragraphenreiter<br />

Interessantes zu den Themen Steuern<br />

und Recht Seite 56<br />

Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Porträtiert von Matthias Dohmen<br />

Seite 57<br />

Neue Kunstbücher<br />

Die Moderne in der Konvention<br />

Vorgestellt von Thomas Hirsch Seite 58<br />

Schüsse aus dem Geigenkasten<br />

Kalender der Bergischen Symphoniker<br />

von Frank Becker Seite 60<br />

Der Mensch ist gut<br />

erzählt von Karl Otto Mühl Seite 61<br />

SPEEciale im Opernhaus-Foyer<br />

Veranstaltungen der Friedrich-Spee-Akademie<br />

von Joachim Krug Seite 64<br />

Kulturnotizen<br />

Kulturveranstaltungen in der Region Seite 67<br />

5


Ausstellung im<br />

Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />

16. 10. 2012 – 28. 2. 2013<br />

Linke Seite:<br />

Peter Paul Rubens mit seiner Frau<br />

Isabella Brant, 1609/1610,<br />

Alte Pinakothek, München<br />

rechts:<br />

Peter Paul Rubens (und Werkstatt)<br />

Mucius Scaevola vor Porsenna, 1616-18<br />

©Museum of Fine Arts, Budapest,<br />

Hungary/Bridgeman Berlin<br />

Peter Paul Rubens<br />

Peter Paul Rubens war das künstlerische<br />

Genie des 17. Jahrhunderts. Er schuf<br />

Porträts, Landschaften, Genrebilder und<br />

mythologische Werke, vor allem aber<br />

historisch-politische Bilder und religiöse<br />

Werke aus dem Geist der katholischen<br />

Reform. Rubens verkehrte mit Königen,<br />

Fürsten und den bedeutendsten Heerführern<br />

seiner Zeit, er bewegte sich auf den<br />

politischen Bühnen Europas und korrespondierte<br />

mit wichtigen Intellektuellen.<br />

Abgesehen von Rubens‘ umfangreichem<br />

und vielfältigem, künstlerischem Schaffen,<br />

avancierte er in den frühen zwanziger<br />

Jahren auch zu einem der angesehensten<br />

Diplomaten des 17. Jahrhunderts. Als<br />

Ratgeber und Unterhändler entfaltete er<br />

im Einklang mit den Interessen seiner Vaterstadt<br />

Antwerpen und der Landesherren<br />

in Brüssel an den Höfen in Madrid, Paris,<br />

Den Haag und London seine Vision eines<br />

geeinten Europas. Gemälde, aber auch<br />

Zeichnungen, Tapisserien, Buchillustrationen,<br />

Grafi ken und Briefe gaben seinen<br />

politischen Ideen weit über Europa hinaus<br />

einprägsame Gestalt. Unter Einsatz<br />

seiner tagespolitisch zu deutenden Historienbilder<br />

leistete er seinen Beitrag, um<br />

den 30- jährigen Krieg zu beenden. Kein<br />

anderer Künstler wirkte mit seiner Kunst<br />

so direkt auf die politischen Prozesse<br />

seiner Zeit. Malend gelang es ihm gerade<br />

in schwierigen Missionen, den politischen<br />

Akteuren Visionen mit tagespolitischer<br />

Zuspitzung vor Augen zu führen und<br />

so Möglichkeiten zur Überwindung der<br />

Konfl ikte zu eröffnen.<br />

7


8<br />

Die Ausstellung gliedert sich in acht, an der Biografi e<br />

orientierte Kapitel, die die komplexe Verbindung zwischen<br />

künstlerischen und politischen Themen erfahrbar<br />

machen. Am Anfang steht „Das Haus des Diplomaten",<br />

in dem nicht nur Rubens‘ persönliches Umfeld vorgestellt,<br />

sondern auch seine literarischen, antiquarischen<br />

und politischen Interessen aufgezeigt werden. Während<br />

die folgende Sektion seinen Aufenthalt in Italien beleuchtet,<br />

präsentiert das dritte Kapitel den Maler im Dienst<br />

seiner wichtigsten frühen Auftraggeber, des Erzherzogs<br />

Albrecht und der Erzherzogin Isabella, in Brüssel. Das<br />

Kapitel „Rubens und die Kirche" stellt seine Rolle in der<br />

katholischen Reformbewegung dar. Neben einer Auswahl<br />

triumphaler Themen für kirchliche und private Auftraggeber,<br />

zeigen wir hier die Entwürfe für die Antwerpener<br />

Jesuitenkirche, die eindrucksvoll die Politisierung der<br />

Religion vor Augen führen. Der folgende Themenkomplex<br />

„Zwei Gemäldezyklen für den französischen Hof"<br />

stellt die Entwürfe für den Medici-Zyklus und den unausgeführten<br />

Heinrich-Zyklus in den Mittelpunkt. Die<br />

Sektion „Friedendiplomatie" konzentriert sich auf Rubens‘<br />

diplomatisch- politisch wichtigste Zeit in London,<br />

als er im Auftrag des spanischen Königs am englischen<br />

Hof Friedensverhandlungen führte. Im letzten Kapitel<br />

wird anhand einiger herausragender Spätwerke deutlich,<br />

dass seine Malerei, meist lyrische Landschaftsbilder und<br />

Mythologien, über das anhaltende Kriegsgeschehen<br />

triumphierten.<br />

Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Königlichen<br />

Museum für Schöne Künste in Antwerpen entsteht,<br />

wird Rubens‘ politische Ambitionen in Verbindung zu<br />

seiner herausragenden Kunst stellen und damit das alte<br />

Thema Europa aus einem neuen Blickwinkel sehen.<br />

Öffnungszeiten<br />

Di, Mi 11–18 Uhr, Do, Fr 11–20 Uhr, Sa, So 10–18 Uhr,<br />

Mo geschlossen.<br />

www.rubens-ausstellung.de<br />

Peter Paul Rubens<br />

Dianas Heimkehr von der Jagd, um 1616<br />

Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden, © Staatliche<br />

Kunstsammlungen Dresden / The Bridgeman Art Library<br />

Nationality


10<br />

Peter Paul Rubens<br />

Wildschweinjagd, um 1615/16<br />

© Musée des Beaux-Arts, Marseilles, France, Giraudon,<br />

The Bridgeman Art Library Nationality


12<br />

Selbstportrait, 1623<br />

© National Gallery of Australia, Canberra<br />

Peter Paul Rubens (1577-1640) ist der<br />

große Barock-Künstler „par excellence“.<br />

In seinem Leben wie in seiner Kunst<br />

spiegelt sich beispielhaft die Leidenschaft<br />

einer bewegten Epoche. So verkörpert der<br />

geniale und umfassend gebildete fl ämische<br />

Maler in seinem Schaffen den Drang<br />

des Barock nach umfassendem Begreifen,<br />

humanistischer Weltsicht und vorbildlichem<br />

Gesamtkunstwerk.<br />

1577 in Siegen geboren, verbrachte er die<br />

ersten zehn Jahre seines Lebens mit seiner<br />

aus Antwerpen stammenden Familie<br />

im Exil in Köln. Nach dem Tod des als<br />

Juristen tätigen Vaters, der aufgrund<br />

seines protestantischen Glaubens aus<br />

Antwerpen fl iehen musste, kehrte die<br />

Familie 1589 dorthin zurück. Der junge<br />

Rubens besuchte die Lateinschule und<br />

war für kurze Zeit Page in Diensten<br />

einer Gräfi n. Nach erster künstlerischer<br />

Schulung bei dem Landschaftsmaler<br />

Tobias Verhaecht, arbeitete Rubens für<br />

mehrere Jahre in der Werkstatt von Adam<br />

van Noort und später bei Otto van Veen.<br />

1598 wurde er als Freimeister in die St.<br />

Lukasgilde, die Antwerpener Malerzunft,<br />

aufgenommen. 1600 zog er nach Italien,<br />

wo er als Hofmaler des Herzogs Vincenzo<br />

Gonzaga in Mantua tätig war. Der<br />

Fürst ermöglichte Rubens in dieser Zeit,<br />

sich in verschiedenen Städten Italiens,<br />

unter anderem in Genua und Florenz,<br />

künstlerisch weiterzubilden. 1603 ist er<br />

im Auftrag des Fürsten von Gonzaga am<br />

spanischen Königshof in Valladolid. Die<br />

entscheidende Zeit in Italien verbrachte er<br />

aber in Rom, wo er nicht nur die Meisterwerke<br />

der italienischen Renaissance und<br />

der Antike studierte, sondern auch bereits<br />

erste renommierte Aufträge ausführte, so<br />

für die Kirche Santa Croce in Gerusaleme<br />

und für Santa Maria in Vallicella. Die<br />

Nachricht von der Erkrankung seiner<br />

Mutter ließ ihn 1608 nach Antwerpen<br />

zurückkehren.<br />

Der Augenblick seiner Rückkehr<br />

nach Antwerpen war günstig, denn einige<br />

Monate später sollte der Zwölfjährige<br />

Waffenstillstand geschlossen werden, der<br />

für das wirtschaftliche, kulturelle und<br />

religiöse Wiederaufl eben der Südlichen<br />

Niederlande äußerst förderlich sein<br />

sollte. Als erstes malte er 1609 für das<br />

Antwerpener Rathaus die „Anbetung der<br />

Könige" (Madrid, Museo del Prado). Im<br />

selben Jahr wurde Rubens Hofmaler des<br />

Erzherzogspaars Albrecht und Isabella,<br />

sein Wohnsitz blieb jedoch Antwerpen.<br />

Ebenfalls 1609 heiratete er Isabella Brant,<br />

die Tochter eines angesehenen Juristen. In<br />

den folgenden Jahren erhielt er zahlreiche<br />

Bestellungen für Altarbilder, darunter die<br />

monumentale „Kreuzabnahme" für die<br />

Antwerpener Kathedrale, machte sich<br />

aber ebenso einen Namen mit mytholo-<br />

gischen Kompositionen, die auch vom<br />

humanistisch gebildeten Kaufmannspatriziat<br />

geschätzt wurden. Die zahlreichen<br />

Aufträge veranlassten ihn, nicht nur<br />

auf Bestellung, sondern auch „op stock",<br />

für den freien Markt zu malen und einen<br />

Atelierbetrieb zu organisieren, für den<br />

er ab 1616 sein großes Wohnhaus „op<br />

de Wapper" baute. Rubens‘ zahlreiche<br />

religiöse Aufträge gipfelten 1620 in der<br />

Bestellung von ca. 40 Deckengemälden<br />

für die Antwerpener Jesuitenkirche. Von<br />

diesem Zeitpunkt an, sollte sich sein<br />

Interesse zunehmend auf prestigeträchtige<br />

Aufträge für die Höfe in Brüssel, Madrid,<br />

Paris und London verlagern.<br />

Ab etwa 1617 (bis ca. 1627) erhielt<br />

Rubens Aufträge für eine Reihe großer<br />

Bilderzyklen. Unter anderem gestaltete er<br />

für den in Antwerpen lebenden, genuesischen<br />

Textilhändler Franco Cattaneo die<br />

Geschichte des römischen Konsuls Decius<br />

Mus (Sammlungen des Fürsten von und<br />

zu Liechtenstein). Zudem malte er die<br />

Stationen aus dem Leben des römischen<br />

Kaisers Konstantin und für die Erzherzogin<br />

Isabella die Entwürfe für die Wandteppichserie<br />

„Triumph der Eucharistie"<br />

(Madrid, Museo del Prado). Die französische<br />

Königinmutter Maria de Medici<br />

bestellte bei ihm für die Dekoration von<br />

zwei Galerien im Palais du Luxembourg<br />

zwei Serien von historisch- allegorischen<br />

Szenen. Einer dieser Zyklen war ihrem<br />

Leben und ihrer Regierungszeit gewidmet<br />

(Paris, Musée du Louvre), der andere<br />

sollte als Ehrenbezeugung für ihren<br />

verstorbenen Gemahl König Heinrich<br />

IV. angefertigt werden (Ölskizzen im<br />

Rubenshaus, Antwerpen und in Berlin,<br />

Gemäldegalerie, und andere Orte).<br />

1622 begann Rubens’ diplomatische<br />

Tätigkeit, die 1628 ihren Höhepunkt erreichen<br />

würde. Im Januar des Jahres und<br />

ein weiteres Mal 1623 weilte er in Paris,<br />

um mit Maria de Medici und Richelieu<br />

über den großen Gemäldezyklus zu<br />

verhandeln. 1624 unternahm er mehrere<br />

diplomatische Reisen zwischen Brüssel<br />

und dem Feldlager Ambrogio Spinolas<br />

und im Oktober führte er geheime Friedens-<br />

und Waffenstillstandsverhandlungen<br />

für Spanien. Für den Sommer 1627<br />

ist eine Reise in die nördlichen Provinzen<br />

dokumentiert, wo er mit den englischen<br />

Unterhändlern ebenfalls in Friedensver-


handlungen eintrat. Im darauffolgenden<br />

Jahr befand Rubens sich in diplomatischer<br />

Mission – aber auch zur Erfüllung<br />

künstlerischer Aufträge – in Spanien, wo<br />

er König Philipp IV. über die Verhandlungen<br />

mit den englischen Unterhändlern<br />

unterrichtete. Über Paris, Brüssel,<br />

Antwerpen und Dünkirchen reisend, traf<br />

er 1629 als außerordentlicher Gesandter<br />

der spanischen Krone in England ein,<br />

um mit König Karl I. Friedensverhandlungen<br />

aufzunehmen. Sein Aufenthalt<br />

in London wurde dadurch gekrönt, dass<br />

er am 3. März 1630 in Whitehall zum<br />

Ritter geschlagen wurde. In Begleitung<br />

der aus Frankreich gefl üchteten Königinmutter<br />

Maria de Medici unternahm<br />

er weitere diplomatische Reisen, die ihn<br />

auch nach Den Haag führen, wo er mit<br />

dem Prinzen Friedrich Heinrich von<br />

Oranien zusammentraf. Nach dem Tod<br />

seiner ersten Frau 1626 heiratete Rubens<br />

am 6. Dezember 1630 die junge Helene<br />

Fourment, die in den nächsten Jahren vier<br />

Kinder zur Welt bringen würde. Die letzten<br />

zehn Jahre seines Lebens verbrachte er<br />

zeitweise auf seinem Landgut in Elewijt.<br />

In den späten Jahren seines Schaffens<br />

erhielt er weiterhin bedeutende Aufträge,<br />

so führte er zum Beispiel die Entwürfe<br />

für die Festdekorationen anlässlich des<br />

feierlichen Einzugs des Kardinal- Infanten<br />

Ferdinand in Antwerpen aus. Der spanische<br />

König Philipp IV. erteilte Rubens<br />

1636 den umfangreichen Auftrag, ca. 100<br />

mythologische Szenen für die Dekoration<br />

seines Jagdschlosses Torre de la Parada<br />

anzufertigen. Auch andere, oft kleinere<br />

Höfe, wie der des Wolfgang Wilhelm<br />

von der Pfalz-Neuburg, waren an seinen<br />

Arbeiten interessiert und gaben Gemälde<br />

bei Rubens in Auftrag. In den letzten<br />

Jahren seines Lebens plagten Rubens<br />

schwere Gichtanfälle, die ihn zunehmend<br />

bei seiner Arbeit behinderten. Am 30.<br />

Mai 1640 starb Rubens hoch geehrt in<br />

Antwerpen.<br />

Peter Paul Rubens<br />

Thetis empfängt die Waffen für Achill,<br />

1630-35, © Musée des Beaux-Arts, Pau,<br />

France, Giraudon, The Bridgeman Art<br />

Library<br />

13


14<br />

Eine Sopranistin der Weltspitze<br />

begann in Wuppertal<br />

Anja Harteros<br />

Vom langjährigen Kultur-und Sportdezernenten<br />

Heinz-Theodor Jüchter kam der<br />

Hinweis auf Anja Harteros. Als die heute zur<br />

absoluten Weltelite der Sopranistinnen zählende<br />

Sängerin ihr erstes festes Engagement<br />

zu den Zeiten der schwierigen Theater-Ehe<br />

Wuppertal/Gelsenkirchen antrat, war kaum<br />

an eine solche Karriere zu denken. Sie fi el<br />

auch damals nur wenigen Experten auf.<br />

Einer davon war Henning Dickel,<br />

viele Jahre Kultur-Redakteur der Ruhr-<br />

Nachrichten in Gelsenkirchen: „Es war die<br />

Rolle der Gouvernante in „The turn oft he<br />

screw“. Da konnte man schon erkennen,<br />

welches Potenzial in dieser Stimme steckte.<br />

Es war für sie auch nicht einfach gegen die<br />

etablierten Kräfte.“ Henning Dickel hat uns<br />

für das Interview mit Anja Harteros auch das<br />

Szenenfoto aus der eher selten gespielten Oper<br />

vermittelt.<br />

Aber es gab noch einen weiteren Anlass,<br />

den Kontakt mit Anja Harteros aufzunehmen.<br />

Im stilvoll restaurierten Barmer Bahnhof<br />

plauderten die Besitzer Christiane und<br />

ihr Ehemann, der Wiener Megabass Kurt<br />

Rydl mit der großen Kollegin Edda Moser,<br />

die ihre beeindruckende Karriere beendet hat<br />

und deren Memoiren erschienen sind. Mit<br />

einer euphorischen Erwähnung über Anja<br />

Harteros: „Sie ist die derzeit beste Sopranistin<br />

der Welt.“<br />

Schließlich galt es, sich auch persönlich<br />

von den Qualitäten der so Hochgelobten zu<br />

überzeugen. Es bot sich Gelegenheit einer<br />

Gala im Düsseldorfer Opernhaus mit Frau<br />

Harteros als Mimi in Giacomo Puccinis „La<br />

Bohéme“. Obwohl es nicht ihre Paraderolle<br />

war, wurde der Abend zu einem großen<br />

Erlebnis. Daran konnten auch Außentemperaturen<br />

kurz vor 30 Grad Celsius und<br />

immerhin 100 Euro für die Karte nichts<br />

ändern. Schließlich erwies sich die Agentin<br />

Elisabeth Seifert bei der Kontaktaufnahme<br />

mit Anja Harteros als weitgehend unkompliziert.<br />

Wohltuend schließlich waren auch<br />

die Erinnerungen der heute auf allen großen<br />

Bühnen dieser Welt tätigen Sängerin an<br />

Wuppertal.<br />

Plácido Domingo als Simon Boccanegra und Anja Harteros als seine Tochter Maria Boccanegra (Foto: picture-alliance/dpa)


Anja Harteros: Eigentlich wollte sie in Wuppertal nur Vorsingen üben…<br />

15


16<br />

Als Gouvernante in der Benjamin Britten-Oper<br />

„The turn of the screw” 1998 in Wuppertal<br />

und Gelsenkirchen. Foto: Rudolf Finkes<br />

Ihre Auftrittsorte sind heute die bedeutenden<br />

Opernhäuser der Welt. Die<br />

Kammersängerin Anja Harteros, 1972 in<br />

Bergneustadt als Tochter eines griechischen<br />

Vaters und einer deutscher Mutter<br />

geboren, gilt als eine der vollkommensten<br />

Sopranistinnen unserer Zeit. Die internationale<br />

Karriere der Sängerin des Jahres<br />

2009 begann 1999 mit dem Gewinn des<br />

„Cardiff Singer of the world“ Wettbewerbs<br />

der BBC und brachte sie über die<br />

Grenzen Deutschlands zu Auftritten<br />

in Berlin, München, Hamburg, Köln,<br />

Frankfurt, Dresden und dem Festspielhaus<br />

von Baden-Baden auf die Bühnen<br />

von Mailand, New York, Paris, Salzburg,<br />

Wien, London, Amsterdam, Boston,<br />

Florenz, Edinburgh, Tel Aviv, Boston und<br />

Vicenza.<br />

Daran war kaum zu denken, als Anja<br />

Harteros Ende der 90-er Jahre ihr erstes<br />

festes Engagement am damaligen Schiller-<br />

Theater Wuppertal/Gelsenkirchen antrat.<br />

Im Grunde als zunächst wenig beachtete<br />

Anfängerin und nach einer Premiere von<br />

„The turn of the screw“ (Die sündigen<br />

Engel) am 25.Januar 1998 im überschaubar<br />

gefüllten Wuppertaler Opernhaus<br />

(wie das gesamte Ensemble) mit nur mit<br />

bescheidenem Applaus bedacht. Doch<br />

bereits nach der Premiere von „Hänsel<br />

und Gretel“ am 15.November 1997 – mit<br />

Claudia Visca als „Mutter“ und dem Öl-<br />

Als Desdemona in Othello mit Hanna Hipp als Emilia © ROH / Catherine Ashmore<br />

berger Kinderchor – gab es großes Lob der<br />

Fachwelt für sie in der Gretel-Rolle und<br />

ihrer Kollegin Anke Sieloff als Hänsel.<br />

Beste Zeit: Welche Erinnerungen sind<br />

für Sie mit der Zeit in Wuppertal und<br />

Gelsenkirchen verbunden?<br />

Anja Harteros: Sie sind bestimmt von der<br />

aufregenden Zeit des Neuen, erste Schritte<br />

im Theaterleben zu gehen, echte professionelle<br />

Sängerin zu sein und viele nette<br />

Kollegen kennenzulernen, die teils auch<br />

neu waren, teils aber auch schon auf eine<br />

lange Zeit in diesem Beruf zurückblicken<br />

konnten und mir wertvolle Ratschläge geben<br />

konnten. Es war eine Zeit mit absolut<br />

schönen Erfahrungen, etwas schwer fi elen<br />

mir allerdings die strengen Anforderungen<br />

an ein Ensemblemitglied. Ich möchte diese<br />

Zeit nicht missen und wahrscheinlich<br />

war sie unerlässlich für die nachfolgenden<br />

Schritte.<br />

Beste Zeit: Nach der Premiere der eher<br />

selten aufgeführten Benjamin Britten-<br />

Oper „The turn of the screw“ am 25.<br />

Januar 1998 gab es für Sie von den Fachleuten<br />

fast euphorische Kritiken wie z. B.<br />

„Auffallend gut überzeugte Anja Harteros<br />

in ihrer Rolle als Gouvernante. Es gab<br />

kaum jemanden im Publikum, der nicht<br />

mir ihr fühlte, ja sogar mit zitterte…“<br />

Harteros: Ich hatte nur sieben Wochen Zeit,<br />

diese schwierige Rolle zu erlernen und es sollte<br />

eine äußerst fruchtbare Erfahrung für mich<br />

werden. Die Zusammenarbeit zum Beispiel<br />

mit den Kindern war sehr nett, Kinder<br />

spielen halt naturgemäß gerne, spontan<br />

und natürlich, was bei älteren Darstellern<br />

manchmal, vielleicht auch phasenweise,<br />

etwas untergeht. Aber auch „La clemenza di<br />

Tito“ oder „Gefährliche Liebschaften“ waren<br />

ganz tolle Projekte.<br />

Beste Zeit: Wie ist das Engagement überhaupt<br />

zustande gekommen?<br />

Harteros: Eigentlich auf etwas lustigem Wege<br />

zustande. Ich studierte damals noch auf der<br />

Hochschule für Musik in Köln, als die Stelle<br />

in Gelsenkirchen/Wuppertal vakant wurde.<br />

Ich erfuhr davon und besprach mit meiner<br />

Lehrerin, einen ersten Schritt zu wagen und<br />

das Vorsingen einfach mal zu probieren,<br />

immerhin muß man auch im Vorsingen<br />

Erfahrungen sammeln. Ich sang also in<br />

Gelsenkirchen vor und anschließend bat mich<br />

der damalige Intendant Ludwig Baum in sein<br />

Büro und eröffnete mir, dass er mich gerne<br />

engagieren würde. Ich war sehr überrascht,<br />

sagte ihm aber, dass dies nicht möglich sei,<br />

weil ich ja noch studierte und auch, weil ich<br />

das Vorsingen ja doch nur hätte üben wollen.<br />

Später dann besprach er sich mit meiner Lehrerin<br />

und konnte sie offensichtlich überzeugen<br />

und ich bekam von ihr das o.k.<br />

Beste Zeit: Verbunden mit ständigem<br />

Pendeln zwischen Gelsenkirchen und Wuppertal.


Harteros: Das war in der Tat nicht ganz<br />

so einfach, zumal ich ja montags am<br />

Ruhetag des Theaters noch in Köln mein<br />

Studium absolvieren musste. Ich nahm mir<br />

eine kleine Wohnung in Gelsenkirchen, da<br />

dort in der ersten Spielzeit meine Hauptstätte<br />

war, allerdings wohnte ich auch<br />

weiterhin noch zu Hause im Oberbergischen<br />

Kreis, da ich dort natürlich noch<br />

privat verwurzelt war. Ich war also oft auf<br />

der Autobahn.<br />

Beste Zeit: Gibt es noch Kontakte zu<br />

Kollegen aus dieser Zeit? Mehrfach<br />

standen Sie mit Claudia Visca auf der<br />

Bühne.<br />

Harteros: Ach, Kontakte habe ich eher<br />

weniger, bin so viel unterwegs und es bleibt<br />

nicht viel Zeit. Claudia Visca, die inzwischen<br />

Professorin in Wien ist, habe ich dort<br />

wiedergesehen und wir haben angeregt<br />

miteinander gesprochen. Thomas Piffka<br />

war gleichzeitig mit mir an der Scala,<br />

allerdings habe ich ihn nicht sehen können,<br />

da wir in verschiedenen Produktionen waren.<br />

Gabi Rech allerdings habe ich kürzlich<br />

wiedergetroffen, als ich Köln meinen ersten<br />

Meisterkurs gab, sie ist inzwischen an der<br />

Hochschule tätig. Es war ein wirklich<br />

schönes Wiedersehen.<br />

Beste Zeit: In der Biographie der Kollegin<br />

Edda Moser „Ersungenes Glück“<br />

werden Sie von ihr als die „derzeit beste<br />

Sopranistin der Welt“ bezeichnet; „Sie<br />

singt mit einer solchen Souveränität und<br />

zaubert in scheinbarer Gelassenheit solche<br />

wunderbare Phrasen, dass ich einfach<br />

dankbar bin, so große Künstlerschaft<br />

zu erleben.“ Mehr geht doch eigentlich<br />

nicht und das von einer bedeutenden<br />

Kollegin.<br />

Harteros: Eine begeisterte Operngängerin<br />

in München steckte mir nach einer Vorstellung<br />

den Abschnitt aus Edda Moser´s Buch<br />

zu und ich habe mich natürlich sehr darüber<br />

gefreut. Es ist eine ganz besondere Auszeichnung,<br />

wenn man so hoch gelobt wird<br />

von einer Sängerin, die selbst die wichtigsten<br />

Bühnen der Welt beglückt hat. Aber<br />

ich lasse mich nicht zu sehr beeindrucken<br />

von solch hohem Lob, denn ich weiß, wie<br />

schnell sich mühsam angeeignete Qualität<br />

auch verschlechtern kann, schauen Sie nur<br />

den Leistungssport an. Immerhin ist die<br />

Stimme ein Organ unseres Körpers, abhängig<br />

von unzählig vielen kleinen und großen<br />

Faktoren und Funktionen, damit darf man<br />

weder zu verschwenderisch umgehen, noch<br />

darf man sich seiner Gesundheit und Kraft<br />

zu sicher sein. Doch die Erfahrung auf<br />

höchstem Niveau singen zu können ist eine<br />

wunderbare.<br />

Klaus Göntzsche<br />

Anja Harteros und Jonas Kaufmann in<br />

Verdis „Don Carlo“ an der Bayerischen<br />

Staatsoper München Foto: Wilfried Hösl<br />

17


Ulle Hees<br />

Ein Nachruf von Ulrike Müller<br />

Die Malerin und Bildhauerin Ulle<br />

Hees war vieles auf einmal: Künstlerin,<br />

Kriegsgegnerin und Menschenfreundin<br />

überzeugte Europäerin, Weltbürgerin –<br />

vor allem aber Wuppertalerin ! Sie, die<br />

Alberto Giacometti verehrte, und nie von<br />

sich behauptete, etwas Neues zu machen,<br />

dafür aber immer etwas Eigenes, hat mit<br />

ihren künstlerischen Eigenheiten auch<br />

und vor allem diese Stadt geprägt. Und:<br />

sie wolllte sie etwas für diese Stadt tun !<br />

An einem Nachmittag gebar sie ihre ihre<br />

Idee für die Figur der Mina Knallenfalls –<br />

und wer kennt s i e nicht, wie sie da seit<br />

1979 auf der Elberfelder Poststraße steht.<br />

Ebenerdig und selbstbewußt, und die<br />

meisten, die den Namen Ulle Hees hören,<br />

denken an diese streichelfreundliche<br />

Romangestalt des Heimatdichters Otto<br />

Hausmann. Dass man die bodenständige<br />

Mina mag, hat Ulle Hees immer gefallen,<br />

aber das man ihre anderen Kunstwerke<br />

kaum kennt, hat sie stets auch<br />

geschmerzt.<br />

Sie liebte diese Stadt. Was man umgekehrt<br />

nicht immer sagen konnte, und<br />

das machte ihr diese Liebe zuweilen sehr<br />

schwer. Aber sie wußte durchaus, was<br />

sie wollte. Und was nicht. Unangepasst,<br />

gegen den Strom schwimmend. Diese<br />

Richtung kennt sie - die hat sie immer<br />

wieder eingeübt. Ihr Leben lang. Schon<br />

als Kind. Nicht das zu tun, was andere<br />

tun. Ihren Weg gehen. Das beginnt<br />

schon in der Schule, wo sie zielgerichtet<br />

ihr wahre Leidenschaft demonstriert,<br />

indem sie zeichnet, zeichnet und noch<br />

einmal zeichnet, wo immer es möglich ist.<br />

Und wenn‘s sein muß, auf der Straße....<br />

In Vohwinkel, da, wo sie aufwächst und<br />

Tierzeichnungen – auch gerne im Großformat<br />

– aufs Pfl aster zaubert. Ihre für<br />

die Schule modellierte Figur der Bremer<br />

Stadtmusikanten bringt der 11Jährigen<br />

einen Rapport bei der ungläubigen<br />

Direktorin ein. Professor Ernst Oberhoff<br />

erkennt ihr Talent sehr früh – und macht<br />

das Unmögliche möglich: Die erst 14jährige<br />

darf bei ihm an der Wuppertaler<br />

Werkkunstschule studieren...<br />

Ulle Hees, Foto Ziad Kobeissi<br />

Gegen den Strom gängiger Konventionen<br />

arbeitet sie sich auch fortan durch die<br />

Erwartungshaltungen einer bürgerlichen<br />

Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland.<br />

Ein Mädchen hat so zu sein, wie es zu<br />

sein hat - Ulle Hees, die damals noch<br />

Schettler heißt, will alles sein, nur nicht<br />

so. Sie will ihr Ding machen, und das ist<br />

die Kunst. Und diese Eigen-Sinnigkeit<br />

wird auch ihr ganzes KünstlerInnen-Leben<br />

prägen, unbeeindruckt von vorherrschenden<br />

Modetrends. “Ich bin Bildhauerin“,<br />

sagt sie später “Das ist mein Beruf,<br />

und das mache ich!“<br />

Mit gerade 16 Jahren besteht sie die<br />

Aufnahmeprüfung an der Akademie der<br />

Bildenden Künste in München. Spätestens<br />

jetzt muß aller familiärer Widerstand<br />

kapitulieren. 1958 verläßt sie Wuppertal<br />

und damit alles, was Enge ist. Auf der Suche<br />

nach neuen Perspektiven in der Fülle<br />

der Eindrücke eines Studiums, das sie in<br />

den frühen 60ern nach Rom an die dortige<br />

Akademie der Schönen Künste führen<br />

wird. Erst 1964 kehrt Ulle Hees wieder in<br />

ihre Geburtsstadt zurück - und bleibt ihr<br />

seitdem verbunden. Mit allem, was eine<br />

schwierige Beziehung ausmacht: Nähe,<br />

Sehnsucht, Streit. Womöglich Distanz für<br />

zwischendurch. Und die Versöhnung. Bis<br />

zum nächsten Streit.<br />

Ihre Plastiken und Bilder widerspiegeln<br />

Momente von menschlicher Größe, von<br />

Einsamkeit, Verfolgung, sozialer wie persönlicher<br />

Not. Von Glück, Aufl ehnung<br />

und Empörung. Ihre Liebe zur Kunst: das<br />

ist immer wieder aufs Neue eine Liebe auf<br />

dem schwankenden Boden der Ungewissheit.<br />

Ideen werden zu Form und formen<br />

sich doch nicht. Zerstörung und Neuanfang,<br />

bis es denn gut ist. Formale, schöne<br />

Dinge sind ihr wichtig. Aber vor allem<br />

eben, was an Aussage dahinter steht.<br />

Das, was die Bildhauerin Ulle Hees in<br />

den vergangenen Jahrzehnten geschaffen<br />

hat, fi ndet man vielerorts. In Elberfeld,<br />

wo ihr Spielbrunnen beim Haus der<br />

Jugend immer wieder die verzaubert, die<br />

sie so geliebt hat: Kinder, die genau das<br />

hier tun dürfen, was vielerorts verpönt<br />

ist: einfach nur spielen und übermütig<br />

sein. Und ein Stück humorgetränkter<br />

Übermut durchfährt auch die Künstlerin<br />

Ulle Hees, die im Rahmen einer öffentlichen<br />

Aktionswoche des Wuppertaler<br />

Fuhlrott-Museums 1996 mit ihrer unnachahmlichen<br />

„Hommage à Grandville“<br />

dem großen französischen Karikaturisten<br />

des 19. Jahrhunderts ihre künstlerische<br />

Referenz erweist. Eine grazile Figur mit<br />

Baseballkappe, langem Schnabel, noch<br />

längeren Beinen und Plateauschuhen an<br />

den Füßen. Für Ulle Hees steht unverrückbar<br />

fest: Jeder Mensch hat auf seine<br />

Weise ein Pendant in der Tierwelt!<br />

In Barmen fi ndet man die künstlerischen<br />

Spuren der Bildhauerin ebenso wie in<br />

Langerfeld oder vor der Klosterkirche in<br />

Beyenburg. In Remscheid-Lüttringhausen<br />

erinnert eine Brunnenplastik an die<br />

Geschichte der heimischen Bandindustrie,<br />

und in Hemer thematisiert die Stele<br />

‚Aus der Tiefe‘ Leben und Kultur der<br />

Region. In Radevormwald, wo sie mit<br />

ihrer Bronzeskulptur ‚Menschenkreis‘<br />

der zehnjährigen Städtepartnerschaft mit<br />

dem bretonischen Chateaubriant ein<br />

Denk-Mal setzt. In Sprockhövel, wo seit<br />

2003 eine von ihr geschaffene Relief-<br />

Tafel auf dem Sparkassenvorplatz an das<br />

Schicksal der durch die Gemeinde ihres<br />

Grundbesitzes beraubte und durch die<br />

Nazis vertriebene und ermordete jüdische<br />

Familie Röttgen erinnert. In Gevelsberg,<br />

wo seit dem 14. März 2004 auf dem<br />

Rathausforum ihre Stele ‚Wachsamkeit<br />

und Erinnerung‘ an die ermordeten,<br />

vertriebenen und erniedrigten Menschen<br />

dieser Stadt erinnert: Menschen jüdischen<br />

Glaubens, Roma, politisch Verfolgte und<br />

Zwangsarbeiter.<br />

Auch und vor allem ihre ‚Fingerzeige der<br />

Geschichte‘ sind es, die denjenigen, der<br />

sehen will, immer wieder zu den Tiefen<br />

menschlicher Abgründe führen. Zum<br />

Beispiel ins westfälische Ahlen, wo die<br />

Wuppertalerin Ulle Hees - übrigens im<br />

Auftrag der Stadt Ahlen! - ein Mahnmal<br />

für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde<br />

erschaffen hat, von denen nur wenige<br />

den Holocaust überlebten.<br />

Gerade an diesem Tag, dem 20. Juli, der<br />

an den Widerstand gegen die Hitler-Barbarei<br />

erinnert, fi ndet hier diese Trauerfeier<br />

statt. Das wäre sehr in Ulles Sinn gewesen.<br />

Aber nicht als Veranstaltung mit Gelegen-<br />

19


20<br />

heit zum pfl ichtgemässen Kranzabwurf,<br />

sondern als Gedenken an all jene, von<br />

denen man hier lange Jahre so gar nicht<br />

gerne sprechen mochte, weil es nicht ins<br />

politische Weichbild der Bundesrepublik<br />

passen wollte. An den anderen Widerstand.<br />

Den der kleinen Leute. Ulle Hees‘<br />

Ding war eben nicht nur Claus Schenck<br />

Graf von Stauffenberg – sie identifi zierte<br />

sich mit dem Mut des Schreiners Georg<br />

Elser, der lange vor den kriegstragenden<br />

Offi zieren des 20. Juli einen Anschlag auf<br />

Hitler verübt hatte – und dafür im KZ mit<br />

seinem Leben büßte. Die künstlerisch-po-<br />

litische Auseinandersetzung mit der deutschen<br />

Vergangeheit hat das Leben der im<br />

Kriegsjahr 1941 geborenen Ulle Hees tief<br />

geprägt. Kunst war nie Selbstzweck für sie,<br />

sondern in erster Linie Ausdruck dessen,<br />

was in ihr durch visuelle Erlebnisse und<br />

Erfahrungen, auch und vor allem durch<br />

ihre Konfrontation mit Zeitgeschichte,<br />

ausgelöst wird.<br />

Die Teilnahme am Wettbewerb Gedenkstätte<br />

Synagoge in den späten 80er Jahren<br />

ist dabei nur ein - aber durchaus sehr<br />

wichtiger! - Aspekt ihrer künstlerisch-poli-<br />

tischen Auseinandersetzung mit der deutschen<br />

Vergangenheit. Ein weiterer sind<br />

die bereits erwähnten ‚Fingerzeige der<br />

Geschichte‘, die Ulle Hees, gemeinsam<br />

mit ihrem Mann Herbert Hees, entworfen<br />

hat und die an jene MENSCHEN<br />

erinnern sollen, die einem menschenverachtenden<br />

System widersprochen haben,<br />

die aus dieser Stadt Wuppertal vertrieben<br />

oder umgebracht worden sind:<br />

Foto aus Privatbesitz Jürgen Schäfer


Zum Beispiel an den 1894 in Barmen<br />

geborenen katholischen Arbeiterführer<br />

Bernhard Letterhaus, dem seine zutiefst<br />

christliche Überzeugung Antrieb zum Widerstand<br />

gegen die Hitler-Diktatur war...<br />

Zum Beispiel an die Barmer Synode, bei<br />

der sich vom 29. bis 31. Mai 1934 in der<br />

Gemarker Kirche Vertreter kirchlicher<br />

Gruppen aus allen Teilen des Deutschen<br />

Reiches zusammenfanden und mit der<br />

von ihnen formulierten Theologischen<br />

Erklärung als bekennende Christen<br />

Stellung bezogen gegen die Untaten des<br />

nationalsozialitischen Regimes.<br />

Zum Beispiel an die Bewohner des<br />

jüdischen Altersheimes in der Elberfelder<br />

Friedrich Ebert-Straße. Hees‘ Entwurf<br />

einer Figurengruppe alter gebeugter<br />

Menschen, deren müde und geschwächte<br />

Körper ihre letzte Habe ins grausige<br />

Ungewisse mitschleppen, macht dem Betrachter<br />

bewußt, dass es auch hier einmal<br />

eine jüdische Gemeinde gegeben hat.<br />

Zum Beispiel an die Opfer der Wuppertaler<br />

Gewerkschaftsprozesse vor über 75<br />

Jahren. Arbeiter und ‚Kleine Leute‘ waren<br />

es vor allem, die den Mut hatten, der braunen<br />

Welle entgegenzutreten. Aber, so der<br />

ehemalige Bundespräsident Johannes Rau,<br />

anlässlich der Enthüllung des Mahnmals<br />

1995 vor dem Justizhochhaus auf der<br />

Gerichtsinsel: „Es hat lange, zu lange gedauert,<br />

dass die Opfer der Gewerkschaftsprozesse<br />

ein Denkmal bekommen“ haben<br />

- und verweist damit auf das jahrelange<br />

Bemühen um die Austellung eines solchen<br />

Mahnmals, das schließlich - nach Jahren<br />

des Wartens im Keller des Gewerkschaftshauses<br />

– durch die Geldspenden von vielen<br />

Gewerkschaftern letztendlich doch noch<br />

hat realisiert werden können. Nach dem<br />

Umbau der Justizgebäude ist das Mahnmal<br />

auch neu installiert worden – allerdings<br />

nicht, wie von der Künstlerin urspünglich<br />

gewünscht – in Augenhöhe, sondern in<br />

unaufdringliche Tiefe verbannt.<br />

Liegt es womöglich daran, dass diese Fingerzeige<br />

auf u n s weisen, die wir hier<br />

in dieser Stadt leben und die uns nicht<br />

aus der Verantwortung entlassen für das,<br />

was auch hier in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

geschehen ist ? Denn: auch<br />

in Wuppertal sind Bücher verbrannt<br />

worden – und zwar, in vorauseilendem<br />

Gehorsam – bereits Anfang April 1933,<br />

sechs Wochen vor den reichsweiten<br />

Aktionen am 10. Mai ! Geächtet und<br />

verbrannt worden sind auch Bücher von<br />

Söhnen und Töchtern dieser Stadt. Eine<br />

davon ist die expressionistische Dichterin<br />

Else Lasker-Schüler, die 1869 im Tal der<br />

Wupper geboren, 1933 aus Deutschland<br />

vertrieben, 1945 im Jerusalemer Exil<br />

stirbt. Auch und gerade diese Frau ist es,<br />

mit der Ulle Hees so vieles gemein hatte.<br />

Mit jener Fee aus dem Märchen. Zauberhaft.<br />

Geheimnisvoll. Perlenglitzernd. Mit<br />

all dem Lachen und Weinen. Mit all der<br />

Freude und Trauer. Spielverträumt und<br />

übermütig. Ungebärdig. Verrückt. Unordentlich.<br />

Anders eben als die anderen.<br />

„Ich habe Liebe in die Welt gebracht<br />

Das blau zu blühen jedes Herz vermag...“<br />

Diese Worte der Dichterin hat die<br />

Bildhauerin ihrer Bronze-Stele zu Else<br />

Lasker-Schüler mit auf den Weg gegeben.<br />

Um sie zu sehen und auf sich wirken zu<br />

lassen, muss der Betrachter ganz nah an<br />

das „Zerbrochene Herz“ herantreten. Sich<br />

behutsam dieser Frau nähern. Die Berührung<br />

wagen und den Blick ins dunkel-patinierte<br />

Innere. Das Äußere des Herzens<br />

ist licht und hell. Mit Zeichnungen von<br />

Ulle Hees, die mit denen der Else Lasker-<br />

Schüler verwoben sind. Eingebettet in die<br />

Lyrik der Dichterin. Ein Leben erzählt<br />

sich so fast wie von selbst. Verspielt und<br />

ernst. Schwer und leicht zugleich.<br />

Für Ulle Hees war es ein langer und mit<br />

vielen Widerständen gepfl asterter Weg<br />

von den ersten Gedanken und Entwürfen<br />

bis zu dieser Stele, die von der Enno und<br />

Christa Springmann-Stiftung der Stadt<br />

Wuppertal geschenkt worden ist, und die<br />

zuerst im Rathaus Barmen ihren Standort<br />

hatte, bis zum Umzug ins wuppernahe<br />

Schauspielhaus, nach Elberfeld. Man hat<br />

es auch Else Lasker-Schüler bis heute<br />

nicht leicht gemacht in ihrer Geburtsheimat.<br />

Denn kaum ist sie angekommen,<br />

wird sie erneut zur Emigrantin. In ihrer<br />

eigenen Stadt. Wieder muss sie weichen.<br />

Diesmal sind es Bauaufsicht und Haushaltslage,<br />

die der ungeliebten Dichterin<br />

im baufälligen Schauspielhaus den Garaus<br />

machen. Im Barmer Opernhaus wartet<br />

die Flüchtige nun, abgestellt und ebenerdig,<br />

auf ein ungewisses Morgen...<br />

Die Dichterin Else Lasker-Schüler u n d<br />

die Fingerzeige der Geschichte gehören<br />

zu dieser und in diese Stadt. Genauso wie<br />

Mina Knallenfalls und der Zuckerfritz (mit<br />

bürgerlichem Namen Fritz Pothen) - die<br />

eben weit mehr sind als bloße Wuppertaler<br />

Originale, sondern die für Menschen stehen,<br />

ob sie, den Rücken krumm gebeugt,<br />

die Hände schwielig, in den Textilfabriken<br />

dieses Tales geschwitzt oder als Habenichtse<br />

und kleine Schubkarrenfahrer eben<br />

immer zu denen ‚da unten‘ gehört haben.<br />

Auch ihnen hat die Bildhauerin Ulle Hees<br />

ein Denkmal gesetzt.<br />

Wenige Monate vor ihrem Tod war der<br />

französische Schriftsteller- Diplomat, Emigrant<br />

und Widerstandskämpfer Stéphane<br />

Hessel für eine Lesung in Düsseldorf<br />

zu Gast. Ulle Hees wollte so gerne noch<br />

hinfahren – es hat nicht mehr sollen sein.<br />

Dabei war es etwas sehr Besonderes, was<br />

auch diese beiden Menschen im Geiste<br />

verbunden hat: die Kraft des Eigen-Sinns<br />

und zum Widerspruch. „Indignez-vous!“<br />

„Empört Euch!“ hat der über 90jährige<br />

Hessel seine kleine Streitschrift überschrieben<br />

- d a s hat Ulle Hees direkt und<br />

außerordentlich gefallen - solche Menschen<br />

mochte sie zeitlebens! Und daraus<br />

hat sie immer auch die Kraft ihres Werkes<br />

geschöpft.<br />

Ein großer Herzenswunsch erfüllte sich für<br />

Ulle Hees noch im vergangenen Herbst:<br />

Ein Katalog und Werkverzeichnis zu ihren<br />

Plastiken im Öffentlichen Raum. Sie<br />

hatte noch so vieles vor. Nicht alles hat sie<br />

beenden können. Ihre Arbeiten zu Pina<br />

Bausch genauso wenig wie eine Skulptur<br />

der Wuppertaler Frauenrechtlerin Helene<br />

Stöcker, und auch die Zeichnungen für ein<br />

Buch über ihre New Yorker Fotografen-<br />

Freundin Ellen Auerbach bleiben nunmehr<br />

ungezeichnet.<br />

Aber eines bleibt uns allen: die Liebe, die<br />

Ulle Hees mit ihrem künstlerischen Werk<br />

in die Welt gebracht hat. Dafür, liebe Ulle,<br />

und für vieles mehr, danken wir Dir!<br />

Ulrike Müller<br />

21


Saxophon, Foto Thorsten Leiendecker<br />

22


von Rainer Widmann<br />

Rainer Widmann und Ulrich Armbruster<br />

Foto Thorsten Leiendecker<br />

10 Jahre Jazzmeeting<br />

Alle Musikinteressierten sollten sich<br />

Freitag, den 26. Oktober im Kalender<br />

dick anstreichen. An diesem Tag feiert<br />

das Wuppertaler Jazzmeeting runden<br />

Geburtstag. Zum zehnjährigen Jubiläum<br />

bietet das Festival an einem Abend auf<br />

zwei Bühnen acht Gruppen mit über<br />

vierzig hervorragenden Jazzmusikern und<br />

-musikerinnen, von denen die meisten<br />

aus der Region um Wuppertal kommen.<br />

Am Anfang des neuen Jahrtausends<br />

traf sich eine Gruppe musikbegeisterter<br />

Wuppertaler, unter ihnen Peter Kowald,<br />

um darüber nachzudenken, wie man die<br />

lokale Jazzszene fördern und beleben<br />

könnte. Als Ergebnis ihrer Überlegungen<br />

installierten sie ein Festival, dessen<br />

Grundgedanke war, vorwiegend Bands<br />

und Projekte aus Wuppertal zu präsentieren.<br />

Die Macher der ersten Stunde<br />

waren optimistisch genug, die Veranstaltung,<br />

die am 3. Oktober 2003 zum<br />

erstenmal stattfand, „1. Wuppertaler<br />

Jazzmeeting“ zu nennen, obwohl es damals<br />

noch in den Sternen stand, ob es je<br />

ein zweites geben würde. Das Jazzmee-<br />

ting etablierte sich jedoch rasch im Café<br />

ADA als Schauplatz aktueller Jazztrends<br />

und als Szene-Treff im Wuppertaler Musikherbst.<br />

Nun fi ndet am 26. Oktober<br />

schon das 10. Jazzmeeting statt. Dass es<br />

so eine Erfolgsgeschichte werden würde,<br />

hatte niemand vorausgesehen. Auch<br />

im Jubiläumsjahr werden ab 19:30 h<br />

wieder acht Bands und Projekte jeweils<br />

im Wechsel auf beiden ADA-Bühnen<br />

präsentiert. Das treue und zahlreiche<br />

Publikum ist aufs Neue eingeladen,<br />

aufregend innovative Gruppen und Musikprojekte<br />

aus dem Tal und der Region<br />

zu entdecken.<br />

Auftragskomposition von Carolin Pook<br />

aus New York für Peter Brötzmann<br />

Besonderer Höhepunkt des 10. Jazzmeetings<br />

ist eine Auftragskomposition eigens<br />

für das Jubiläum, die das Jazzmeeting-<br />

Team an die junge in New York lebende<br />

Geigerin Carolin Pook vergeben hat. Die<br />

Komponistin, die bei der Aufführung<br />

anwesend sein wird, hat das Stück für<br />

Peter Brötzmann und das Schlagzeug-<br />

23


24<br />

Carolin Pook<br />

Ensemble Q geschrieben. Das Ensemble<br />

Q besteht aus vier klassischen Musikern<br />

und vier Studenten der Wuppertaler<br />

Musikhochschule aus der Klasse von<br />

Professor Roderburg. Die klassisch<br />

ausgebildeten Schlagzeuger werden<br />

sich bei der Zusammenarbeit mit Peter<br />

Brötzmann, dem Nestor des deutschen<br />

Freejazz, in einem für sie ungewohnten<br />

Kontext bewegen. Die Leitung des<br />

Ensemble Q hat der Vibraphonist und<br />

Leiter des Düsseldorfer Mallet-Institute<br />

Matthias Goebel. Dirigent des gesamten<br />

Projekts ist der Cronenberger Musikprofessor<br />

Werner Dickel.<br />

Wiedersehen mit „Das Pferd“<br />

Ein weiteres Highlight wird der Auftritt<br />

der legendären Wuppertaler Fusion-<br />

Band „Das Pferd“. Die in den neunziger<br />

Jahren von Jan Kazda und Wolfgang<br />

Schmidtke gegründete Jazzrock-Gruppe,<br />

die internationale Erfolge feiern<br />

konnte, kommt einzig für das Jazzmeeting-Jubiläum<br />

noch einmal zusammen.<br />

Aus Wuppertal stammt der Meister<br />

des Poetry-Slam Patrick Salmen. Er<br />

verfasst Lyrik und Prosa, ist Buchautor<br />

und Kabarettist. Mit seiner gewagten<br />

Wortakrobatik ist Salmen auf deutschsprachigen<br />

Bühnen präsent und überaus<br />

erfolgreich.<br />

Das von dem John-Scofi led-Preisträger<br />

Alex de Macedo gegründete Quartett<br />

„Maceedo Groove Square“ mit Schlagzeug,<br />

Bass, Keyboard und Macedo an der Gitarre<br />

Patrick Salmen<br />

Foto: Dennis Scharlau †<br />

Peter Brötzmann<br />

Marvin Dillmann<br />

machte im Rahmen der Fußball-EM mit<br />

einem Bob-Marley-Cover Furore und wird<br />

beim Jazzmeeting seinen elektronischen,<br />

groovenden Jazzrock mit brasilianischer<br />

Lebendigkeit und Leichtigkeit vorstellen.<br />

Kollektiv zum Höhepunkt<br />

Der Wuppertaler Pianist Ulrich Rasch hat<br />

exklusiv für das Jazzmeeting die achtköp-


fi ge Band „Meet’n Jazz“ zusammengestellt,<br />

deren Besetzung einem Who’s Who der<br />

lokalen Jazzszene gleicht: die Vocalistin<br />

Banu Böke ist Ensemblemitglied der Wuppertaler<br />

Bühnen, Altmeister Dietrich Geese<br />

an der Trompete war schon beim ersten<br />

Jazzmeeting dabei, Michael Hablitzel spielt<br />

im Sinfonieorchester Wuppertal Cello, der<br />

Percussionist Thomas Lensing ist langjähriges<br />

Mitglied der „Formation Ufermann“,<br />

am Schlagzeug sitzt Raschs langjähriger<br />

Weggefährte Peter Funda.<br />

Das „Lieblingstrio“ um Markus Chancy<br />

Gärtner, das sich in den letzten Jahren<br />

in der Region einen Namen als Liveband<br />

erspielt hat, wird in neuer Besetzung mit<br />

Dirk Schaadt an der Hammond-Orgel und<br />

Ralf Heinrich am Schlagzeug Jazzklassiker<br />

in neuem Gewand präsentieren.<br />

Mit sphärischen Klängen und magischen<br />

Rhythmen gespielt auf Instrumenten,<br />

die man im Jazz selten hört, möchte<br />

ein Duo das Publikum verzaubern: Marvin<br />

Dillmann mit dem Didgeridoo, dem Holz-<br />

Blasrohr der australischen Aborigines, und<br />

Daniel Bark auf Harmonium und Flügel.<br />

African Brass zum Auftakt und Einstieg<br />

Eine Formation mit einer ungewöhnlichen<br />

Geschichte wird für einen furiosen Auftakt<br />

sorgen: die „Bergische Brass Band“ ist<br />

2011 aus einer Begegnung von deutschen<br />

und kongolesischen Jugendlichen hervorgegangen.<br />

Unter der Leitung von Volker<br />

Eigemann, Susanne Strobel und Winfried<br />

Walgenbach werden die jungen Leute<br />

aus Wuppertal, Solingen, Remscheid und<br />

Schwelm Stücke von Abdulla Ibrahim<br />

(Dollar Brand) und solche aus dem Repertoire<br />

afrikanischer Brass-Bands spielen.<br />

Gefördert wird das Jazzmeeting seit einigen<br />

Jahren durch den Landesmusikrat vom<br />

Ministerium für Familie, Kinder, Jugend,<br />

Kultur und Sport des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen aufgrund der Tatsache, dass<br />

hier Profi s und Laienmusiker auf gleichen<br />

Bühnen zu gleichen Konditionen auftreten<br />

können. Dies war auch schon von Anbeginn<br />

die Intention der Festivalmacher, dass nicht<br />

nur unterschiedliche Musikstile, sondern<br />

auch immer Nachwuchsmusiker neben alten<br />

Hasen präsentiert werden und so oft ihre ersten<br />

Auftritte vor großem Publikum hatten.<br />

Karten: www.wuppertal-live.de<br />

weitere Infos unter: www.jazzmeeting.de<br />

10.<br />

wuppertaler jazzmeeting 26.10.‘12<br />

bergische brass band bergische jugendliche und afrikanisches<br />

feeling // peter brötzmann & ensemble Q unter leitung von mathias goebel //<br />

lieblingstrio back to the hammond // patrick salmen slam poetry // daniel<br />

bark & marvin dillmann klangreise mit dem didgeridoo // maceedo groove<br />

square brazilian roots // meet’n jazz kollektiv zum höhepunkt //<br />

das pferd ten years after<br />

cafe ada<br />

wiesenstr. 6<br />

wuppertal-elberfeld<br />

einlass 19 uhr<br />

beginn 19.30 uhr<br />

eintritt 20 / (erm. 13)<br />

vorverkauf 15 / (erm. 9)<br />

über:<br />

www.wuppertal-live.de<br />

info:<br />

www.jazzmeeting.de<br />

25


26<br />

Ein Nachruf von Magdalene Zuther<br />

Der Wuppertaler Fotograf Dennis<br />

Scharlau verstarb Anfang Juli kurz vor<br />

seinem 32. Geburtstag in Wuppertal.<br />

Die Nachricht über seinen plötzlichen<br />

Tod hat alle, die ihn kannten, fassungslos<br />

zurückgelassen.<br />

Dennis Scharlau war ein Mensch<br />

mit vielen Ideen und Begabungen.<br />

Wenn er sich einer Sache widmete,<br />

dann mit ungebremster Leidenschaft<br />

und Hingabe.<br />

Nach einem anfänglichen Studium<br />

hatte er Fotografi e bei Wolf Birke im<br />

Wuppertaler Luisenviertel gelernt.<br />

Danach widmete er sich viele Jahre<br />

sehr erfolgreich der Bühnenfotografi<br />

e. Besonders Musiker aus dem Jazz<br />

hatten es ihm angetan: Hans Reichel,<br />

Audry Chen, Peter Brötzmann,<br />

Günter „Baby“ Sommer, das Alexander<br />

von Schlippenbach Trio, Wolfgang<br />

Schmidtke, Maik Ollhoff, Alvin Queen<br />

und viele mehr hatte er in den letzten<br />

Jahren abgebildet. Aber auch anderen<br />

Stilen und Kunstsparten wendete er<br />

sich zu. Hörte oder las man seinen Namen,<br />

begegnete man ihm im Kontext<br />

vieler namhafter Projekte in Wuppertal:<br />

OLGA, ein Raum für Kunst, den<br />

er mit dem Maler, Tänzer und Choreographen<br />

Milton Camillo in der Wuppertaler<br />

Nordstadt aufgebaut hatte,<br />

gehörte ebenso dazu wie die Konzertreihe<br />

KlangArt, die E. Dieter Fränzel<br />

im Skulpturenpark von Tony Cragg<br />

Dave Tucker. Foto: Dennis Scharlau<br />

Dennis Scharlau<br />

Dennis Scharlau. Foto: Helmut Steidler<br />

Dennis Scharlau bei einem KlangArt-Konzert. Foto: K. H. Krauskopf<br />

kuratiert, das Wuppertaler Jazzmeeting,<br />

die Performance-Reihe „Sichtlaut“<br />

um den Tänzer und Choreographen<br />

Geraldo Si, das Ernst-Jandl-Festival<br />

„tohuwabohu“ und einiges mehr, das<br />

er fotografi sch begleitet hat.<br />

2007 waren seine Arbeiten in der<br />

Wuppertaler Galerie Epikur bei dem<br />

Gemeinschaftsprojekt NorngBoy von<br />

Dennis und der Tänzerin und Performance-Künstlerin<br />

Nusara Mai-ngarm<br />

zu erleben. 2010 gewann er mit einem<br />

Bild des britischen Gitarristen Dave<br />

Tucker den von einer internationalen<br />

Community für Foto und Video<br />

ausgetragenen Wettbewerb „photokina<br />

PIONEERS“ Als Fotograf begleitete<br />

er die Arbeit der Peter Kowald Gesellschaft<br />

seit ihrer Gründung. 2011<br />

präsentierte er dort im Rahmen der<br />

Ausstellung „7 Jahre Ort-Fotografi e“<br />

ein Bild der japanischen Jazzmusikerin<br />

Aki Takase, das er im April desselben<br />

Jahres während ihres Konzerts im Ort<br />

aufgenommen hatte.<br />

Nach einem zeitweiligen Rückzug<br />

von der Fotografi e und wechselnden<br />

Aufenthalten im Sauerland, in Wuppertal,<br />

Berlin und London kam er<br />

im letzten Jahr wieder in Wuppertal<br />

an. Seine Leidenschaft für den Film<br />

brachte ihn in das Cinema, einem<br />

traditionsreichen Programmkino in<br />

Wuppertal-Barmen. Dort arbeitete er<br />

im letzen Jahr und wollte das Filmvorführen<br />

lernen.


Der neue Pina Bausch Kalender<br />

mit Fotografi en von Jochen Viehoff<br />

Pina Bausch lebt! Die aktuellen Fotografi<br />

en von Jochen Viehoff im neuen Pina<br />

Bausch Tanztheater Wuppertal Kalender<br />

2013 blättern die überraschende Lebendigkeit<br />

auf, die in den weltweiten Aufführungen<br />

des Wuppertaler Ensembles auch<br />

drei Jahre nach dem Tod der berühmten<br />

Choreografi n noch auf die Bühne kommt.<br />

In den Szenenfotos zu Stücken wie Two<br />

Cigarettes in the Dark (1985) Água<br />

(2001), Nefés (2003), Sweet Mambo<br />

(2008), Bamboo Blues (2007) und …<br />

como el musguito en la piedra, ay si, si, si …<br />

(2009) richtet Viehoff den Fokus auf die<br />

überbordende Farbigkeit vor allem der<br />

jüngeren Stücke, auf die opulente Kleiderpracht<br />

der Tänzerinnen und die Intensität<br />

der Emotionen, die in den Soloszenen<br />

und Paarfi guren zum Ausdruck kommen.<br />

Vor allem die stark farbigen Fotografi<br />

en des Ensembles heben sich ab von den<br />

Momentaufnahmen einzelner Tanzfi guren,<br />

deren Ausdruckskraft vor dunklem<br />

Bühnengrund gesteigert wird. Eingebunden<br />

in die traumartigen Landschaften<br />

der Videoprojektionen präsentieren die<br />

Aufnahmen eine Feier des Lebens: Ausgelassenheit,<br />

Romantik, Kälte und Schmerz<br />

werden durch die wechselnden Farbwerte<br />

besonders eindringlich vermittelt. Mit<br />

seinem guten Gespür für Komposition<br />

und Licht rückt Viehoff in diesem Jahr<br />

einige Male mit der Kamera ganz nah<br />

an die Tänzer heran. Die bildfüllenden<br />

Figuren von Ditta Miranda Jasjfi und<br />

Fernando Suels Mendoza (Nefés) oder<br />

Julie Shanahan und Michael Strecker<br />

(Two Cigarettes in the Dark), verkörpern<br />

emphatisch die komplexen Gefühle im<br />

Verhältnis zwischen Mann und Frau, so<br />

dass der Eindruck zarter Intimität entsteht.<br />

Ohne Wehmut zeigen die Fotografi<br />

en, wie das Erbe von Pina Bausch auch<br />

nach ihrem Tod bis heute weiterlebt.<br />

Jochen Viehoff wurde am 15. Juni<br />

1968 in Wuppertal geboren. Seit 1996<br />

Zusammenarbeit mit dem Tanztheater<br />

Wuppertal von Pina Bausch. Von 1999<br />

bis 2005 künstlerisch - wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Kunsthochschule für<br />

Medien Köln, seit Juni 2005 Kurator<br />

am Heinz Nixdorf Museums Forum in<br />

Paderborn.<br />

Pina Bausch-Kalender 2013<br />

Ditta Miranda Jasjfi (…como el musguito<br />

en la piedra, ay si, si, si…)<br />

Daphnis Kokkinos, Julie Anne Stanzak<br />

(Sweet Mambo)<br />

Buchveröffentlichungen u. a.: „Pina<br />

Bausch – Ein Fest. Fotografi en von Jochen<br />

Viehoff“ (2000), „Rheingold. Fotografi en<br />

von Jochen Viehoff“ (2004). „Es tut mir<br />

leid – Ein Novembertag in Berlin, Fotografi<br />

en von Jochen Viehoff “ (2006).<br />

Information: www.jochenviehoff.de<br />

Susanne Buckesfeld M. A.<br />

Julie Shanahan, Michael Strecker<br />

(Two Cigarettes in the Dark)<br />

Ditta Miranda Jasjfi , Fernando Suels<br />

Mendoza (Nefés)<br />

Der neue Pina Bauch Kalender von<br />

Jochen Viehoff ist im <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Verlag<br />

erschienen und ab dem 15. Oktober über<br />

den Buchhandel zum Preis von<br />

18,90 Euro erhältlich.<br />

27


28<br />

Geschichte und Geschichten<br />

um ein rechteckiges Stückchen<br />

Karton<br />

Seit 142 Jahren gibt es in Deutschland<br />

Postkarten. Das immer größer werdende<br />

Angebot an originellen und lustigen Exemplaren<br />

dieses praktischen Vehikels zur kurzen<br />

Nachrichten- oder Grußübermittlung regt<br />

zu einer Betrachtung an.<br />

Schöne Post im Kasten!<br />

Schreib mal wieder!<br />

Mit diesem Slogan hat einst die Deutsche<br />

Bundespost, als sie noch nicht<br />

zum geldgierigen Kommerzbetrieb Post<br />

AG umgestaltet worden ist, jahrelang<br />

versucht, Sie und mich dazu zu bewegen,<br />

ein paar Zeilen zu Papier zu bringen<br />

und ordentlich adressiert und frankiert<br />

- natürlich mit dem Monopo listen Post<br />

- zur Freude des Empfängers und der<br />

Staatskasse zu verschicken. Lange Zeit<br />

ging das auch gut. Aber die Briefkultur,<br />

die nach Matthias Claudius, Schiller und<br />

Goethe bei Gottfried Keller, Theodor<br />

Storm und Eduard Mörike, später bei<br />

Hermann Hesse und Thomas Mann zu<br />

neuer Hochblüte gelangt war, kam von<br />

Jahr zu Jahr mehr zum Erliegen. Erste<br />

Verluste fügte früh der Fernsprechapparat<br />

der Briefpost zu, das "Fräulein vom<br />

Amt" ver knüpfte schneller, als es der<br />

Briefträger schaffte. Schließlich konnte<br />

man gar selber wählen ("Wähle 333 auf<br />

dem Telefon, wähle 333 und du hast<br />

mich schon...“ - O-Ton Graham Bonney),<br />

heutzutage bis in den hintersten<br />

Winkel der Mongolei und wenn man<br />

will, mit dem Mobiltelefon von jedem<br />

Platz der Welt, ob Klo oder Linienbus<br />

(„Ich bin hier grad' in der Linie 733<br />

am Borsigplatz - ich fahr noch nachem<br />

ALDI, dann komm ich zu Hause", teilt<br />

jeder Schwachkopf den Mitreisenden<br />

und seinem Telefonpartner heutzu tage<br />

mit).<br />

Elektropost<br />

Dann der nächste Schlag ins Gesicht des<br />

anständigen und aufs Briefaufkommen<br />

angewiesenen Zustellers: Fax! Häßliche<br />

Billigkopien von der Endlosrolle spie mit<br />

einem Mal der an den Fern sprechapparat<br />

angeschlossene Impulsnehmer aus, und<br />

kaum einen Atemzug später folgt noch<br />

Grausameres: beim Stichwort E-Mail<br />

(„Du, ich schau mal eben in meinen<br />

Account.") bricht Liebhabern von<br />

Tintenschrift auf weißem Papier der<br />

Schweiß aus, Tränen füllen ihre Augen<br />

und die jedes anständigen Postboten,<br />

und Hersteller von Briefkuverts träumen<br />

von besseren Zeiten. Hausbriefkästen<br />

enthalten nicht mehr den berühmten<br />

duftenden Umschlag mit der „blaßblauen<br />

Frauenhandschrift“, sondern Berge<br />

unerwünschter Werbesendungen, die<br />

dem Postboten die Freude am Zustellen<br />

nehmen. Von den erotisches Glück und<br />

günstige Geldanlagen verheißenden<br />

SPAM-Fluten mal ganz zu schweigen.<br />

Mit all diesen begrenzt praktischen<br />

Neue rungen geht natürlich der Hang<br />

zur Faulheit einher - oder war es umgekehrt?<br />

Ist die Denk- und Schreibfaulheit<br />

derer, die das Verfassen umfänglicher<br />

und inhaltsreicher Botschaften, den rituellen<br />

Vorgang des Umschlagbeschriftens<br />

und Aufklebens einer Briefmarke lieber<br />

vermeiden, der Grund? Schreibt denn<br />

niemand mehr?


Schauen wir mal zurück<br />

Banausen! schreit der Fühlende gequält<br />

auf und schaut sich nach Rettung um.<br />

Dabei steht die seit besagten 142 Jahren<br />

in Deutschland unauffällig in der zweiten<br />

Reihe bereit und zeigt sich für den Kurz-<br />

Mitteiler att raktiver und schillernder als je<br />

zuvor. Wir sprechen von der recht eckigen,<br />

aus festem Karton bestehenden Erfi ndung<br />

des Generalpost meisters Heinrich<br />

von Stephan, 1865 erstmals von ihrem<br />

Erfi nder der Postkonferenz der deutschen<br />

Staaten vorgeschlagen, 1869 in Österreich<br />

eingeführt und schließlich 1870 im<br />

Norddeutschen Postgebiet: der Postkarte<br />

des Weltpostvereins, anfangs Correspondenzkarte<br />

genannt.<br />

Das schlichte Stückchen Pappe wurde<br />

seitdem sehr gut angenommen und erfreut<br />

sich vor allem als Glückwunsch oder<br />

Urlaubsgruß ungebrochener Beliebtheit.<br />

Eine kurze Mit teilung sollte seinerzeit<br />

schnell den Empfänger erreichen und<br />

nicht viel kosten. Das klappte auch, denn<br />

über Jahrzehnte, bis weit ins 20. Jahrhundert<br />

konnte man für 5 Pfennige Porto innerhalb<br />

von 24 Stunden Nachrichten von<br />

Berlin nach Thorn, von Tübingen nach<br />

Hamburg oder von Lieberhausen nach<br />

Elberfeld expedieren – Absende- und<br />

Eingangsstempel belegen das. Innerhalb<br />

einer Stadt war die Übermittlung sogar<br />

vom Vor- bis zum Nachmittag garantiert:<br />

"Lieber Wilhelm, ich komme heute<br />

Nachmittag um 1/2 vier Uhr zum Kaffee<br />

bei Euch vorbei." Zustellung zweimal täglich.<br />

Gol dene Zeit! Mit viel Glück gelingt<br />

das heute innerhalb 1-2 Tagen, manchmal<br />

braucht´s aber auch eine Woche und<br />

kostet in jedem Fall 45 Cent.<br />

Eine Freude für Empfänger und Sammler<br />

Aber zurück zur Geschichte der Postkarte.<br />

War es einst eine schmucklose Mittei lung,<br />

entwickelte sich bald eine Kombination<br />

von Bild- und Text seite daraus: die Ansichtskarte.<br />

Aus dem Urlaub konnte man<br />

einen Wetter- und Stimmungsbericht<br />

schicken, kurz gefaßt natürlich, denn<br />

die andere Seite der Karte zeigte eine<br />

photographische An sicht des Urlaubsortes.<br />

Dort konnte man das Zimmerfenster<br />

des Hotels ankreuzen, hinter dem man<br />

faulenzte oder den Berg, den man tapfer<br />

29


30<br />

erklommen hatte. Gilt bis heute! Schnell<br />

kamen andere Themen- und Motivkreise<br />

dazu - Glückwunschkarten zu allen<br />

möglichen Anlässen, Scherzkarten und<br />

leider auch ungezählte Feldpostkarten.<br />

Mit vaterländischem Pathos, Wehmut<br />

und Galgenhumor wurde dem Untergang<br />

ins Auge geblickt. Schier unerschöpfl ich<br />

zeigte sich die Welt von Illustration, Idee<br />

und Motiv. Und weil der Mensch ein<br />

Wesen ist, das sehr über das Auge lebt<br />

und genießt, wurde bald erkannt, daß<br />

Absen der und Empfänger das Originelle<br />

und das Opulente zu schätzen wissen und<br />

ein Geschäft damit zu machen ist.<br />

Ein neues Steckenpferd entstand: das<br />

Sammeln von Postkarten. Die wurden in<br />

prächtige Alben gesteckt, nach Motiven<br />

und Serien sortiert und so sorgfältig aufbewahrt,<br />

daß viele davon zwei Weltkriege<br />

überdauert haben und im Nachhinein<br />

heute noch Freude machen können. Und<br />

weil das Sammeln nun mal eine Wissenschaft<br />

ist, gibt es dazu Kataloge, Untersuchungen<br />

und Sekundärliteratur.<br />

Mit Kitsch und viel Humor<br />

Die Fülle der angebotenen hübschen,<br />

ästhetischen, originellen, erotischen, witzigen<br />

und künstlerischen Bildpost karten<br />

ist mittlerweile nahezu unüberschaubar.<br />

Unzählige oft kleinste Verlage bringen<br />

herrlich komische oder wunderschöne<br />

Motive auf den Markt und man hat als<br />

Schreiber gar nicht genug Empfänger zur<br />

Hand, um all die spaßige Pracht an den<br />

Mann und die Frau zu bringen. Da gibt<br />

es die fotografi sche Satire, die originelle<br />

Visualisierung von Texten, die Karikatur<br />

und den Cartoon, die Kunstverfremdung,<br />

Weisheiten und kluge Sprüche und vieles,<br />

vieles andere. Ganze Kollektionen wurden<br />

von namhaften Illustratoren wie Loriot<br />

und Bernd Pfarr, Michael Sowa oder<br />

André Poloczek gestaltet. Mal ist das Kartenmotiv<br />

der Träger der Botschaft, dann<br />

wieder nur höherer Blödsinn, auf den<br />

sich Verlage wie Joker, Inkognito, Voller<br />

Ernst, Retro, Weltniveau und viele andere<br />

besonders gut verstehen.<br />

Daß es darunter natürlich auch Ausreißer<br />

gibt, liegt auf der Hand. Die fi ndet<br />

man dann (natürlich auch gesammelt)<br />

in Büchern wie „Boring Postcards“,<br />

"Langweilige Postkarten" oder „Bild der<br />

Heimat – Die Echt-Foto-Postkarten aus<br />

der DDR“. Es ist, glauben sie mir, höchst<br />

kurzweilig, sich aufmerksam auch solche<br />

Exemplare anzuschauen. Aber Vorsicht –<br />

macht süchtig!<br />

Tips, wo´s gratis ist<br />

In Kneipen, Cafés und Postämtern (Tip!)<br />

gibt es häufi g nette Gratis-Postkarten, die<br />

meist Werbebotschaften transportieren<br />

und kostenlos sind, z.B. "City-Cards"<br />

und "Edgar auf der Karte“ (lesen sie zu<br />

Edgar hier unseren Jubiläumsbericht).<br />

Meist im Format 10 x 15 cm gibt es eigentlich<br />

nichts, was es als Thema auf der<br />

Karte nicht gibt: dumme Sprüche, echte<br />

Kunst oder pure Reklame – meist aber<br />

originell. Im Zweifelsfall bastelt man sich<br />

fl ugs selber eine. Eigene Fotos sind beliebt.<br />

Nur ein paar Beispiele aus der Fülle<br />

können wir hier zeigen, als Anregung, die<br />

Postkartenständer in Buchhandlungen,<br />

Schreibwarengeschäften, Souvenirläden<br />

und Gra phik-Agenturen zu durchstöbern,<br />

die Beute zu beschriften, zu adressieren<br />

und ordentlich frankiert zur Freude der<br />

Empfänger und der Postboten auf den<br />

Weg zu bringen. Mir klingt noch der Ruf<br />

meines früheren Zustel lers Heribert B. im<br />

Ohr: "Komm runter, is' schöne Post im<br />

Kas ten!"<br />

Frank Becker<br />

Fotos: Archiv Musenblätter


Die Zahl verschickter Postkarten<br />

ging seit 1982<br />

um 715 Millionen Stück zurück<br />

Volkskundler untersuchen<br />

die Geschichte der Postkarten<br />

Die Postkarte auf dem Rückzug<br />

Volkskundler des Landschaftsverbandes<br />

Westfalen-Lippe haben die Geschichte<br />

der Postkarten untersucht. Die erste<br />

"Correspondenzkarte" wurde zum 1.<br />

Juli 1870 von der Postverwaltung des<br />

Norddeutschen Bundes eingeführt und<br />

hatte noch keine Bildmotive. „Postkarten<br />

stellten zunächst einmal ein kostengünstiges<br />

Medium für kurze Mitteilungen dar“,<br />

erklärte Anna Maria Löchteken kürzlich<br />

in Münster. Die Karte war nach ihren<br />

Angaben sofort „ein Verkaufshit“ und<br />

wurde in allen Bevölkerungsschichten<br />

schnell bekannt, als im Deutsch-Französischen<br />

Krieg 1870/71 die Feldpost-Korrespondenzkarte<br />

portofrei in die Heimat<br />

befördert wurde. Auch nach Kriegsende<br />

war die Beliebtheit ungebrochen, da nur<br />

die Hälfte des Briefportos zu entrichten<br />

war.<br />

Mit dem Aufkommen bebilderter Postkarten<br />

gewannen die Karte noch einmal<br />

an Popularität. Die ersten (selbst)-illustrierten<br />

Karten sind schon für das Jahr<br />

1870 bekannt, offi ziell wurden Ansichtskarten<br />

aber erst Mitte der 1890er Jahre<br />

von den Postverwaltungen zugelassen.<br />

Zuvor empfand man es als unangebracht,<br />

Karten mit Bildern zu verschicken. Da<br />

die Rückseite der Postkarte bis 1905 nur<br />

mit der Adresse beschriftet werden durfte,<br />

reichte der Platz auf der Bildseite kaum<br />

für mehr als einen kurzen Gruß.<br />

Ab der Jahrhundertwende gehörten<br />

Fotopostkarten fest zum touristischen<br />

Reiserepertoire, da breite Bevölkerungsschichten<br />

auf diese Weise in der Lage<br />

waren, ihren Urlaubsaufenthalt zu präsentieren.<br />

Der Schriftsteller Hans Fallada<br />

erinnerte sich an Ferien zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts und schrieb: „Ansichtspostkarten<br />

mußten geschrieben werden,<br />

an jeden erdenklichen Bekannten und<br />

Verwandten. Sie waren ein Beweis, daß<br />

man in einer Sommerfrische gewesen war,<br />

und im übrigen schickte sich dieser Gruß<br />

aus Ferientagen.“<br />

Die Postkarte hält sich schon über 140<br />

Jahre, hat aber in den vergangenen<br />

Jahrzehnten einen starken Einbruch zu<br />

verzeichnen. Wurden 1954 noch 920<br />

Millionen Karten verschickt und 1982<br />

noch 877 Millionen, haben Internet und<br />

Mobiltelefon zu einem drastischen Rückgang<br />

geführt. Nach Angaben der Deutschen<br />

Post beschränkt sich die Versendung<br />

privater Postkarten heute eher auf<br />

das Saisongeschäft im Sommer sowie zu<br />

Ostern und Weihnachten. Deutschlandweit<br />

wurden im vergangenen Jahr noch<br />

162 Millionen Postkarten verschickt.<br />

Andreas Rehnolt<br />

Fotos: Archiv Musenblätter<br />

31


32<br />

Gartendekorationen und Wohnaccessoires,<br />

Kunsthandwerk und<br />

Kunst für den Indoor- und<br />

Outdoorbereich bietet die<br />

Gärtnerei Wierzba auf ihrem<br />

3.000 Quadratmeter großen<br />

Gelände an der Oberbergischen<br />

Straße 44 in Wuppertal:<br />

Ein ideales Areal, um unter dem<br />

Firmenmotto „Pfl anzen und Kunst“<br />

über die üblichen Dimensionen<br />

von grünen und blühenden<br />

Gewächsen aller Art hinaus zu gehen.<br />

Die Gärnerei Wierzba verbindet<br />

das Thema Garten mit dem Thema<br />

(Objekt)Kunst – und schafft auf<br />

diese Weise neue Räume.<br />

Räume draußen – aber ebenso auch<br />

Räume im Inneren eines Hauses,<br />

die mit dem Garten vor den<br />

Fenstern in enger Verbindung<br />

stehen.<br />

Deko-Details und kleines Schönes<br />

Doch „Pfl anzen und Kunst“<br />

bietet nicht nur „große“ Kunst,<br />

sondern ist auch im Segment<br />

Kunstgewerbe und kleinerer<br />

Kunstgegenstände stark:<br />

Außergewöhnliches Schiefertafel-Geschirr,<br />

nicht alltägliches<br />

Tischzubehör sowie saisonunabhängige<br />

Deko-Details<br />

erweitern das Spektrum der<br />

Gärtnerei, mit der Bernd-Ulrich<br />

Wierzba im März 2010 schon<br />

25-jähriges Firmenjubiläum feiert,<br />

um zahlreiche Facetten.<br />

Die Gärtnerei Wierzba „Pfl anzen und Kunst“ hilft Ihnen, Ihren Lebensraum zu vergrößern<br />

und zu einer individuellen Einheit zu verschmelzen:<br />

Heben Sie mit uns die Grenzen von „drinnen“ und „draussen“ auf, holen Sie sich die Natur ins<br />

Haus und machen Sie Ihren Garten zu Ihrem ganz persönlichen „Wohlfühl Wohnbereich“!<br />

Pfl anzen und Kunst<br />

Bernd-Ulrich Wierzba<br />

42285 Wuppertal, Oberbergischen Straße 44<br />

Telefon 0202 - 88 084<br />

info@pfl anzen-und-kunst.de


Glückwunsch, Edgar<br />

20 Jahre Edgar-Karten aus<br />

Hamburg<br />

Wer kennt ihn nicht? Edgar, den Mann<br />

mit dem markanten Kinn, dem Balken<br />

über den Augen und der Shag-Pfeife im<br />

Mundwinkel. Edgar-Karten sind aus<br />

Szene-Bars, Kneipen und Cafés nicht<br />

mehr wegzudenken, wenn auch vielenorts<br />

die Kartenständer nach kurzer Zeit schon<br />

leergeräumt sind und dann wochenlang<br />

sehr traurig aussehen. Edgar wartet<br />

mit frechen, hin und wieder auch recht<br />

derben Sprüchen auf, gibt sich aufmüpfi<br />

g, laut, jung, mitunter ein bißchen<br />

wild - und macht Reklame. Denn das<br />

ist die Seele des Geschäfts: Werbung<br />

über Gratis-Postkarten auffällig und<br />

vielfach künstlerisch zu transportieren.<br />

Automarken und Fernsehserien, neue<br />

Kinofi lme und Körperpfl ege, Kondome<br />

und Online-Dienste werden beworben.<br />

Kneipengänger lieben und sammeln die<br />

attraktiven Karten – und die wenigen,<br />

die heute noch „handgemachte“ Post verschicken,<br />

freuen sich, daß sie zum einen<br />

keine Karte kaufen müssen, zum anderen,<br />

daß die angepeilte Botschaft oft schon<br />

mitgeliefert wird. Jetzt feiert Edgar seinen<br />

20. Geburtstag.<br />

Aus der ungewöhnlichen Geschäftsidee,<br />

mit einer attraktiven und dazu kostenlosen<br />

Postkarte dennoch Geld zu verdienen,<br />

wurde eine beachtliche Erfolgsstory.<br />

1992 wurde der Gedanke in einer<br />

Hamburger Kneipe geboren und „Edgar“<br />

getauft, abgeleitet von der „Ad-Card“<br />

(engl. Advertising Card). Das Besondere:<br />

Edgar-Karten verbinden Kunst, Kommerz<br />

und Kommunikation und in vielen<br />

Fällen sehr originell miteinander. Meist<br />

ist der spontane Lacher, den die Botschaft<br />

auslöst, der Kontaktfunke. Mit den<br />

Einnahmen aus den Werbekarten wird<br />

u.a. junge Kunst gefördert und ebenfalls<br />

wieder im Postkartenformat mit dem<br />

Edgar-Logo verteilt – ebenso gratis, versteht<br />

sich. Konsequent geführt eroberte<br />

die Edgar-Idee die Szene-Kneipen-Welt<br />

der Republik - 1996 kamen erste Plakate<br />

dazu und seit 1997 ist Edgar im Internet.<br />

Auf www.edgar.de wurde damals die<br />

erste E-Card (elektronische Grußkarte)<br />

verschickt. Andere Unternehmen mit<br />

ähnlicher Konzeption (wie z. B. City<br />

Card) drängten auf den Markt und eroberten<br />

nicht unerhebliche Anteile, doch<br />

trotz dieser Konkurrenz und der Krise in<br />

der Werbebranche im Jahr 2000 konnte<br />

Edgar glücklicherweise überleben - keine<br />

Edgar-Karten mehr zu fi nden, wäre für<br />

viele eine mittlere Katastrophe gewesen -<br />

und begründete auf edgar.de im Internet<br />

eine Online-Community.<br />

2006 wurde eine magische Zahl erreicht:<br />

Eine Milliarde Edgar-Karten wurden<br />

bis dahin verteilt, in der Gastronomie,<br />

aber auch in Geschäften für junge Mode,<br />

Fitness-Studios und sogar in Schulen. In<br />

der Werbewelt sind Edgar-Karten längst<br />

zum „Klassiker“ mit Kultstatus avanciert.<br />

Edgar gehört für viele Unternehmen der<br />

unterschiedlichsten Branchen einfach zu<br />

einer kreativen Werbekampagne. Nicht<br />

nur als „normale“ Postkarte auf dem<br />

üblichem Karton, auch als Spiegelkarte,<br />

3D-Karte, Wechselbildkarte, Duftkarte<br />

oder sogar Blechkarte werben Edgar-<br />

Karten für unterschiedlichste Produkte<br />

und Dienstleistungen. Neben seinem<br />

künstlerischen Engagement unterstützt<br />

Edgar soziale Kampagnen und ist lobenswerterweise<br />

in der Hamburger Szene u. a.<br />

als langjähriger Sponsor des FC St. Pauli<br />

– eines der wenigen noch wirklich echten<br />

Fußballvereine aktiv. Fußball ist ohnehin<br />

ein Thema, dem sich Edgar recht liebevoll<br />

gewidmet hat.<br />

Edgar stellt sich einer selbst gewählten<br />

Herausforderung für die nächsten Jahre:<br />

Neue Trends setzen, ohne dabei Toleranz,<br />

Kreativität und Menschlichkeit zu verlieren.<br />

Wenn das kein hehres Ziel ist! Also:<br />

noch einmal „Glückwunsch zur 20“ und<br />

toi, toi, toi für die Zukunft!<br />

Frank Becker<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.edgar.de<br />

33


34<br />

Dolce far niente<br />

am gelben Schloss in Vohwinkel<br />

Barocker Sehnsuchtsort:<br />

Schloss Lüntenbeck (Foto: Esther Hildebrandt)<br />

Stille Tage in der Lüntenbeck<br />

Orte gibt es, an denen die Uhren anders<br />

ticken. Orte, die aus dem Kontinuum<br />

unserer täglichen Verrichtungen fallen.<br />

Gefährliche Orte sind dies. Denn man<br />

kommt von ihnen nur schwerlich los.<br />

Gut also, dass das Restaurant im Schloss<br />

Lüntenbeck in Wuppertal-Vohwinkel feste<br />

Öffnungszeiten hat. Man könnte hier<br />

sonst ewig verweilen. Zumal im Sommer,<br />

wenn es sich auf der Terrasse, unter der alten<br />

Marone im Schlosshof, ein Genießerpublikum<br />

versammelt, das die Pause vom<br />

Alltag sichtlich und ausgiebig genießt.<br />

Wozu das Speisen- und Weinangebot<br />

von Pilkens im Schloss Einiges beiträgt.<br />

Spanferkelbäckchen an einer Trüffeljus<br />

auf mediterranem Kartoffelstampf<br />

entwickeln in der milden Spätsommerluft<br />

vor der Kulisse des barocken Herrensitzes<br />

Lüntenbeck einen authentischen<br />

Landhauscharme – ohne das Schischi der<br />

Lifestyle-Hochglanzmagazine. Welche Erholung<br />

von brüllend heißen Augusttagen<br />

und den Aufgeregtheiten der Welt!<br />

Jürgen Tschuschke, Patron von Pilkens im<br />

Schloss, hat sich lange mit der 800-jährigen<br />

Geschichte von Schloss Lüntenbeck<br />

beschäftigt. „Ein Rundgang durch die<br />

Anlage und ihre Gebäude ist eine faszinierende<br />

Zeitreise. Viele Epochen haben<br />

hier ihre Spuren hinterlassen – Spuren,<br />

die vom jeweiligen Zeitgeist berichten.“<br />

Zum Beleg führt uns Jürgen Tschuschke<br />

in das schlossartige Herrenhaus mit<br />

seinen drei markanten Giebeltürmchen.<br />

Das ist sein Reich – das Restaurant<br />

Pilkens im Schloss. Hinter der schweren,<br />

hochbarocken Eingangstür öffnet sich<br />

die Diele. Eine eichene Nageltür aus der<br />

Entstehungszeit des Gebäudes führt in die<br />

Küche; zum Herrenzimmer links öffnet<br />

der Gast eine Tür in fl oralem Jugendstil.<br />

Gegenüber geht´s in Kaminzimmer<br />

– durch ein Rokoko-Portal. Jürgen<br />

Tschuschke hat Recht: Es ist dieser über<br />

die Zeiten gewachsene Stilmix, der die<br />

Verführungskraft von Schloss Lüntenbeck<br />

ausmacht. Das ganze Anwesen atmet<br />

Geschichte – und lässt vielleicht deshalb<br />

die Uhren anders ticken.<br />

Küchenmeister Tschuschke macht<br />

sich seinen kulinarischen Reim auf<br />

den Eklektizismus seines Domizils. Er<br />

präsentiert nunmehr seit etwas mehr als


einem Jahr eine Landhausküche, die das<br />

Rustikale nicht scheut und doch über<br />

den Tellerrand blickt und der guten, alten<br />

bürgerlichen Küche mit Anleihen aus den<br />

Rezeptbüchern Asiens und den Ländern<br />

rund um Mittelmeer auf die Sprünge<br />

hilft. Der Kalbsrücken kommt hier zum<br />

Beispiel mit Gorgonzola überbacken aus<br />

der Küche – auf Blattspinat mit Tomaten-<br />

Sugo und Gnocchi. Die Barbarie-Entenbrust<br />

wird, zart rosa gebraten, von einem<br />

köstlichen Orangen-Graupen-Risotto<br />

und einem knackigen Pak-Choi-Gemüse<br />

begleitet.<br />

In der Küche von Pilkens im Schloss<br />

geht vieles zusammen, was auf den ersten<br />

Blick unvereinbar erscheint: Deutschland<br />

mit Asien, Italien mit dem Libanon –<br />

einem noch weitgehend unbekannten<br />

Refugium der ambitionierten Aromaküche.<br />

Tschuschke und sein Küchenteam<br />

verbinden die scheinbar widersprüchlichen<br />

Traditionen, indem sie sich auf<br />

gutes altes Kochhandwerk besinnen.<br />

„Bei uns kommt nichts aus der Tüte.<br />

Convenience-Produkte lehne ich ab.<br />

Wir ziehen jeden Fond und jede Sauce<br />

selbst – von Grund auf“, sagt der Meister,<br />

der sich seine Meriten unter anderem in<br />

der luxemburgischen Sternegastronomie<br />

verdiente.<br />

Es ist kein Zuckerschlecken, in einer Stadt<br />

wie Wuppertal mit ihren Strukturproblemen<br />

ein Restaurant der gehobenen<br />

Kategorie zu betreiben. Das weiß auch<br />

Johannes Dinnebier, ohne den es die<br />

einzige Wuppertaler Schlossanlage heute<br />

vermutlich nicht mehr gäbe. Dinnebier,<br />

Selfmademan, Visionär und Licht-Avantgardist<br />

von Weltruhm, übernahm das<br />

weitgehend verfallene Anwesen 1971 von<br />

der Stadt und begann mit der Restaurierung<br />

der Gebäude. Ein Kraftakt, in den<br />

der Unternehmer über die Jahrzehnte<br />

neben erheblichen fi nanziellen Mitteln vor<br />

allem eines steckte: Leidenschaft für seine<br />

Idee von einem Ort, an dem sich Historie<br />

und Moderne – jenseits von musealer<br />

Verklärung – begegnen können. Diese<br />

Vorstellung hat nicht nur das Restaurierungskonzept<br />

geprägt, sondern schlägt<br />

sich auch in der heutigen Nutzung der<br />

verschiedenen Gebäude nieder. Neben der<br />

Manufaktur Dinnebier Licht beherbergt<br />

Kochhandwerker: Patron Jürgen Tschuschke (Foto: Michael Schumacher)<br />

Landhausküche als Augenschmaus (Foto: Esther Hildebrandt)<br />

Auf ein Glas unter der alten Marone... (Foto: Freistil)<br />

35


36<br />

Behaglich, nicht verschnuckelt: das Restaurant (Foto: Freistil)<br />

Terrassenfreuden am Nachmittag (Foto: Esther Hildebrandt)


die Schlossanlage Arztpraxen, verschiedene<br />

Ateliers, einen Weinhandel, ein Yoga-<br />

Institut, eine Immobilienagentur – und<br />

eben das Restaurant Pilkens im Schloss.<br />

Jürgen Tschuschke: „Johannes Dinnebier<br />

hat mit der Erhaltung von Schloss Lüntenbeck<br />

eine Großleistung vollbracht. Ich<br />

freue mich als Wuppertaler, mit meinem<br />

Restaurant einen Beitrag zu diesem Projekt<br />

leisten zu dürfen.“<br />

Das „Projekt“ erlebt der Besucher von<br />

Schloss Lüntenbeck als ein Idyll wie aus<br />

einer anderen Zeit. Ein kleiner Spaziergang<br />

führt vorbei an stillen Teichen, auf<br />

denen Seerosen blühen, und weiter hinauf<br />

auf den Lüntenberg mit seinem alten<br />

Baumbestand. Der Blick auf das Schloss<br />

unten im Tal lässt verstehen, was Johannes<br />

Dinnebier vor vier Jahrzehnten bewog,<br />

diesen Ort vor dem Untergang zu bewahren:<br />

„Ich sah das Schloss erstmals in einer<br />

verschneiten Winternacht – und war sofort<br />

verzaubert.“<br />

So ergeht es wohl manchem Besucher.<br />

Und so erging es auch Jürgen Tschuschke.<br />

„Das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt<br />

er heute. Und wie es in der Liebe so geht,<br />

kommt mit der Zeit das Verstehen. Das<br />

Verständnis dafür, wie im Laufe der vielen<br />

Generationen dieser Ort zu dem wurde,<br />

was er heute ist. Wie aus einem alten Rittergut<br />

zunächst ein Hof des Damenstiftes<br />

Gerresheim und schließlich ein landwirtschaftlicher<br />

Betrieb mit wechselnden Besitzern<br />

wurde. Wie die Zeit Verluste forderte<br />

– durch Krieg, Brände und den Unverstand,<br />

dem nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

noch die alte Mühlenanlage zum Opfer<br />

fi el. Wie sich adelige Besitzer im frühen 17.<br />

Jahrhundert ein Denkmal setzten, indem<br />

sie der Anlage die bis heute prägende barocke<br />

Gestalt gaben. Und wie das Adelsgut<br />

für die Bauern in der Umgebung über viele<br />

Jahrhunderte schicksalsprägend gewesen<br />

ist. Diese Zeiten sind vorbei. „Stille Tage in<br />

der Lüntenbeck“ sind heute ein ganz und<br />

gar bürgerliches Vergnügen, das Pilkens im<br />

Schloss mit einer erfreulich unprätentiösen<br />

Küche adäquat begleitet.<br />

Die Sonne versinkt hinter dem alten Wald<br />

über dem Schloss. Ein letztes Glas von<br />

diesem wunderbaren Riesling aus dem<br />

Weingut Odinstal. Am Nachbartisch<br />

F. W. Kernekamp überm Kamin: der Trausaal (Foto: Freistil)<br />

Stiller Wintertag in der Lüntenbeck (Foto: Freistil)<br />

zitiert ein Gast Gottfried Benn: „Aber<br />

Abende gab es, die gingen in den Farben<br />

des Allvaters.“ Drinnen im Restaurant wird<br />

der Kamin entzündet.<br />

Die wechselvolle Geschichte von Schloss<br />

Lüntenbeck hat Antonia Dinnebier in<br />

dem Bändchen „Grüne Meile Lüntenbeck“<br />

dokumentiert. Das Buch ist in der<br />

Edition Köndgen erschienen.<br />

Michael Schumacher<br />

Pilkens im Schloss<br />

Schloss Lüntenbeck<br />

Wuppertal-Vohwinkel<br />

Telefon 0202 - 26 477 100<br />

www.pilkens-im-schloss.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mittwochs bis Sonntags, 11 bis 23 Uhr<br />

37


38<br />

M - E A T<br />

H A U T E C U I S I N E<br />

I N V E R T R A U T E R<br />

U M G E B U N G<br />

P R I V A T E C O O K I N G<br />

Sie möchten nicht selber das Essen zubereiten und<br />

sich mit den Weinen und sogar der Tischdekoration<br />

beschäftigen, sondern einfach mit Ihren Gästen<br />

genießen und Spaß haben?<br />

Wenn ja, sehr gerne, ich stehe für Sie bereit!<br />

M-EAT – Der Name ist Programm.<br />

Sie treffen sich (meet) mit Ihren Gästen und essen<br />

gemeinsam (eat), um mehr brauchen Sie sich nicht<br />

zu kümmern.<br />

Meine Philosophie:<br />

„Exclusiv entspannt genießen.“<br />

Gordon Berning<br />

In der Fleute 33 · 42389 Wuppertal<br />

T 0202 - 26514 - 14 · M 0173 - 7445968<br />

Mail@m-eat-private-cooking.de<br />

www.m-eat-private-cooking.de


Bundeskunsthalle Bonn<br />

Noch bis zum 6. Januar 2013<br />

PIXAR – 25 Years of Animation bringt<br />

die Geschichten, Charaktere und Welten<br />

aus den Animationsfi lmen wie Findet<br />

Nemo, Ratatouille, Das große Krabbeln<br />

oder Cars nach Bonn. Erstmalig<br />

in Deutschland werden mehr als 500<br />

Exponate zur Entstehung der computeranimierten<br />

Spielfi lme aus den Pixar Animation<br />

Studios als Kunstausstellung präsentiert.<br />

Den Besucher erwarten Skizzen,<br />

Grafi ken, Farbzeichnungen und Skulpturen,<br />

ergänzt um eine Vielzahl an Monitoren,<br />

Projektionen und Touchscreens, die<br />

einen Einblick in die Kunstfertigkeit und<br />

den Schaffensprozess geben.<br />

Kuratorin<br />

Elyse Klaidman<br />

Ausstellungsleitung<br />

Dr. Angelica Francke und Ulrich Best,<br />

Kunst- und Ausstellungshalle der<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

F32_TS, Bob Pauley<br />

Woody und Buzz, Toy Story, 1995<br />

Filzstift- und Bleistiftreproduktion<br />

© Disney/Pixar FIGUREN<br />

PIXAR – 25 Years of Animation<br />

PIXAR – 25 Years of Animation bringt<br />

die Geschichten, Charaktere und Welten<br />

aus den Animationsfi lmen wie Findet<br />

Nemo, Ratatouille, Das große Krabbeln<br />

oder Cars nach Bonn. Erstmalig<br />

in Deutschland werden mehr als 500<br />

Exponate zur Entstehung der computeranimierten<br />

Spielfi lme aus den Pixar Animation<br />

Studios als Kunstausstellung präsentiert.<br />

Den Besucher erwarten Skizzen,<br />

Grafi ken, Farbzeichnungen und Skulpturen,<br />

ergänzt um eine Vielzahl an Monitoren,<br />

Projektionen und Touchscreens, die<br />

einen Einblick in die Kunstfertigkeit und<br />

den Schaffensprozess geben.<br />

Pixar, heute zur Walt Disney Company<br />

gehörend, begann im Jahr 1986 mit<br />

Kurz- und Werbefi lmen. 1995 revoluti-<br />

onierte das Unternehmen mit Toy Story,<br />

dem ersten vollständig computeranimierten<br />

Film, das Genre Trickfi lm. Mehr<br />

als 40 Millionen Kinobesucher haben<br />

die zwölf großen Spielfi lme seither in<br />

Deutschland gesehen, im Sommer 2012<br />

kommt ein weiterer in die Kinos:<br />

Merida – Legende der Highlands.<br />

PIXAR – 25 Years of Animation ist<br />

eine Kunstausstellung, deren Arbeiten<br />

aus Filmwerkstätten kommen. Sie bietet<br />

die Gelegenheit, einen Blick hinter die<br />

Kulissen der Filmemacher zu werfen, da<br />

die Studios für die Öffentlichkeit nicht<br />

zugänglich sind. In den Pixar-Studios in<br />

Emeryville nahe San Francisco entsteht<br />

ein Film zunächst in den als traditionell<br />

angesehenen Methoden durch Zeichnung,<br />

39


40<br />

PXR3006, Harley Jessup, Farbstudie zu<br />

Ratatouille, 2007, Digital © Disney/Pixar<br />

Daniel_04.19.07.02, Daniel Up. 2009,<br />

Gouache © Disney/Pixar<br />

Malerei, Pastellmalerei und Modellieren.<br />

Im weiteren Prozess werden die Charaktere<br />

am Computer digital umgesetzt. Der<br />

Besucher wird in der Ausstellung keine<br />

fertige Filmszene, das Endprodukt, sehen,<br />

sondern Skizzen, Grafi ken, Farbzeichnungen<br />

und Skulpturen vorfi nden:<br />

erste, mit dem Filzstift skizzierte Ideen<br />

zu Filmfi guren, Farbkreidezeichnungen<br />

von Landschaften oder Städten, in denen<br />

sich die Handlung abspielt, plastische<br />

Modelle, sogenannte Maquetten, die für<br />

die Figurenentwicklung einen intensi-<br />

veren Eindruck ihrer dreidimensionalen<br />

Erscheinung geben und so die Weiterarbeit<br />

erleichtern. Auch Colorscripts, großformatige<br />

Farbzeichnungen, die ganze Szenen<br />

zusammenfassen und auf einen Blick<br />

die Farbstimmung des gesamten Films<br />

offenbaren, werden präsentiert. Von John<br />

Lasseter, dem kreativen Kopf von Pixar,<br />

stammt der Kernsatz, dass Pixar-Filme aus<br />

drei wesentlichen Elementen bestehen,<br />

aus „World“, „Character“ und „Story“:<br />

den Welten, in denen der Film spielt, den<br />

handelnden Figuren und den Geschichten,


die erzählt werden. Daraus gehen auch die<br />

drei Hauptkapitel der Ausstellung hervor,<br />

die eine Vielzahl von Monitoren, Projektionen<br />

und Touchscreens bereithält, um<br />

Filmelemente plastisch darzustellen oder<br />

Zusatzinformationen zu geben.<br />

Zu den Höhepunkten der Präsentation<br />

zählen das „Artscape“ und das „Zoetrop“.<br />

Das „Artscape“ ist ein Kinoraum, in dem<br />

auf einer breiten Leinwand ein Film über<br />

Pixars Welten in HD-Qualität mit Dolby<br />

Surround und Ambient Light zu sehen ist.<br />

Dafür wurden Originalzeichnungen und<br />

-gemälde aus verschiedenen Filmen digital<br />

zum Leben erweckt und mit Sounddesign<br />

versehen. Der Film wurde eigens für die<br />

Ausstellung konzipiert. Das „Zoetrop“ ist<br />

ebenfalls eine für die Ausstellung entwickelte<br />

Installation, die auf die Prinzipien<br />

der Animation vor der Erfi ndung des Films<br />

zurückgreift. Eine Art dreidimensionales<br />

Daumenkino zeigt auf immer kleineren,<br />

konzentrisch übereinander liegenden Scheiben<br />

verschiedene Figuren aus den Filmen<br />

Toy Story und Toy Story 2, die alle in einer<br />

anderen Haltung angeordnet sind. Bei<br />

F171_TS3 – James Robertson,<br />

Feuereffekte von Andrew Jimenez<br />

Storyboard: Müllverbrennungsanlage<br />

Toy Story 3, 2010, Digitalzeichnung<br />

© Disney/Pixar STORY<br />

Ausstellungsansicht, Foto: David Ertl<br />

© Kunst- und Ausstellungshalle der<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

schneller Umdrehung und Stroboskoplicht<br />

entsteht somit für das menschliche Auge die<br />

Illusion, dass sich die Figuren bewegen.<br />

Öffnungszeiten<br />

Di und Mi: 10 bis 21 Uhr,<br />

Do bis So: 10 bis 19 Uhr<br />

Fr für Gruppen ab 9 Uhr geöffnet,<br />

Mo geschlossen<br />

www.bundeskunsthalle.de<br />

41


42<br />

Hermann Schulz<br />

Hermann Schulz, Schriftsteller, Weltreisender<br />

und Verleger, wurde 1938 als Sohn eines<br />

deutschen Missionars im tansanischen Nkalinzi<br />

geboren und wuchs im Wendland und<br />

am Niederrhein auf. Nach einer Buchhändlerlehre<br />

arbeitete er zunächst im Bergbau.<br />

Anschließend führten ihn Reisen in mehr als<br />

sechzig Länder Afrikas, Asiens, Lateinamerikas<br />

und des Vorderen Orients. Seit 1960 lebt<br />

Hermann Schulz in Wuppertal und war von<br />

1967 bis 2001 Leiter des Peter-Hammer-<br />

Verlags, den er durch politische Literatur,<br />

Belletristik aus Lateinamerika und Afrika<br />

sowie ausgesuchte Kinder- und Jugendliteratur<br />

profi lierte. Zu seinen Entdeckungen<br />

zählen Autoren wie Ernesto Cardenal und<br />

Illustratoren wie Wolf Erlbruch. Für seine<br />

verlegerische Arbeit wurde ihm u. a. 1998<br />

die Hermann-Kesten-Medaille des PEN-<br />

Zentrums Deutschland verliehen.<br />

Quelle: www.literaturfestival.com/teilnehmer/autoren/2006/hermann-schulz<br />

Foto: Fritz Kohmann<br />

Wieder gelesen<br />

Ein Afrika-Versteher, ein Fabulierer von<br />

Rang und als Autor ein Spätberufener.<br />

Hermann Schulz war 60, als sein erster<br />

Roman erschien – seit 1998 sind insgesamt<br />

26 größere und kleinere Buchtitel erschienen.<br />

Zehn Jahre zuvor hatte er sich bereits an<br />

einem größeren Prosawerk versucht, an dem<br />

er drei Jahre schrieb, um dann festzustellen,<br />

dass der hoffnungslos überladene Text,<br />

gewissermaßen Hermann Schulz hoch zwei,<br />

ungenießbar sei. Dieses Manuskript gilbt<br />

immer noch vor sich hin.<br />

Sein in diesem Frühjahr wieder neu aufgelegtes<br />

Debüt, „Auf dem Strom“, stieß 1998 auf<br />

eine ausgesprochene positive Resonanz. Den<br />

Roman feierte die Wochenzeitschrift „Die<br />

Zeit“ als „erzählerische Kostbarkeit“. „Selten<br />

fi ndet man in der Jugendliteratur aus der<br />

Feder europäischer Autoren so genau ausgewogene<br />

Porträts von Schwarzafrikanern“,<br />

befand auch die „Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung“.<br />

Schulz, einem Vermittler zwischen den<br />

Kulturen Europas, Lateinamerikas und Afrikas,<br />

gelingt es, über Schwarze zu schreiben,<br />

ohne Kitsch zu produzieren, auf onkelhafte<br />

Weise „Partei“ für sie zu ergreifen oder, wie er<br />

etwa mit Blick auf Tanja Blixen sagt, „europäische<br />

Konfl ikte auf die afrikanische Bühne zu<br />

projizieren“. „Wir suchen dort keine Kultur,<br />

sondern schöne Strände und wilde Tiere“,<br />

weiß er aus langjähriger Beschäftigung mit<br />

literarischen Versuchen, sich dem schwarzen<br />

Kontinent zu nähern.<br />

In dem Roman, für den er im Jahr 2005<br />

den Prix des Lecteurs erhielt, schildert er<br />

die dramatische Floßfahrt eines deutschen<br />

Missionars und seiner schwer erkrankten<br />

Tochter Gertrud hin zu einem „europäischen<br />

Krankenhaus“, das, als die beiden dort<br />

eintreffen, gerade geschlossen wird. Doch der<br />

Gottesmann Friedrich Ganse wie das Kind<br />

sind realen Personen nachempfunden … und<br />

lernen wie Menschen im nichtfi ktionalen Leben.<br />

Vater und Tochter erleben auf ihrer dramatischen<br />

Fahrt viel Solidarität ihnen völlig<br />

unbekannter Menschen, und wenn Gertrud<br />

überlebt, verdankt sie das auch einem Heiler.<br />

Einem Scharlatan? „Sie waren mächtig,<br />

diese Zauberer, und Feinde der Missionare.<br />

So wie die Missionare Feinde der Zauberer<br />

waren“, heißt es in dem Buch, bei dessen<br />

Lektüre man vielfach lachen darf, etwa über<br />

die acht Kinder von Herrn Goldschmitt, die


im Herzen von Afrika in fehlerlosem Deutsch<br />

gemeinsam plärren: „Wir sind die Hoffnung<br />

Afrikas. Wir fürchten nur Papa und<br />

Mama und sonst nichts auf der Welt.“ Auch<br />

Goldschmitt ist einem Menschen nachempfunden,<br />

der tatsächlich gelebt hat.<br />

Die Feder, auch Tastatur geheißen,<br />

sträubt sich, Schulz‘ Prosa Jugendliteratur<br />

zu nennen, weil sie für Kinder und für<br />

Erwachsene verfasst ist, die mindestens so<br />

viel Gewinn beim Lesen verspüren wie ihre<br />

Nachkommen. Etwa beim Roman „Sonnennebel“,<br />

im Jahr 2000 erschienen und<br />

mit einem wunderschönen Schutzumschlag<br />

von Wolf Erlbruch versehen, den Schulz aus<br />

seiner langjährigen verlegerischen Arbeit beim<br />

Peter-Hammer-Verlag kennt. Ein fünfzehnjähriger<br />

Waise eckt ständig mit seiner<br />

Umgebung an, lässt so schnell niemanden<br />

an sich heran, frönt seiner Leidenschaft für<br />

Brieftauben (ein Hobby, über das man nicht<br />

nur im angehängten Glossar eine Menge<br />

erfährt) und erlebt auf eine anrührende Weise<br />

seine erste Liebe. Die Geschichte spielt am<br />

Niederrhein in den 1950er-Jahren. Das Buch<br />

hat Schulz dem Andenken an den Polizisten<br />

Johannes Dicksken, der auch im Roman so<br />

benannt ist, gewidmet, der in brauner Zeit<br />

Antifaschisten warnte, die mit einer unmittelbar<br />

bevorstehenden Durchsuchung durch die<br />

Gestapo rechnen mussten. Als schicksalhaft<br />

erweisen sich für Freddy Halstenbach jedenfalls<br />

ein „blöder Lehrer mit seiner mageren<br />

Tochter“. Mehr sei an dieser Stelle nicht<br />

verraten.<br />

Vor dem Freundeskreis des Instituts für<br />

Jugendbuchforschung der Goethe-Universität<br />

Frankfurt am Main hat der Weltenbummler<br />

Schulz, übrigens lange Jahre mit der Wuppertaler<br />

Bürgermeisterin gleichen Namens<br />

verheiratet, in einem längeren Vortrag sein<br />

Leben Revue passieren lassen. Die Rede ist als<br />

Broschüre erschienen und kann beim Freundeskreis<br />

gegen eine kleine Gebühr bezogen<br />

werden. Dort beschreibt er auch sein erstes<br />

Zusammentreffen mit Johannes Rau, der seinerzeit<br />

den auf die Herausgabe von Traktätchen<br />

und „Erbauungsliteratur“ spezialisierten<br />

Verlag leitete. Das erste Zusammentreffen<br />

erwies sich als leicht spannungsgeladen. Der<br />

sich schnell anbahnenden Freundschaft hat es<br />

keinen Abbruch getan.<br />

Unsere Kulturförderung<br />

ist gut für die Sinne.<br />

Schulz wohnt in dem Haus, das ehedem<br />

Ruth und Willi Dirx gehörte, mit dessen<br />

Sohn Axel, dem langjährigen IG-Metall-<br />

Bevollmächtigten und späteren Wuppertaler<br />

Landtagsabgeordneten, er noch immer<br />

verbunden ist. Zu seinen Lieblingsautoren<br />

zählen Heinrich Böll und Günter Grass, die<br />

er persönlich kennengelernt hat, Henry Miller,<br />

Ernesto Cardenal sowie viele Autorinnen<br />

und Autoren, die er selbst verlegt hat. Täglich<br />

ackert er im eigenen Garten, pfl anzend<br />

und erntend. Unterwegs ist der Träger des<br />

Von-der-Heydt-Kulturpreises oftmals an<br />

Schulen. Selbst Vater und mittlerweile Opa,<br />

stellt er immer wieder fest: Jungen kommen<br />

im Leben wie in der Literatur zu kurz. Einer<br />

der Gründe: Die Masse der Grundschullehrer<br />

wie der Kinder- und Jugendbuchverfasser ist<br />

weiblich. Dem umtriebigen Hatzfelder Autor<br />

gehen Aufgaben und Themenstellungen<br />

nicht aus.<br />

Matthias Dohmen<br />

Sparkassen-Finanzgruppe<br />

Kunst und Kultur prägen die gesellschaftliche Entwicklung. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer<br />

Deutschlands. Auch die Stadtsparkasse Wuppertal ist ein wichtiger Partner für Kunst und Kultur in unserer Stadt. Das ist gut für<br />

die Kultur und gut für Wuppertal. www.sparkasse-wuppertal.de<br />

Sparkasse. Gut für Wuppertal.<br />

S<br />

43


44<br />

oder<br />

Reformhaus-Margerita<br />

und Schonkaffee<br />

Sechs Tanzstunden in sechs Wochen<br />

Von Richard Alfi eri<br />

Eine intelligente Komödie,<br />

die eigentlich keine ist<br />

Inszenierung:<br />

Sabine Misiorny & Tom Müller<br />

Choreografi e: Dana Großmann<br />

Bühne und Kostüme: Thomas Pfau<br />

Besetzung:<br />

Beate Rüter als Lily Harrison<br />

Michael Baute als Michael Minetti<br />

That’s amore<br />

Eine Komödie?<br />

Vordergründig spielt sich auf der kleinen<br />

Bühne des TiC-Podiums eine charmante<br />

kleine Komödie um die Geschichte<br />

einer ungewöhnlichen Freundschaft ab.<br />

Lily Harrison (Beate Rüter), eine ältere<br />

Dame, die in einer luxuriösen Senioren-<br />

Residenz irgendwo an der Küste des<br />

sonnigen Florida ihren Lebensabend<br />

verbringt, mietet bei einer Agentur einen<br />

Tanzlehrer für „sechs Tanzstunden in<br />

sechs Wochen“ – um ein paar Tanzschritte<br />

zu lernen, wie sie sagt. Es erscheint der<br />

ebenfalls schon ein wenig in die Jahre<br />

gekommene, spitzzüngige ehemalige<br />

Broadway-Tänzer Michael Minetti (Michael<br />

Baute). Beide tragen ihre verborgenen<br />

Geheimnisse, Ängste und Lebenslügen<br />

mit sich herum, doch sie entdecken<br />

schnell die Achillesferse des anderen. Lily<br />

verdrängt den Tod ihrer Tochter, die bei<br />

einer illegalen Abtreibung ums Leben<br />

kam und versucht die Schatten ihres<br />

verstorbenen Mannes, eines bigotten<br />

Baptistenpredigers, zu verscheuchen. Sie<br />

ist in selbstgewählter Isolation einsam.<br />

Michael, ein mäßig erfolgreicher ehemaliger<br />

Profi tänzer, homosexuell und im<br />

pietistischen „Bible Belt“ des Südostens<br />

der USA wahrlich nicht gut aufgehoben,<br />

hat nach bösen Enttäuschungen und<br />

dem Krebstod seines über alles geliebten<br />

Freundes den Glauben an die wahre<br />

Liebe aufgegeben und ist einsam durch<br />

Hoffnungslosigkeit.<br />

Einsame Menschen<br />

Also: beileibe keine Komödie im simplen<br />

Sinn, wenn auch das sehr sensibel angelegte<br />

Stück spritzig, pointiert, ja höchst<br />

unterhaltsam ist und sowohl an intelligentem<br />

Witz wie an herzlichen Lachern<br />

kein Mangel herrscht. Das geht sogar,<br />

selbst wenn die Dialoge und Wortgefechte<br />

der beiden Protagonisten dunkle seelische<br />

Kammern öffnen, Krankheit, Tod<br />

und Verzweifl ung aufscheinen lassen. Von<br />

den Bühnenprofi s Sabine Misiorny und<br />

Tom Müller feinfühlig inszeniert, entwickelt<br />

sich die ergreifende Geschichte<br />

zweier sehr einsamer, verletzlicher Menschen,<br />

die aneinander wachsen. Stefan


Hüfner hat den Pointenreichtum von<br />

Richard Alfi eris anrührendem Drama so<br />

brillant wie sympathisch ins Deutsche<br />

übertragen. Da paßt jedes Wort, sitzt jede<br />

Wendung. Mit Michael Baute und Beate<br />

Rüter hat das Regie-Team zudem eine<br />

Besetzung gefunden, die Alfi eris liebevolle<br />

Späße mit dem Alter, der Einsamkeit,<br />

dem Aufeinandertreffen von Realismus<br />

und Lebensfreude bewegend umsetzt.<br />

Natürlich merkt Michael schnell, dass<br />

Lily durchaus tanzen kann: „Eigentlich<br />

brauchen sie gar keinen Lehrer.“ –<br />

worauf Lily bekennt: „Nein, aber einen<br />

Partner.“ Das wechselseitige Zugeben der<br />

eigenen Schwächen macht beide stärker,<br />

sicherer.<br />

Esprit und Lebensfreude<br />

Beate Rüters Lily ist durch und durch<br />

glaubhaft, man nimmt der Schauspielerin<br />

das Alter und die Gebrechen ihrer Figur<br />

ab, ist tief berührt. Mit elegant gebremstem<br />

Tempo läßt sie an der trotz einer Krebserkrankung<br />

wiederkehrenden Lebensfreude<br />

Lilys teilnehmen. Michael Baute überzeugt<br />

mit leisem Understatement in seiner<br />

unaufdringlich gegebenen Rolle des einsam<br />

und älter gewordenen Homosexuellen,<br />

dessen Esprit durch die Aufgabe mit Lily<br />

zu tanzen neuen Aufschwung bekommt<br />

und dessen inniger Liebeswunsch sich<br />

schließlich zu erfüllen beginnt. Es sind die<br />

leisen Töne, mit denen die beiden Darsteller<br />

den Abend so besonders machen. Dana<br />

Großmanns Choreographie verleiht der<br />

tänzerischen Komponente – denn darum<br />

geht es ja im Stück vordergründig – mit beachtlichem<br />

Erfolg Gewicht: beide Darsteller<br />

zeigen zu Recht gefeierte Tanzeinlagen.<br />

Den Bühnenumbau zwischen den Szenen<br />

haben Müller/Misiorny mit viel Musik von<br />

Dean Martin und einer stumm agierenden,<br />

jedoch witzigen Putzfrau gestaltet – eine<br />

hübsche Idee.<br />

Brillante Produktion<br />

Nebenbei: man könnte dank der intelligenten<br />

Dialoge, der eingängigen Stimmen<br />

- vor allem Michael Bautes Sprache ist unbedingt<br />

rundfunktauglich - und der ausgewählten<br />

Musikeinspielungen das Stück in<br />

dieser Inszenierung ohne Verlust auch als<br />

Hörspiel genießen. Allen Beteiligten ein<br />

anerkennendes „Chapeau!“ Wieder eine<br />

bemerkenswerte Produktion des TiC-Theaters<br />

in Wuppertal. Eine uneingeschränkte<br />

Empfehlung der Musenblätter. Man sollte<br />

mal wieder Tanzunterricht nehmen.<br />

Weitere Informationen: www.tic-theater.de<br />

Frank Becker<br />

Fotos: Martin Mazur<br />

45


Traum<br />

Ich habe mir gewünscht,<br />

dass Augen fortwährend strahlen,<br />

Menschen sich ohne Argwohn in die Arme nehmen,<br />

ehrliche, notwendige Diskussionen sich friedvoll lösen,<br />

und wir uns immer verhalten, um den Anderen nicht zu verletzen.<br />

schweben durch jede Wolke,<br />

bis zum Horizont,<br />

unter einem Himmel,<br />

vielleicht,<br />

vielleicht wie Donnervögel?<br />

Ich habe mir gewünscht,<br />

dass wir uns immer die Wahrheit sagen,<br />

ohne weh zu tun,<br />

nur küssen, wenn wir es auch so meinen,<br />

nichts schmälern,<br />

und den Andern mehr lieben als uns selbst.<br />

schweben durch jede Wolke,<br />

bis zum Horizont,<br />

unter einem Himmel,<br />

vielleicht,<br />

vielleicht wie Donnervögel?<br />

Ich habe mir gewünscht,<br />

dass Menschen bleiben, selbst wenn sie gehen,<br />

Unausgesprochenes liebevoll zur Sprache wird,<br />

Menschen gegenseitig in Gemeinschaft wachsen,<br />

und das Sinnstiften jeden Tag aufs Neue lernen.<br />

In Träumen habe ich es tausendfach gesehen.<br />

und dann muss ich aufwachen.<br />

Vielleicht ist Alles was wir heute wirklich brauchen nur ein wenig mehr:<br />

Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit.<br />

Roman Libbertz<br />

47


48<br />

Elisabeth Heinemann<br />

geboren in Zittau als Tochter von Pia-<br />

Monika Nittke und Willy Jähnig, aufgewachsen<br />

in Meißen und Magdeburg, Schulzeit in Magdeburg<br />

(Abitur), Pädagogik-Studium in Erfurt<br />

(Kunst und Russisch), verheiratet, zwei Kinder<br />

seit 1993 Beschäftigung mit Fotografi e<br />

seit 1996 freiberufl iche Tätigkeit als Fotografi<br />

n<br />

zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen<br />

sowie Preise bei Fotowettbewerben<br />

Arbeit am Ausstellungsprojekt „außer<br />

gewöhnlich (Künstlerportraits)<br />

gemeinsames Ausstellungsprojekt<br />

„Die Feinheit des Sehens” mit dem Maler<br />

und Grafi ker Willy Jähnig<br />

Veröffentlichungen (Auswahl)<br />

1999<br />

fotografi sche Gestaltung des Gedichtbandes<br />

„Poetic Allegories”, Pennsylvania, USA<br />

mit Prof. Claude R. Foster, Lyrik, und Pia-<br />

Monika Nittke, Nachdichtung und<br />

Vertonung<br />

2002<br />

Kalender „Von Frauen und Katzen” mit Gedichten<br />

von Torsten Olle<br />

2003<br />

Lyrik-Foto-Band „schon morgen ist alles anders”-<br />

mit Dorothea Iser<br />

2003<br />

Fotografi en für den Gedichtband „Trügerische<br />

Ruhe” von Pia-Monika Nittke<br />

2004<br />

Fotografi en für die Anthologie „Herz über Kopf”<br />

2005<br />

„Alte Liebe” - mit Dorothea Iser und<br />

Marcus Waselewski<br />

2005<br />

„Lebenswege Magdeburger Frauen in Porträts<br />

und Texten”<br />

2006 und 2009<br />

Fotografi en für die Gedichtbände „Zwölf<br />

Monde” und „Zwischentöne” von Pia-Monika<br />

Nittke<br />

2010<br />

Fotografi en für das Buchprojekt<br />

„Die Facetten des Alter(n)s” von Prof. Gerd K.<br />

Schneider<br />

www.elisabeth-heinemann.de<br />

Roman Libbertz<br />

wuchs, als Sohn des Rechtsanwaltes Lutz<br />

Libbertz und dem Model Uschi Mood, in<br />

München-Obermenzing auf und absolvierte<br />

1997 das Abitur am Louise Schröder Gymnasium<br />

in Untermenzing.<br />

Nach seiner Schulzeit arbeitete er zwei<br />

Jahre als Model für Tommy Hilfi ger, Bogner,<br />

Romeo Gigli, wie andere namhafte Firmen.<br />

Im Alter von zwanzig Jahren begann er ein<br />

Jurastudium an der Ludwig- Maximilians-<br />

Universität und fi nanzierte sich die Studienzeit<br />

als Veranstaltungschef der Diskothek „P1“.<br />

2000 gründete er die Eventagentur<br />

„R&M“, veranstaltete über fünf Jahre die<br />

überregional bekannte monatliche Eventreihe<br />

„Luna Lounge“ und organisierte für „Smirnoff“,<br />

„Sony“ und „Benson ´n Hedges“ und<br />

weitere Industrieunternehmen, diverse Europatourneen.<br />

Nach etwa sechs Jahren hatte er jedoch<br />

genug von alledem, brach sein Jurastudium<br />

ab, schloss seine Agentur und widmete sich<br />

nunmehr alleinig seinen Leidenschaften.<br />

Unter „Anrufe ohne Meldung“ betreibt<br />

er ein beliebtes Weblog im Internet, dessen<br />

Bekanntheitsgrad sich mit zwei deutschlandweiten<br />

Lesereisen ausdrückte.<br />

Im Jahre 2006 konzipierte er den Nachtclub<br />

„Privee“ zuerst als Bar in der Hohenzollernstrasse<br />

und später als gleichnamigen Club<br />

in der Maximilianstrasse.<br />

Unter dem Namen „Fotographie und<br />

Abstraktion“ stellte er im Herbst 2007 zum<br />

ersten Mal seine leinwandlichen Abstraktionen<br />

in der „Galerie Holzstraße“ aus. Seitdem stellt<br />

er jährlich seine Werke zur Schau.<br />

Mit „Triebjagd oder 31 gute Nachtgeschichten“<br />

legte er im Dezember 2007 erfolgreich<br />

sein erstes Kurzgeschichtenbuch vor und wird<br />

seitdem von Literaturagentin Lianne Kolf<br />

vertreten.<br />

Seit 20. Januar 2008 war er wöchentlich<br />

in der Literatur-Talk-Fernsehsendung „Blogshow<br />

- Nilz und Roman erklären die Welt“<br />

(mit Nilz Bokelberg) auf „Sky“ zu sehen.<br />

Mit dem im Juli 2009 erschienen Gedichtband<br />

„Mit Liebe“, der im Grunde nur für die<br />

Mitglieder seiner Facebook-Gruppe „Mehr<br />

Liebe ist der Schlüssel“ gedacht war, erhielt er<br />

auch im lyrischen Bereich größere Anerkennung.<br />

2010 folgte unter dem Titel „Mit mehr<br />

Liebe“ sein zweiter Gedichtband und im November<br />

2012 wird sein Liebeszyklus mit dem<br />

bei Dotbooks erscheinenden Buch „63 x Liebe“<br />

abgeschlossen.<br />

Das Musikstück „Donnervoegel“, in<br />

Zusammenarbeit mit DJ Daniel Falkenberg,<br />

mit einem von ihm geschriebenen, als auch gesprochenen<br />

Text erscheint Anfang August 2012.<br />

Er schreibt Kurzgeschichten, Literaturkritiken<br />

und Kolumnen für diverse Magazine.<br />

Sein erster Roman erscheint in Kürze.<br />

Seine Bilder werden vom 7. 12. 2012 bis<br />

zum 1. 2. 2013 unter dem Titel „Spontan“ in<br />

der Galerie Hegemann in München zu sehen<br />

sein.<br />

www.romanlibbertz.com<br />

Vorherige Seiten:<br />

Lichteinfall<br />

S/W-Fotografi e von Elisabeth Heinemann<br />

Stettin, 2004<br />

Traum<br />

Gedicht von Roman Libbertz, August 2012


Einmal Wupper rauf und runter mit Matthias<br />

Schriefl , - ein Konzert mit Alphorn<br />

und Trompete - und danach ein Treffen<br />

im schönen alten DB-Bahnhof Vohwinkel<br />

bei Speis und Trank und kurzen Filmen<br />

über Galerie Parnass und Fluxus. Das<br />

ganze M.A.C. ist auch eine Hommage an<br />

Wuppertal, diese liebenswürdig verschrobene<br />

Stadt, in der ich mein Studium<br />

begann. Die Stadt von Friedrich Engels,<br />

Else Lasker-Schüler, Pina Bausch, um nur<br />

einige der Bekanntesten zu nennen.<br />

Und das Epizentrum des Jazz! Musiker<br />

um Peter Brötzmann und Peter Kowald<br />

werden zur ersten Generation des europäischen<br />

Free Jazz gezählt und spielten in<br />

ganz Europa. In ganz Europa tourt und<br />

spielt auch Matthias Schriefl , der übrigens<br />

mit 13 Jahren an einem Workshop bei<br />

Peter Brötzmann im Allgäu teilnahm, der<br />

für ihn sehr prägend war.<br />

„Umtriebig und mit der Energie eines<br />

Kraftwerks bewegt sich Matthias Schriefl ,<br />

1981 in Kempten / Allgäu geboren, in der<br />

europäischen Jazzszene und außerhalb”,<br />

schreibt die „Jazzzeitung“, also genau der<br />

Richtige für dieses spannende Kunstprojekt!<br />

Matthias Schriefl wird improvisieren, auf<br />

Fluss, Bahn und Menschen reagieren.<br />

Dorothea Bohde<br />

Fotos: links Dorothea Bohde,<br />

rechts Matthias Schriefl<br />

Eine Hommage<br />

Er passte zum Ereignis, der Universalsymphoniker<br />

Matthias Schriefl , der im<br />

grellbunten Aufzug und mit wilden Verrenkungen<br />

durch den Schwebebahnzug<br />

rannte, verschiedene Musikinstrumente<br />

bedienend und Texte vortragend, die 50<br />

Jahre Fluxus, die Galerie Parnass und die<br />

Stadt an der Wupper zum Thema hatten.<br />

Hauptsächlich sah man ihn am Alphorn<br />

und an seiner Trompete. Mit 11 war er<br />

Bundessieger bei „Jugend musiziert“, vier<br />

Jahre später das jüngste Mitglied des Landesjugendjazzorchesters<br />

Bayern. Seitdem<br />

tourt er mit seiner Band „Shreefpunk“<br />

durch Europa, Lateinamerika, Australien<br />

und Afrika. Neben anderem.<br />

Organisiert war der Event am Antikriegstag,<br />

dem 1. September, von der Künstlerin,<br />

Galeristin und Kunstwissenschaftlerin<br />

Dorothea Bohde im Rahmen ihres Projekts<br />

Mobiles Art-Café (MAC). Tatkräftige<br />

Unterstützung fand sie in dem ehemaligen<br />

Kunsthändler und umtriebigen<br />

Katernberger Klaus Stiebeling, der vielen<br />

als Oberhaupt der kleinen, aber feinen<br />

Wuppertaler Japan-Community bekannt<br />

ist. Er war gleich Feuer und Flamme, als<br />

er von Bohdes Plan erfuhr und stellte Verbindungen<br />

her zu Prof. Dipl.-Ing. Will<br />

Baltzer, dem ehemaligen Vorsitzenden des<br />

Kunst- und Museumsvereins, der 1980<br />

die Ausstellung „Treffpunkt Parnass“ im<br />

Von-der-Heydt-Museum organisierte,<br />

und – Ehrengast am 1. September – zu<br />

dem Maler, Grafi ker und Fluxus-Begleiter<br />

Jordan Boehm.<br />

Im Bürgerbahnhof Vohwinkel, Ausgangs-<br />

und Endpunkt der Kunstaktion, gab es<br />

den animierten Kunstfi lm „psst-pp-piano“<br />

zu sehen (www.psst-pp-piano.com),<br />

eine Hommage an Mary Bauermeister,<br />

ebenfalls eine Große aus der Fluxusbewegung.<br />

Doch zurück ins Jahr 1963 und zur ersten<br />

Einzelausstellung des US-Koreaners<br />

Nam June Paik, die laut „Frankfurter<br />

Allgemeine“ vom 23. Dezember 2005<br />

„eine der Schlüsselausstellungen des 20.<br />

Jahrhunderts“ war. Der Stockhausen-<br />

Schüler stellte in der Galerie Parnass aus.<br />

Und es war nichts für zarte Gemüter. Der<br />

Berichterstatter der NRZ begann seinen<br />

Bericht so: „Vor der Eingangstür erwartet<br />

den Besucher ein abgehackter Ochsenkopf,<br />

bluttriefend, frisch geliefert vom<br />

Schlachthof und etwas verregnet bei dem<br />

schlechten Wetter. Später, am Ausgang,<br />

begegnet man dem Kopf wieder. Man<br />

begrüßt ihn, nach allem, was man in der<br />

Zwischenzeit erlebt hat, wie einen alten<br />

Bekannten.“<br />

Anneliese Jährling, Frau des legendären<br />

Parnass-Galeristen, erinnerte sich später<br />

an turbulente Ereignisse. So hatte der<br />

Metzger versehentlich an die falsche<br />

Adresse geliefert, das Nachbarhaus des<br />

Oberbürgermeisters Frowein, und dort<br />

einen Aufschrei ausgelöst. Kurz nach der<br />

Ausstellungseröffnung alarmierten die<br />

Nachbarn die Polizei, einen Verstoß gegen<br />

das „Kadavergesetz“ befürchtend.<br />

49


50<br />

Zwei Jahre später kam es – und daran<br />

erinnerte das Mobile Art-Café – zu dem<br />

legendären 24-Stunden-Happening,<br />

an dem sich auch Joseph Beuys, Bazon<br />

Brock, Charlotte Moorman, der erwähnte<br />

Nam June Paik, Eckart Rahn, Tomas<br />

Schmit und Wolf Vostell beteiligten.<br />

Wuppertal hatte einen ausstrahlenden<br />

Namen in der Kunstszene – vor allem<br />

Parnass galt als eine der ersten und bedeutendsten<br />

Nachkriegsgalerien im Rheinland,<br />

die für internationale avantgardistische<br />

Kunst, Literatur und Musik stand.<br />

1995 hat sich Stella Baum im „TOP-<br />

Magazin“ dieses „wohl berühmtesten<br />

europäischen Happenings“ erinnert.<br />

Das Feuilleton „Das Tor zur Welt – Die<br />

Fluxus-Bewegung in der Rückschau“<br />

kann man in dem 2011 in ihrem im<br />

Nordpark-Verlag erschienenen Buch<br />

„Kunst ist unwiderstehlich“ nachlesen.<br />

Jährlings Kunstort war für die bildungshungrige<br />

Nachkriegsgeneration, die lange<br />

genug von „entarteter Kunst“ ferngehalten<br />

worden war, wie Baum schreibt, „das<br />

Tor zur Welt für uns“: „Man kann sich<br />

heute unseren Hunger nach internationaler<br />

Kunst gar nicht mehr vorstellen.“<br />

1980 schließlich fand die Retrospektive<br />

im Von-der-Heydt-Museum statt.<br />

Mit dem Ablauf der Kunstaktion in der<br />

Schwebebahn, die von den Wuppertaler<br />

Stadtwerken gesponsert wurde, ist die<br />

Veranstalterin Dorothea Bohde sehr<br />

zufrieden: „Ein ungewöhnliches Erlebnis,<br />

diese Kombination aus einzigartigem<br />

Verkehrsmittel, schwebend über Fluss<br />

und Autobahn, vorbei an Fabriken und<br />

Opernhaus, dazu ein Konzert dieses<br />

exzellenten Musikers, der mit Alphorn,<br />

Trompete und Quietscheente alle Register<br />

zog und adäquat zur vorbeiziehenden<br />

Landschaft mal wohltönend, mal schrill,<br />

auf jeden Fall kreativ und spannend<br />

spielte.“<br />

Was ihr noch auffi el: Die Kölner, die<br />

einen Großteil der Besucher stellten, seien<br />

erstaunt gewesen über die vielen Wuppertaler.<br />

Die Domstädter meinten, die Wuppertaler<br />

würden „die Schwebebahn doch<br />

kennen“. (Allerdings nicht als Tatort eines<br />

Mobilen Art-Cafés.) Und Wuppertaler<br />

hätten den Kopf geschüttelt, nachdem sie<br />

in Oberbarmen beim Wechsel der Fahrtrichtung<br />

der Schwebebahn nicht hatten<br />

aussteigen müssen: „Mein Gott, wir sind<br />

durch die Wendeschleife gefahren.“<br />

Für die Kölner war das natürlich<br />

keine Sensation.<br />

Dorothea Bohde sitzt längst an neuen<br />

Plänen. Gerade hat sie, den Erfolg von<br />

Wuppertal im Rücken, ihre Bewerbung<br />

für eine Teilnahme an der Biennale in<br />

Venedig formuliert. Informationen über<br />

die 1946 in Hagen geborene Künstlerin<br />

fi ndet man auf der Webseite www.<br />

dorothea-bohde.de. Von Wuppertal nach<br />

Venedig: das wäre doch ein Weg.<br />

Matthias Dohmen<br />

Weitere Inofs:<br />

http://mobilesartcafe.wordpress.com


40 Jahre für die Lebenshilfe<br />

Ein Leben für die Lebenshilfe Wuppertal ist<br />

Dr. Renate Massmanns Beitrag für Menschen<br />

mit geistiger Behinderung in der Stadt<br />

an der Wupper. Ihre überaus positive Bilanz<br />

verdanke sie „der Kraft aus dem Elternhaus,<br />

der Ehe und der Familie“,so die immer noch<br />

vielseitig engagierte Ärztin.<br />

(Foto: Helmut J. Massmann)<br />

Renate Massmann<br />

„Mein Leben ist die Lebenshilfe“, sagt<br />

Massmann, „und das meine ich ganz<br />

allgemein und natürlich vor allem für die<br />

`Lebenshilfe´ in Wuppertal“, die 1961<br />

erst die zehnte Ortsstelle in der Bundesrepublik<br />

war – heute gibt es 523. Für die<br />

Allgemeinheit verantwortlich fühlte sich<br />

Massmann auch als Mutter. Zur Zeit der<br />

Geburt ihrer beiden Töchter spendete<br />

sie insgesamt 110 Liter abgepumpter<br />

Muttermilch, die besonders für Frühgeburten<br />

anderer Mütter von lebenswichtiger<br />

Bedeutung ist, an die Kinderklinik<br />

Wuppertal.<br />

Die eigenverantwortliche Arbeit bei<br />

der Lebenshilfe Wuppertal begann Mitte<br />

der 1960er Jahre. Massmann schuf eine<br />

Institution, die sich für Menschen mit<br />

Behinderung verantwortlich fühlt. Zu<br />

Beginn waren 25 Behinderte zu betreuen,<br />

2007, am Ende von Massmanns aktiver<br />

Tätigkeit, 420. Bei ihrer Arbeit hat sich die<br />

Ärztin Massmann bewusst auf das Medizinische<br />

beschränkt, weshalb sie immer<br />

wieder Anfragen, im Vorstand tätig zu sein,<br />

ablehnte. Sie wollte neutral und eigenverantwortlich<br />

arbeiten. Unter ihrer Leitung<br />

im medizinischen Fachbereich erarbeitete<br />

sie ein einheitliches Aufnahmeverfahren<br />

unter anderem für eine Krankenanamnese<br />

Behinderter, wobei sie komplett für den<br />

wichtigen medizinischen Bereich zuständig<br />

war. „Ich kann mich noch gut erinnern, als<br />

Teile der Ärzteschaft mich regelrecht angefeindet<br />

haben: ,Wie können Sie sich für so<br />

etwas einsetzen!‘ “, erinnert sich Massmann.<br />

Ab den 1970er Jahren initiierte sie die<br />

Frühförderung von Behinderungen und<br />

erreichte auch, dass geistig Behinderte sonderschulabschlussfähig<br />

wurden. Ab 1976<br />

gelang der rührigen Ärztin die Beteiligung<br />

der Kassen an den Krankenkosten – für Patienten<br />

der Lebenshilfe Wuppertal. Zuvor<br />

waren Behinderte lediglich über ihre Eltern<br />

krankenversichert. Heute ist sie, nachdem<br />

sie im März 2007 bei ihrer Verabschiedung<br />

von einen Laudator „als Wadenbeißerin<br />

für eine gute Sache“ bezeichnet wurde,<br />

51


52<br />

Renate Massmann, 2007 bei der Verabschiedung,<br />

Ehrenmitglied der Lebenshilfe, Trägerin<br />

der Ehrenplakette und der Ehrennadel in<br />

Gold der Bundesvereinigung. Nachdem<br />

ihr zu Beginn ihrer Arbeit Vorbehalte<br />

entgegen gebracht wurden, kann sich<br />

Massmann heute sowohl auf die Eltern der<br />

Betroffenen als auch auf die Zusammenarbeit<br />

mit der Ärzteschaft verlassen. „Es war<br />

und ist für mich immer eine Verpfl ichtung,<br />

die Individualität der betreuten Personen<br />

zu respektieren und auf sie in vollem<br />

Umfang einzugehen. Das Vertrauen der<br />

Behinderten und deren Eltern ist bis heute<br />

das, was mich am meisten berührt“, sagt<br />

Massmann nicht ohne Stolz. Sie initiierte<br />

den Therapiebereich der Lebenshilfe und<br />

richtete künstlerisch arbeitende Gruppen<br />

ein, außerdem regelmäßige Sportstunden,<br />

einschließlich wöchentlich stattfi ndende<br />

Kurse in Fußball und Schwimmen für ihre<br />

Schützlinge. Anfänglich wurden diese von


Renate Massmann, 2007 mit dem<br />

Wuppertaler Oberbürgermeister Peter Jung<br />

den Krankenkassen minimal bezuschusst,<br />

im Zuge der Mittelverknappung erfolgte<br />

aber schließlich die endgültigen Streichung.<br />

Seit einer Benefi z- Boxveranstaltung<br />

der Lebenshilfe auf dem Barmer Rathausvorplatz<br />

fungierte Massmann zwei Jahre<br />

lang als Ringärztin für die „starken“ Männer,<br />

ein wichtiger persönlicher Beitrag<br />

für die Außenwirkung der Lebenshilfe.<br />

Darüber hinaus vertrat sie die Lebenshilfe<br />

auf nationalen Workshops und hält<br />

nach wie vor Verbindung zur Lebenshilfe<br />

Österreich. Zum 50. Jahrestag der<br />

Menschenrechte startete Massmann von<br />

der Lebenshilfe Wuppertal als Delegierte<br />

der Soroptimisten eine Aktion mit 250<br />

blaugelben Luftballons aus Solidarität<br />

für benachteiligte Frauen und behinderte<br />

Menschen.<br />

Während eines Kamingesprächs mit Jochen<br />

Zoerner-Erb von der Friedrich Spee-<br />

Akademie am 8. November, 16 Uhr, in der<br />

Mundus Seniorenresidenz werden auch<br />

solche spektakulären Details ihrer „Öffentlichkeitsarbeit“<br />

zur Sprache kommen.<br />

Mehrfach im Laufe ihres berufl ichen<br />

Lebens erhielt Dr. Renate Massmann<br />

verschiedenste öffentliche Weihen für ihre<br />

Arbeit: 1993 das Bundesverdienstkreuz<br />

für ihre Pionierarbeit bei der Lebenshilfe<br />

durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker<br />

und 1999 das Bundesverdienstkreuz<br />

Erster Klasse für die Förderung von Künstlerinnen<br />

durch Bundespräsident Roman<br />

Herzog.<br />

Renate Massmann, 1999 mit dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog<br />

Renate Massmann, 2000 mit Herzogs Nachfolger Johannes Rau<br />

Neben ihrer ärztlichen Tätigkeit in der<br />

Lebenshilfe hat sich Renate Massmann<br />

auch für die Kunst engagiert. So hat<br />

sie 1976 die Zweigstelle der bergischen<br />

Musikschule mit begründet. Darüber<br />

hinaus war ihr die Förderung der weiblichen<br />

Kunst und der Künstlerinnen ein<br />

großes Bedürfnis. Massmann war sechs<br />

Jahre lang Leiterin der GEDOK Wuppertal<br />

und 13 Jahre lang Präsidentin der<br />

GEDOK Deutschland und Österreich.<br />

Die GEDOK ist die 1926 gegründete Gemeinschaft<br />

deutscher und österreichischer<br />

Künstlerinnenvereine aller Kunst-gattungen.<br />

Seit 2001 ist Massmann Ehrenmitglied<br />

im Ehrenkomitee DONNE IN MUSICA/<br />

Italien und UNESCO-Preisträgerin.<br />

Verheiratet ist die engagierte Medizinerin<br />

mit dem Internisten und Röntgenologen<br />

Dr. Helmut Massmann. Die Eheleute<br />

haben zwei erwachsene Töchter. Sie<br />

unterstützen ihre Mutter in ihrem Kampf<br />

für den Abbau von immer noch bestehenden<br />

Vorurteilen gegenüber Menschen mit<br />

Behinderungen sowie bei der Förderung<br />

von deren Akzeptanz und Integration.<br />

Joachim Krug<br />

Bilder: Kollektion Massmann<br />

Freigabe der Bildrechte besteht.<br />

53


54<br />

Annäherungen an ein Porträt von<br />

Michael Kozinowski<br />

Für unsere Zeitschrift hat M. K. ein paar<br />

Bücher aufgelistet, die ihn in seinem<br />

bisherigen Leser-Leben am nachhaltigsten<br />

beeindruckt haben:<br />

Michail Bulgakow,<br />

Der Meister und Margarita<br />

Das Buch habe ich während meiner<br />

Ausbildung zum Buchhändler gelesen. Die<br />

großen Themen „Gut und Böse“, „Gott<br />

und Teufel“, „Leben und Tod" haben mich<br />

fasziniert. Das Buch steckt voller absurder<br />

Ideen und ist ein Dokument über die Zustände<br />

im Moskau der 1930er-Jahre.<br />

Peter Ustinov,<br />

Der alte Mann und Mr. Smith<br />

Gott ist (anonym) in Amerika unterwegs,<br />

begleitet wird er dabei vom Teufel (Mr.<br />

Smith). Und Gott kommt aus dem Staunen<br />

über die Entwicklung seiner (!) Schöpfung<br />

nicht mehr heraus ... Liebevoll und<br />

humorvoll erzählt.<br />

Tschingis Aitmatow, Dshamilja<br />

Eine kleine, unscheinbare Liebesgeschichte:<br />

Dshamilija nimmt in dieser Erzählung ihr<br />

Schicksal selbst in die Hand und wählt,<br />

während ihr Mann im Krieg ist, mit Danijar<br />

einen neuen Lebensgefährten. Damit<br />

stellt sie sich gegen alle Traditionen ... Die<br />

Liebenden verlassen ihr Heimatdorf.<br />

Marlen Haushofer, Die Wand<br />

Eine Frau fährt mit Freunden in deren<br />

Jagdhaus in die Berge. Während ihre<br />

Begleitung zurück ins Dorf geht, bleibt<br />

sie zurück. Am nächsten Morgen ist sie<br />

abgeschnitten von der Welt. Sie stößt<br />

gegen eine (unsichtbare) Wand, hinter der<br />

offensichtlich alles in Totenstarre liegt. In<br />

dieser für sie neuen Welt versucht sie sich<br />

einzurichten.<br />

Elias Canetti, Die Blendung<br />

Bei diesem Buch erinnere ich mich nur<br />

noch an Bücherberge, Isolation, selbstgewählte<br />

Einsamkeit. Zwei Personen, die sich<br />

lieben, die sich hassen, sich benutzen?<br />

Leser, Sammler, Verkäufer<br />

Lesen, die Reklametrommel rühren, verkaufen,<br />

sammeln: Es gibt so schnell nichts, was<br />

Michael zu Büchern nicht einfällt. Mitten in<br />

seiner Buchhndlung an der Ecke Friedrich-<br />

Ebert-Straße/Laurentiusstraße steht sein<br />

Feldherrenhügel, schlichter formuliert:<br />

sein Schreibtisch. Der leidenschaftliche<br />

Buchhändler will nicht aus der Etappe seine<br />

Angestellten dirigieren, sondern selbst ohne<br />

Umweg Ansprechpartner für Angestellte und<br />

Kunden sein.<br />

Am Anfang war das Buch. Nach Volks- beziehungsweise<br />

Grundschule und Wilhelm-<br />

Dörpfeld-Gymnasium macht der am 30.<br />

Dezember 1956 im norddeutschen Einbeck<br />

geborene Michael Kozinowski eine Ausbildung<br />

zum Sortimentsbuchhändler. Es folgt<br />

der Zivildienst beim Diakonischen Werk in<br />

Barmen, in dem er anschließend zwei Jahre<br />

als Angestellter arbeitet. Doch dann geht<br />

es 1983 zurück in die mittlerweile 66 Jahre<br />

bestehende Buchhandlung v. Mackensen, die<br />

er am 1. Januar 1990 übernimmt.<br />

55 Jahre alt und seit 22 Jahren selbständig, da<br />

hat man etwas zu erzählen. Vor allem, wenn<br />

man neben der originären Arbeit eine Reihe<br />

von ehrenamtlichen Tätigkeiten ausfüllt.<br />

Wie diejenige des 2. Vorsitzenden der (bundesweiten)<br />

Arbeitsgemeinschaft verlagsunabhängiger<br />

juristischer Sortimenter. Die Hälfte<br />

seines Umsatzes machen Kozinowski und<br />

seine acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

von denen die Hälfte vollzeitbeschäftigt ist,<br />

mit Fachliteratur für Rechtsanwälte und<br />

Steuerberater. Beim Rheinischen Einzelhandels-<br />

und Dienstleistungsverband gehört<br />

er dem Ortsvorstand Bergische Region an<br />

– und erlebt gerade mit, was es heißt, wenn<br />

David und Goliath fusionieren. Als Schatzmeister<br />

war er im nordrhein-westfälischen<br />

Landesverband des Börsenvereins des Deutschen<br />

Buchhandels engagiert, der altehrwürdigen<br />

Institution in Frankfurt am Main. Die<br />

NRW-Filiale wurde allerdings dichtgemacht,<br />

auch wenn das Büro in Düsseldorf bestehen<br />

bleibt.<br />

Sein Wort hat Gewicht in der Interessengemeinschaft<br />

Friedrich-Ebert-Straße, deren<br />

Licht nicht nur in der Weihnachtszeit<br />

aufgeht und die sich um die Belange des<br />

Handels in der gleichnamigen Elberfelder<br />

Einkaufsmeile kümmert und der es<br />

weitgehend zu verdanken ist, dass sie bislang<br />

von Leerständen und der Häufung von Ein-<br />

Euro-Geschäften verschont blieb. Oder als<br />

2. Vorsitzender der Friedrich-Spee-Akademie<br />

Wuppertal, die vor allem Bildungsangebote<br />

„für Menschen in der zweiten Lebenshälfte“<br />

bereit hält. Auch die Ausbildung in seiner<br />

Branche ist ihm nicht egal. Kozinowski sitzt<br />

seit langen Jahren dem Prüfungsausschuss<br />

für Buchhändler der Industrie- und Handelskammer<br />

vor.<br />

Und – die Aufl istung sei hiermit beendet<br />

– er gehört dem Aufsichtsrat eines Wuppertaler<br />

Kulturproduzenten an, der ohne<br />

Zweifel auf dem Gebiet der Literatur der 3.<br />

Welt bundesweit ganz vorne mitschwimmt,


Michael Kozinowski<br />

dem in seinen Anfangsjahren von Johannes<br />

Rau geleiteten Peter-Hammer- (ehedem<br />

Jugenddienst-) Verlag.<br />

Michael Kozinowski kann „schlecht nein<br />

sagen“. Beim Deutschlandradio spricht er<br />

alle paar Monate Buchempfehlungen aus.<br />

Als Hobbys gibt der Vater zweier Söhne,<br />

von denen der eine, Ben (24), als Erzieher<br />

arbeitet, während der andere, Jonas (27),<br />

als Autor von drei gut verkauften Fußball-<br />

büchern hervorgetreten ist, die Musik an:<br />

Er spielt Saxophon, gehörte einige Jahre der<br />

Kantorei Unterbarmen an und kennt fast<br />

jedes Buch über Jazz und Orgelmusik. Er<br />

fährt gern Fahrrad und … Straßenbahn: Die<br />

Bergischen Museumsbahnen sind der einzige<br />

Verein, dem er quasi privat angehört.<br />

Bücher ohne Ende hat er nicht nur tagsüber<br />

am Laurentiusplatz, sondern auch zu Hause,<br />

wobei er vor allem auf seine Sammlung von<br />

Literatur über das Bergische Land im allgemeinen<br />

und Wuppertal im besonderen stolz<br />

ist. Zum Beispiel das weltbekannte Tanztheater.<br />

Es betrübt ihn, dass die Wuppertaler<br />

so wenig mit ihrem Pfund wuchern „und<br />

es womöglich hinnehmen, dass das Pina-<br />

Bausch-Archiv in Solingen entsteht oder<br />

gar auf die Insel Hombroich auswandert“.<br />

Also anderwärts zu Buche schlägt und nicht<br />

dort, wo es erklärtermaßen herkommt. Ein<br />

bisschen mehr Selbstbewusstsein und ein<br />

bisschen mehr Zugehen der Politik auf die<br />

Menschen: das wünscht er sich.<br />

Matthias Dohmen<br />

Unsere alljährliche Veranstaltung, Trösten & Erinnern,<br />

findet dieses Jahr in der Alten Kirche Wupperfeld,<br />

Bredde 69, statt. Am Mittwoch, dem 14. November,<br />

um 19:15 Uhr. Sie sind herzlichst eingeladen.<br />

Willkommen sind alle, die Ihrer Liebsten gedenken wollen, welche nicht mehr<br />

unter uns weilen. In starker Gemeinschaft möchten wir mit ausgesuchter Musik,<br />

Worten und künstlerischen Darbietungen, Zeit für Trost und Erinnerung möglich<br />

machen. Unser Fahrdienst-Service holt Sie ab und bringt Sie wieder nach Hause.<br />

Einfach vorher anmelden: 0202 - 663674. www.neusel-bestattungen.de<br />

55


56<br />

Interessantes zu den Themen<br />

Steuern und Recht<br />

Susanne Schäfer, Steuerberaterin<br />

Geschäftsführerin der Rinke Treuhand GmbH<br />

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/<br />

Steuerberatungsgesellschaft<br />

Paragraphenreiter<br />

Kann ich mit Kunst Steuern sparen?<br />

Eigentlich nicht. Aber ich kann mich gut<br />

unterhalten, wenn die Zahlenwelt der Finanzbehörden<br />

mit der nach vollkommen<br />

anderen Maßstäben zu beurteilenden<br />

Kunstwelt in Berührung kommt.<br />

Zum Beispiel wenn ich mich als Anwalt,<br />

Zahnarzt oder Unternehmer frage, welche<br />

steuerlichen Konsequenzen es hat, wenn<br />

ich meine Kanzlei, Praxis oder Geschäftsräume<br />

mit einem Kunstwerk repräsentativ<br />

gestalten will.<br />

Darf ich Rolf Behms „Blaue Stunde“<br />

(1986, Mischtechnik auf Leinwand,<br />

damaliger Kaufpreis: DM 6.542,06)<br />

vom Firmenkonto bezahlen, meinem<br />

Betriebsvermögen zuordnen, Kosten der<br />

Hängung und der Versicherung steuermindernd<br />

als Betriebsausgabe ansetzen<br />

und die Kosten der Anschaffung auf 15<br />

Jahre verteilt als Abschreibungen, oder<br />

steuerlich richtig: Absetzungen für Abnutzung,<br />

geltend machen?<br />

Das Finanzgericht Berlin hat entschieden:<br />

ich darf! Der arme Herr Behm ist<br />

nämlich kein „anerkannter“, sondern nur<br />

ein „Gebrauchskünstler“, was heißt, dass<br />

seine Werke laut den Finanzbehörden<br />

dem Verschleiß unterliegen und über die<br />

Zeit voraussichtlich im Wert sinken.<br />

Anders Markus Lüpertz. Er hat es mit<br />

„Die Bürger von Florenz, Il Principe“<br />

(1983, Bronze, damaliger Kaufpreis:<br />

DM 47.663,55) immerhin schon zum<br />

vom Finanzgericht Berlin „anerkannten<br />

Künstler“ gebracht. Das ist zwar schön<br />

für Herrn Lüpertz, nicht aber für den<br />

Steuerpfl ichtigen, der ein Lüpertz´sches<br />

Werk in seinem Betriebsvermögen steuermindernd<br />

abschreiben möchte. Denn<br />

Werke „anerkannter Künstler“ werden<br />

den Finanzbehörden zufolge voraussichtlich<br />

im Wert steigen, für Absetzungen für<br />

Abnutzung ist somit kein Raum.<br />

Und da Finanzamt und Finanzgerichte<br />

sich zwar mit vielem, aber nicht mit der<br />

Anerkennung jedes einzelnen (vermeintlichen)<br />

Künstlers beschäftigen können,<br />

haben sie den interessierten Steuerpfl ichtigen<br />

und Künstlern gleich eine zahlen-<br />

mäßige Faustregel an die Hand gegeben:<br />

Kunstwerke mit einem Kaufpreis von bis<br />

zu 5.000 Euro sind grundsätzlich „Gebrauchskunst“,<br />

ein „anerkannter Künstler“<br />

bin ich grundsätzlich erst, wenn ich<br />

meine Werke für mehr als 10.000 Euro<br />

verkaufen kann, und über den Bereich<br />

dazwischen kann man diskutieren.<br />

Bleibt die Frage, was passiert, wenn<br />

das Werk eines anerkannten Künstlers<br />

wider Erwarten doch Schaden nimmt.<br />

Was geschieht steuerlich, wenn sich der<br />

Damien Hirst´sche Hai (1992, Fisch in<br />

Formaldehyd, letzter Kaufpreis: GBP<br />

6.500.000,00) zersetzt oder der stolze<br />

neue Besitzer seinen Gästen Picassos<br />

„Le Rêve“ (1932, Öl auf Leinwand,<br />

letzter Kaufpreis: USD 139.000.000,00)<br />

vorführt und vor Begeisterung mit dem<br />

Ellbogen durchsticht?<br />

Die Antwort: Nichts! Denn zwar kennt<br />

das Steuerrecht das Konstrukt der „Absetzung<br />

für außergewöhnliche Abnutzung“,<br />

d. h. Wertminderungen aufgrund außergewöhnlicher<br />

Begebenheiten können<br />

grundsätzlich gewinn- und steuermindernd<br />

angesetzt werden. Probleme hätte<br />

es hier aber bereits bei der Anschaffung<br />

und Zuordnung derart wertvoller Werke<br />

zum Betriebsvermögen gegeben. Ist der<br />

Kaufpreis nach der Verkehrsauffassung<br />

(der Finanzbehörden, nicht des Kunstmarktes!)<br />

unangemessen hoch, ist das<br />

Werk automatisch dem Bereich der<br />

privaten Lebensführung zuzuordnen.<br />

Abschreibungen, Versicherungen, Kosten<br />

des Sicherheitsdienstes usw. mindern<br />

den betrieblichen Gewinn in diesem Fall<br />

nicht.<br />

www.rinke-gruppe.de


Geschichtsbücher, Buchgeschichten<br />

Vorgestellt von Matthias Dohmen<br />

Es geht auch kurzweilig. In seinem<br />

„kleinen Buch der botanischen Wunder“<br />

beleuchtet der in Potsdam lehrende<br />

Biologe PD Dr. Ewald Weber Artenreichtum,<br />

Wachstum, Vermehrung und das<br />

Zusammenleben von Pfl anzen. Auch<br />

wenn sie nicht sprechen: Den Kampf ums<br />

Überleben kennen Pfl anzen durchaus.<br />

Hierhin gehört das Gesetz der Selbstausdünnung,<br />

wozu es sogar eine Formel gibt<br />

(S. 117).<br />

Ein eigenes Kapitel widmet Weber den<br />

fl eischfressenden (korrekter: insektenfangenden)<br />

Pfl anzen, die wie der Sonnentau<br />

auf ihre außergewöhnliche Nahrung beispielsweise<br />

wegen des akuten Stickstoffmangels<br />

in Hochmooren verfallen sind<br />

– der Panzer der Insekten aber enthält<br />

das stickstoffreiche Chitin. Doch nicht<br />

alle Kannen oder Schläuche bei Pfl anzen<br />

sind tödliche Fallen: In den Behältnissen<br />

einiger Pfl anzen der Nepenthesart lebt der<br />

2010 entdeckte gerade mal einen Zentimeter<br />

lange Frosch Microhyla nepenthicola<br />

(S. 124).<br />

Zwölf Zeichnungen von Sonia Schadwinkel<br />

lockern den sehr fl üssig geschriebenen<br />

Text weiter auf. Bemerkungen zum Pfl anzenschutz,<br />

ein Quellen- und ein Pfl anzenartenverzeichnis<br />

runden den Band ab.<br />

Ewald Weber, Das kleine Buch der botanischen<br />

Wunder, München: Beck 2012 (=<br />

becksche reihe, 6033).171 S., 12,95 Euro<br />

Mit dem reich bebilderten und überhaupt<br />

großzügig umbrochenen Buch über das<br />

„Mannesmann-Röhrenwerk in Remscheid“<br />

legt der langjährige Chefarchivar<br />

des gleichnamigen, wenn auch inzwischen<br />

zerschlagenen Konzerns, Horst August<br />

Wessel, im Auftrag des Fördervereins<br />

Mannesmann-Haus ein Heimatbuch vor,<br />

das in die Hand jedes an der Geschichte<br />

seiner Vaterstadt interessierten Remscheiders<br />

gehört. Technik, Fabrikgeschichte,<br />

Betriebssport, der „blauer Mond“ genannte<br />

Turm im Mannesmann-Park, das Werk<br />

heute – kein Thema bleibt unbelichtet,<br />

auch nicht das Hohelob auf die kreativen<br />

Arbeiter, das der ehemalige Personalchef<br />

der AG singt. Aufregend, wenn auch<br />

aus nachvollziehbaren Gründen unkommentiert:<br />

Auszüge aus dem „Soldaten-<br />

Frontbrief“ 1942 bis 1944. Freunde des<br />

Historikers fi nden denselben, in der Bildunterschrift<br />

unbenannt, auf dem Foto auf<br />

S. 158 links. Satzung des Fördervereins,<br />

Abbildungsnachweis, Register, Autoren<br />

und Mitarbeiter: Nichts fehlt.<br />

Horst A. Wessel (Hrsg.), Die Geburtsstunde<br />

des nahtlos gewalzten Stahlrohres.<br />

Das Mannesmannröhren-Werk in Remscheid,<br />

die Erfi nder und die Mechanische<br />

Werkstatt – Geschichte und Geschichten,<br />

Essen: Klartext 2012. 189 S., 19,95 Euro<br />

Wer weiß das noch? Der später stramm<br />

links wirkende Verband Deutscher<br />

Studentenschaften war bereits in seinen<br />

Anfangsjahren hochpolitisch, bei den<br />

damaligen Bundesregierungen wegen<br />

seines scharfen, rüden Antikommunismus<br />

aber wohl gelitten. Uwe Rohwedder verweist<br />

in seiner quellengesättigten Arbeit<br />

„Kalter Krieg und Hochschulreform“<br />

auf zahlreiche Querverbindungen vor<br />

allem in der „Frontstadt“ Westberlin von<br />

Geheimdiensten und VDS, der offi ziell<br />

die „Gleichartigkeit des Widerstandes<br />

gegen die nationalsozialistische und die<br />

stalinistische Willkür“ feststellte und sogar<br />

westdeutsche Linke bespitzeln ließ. Volte<br />

der Geschichte: Als die Übernahme von<br />

Links „drohte“, verscheuerte der VDS-<br />

Vorstand seine Akten handstreichartig<br />

an das Bundesarchiv: Wertvolle Bestände<br />

blieben so erhalten.<br />

Zwei Wuppertaler schafften es übrigens<br />

in die VDS-Spitze: 1962/63 der spätere<br />

Kulturdezernent Heinz-Theodor Jüchter<br />

und (in der vom Autor schon nicht mehr<br />

beleuchteten Zeit) der nachmalige Lehrer<br />

Dr. Dirk Krüger.<br />

Uwe Rohwedder, Kalter Krieg und<br />

Hochschulreform. Der Verband Deutscher<br />

Studentenschaften in der frühen Bundesrepublik<br />

(1949-1969), Essen: Klartext 2012.<br />

240 S., 19,95 Euro<br />

57


58<br />

Neue Kunstbücher<br />

Das Moderne in der Konvention<br />

vorgestellt von Thomas Hirsch<br />

Die Geschichte der Malerei kommt an<br />

Claude Lorrain (um 1600-1682) nicht<br />

vorbei. Er ist einer der Pioniere der<br />

europäischen Landschaftsmalerei, zu<br />

Lebzeiten vorwiegend von Deutschen<br />

und Engländern geschätzt, die seine<br />

Kunst in Rom kennengelernt hatten und<br />

in ihrer Heimat von ihm schwärmten.<br />

Dort wirkte sich sein Bildaufbau auf die<br />

Gartengestaltung aus, in England im 18.<br />

Jahrhundert. Lorrain, der Lothringer,<br />

Claude Lorrain – Die verzauberte Landschaft,<br />

252 S. mit 216 Farbabb., geb. mit<br />

Schutzumschlag, 28,7 x 23,8 cm, Hatje<br />

Cantz, 39,80 Euro<br />

der eigentlich Claude Gelée hieß, kam<br />

schon als Jugendlicher nach Rom, wo er<br />

die meiste Zeit seines Lebens blieb. Er<br />

notiert die Campagna in ihrer Klarheit<br />

und Weite, wie sie von geologischen<br />

Formationen durchzogen ist. Sein Thema<br />

ist die ideale Landschaft, die in weiches,<br />

gleichmäßiges Licht getaucht ist und<br />

stimmungsvoll Zeitlosigkeit vor Augen<br />

führt. Seine Bilder kennzeichnet<br />

eine klare Raumstaffelung, in die er<br />

mitunter Szenen der antiken und der<br />

alttestamentarischen Mythologie einfügt.<br />

Vielleicht am eindrucksvollsten sind die<br />

Hafenszenen mit ein- und ausfahrenden<br />

Schiffen. Für seine Bilder bestand damals<br />

schon ein Markt. Auch um die Gefahr<br />

der Kopie oder Fälschung zu minimieren,<br />

fertigte Lorrain Zeichnungen und<br />

Radierungen seiner Gemälde an, mit<br />

denen er seine Autorschaft bekundete.<br />

Als autonome Kunstwerke wurden diese<br />

grafi schen Werke freilich erst in späteren<br />

Zeiten geschätzt. Das Buch, das nun zu<br />

Lorrains Ausstellung im Städel Museum<br />

Frankfurt erschienen ist, sieht hingegen<br />

den Künstler als Ganzes. Es behandelt<br />

Malerei, Zeichnung und Grafi k gleichberechtigt.<br />

Im Umkehrschluss bedeutet<br />

dies allerdings, dass die Gemälde als<br />

eigentliche Hauptattraktion verhältnismäßig<br />

knapp bedacht sind, auch wenn<br />

sie kompetent gewürdigt werden.<br />

Corot – L‘Armoire Secrete, 174 S. mit<br />

100 Farbabb., Broschur, 28,5 x 23 cm,<br />

Hirmer, 34,90 Euro<br />

Mit Jean-Baptiste Camille Corot<br />

(1796-1875) sind wir zweihundert<br />

Jahre weiter. Corot verhält sich in seiner<br />

Landschaftsmalerei zwischen Tradition<br />

und Fortschritt. Geschult an Aufenthalten<br />

in Italien, ist seine Darstellung zwischen<br />

Klassizismus und Romantik anzusiedeln.<br />

Er führt eine Idealität vor Augen, die<br />

auf dem Einsatz klassischer Formen und<br />

einem genauen Bildaufbau beruht, der<br />

keine Überraschungen zulässt. Aber er<br />

hat auch draußen in der Natur gemalt,<br />

und das wirkt sich auf seine Arbeit im<br />

Atelier aus. Corot gehört der Schule<br />

von Barbizon an, die ihre Motive in<br />

den Wäldern vor den Toren von Paris<br />

fand und gemeinhin als Vorläufer des<br />

Impressionismus gilt. Corot malt mit<br />

einer offenen Pinselstruktur in duftend<br />

getupfter Skizzenhaftigkeit – damit ist er<br />

berühmt. Wenig bekannt ist hingegen,<br />

dass er auch Figuren gemalt hat. Er hat sie<br />

als Porträt zumeist vor der Staffage einer<br />

Landschaft und seltener ins Interieur<br />

gesetzt. Wie Lorrain hatte er sich mit dem<br />

Kunstmarkt zu arrangieren, was bei Corot<br />

bedeutete, dass er diese Figurenbilder bei<br />

sich zurückhielt. Erst nach seinem Tod<br />

gelangten sie an die Öffentlichkeit, allerdings<br />

ohne größeres Interesse zu entfachen.<br />

Das gilt bis heute, und natürlich stellt<br />

sich die Frage, ob dies an der herausragenden<br />

Stellung seiner Landschaften<br />

liegt oder daran, dass die Figurenbilder<br />

eben nicht so bedeutend sind. Nun hat<br />

erstmals seit einem halben Jahrhundert<br />

wieder eine Ausstellung stattgefunden,<br />

die sich speziell den Figurendarstellungen<br />

zuwendet, bei der Sammlung Oskar Reinhart<br />

in Winterthur. Ausgangspunkt ist das<br />

Gemälde „Sitzendes Hirtenmädchen beim<br />

Lesen“ aus der Sammlung selbst, dessen<br />

Kontext nun untersucht wird, also das<br />

Landschaftliche einbezieht. Deshalb geht<br />

es hier um den ganzen Corot und den<br />

Ton seiner Kunst, der sich in Hingabe<br />

und Genauigkeit äußert. Bei der „Lesenden“<br />

wird dies etwa anhand der Körperhaltung<br />

und dem Gestus, mit dem das<br />

Mädchen das Buch hält, deutlich. Aber<br />

weil Corot einem bestimmten idealen<br />

Kanon verpfl ichtet bleibt, sind im Bild<br />

austauschbare Versatzstücke zusammengefügt.<br />

Das Buch, welches dazu erschienen<br />

ist, führt Referenzabbildungen durch die<br />

gesamte Kunstgeschichte an und bezieht<br />

gelegentlich auch die Landschaften ein.<br />

Damit rundet sich das Bild von Corot,<br />

dessen wahre Bestimmung schlussendlich<br />

doch in der Landschaftsmalerei lag.<br />

In seiner Zeit war Hans Makart (1840-<br />

84) ein Held, aber sein „Malerruhm ist<br />

ebenso rasch verblichen wie seine Farben,<br />

denen er durch ein Herstellungsgeheimnis<br />

vorübergehend eine besondere Leuchtkraft<br />

zu geben wusste“, hat Egon Friedell<br />

in seiner berühmten Kulturgeschichte<br />

der Neuzeit geschrieben. Makart konnte<br />

alles, malte enorm sinnlich und hatte<br />

keine Skrupel in der Zusammenfügung<br />

unterschiedlicher Szenen. Er wird zum<br />

Regisseur der Stile seines Jahrhunderts.<br />

Makart wurde in Salzburg geboren; er<br />

hat – als außerordentliches Talent früh<br />

gefördert – an der Münchner Kunstakademie<br />

studiert. Mit wenigen Bildern wurde


Makart – Maler der Sinne, 252 S. mit<br />

173 Farbabb., geb. mit Schutzumschlag,<br />

28 x 23 cm, Hirmer, 39,95 Euro<br />

er in München und in Wien schlagartig<br />

berühmt. Kaiser Franz Joseph I. berief ihn<br />

als Hofmaler nach Wien, wo er 1879 als<br />

Nachfolger von Feuerbach Professor für<br />

Historienmalerei wurde. Hans Makart<br />

malte ganz Räume aus, er veranstaltete<br />

in seinem Atelier pompöse Kostümbälle<br />

und war der Mann der Pracht und des<br />

Prunkvollen. In seiner Malerei koppelt<br />

er Vergangenheit mit Realität und lässt<br />

mythologische Motive einfl ießen; seine<br />

Szenen sind vielfi gurig, spektakulär ist<br />

die Lichtregie, die in Verbindung mit<br />

der Farbigkeit vielleicht seine eigentliche<br />

– moderne – Leistung ist. Ein anderes<br />

ist sein Umgang mit der Vermarktung,<br />

die ihm außerordentlich gelingt: Neue<br />

Bilder wurden theatralisch vorgestellt,<br />

in Reproduktionen stellte er sich noch<br />

einer breiten Öffentlichkeit vor. Aber sein<br />

Ruf war vom eigenen Auftritt abhängig,<br />

nach seinem Tod wurde er bald vergessen.<br />

Um so sinnvoller ist nun der Werküberblick,<br />

der im Zusammenhang mit einer<br />

Ausstellung in Wien entstanden ist.<br />

Deutlich wird, warum er für einige Jahre<br />

so berühmt war und warum er wieder<br />

vergessen wurde.<br />

Félix Vallotton (1865-1925) ist in seiner<br />

Kunst ganz das Gegenteil von Makart,<br />

erst recht wenn man seine Zeichnungen<br />

vor Augen hat. Seine Kunst kennzeichnet<br />

eine große Nüchternheit, ja, Blässe. Vallotton<br />

ist Realist, der sich den einfachen<br />

Félix Vallotton – Zeichnungen, 224 S.<br />

mit 154 Farbabb., geb., 28 x 22,5 cm,<br />

Scheidegger & Spiess, 48,- Euro<br />

Situationen des Lebens zuwendet und dabei<br />

der Theorie folgt, dass ein Bild immer<br />

doch ein Bild sei, also künstlich bleiben<br />

müsse. Er legt die Welt still, verzichtet<br />

auf jede Atmosphäre und isoliert noch<br />

die Motive. Daraus entsteht eine relative<br />

Fremdheit. Vallotton, der frühzeitig von<br />

der Schweiz nach Paris übergesiedelt ist<br />

und dort ab 1892 Mitglieder der Gruppe<br />

der Nabis war, blieb mit seiner eigenen<br />

Kunst ein Außenseiter und wurde doch<br />

mit Ausstellungen geehrt. Schon zu<br />

Lebzeiten wurden seine Zeichnungen<br />

ausgestellt. Wie wichtig sie für das Gesamtwerk<br />

sind, zeigt nun ein Katalogbuch<br />

im Verlag Scheidegger & Spiess. Mit<br />

der Spontaneität der Linie fängt Vallotton<br />

Gebärden ein, umfasst Körper und<br />

defi niert die Natur. Man könnte sagen,<br />

für sich sind die Zeichnungen relativ<br />

langweilig, oft akademisch, souverän<br />

zwar, aber gerade deshalb kaum überraschend.<br />

Aber Vallotton vergegenwärtigt<br />

sich hier seiner Sujets für die Malerei. Er<br />

entwirft die Menschendarstellungen, die<br />

dann in die Gemälde einfl ießen. Er führt<br />

vor Augen, wie er seine Umgebung und<br />

auch die Natur erfasst und sich aneignet.<br />

In einer Qualität, die das Spezifi sche der<br />

Zeichnungen wiedergibt, ist das Buch<br />

dem entsprechend mit fünf Textbeiträgen<br />

relativ theoretisch angelegt, aber das<br />

macht hier besonderen Sinn.<br />

Peter Krämer<br />

WP/StB<br />

Andreas Niemeyer<br />

WP/StB<br />

Thomas Pintzke<br />

StB<br />

Katrin Schoenian<br />

WP/StB<br />

Dr. Jörg Steckhan<br />

RA/WP/StB<br />

Peter Temmert<br />

WP/StB<br />

Anke Jagau<br />

RA/StB<br />

Susanne Schäfer<br />

StB<br />

Stephan Schmacks<br />

StB<br />

Matthias Aprath<br />

WP/StB<br />

RINKE TREUHAND GmbH Wirtschaftsprüfungs-/Steuerberatungsgesellschaft<br />

Wall 39 – 42103 Wuppertal – 0202 2496-0<br />

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59


60<br />

Der Kalender der Bergischen<br />

Symphoniker mit Cartoons von<br />

Robin Chadwick<br />

Tuttischweine<br />

Schüsse aus dem Geigenkasten<br />

Zum Saisonabschluß der Bergischen<br />

Symphoniker stellte deren GMD Peter<br />

Kuhn den ab September 2012 alle wichtigen<br />

Termine anzeigenden traditionellen<br />

Wandkalender des Orchesters vor. Diesmal<br />

ist damit ein Orchestermitglied mit<br />

besonderer Begabung in den Mittelpunkt<br />

getreten: der Geiger Robin Chadwick.<br />

Seine humorvollen Beobachtungen des<br />

Musik(er)lebens mit dem Zeichenstift<br />

illustrieren kenntnisreich und witzig die<br />

zwölf Monatsblätter bis August 2013.<br />

Seit 1984 spielt der in Remscheid lebende<br />

Kanadier Robin Chadwick dort die<br />

1. Violine, zunächst beim Remscheider<br />

Sinfonieorchester, später den vereinigten<br />

Bergischen Symphonikern. Im Geigenkasten<br />

hat er neben seinem Arbeitsgerät<br />

und Kolophonium stets einen Skizzenblock<br />

und einen gut gespitzten Bleistift.<br />

Mit viel Humor und liebevoller Ironie<br />

beobachtet der Musiker, der sich auch<br />

gelegentlich als Conferencier einen guten<br />

Namen gemacht hat, das Orchesterleben,<br />

seine Kollegen und deren Eigenarten.<br />

Chadwick tritt damit in die Fußstapfen<br />

des großen englischen Musik-Karikaturisten<br />

Gerard Hoffnung, ohne jedoch den<br />

genialen Spötter zu kopieren.<br />

Der von den Orchesterfreunden<br />

fi nanzierte Kalender ist ab sofort für nur<br />

10,- Euro zum Besten der Symphoniker<br />

beim Orchesterbüro zu bekommen:<br />

Tel. 0212-2801-584 oder Kontakt@<br />

BergischeSymphoniker.de per E-Post.<br />

Schon bei den beiden Abschlußkonzerten<br />

in Solingen und Remscheid konnte<br />

Chadwick kaum so schnell signieren, wie<br />

ihm die Kalender förmlich aus der Hand<br />

gerissen wurden. Fast 400 Stück gingen<br />

insgesamt in nur wenigen Minuten über<br />

den Verkaufstisch.<br />

Bereits 2004 ist im Kölner Verlag<br />

Dohr eine Auswahl von 75 der köstlichen<br />

Cartoons und Karikaturen Chadwicks in<br />

Buchform erschienen: „Hornfl akes - und<br />

andere musikalische Leckereien“, und<br />

2008 bekam er eine Einzelausstellung<br />

im Remscheider Vaßbender-Saal. Da<br />

sieht man den nicht so sensiblen Pultnachbarn<br />

und die „Tuttischweine“ (als<br />

ein solches hat er weiland in Remscheid<br />

seinen Dienst aufgenommen), erlebt den<br />

Brennwert der Bratsche und den Unterschied<br />

zwischen Mozart und Brahms. Die<br />

Sportlichkeit des Dirigenten lernt man<br />

kennen, erfährt, wie Musiker Brot schneiden<br />

und darf über musikalische Marotten<br />

schmunzeln. Dies und mehr füllt die<br />

42x30 cm großen Blätter des Kalenders<br />

mit Spiralheftung, ein Bonbon und Muss<br />

für alle Freunde des Orchesters, Cartoonkenner<br />

und die gesamte Musikwelt.<br />

Text und Foto-Repros:<br />

Frank Becker


Karl Otto Mühl<br />

Der Mensch ist gut<br />

Der Tag begann recht herzstärkend. Auf<br />

der Hinfahrt zur Bäckerei kam ich durch<br />

den vertrauten Wald, war sicher, dass er<br />

mich wiedererkannte, traf Freunde dort,<br />

den Schriftsteller, den Bildhauer, den<br />

mehrfachen unehelichen Vater; und ihnen<br />

allen sah ich an, dass sie nichts an mir auszusetzen<br />

hatten. Ich war und blieb sicher,<br />

dass sie recht hatten. Der Bildhauer wird<br />

im Folgenden wieder eine Rolle spielen,<br />

ich nenne sie hier eine vertrauensbildende.<br />

Ausgerüstet mit der Überzeugung,<br />

zumindest ausreichend in Ordnung zu<br />

sein, begab ich mich auf den gewohnten<br />

Kurzspaziergang auf dem Höhenweg;<br />

beobachtete eine der blonden, schlanken<br />

Postbotinnen, mit denen die Post zumindest<br />

in unserem Viertel den Eindruck<br />

zeitlich gestreckter Zustellung zu verwischen<br />

scheint, sah im Vorbeigehen, ob der<br />

Wagen der Millionärsfrau, die hier wohnt,<br />

zuhause war, sah die farbigen Fensterrahmen<br />

der Psychotherapeutin, von der ich<br />

manchmal erfahre, hörte junge Joggerinnen<br />

mit Hund sich bedanken, denen ich<br />

höfl ich auswich, traf sogar auf einen alten<br />

Getränkelieferanten, der sich dankbar<br />

meine Gesundheitsermahnungen wegen<br />

seiner Fettleibigkeit anhörte und war<br />

beruhigt („Sie leben also noch“), als ich die<br />

gewohnten Frühtrinker durch das Fenster<br />

des Gasthauses an der Theke sah.<br />

Nach einer angemessenen Strecke begab<br />

ich mich auf den Rückweg zum Auto.<br />

Schon fast angekommen, sah ich auf der<br />

anderen Straßenseite einen jüngeren Mann<br />

- zumindest jünger als ich - aufmerksam zu<br />

mir herüber blicken.<br />

„Hallo!“<br />

Ich schaute ratlos zu ihm.<br />

„Moment! Ich komme.“ Er überquerte<br />

die Straße, nun stand er vor mir. Ein<br />

freundliches Gesicht in den Vierzigern.<br />

Er war aus einem der gegenüberliegenden<br />

Häuser gekommen, hatte einen Freund<br />

besuchen wollen, wie er sagte, aber der<br />

Freund war weggezogen, und, kenne ich<br />

ihn denn nicht mehr? Er sei doch der<br />

Antonio, der Lehrling, der Schlosser in<br />

unserer Firma war, und sein Vater sei<br />

doch der Giuseppe, der den Gabelstapler<br />

fuhr, und ich, wo war ich denn noch?<br />

Ich sei im Export gewesen, sagte ich.<br />

Richtig, richtig. Ich sei gut zu „die Italie-<br />

61


62<br />

ner“ gewesen, ja, ich liebe die Italiener. Er<br />

wisse das noch.<br />

Ich erinnerte mich nicht, aber es kam öfter<br />

vor, dass mich alte Kollegen oder frühere<br />

Lehrlinge aus dem Betrieb ansprachen. Ich<br />

glaube, dass sie mich als den erkennen, der<br />

ich immer sein wollte, ja vielleicht sogar bin<br />

– selbstlos und fürsorglich, und immer sind<br />

sie sicher, viel von mir gelernt zu haben.<br />

So ein Lehrling muss Antonio gewesen<br />

sein. Aber woher wusste er, dass ich die Italiener<br />

liebe? Mir selbst war es nie besonders<br />

aufgefallen. Er musste es ahnen, er war ja<br />

ein feinfühliger Mensch. Auch das wusste<br />

ich vor fünf Minuten noch nicht. Das<br />

Leben hat Überraschungen.<br />

Und er? Was mache er? frage ich.<br />

Er sei wieder nach Italien gezogen. Alle<br />

Italiener zögen irgendwann wieder nach<br />

Italien. Und ich? Was mache ich?<br />

„Ich schreibe.“<br />

„Genau! Bücher, nicht wahr?“<br />

„Ja“, sage ich. Auch das ahnt er, dachte<br />

ich.<br />

„Wie Dante Alighieri, haha.“<br />

Klassische Bildung, denke ich. Wenigstens<br />

Ansätze dazu. Er war zwar in der Schlosserei,<br />

aber er muss an sich und seiner Bildung<br />

gearbeitet haben. Nicht umfassend, aber<br />

das macht nichts, ich akzeptiere gerade<br />

solche strebsamen Menschen. Antonio<br />

muss sensibel sein. Darum hat sich auch<br />

die Erinnerung an mich so tief eingeprägt.<br />

Und dann kommt es ganz plötzlich. Er<br />

hat ein Geschenk für mich. Eine Überraschung.<br />

Ob ich mich freue?<br />

„Na ja“, sage ich. „Vielleicht muss ich<br />

anschließend die Schwester Ihrer Frau<br />

heiraten -„<br />

Aber in Wahrheit weiß ich diese überquellende<br />

Herzlichkeit zu schätzen. Ich<br />

muss ihm ein Geschenk wert sein. Es wird<br />

sich vielleicht als eine alberne Kleinigkeit<br />

herausstellen, irgend eine Kleinigkeit aus<br />

Plastik aus einem Billigladen, aber ich<br />

werde rückhaltlose Dankbarkeit zeigen.<br />

Das hat ein Mensch verdient, der so viel<br />

Anhänglichkeit beweist..<br />

„Nein, Nein,“ sagt er, „eine richtige<br />

Überraschung. Freuen Sie sich?“<br />

Ich weiß es immer noch nicht.<br />

„Warten Sie“ sagt er, „ ich hole die<br />

Überraschung aus dem Beutel.“ Antonio<br />

kommt mit einer Tragetasche zurück. Er ist<br />

ratlos, wo wir sie auspacken sollen. Wenn<br />

es denn sein müsse, sage ich, mein Auto<br />

stehe dort –<br />

„Nein, nein“, sagt Antonio, „wir<br />

brauchen Platz. Wo wohnen Sie?“<br />

Da und da wohne ich.<br />

„Gut“, sagt Antonio. „Da fahren wir<br />

hin. Ich fahre hinter Ihnen her.“<br />

Auf der Fahrt spürte ich ein gewisses<br />

Befremden. Wieso war ich plötzlich in<br />

einer Situation, in der ich mich mit fremden<br />

Leuten auseinandersetzen musste.<br />

Die Bäckerei war nur einige Hundert<br />

Meter entfernt, da hatte ich mich noch<br />

vor einer Viertel Stunde sicher und<br />

geborgen gefühlt, aber das hier, das war<br />

ungewohnt. Ich musste es hinter mich<br />

bringen.<br />

Alles um mich herum war bekannt<br />

und vertraut wie immer, nur mein Gefühl<br />

hatte sich geändert. Doch für lange Überlegungen<br />

blieb keine Zeit. Wir waren<br />

bereits an unserem Haus angekommen.<br />

Angekommen, erhalte ich ein Lob.<br />

Ich fahre ja hervorragend.<br />

Gedacht habe ich mir das immer<br />

schon. Aber Antonio bemerkt eben alles.<br />

Ihm liegt eben etwas an mir.<br />

“SCHON MAL EINE<br />

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DIE SIE NICHT SEHEN<br />

KONNTEN?” Ihr Hörgeräte-Spezialist in Wuppertal-Elberfeld<br />

Und schon sind wir in unserer Wohnung.<br />

Wir haben heute eine Helferin da,<br />

die uns einen Kaffee machen will. Aber<br />

Antonio lehnt ab. Er hat ein Magengeschwür.<br />

Er spricht offen über alles, das<br />

merke ich. Auch, dass er spät geheiratet<br />

hat, dass er wegen seiner allein lebenden<br />

Mama zurück nach Italien gezogen ist –<br />

Dies ist eine Gelegenheit, mich<br />

anbiedernd über ein Vorurteil lustig zu<br />

machen: „Alle Frauen sind Huren, außer<br />

Mama.“ Aber Antonio ist jetzt zu konzentriert<br />

für meinen feinen Humor. Er hat<br />

mir seine Adresse in Mailand aufgeschrieben,<br />

damit ich ihm eine Karte schreiben<br />

kann, auch das Bild an der Wand hat er<br />

betrachtet.<br />

Nun sieht er ein Buch von mir. „Von<br />

Ihnen?“ Ich nicke.<br />

„Was steht darin? Von was handelt es?“<br />

In diesem Buch stünden tagebuchartig<br />

tägliche Begegnungen. So wie die hier<br />

mit ihm.<br />

„Ach? Wollen Sie das wirklich aufschreiben?“<br />

„Ja. Genau so wie es passiert, also<br />

jetzt.“<br />

Für einen Augenblick wird Antonio<br />

nachdenklich. „Also genau so?“Wieder<br />

nicke ich. Antonio scheint es gleichmütig<br />

hinzunehmen, er steckt das signierte Buch<br />

ein. Dann fällt ihm ein Bild an der Wand<br />

auf.<br />

„Positano!“ hat er mir auf den Kopf<br />

zugesagt. „Von wem ist es?<br />

„Von Hohberger“, antworte ich. „Hat<br />

er mir geschenkt.“<br />

„Wunderbar.“<br />

Aber nun will Antonio die Überraschung<br />

auspacken – Nein, vorher lobt er noch<br />

unsere Wohnlage, die Wohnung, meine<br />

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Frau, die er nun leider nicht kennenlernen<br />

kann, aber die ich grüßen soll.<br />

Und jetzt packt er die Überraschung<br />

aus, drei sehr schöne Lederjacken, einen<br />

Blouson aus Ziegenleder – „kostet ca.<br />

fünzehnhundert Euro“ – aber er schenkt<br />

ihn mir, ja, das ist die Überraschung, er<br />

schenkt mir alles. Er hat es für seinen<br />

Schwiegervater in Düsseldorf ausgestellt,<br />

und, jetzt, vor dem Rückfl ug, will der<br />

Zoll Geld dafür haben! Nein, das macht<br />

er nicht. Da schenkt er es mir lieber. Ich<br />

muss gegen meine Rührung ankämpfen.<br />

Bis auf die Lederjacke, die darf er<br />

nicht so weggeben.<br />

„Was kostet die?“<br />

„ Soundsoviel Euro“, sagt Antonio leise.<br />

„Aber soviel hab ich nicht hier.“<br />

„Macht doch nix. Fahren wir eben zur<br />

Bank.“<br />

Gut, sage ich, aber Angelika solle eben<br />

ein Foto von uns machen.<br />

„Nein. Kein Foto. Ich bin abergläubisch.<br />

Nehmen Sie mir das übel?“<br />

„Wie käme ich dazu!“ sage ich. Ich<br />

fi nde Antonio so offenherzig.<br />

Wir gehen zu seinem Auto, ich sehe das<br />

Nummernschild. „Sie wohnen in Dortmund?“<br />

„Nein“, sagt Antonio, das sei ein Leihwagen.<br />

Auf der Fahrt meldet sich das merkwürdige<br />

Gefühl, dass dies nicht so weitergehen<br />

sollte. Ich sollte die Jacken von meiner<br />

Frau begutachten lassen. Will sie die<br />

überhaupt? Aber habe ich die Kraft, jetzt<br />

auszusteigen, zurückzugehen? Ich merke<br />

wie in einer Betäubung, dass ich die Kraft<br />

jetzt nicht habe. Vielleicht gefallen ihr die<br />

Jacken ja. Und die meisten bekomme ich<br />

doch geschenkt!<br />

Auf den Parkplatz der Sparkasse will<br />

Antonio nicht fahren, nein, er parkt lieber<br />

da vorne an der Straße. Auch mit hineingehen<br />

will er nicht. Da raucht er doch<br />

lieber eine Zigarette vor dem Eingang.<br />

Die Kassiererin reicht mir die Scheine,<br />

ich gebe sie ihm.<br />

Nie werde ich verraten, wie viel es war.<br />

Unterwegs auf der Rückfahrt rätselt Antonio,<br />

wer bei der EM gewinnen würde,<br />

Griechenland oder Deutschland. Natürlich<br />

komme nur Deutschland in Frage,<br />

behauptet er.<br />

Zum Abschied küsst er mich auf die<br />

Wange.<br />

Später steht meine Frau nachdenklich<br />

vor dem Karton mit den Lederjacken.<br />

„Also hat er sie hiergelassen? Damit du es<br />

dir überlegen kannst? Und bist zum Schein<br />

darauf eingegangen? War sehr geschickt<br />

von dir. Und – hat Angelika währenddem<br />

die Polizei gerufen?“<br />

„Alles nicht nötig“, sage ich überlegen,<br />

„er hat sie mir ja geschenkt.“<br />

„Alle geschenkt? Das glaube ich nicht.“<br />

Ich muss zugeben, dass ich für eine ein<br />

bisschen bezahlt habe.<br />

Aha“, sagt meine Frau. „Und wieviel?“<br />

Ich nenne die Summe, betone aber, dass<br />

wir ja drei Jacken dafür bekommen haben.<br />

Jetzt blickt mich meine Frau sehr lange<br />

an. Dann geht sie hinaus.<br />

Sie hat mehrere Tage nicht mit mir<br />

gesprochen.<br />

Dann erst fängt sie wieder an, mit mir<br />

zu reden. „Nun schüttele es endlich ab“,<br />

sagt sie. „Stell dir vor: Beim nächsten Mal<br />

gehst du zum Schein darauf ein, informierst<br />

aber heimlich die Polizei, und die<br />

erwartet euch bei der Sparkasse.“<br />

Diese Vorstellung hat mich begeistert.<br />

So werde ich es machen. Hoffentlich<br />

kommt der Betrüger bald.<br />

Ich bin froh, als ich später wieder allein<br />

im Wald bin. Hier hört niemand, wenn ich<br />

zu mir sage: Du Idiot. Ein Blinder konnte<br />

den Betrug mit dem Krückstock fühlen.<br />

Ich nicht, antworte ich. Ich war in<br />

einem anderen Film. Ich sah Giuseppe mit<br />

dem Gabelstapler auf dem Fabrikhof herumkurven,<br />

ich sah die Ziegelmauern des<br />

Bürogebäudes, und vielleicht schloss ich<br />

mich aber auch zu sehr Antonios Meinung<br />

an, dass ich ein herausragender Mensch sei.<br />

Darum kümmern sich meine Bäume<br />

nicht. Sie wissen, dass über ein Kleines<br />

alles vergessen sein wird. Sie versichern<br />

mir, dass sie meine Freunde bleiben wollen<br />

und wiegen weise und gütig ihre Wipfel.<br />

Karl Otto Mühl<br />

63


64<br />

Mit vier Sonderveranstaltungen, bei<br />

denen sich Hochkultur und kulinarischer<br />

Genuss ergänzen, geht die Friedrich-Spee-<br />

Akademie Wuppertal ins zweite Halbjahr<br />

2012. Neben künstlerisch attraktiven<br />

Kulturträgern gibt es jeweils ein passendes<br />

kulinarisches Schmankerl, und das alles im<br />

großen Kronleuchter- Foyer des Wuppertaler<br />

Opernhauses. Partnerin für Speisen und<br />

Getränke ist die im Opernhaus beheimatete<br />

Brasserie, die sich durch ihr hochwertiges<br />

Speisen- und Getränkeangebot bereits einen<br />

Namen gemacht hat.<br />

Andreas Beutner<br />

SPEEciale im Opernhaus-Foyer<br />

Los geht es mit SPEEciale Nummer eins<br />

am Montag, 24. September, 18 Uhr,<br />

mit einem Heinz-Erhardt-Abend des<br />

bekannten Autors, Journalisten und<br />

Schauspielers Stefan Keim unter dem<br />

Motto „Noch’n Gedicht“. „Alles im<br />

Leben geht natürlich zu. Nur meine Hose<br />

geht natürlich nicht zu“, so der unvergessliche<br />

Kabarettist Heinz Erhardt in<br />

den 50er und 60er-Jahren des vorigen<br />

Jahrhunderts. Kaum einer verstand<br />

sich so auf das selbstironische Spiel mit<br />

der deutschen Sprache wie der 1979<br />

verstorbene Humorist. Neben zahlreichen<br />

Klassikerparodien wie Goethes „König<br />

Erl“ oder Schillers „Apfelschuss“ bringt<br />

Heinz Erhardt, alias Stefan Keim, sogar<br />

eine ganze Oper auf die Bühne, nämlich<br />

Bizets „Carmen.“<br />

Stefan Keim verwandelt sich auch stimmlich<br />

und optisch in Heinz Erhardt und<br />

singt bekannte Chansons des berühmten<br />

Humoristen wie „Fräulein Mabel“ und<br />

„Linkes Auge blau.“<br />

Klassisch deftig ist das Speisenangebot,<br />

bei dem die 50er-Jahre im Mittelpunkt<br />

stehen. Dabei darf natürlich auch der<br />

berühmte „Käse-Igel“ dieser Zeit nicht<br />

fehlen.<br />

Stefan Keim als Heinz Erhardt mit „Noch’n Gedicht“<br />

„Der Kontrabass“ – ein Einakter von<br />

Patrick Süskind steht im zweiten SPEEciale<br />

im Mittelpunkt, den am Freitag, 12.<br />

Oktober, 18 Uhr, Andreas Beutner –<br />

„ein „intimer Kenner der Seelenlagen von<br />

Orchestermusikern“ - (so ein Kritiker)<br />

im Opernhaus-Foyer zur Aufführung<br />

bringt. Hassliebe verbindet Süskinds<br />

Kontrabassisten mit seinem Instrument.<br />

„Manchmal möchte’ ich ihn am liebsten<br />

zerhacken“ – aber er kann nicht anders.<br />

Er ist Gefangener seines Instruments am<br />

dritten Pult im Staatsorchester, wo seine<br />

Position so sicher ist, „dass er spielen und<br />

lassen kann, was er will; er fl iegt nicht.“<br />

Darüber fl üchtet er in Tagträume, von der<br />

blutjungen Sängerin an der Oper: Sarah.<br />

Aber die lässt sich lieber von Gastsängern<br />

in teure Fischlokale einladen. „Ich habe<br />

das mal beobachtet, die Seezunge kostet<br />

da 52 Euro. Ich fi nde das widerlich.“<br />

Gar nicht widerlich wird dem Publikum<br />

die Seezunge schmecken, die an diesem<br />

Abend von der Brasserie – Gastronomie<br />

serviert wird. Zusammen mit Patrick<br />

Süskind schauen Andreas Beutner und<br />

das Publikum in die Seele eines Orchestermusikers<br />

und erleben eine tieftraurige<br />

Komödie, bei der das Lachen bisweilen<br />

im Halse stecken bleibt.


Gail Gilmore, stimmgewaltiger Mezzosopran,<br />

wuchs als Tochter eines farbigen<br />

Baptistenpfarrers auf, dessen Großeltern<br />

noch als Sklaven geboren wurden. Schon<br />

als junges Mädchen sang Gail Gilmore,<br />

die zum dritten SPEEciale am Mittwoch,<br />

21.November, 18 Uhr, im Wuppertaler<br />

Opernhaus-Foyer auftritt und die über 40<br />

Opernpartien an allen großen Opernhäusern<br />

der Welt gesungen hat, in der Kirche<br />

ihres Vaters Gospels und Spirituals, in<br />

denen das Leid, aber auch die Frömmigkeit<br />

der Sklaven und ihre Lebensfreude<br />

zum Ausdruck kommen. Mit „Back to<br />

the roots“ – zurück zu den Wurzeln - hält<br />

Gail Gilmore in ihren Konzerten die<br />

Erinnerung an die entwürdigende Zeit der<br />

Rassendiskriminierung wach und schenkt<br />

Gail Gilmore Kraft Eike Wrede<br />

zugleich Hoffnung auf eine gerechtere<br />

Welt. Kritiker loben ihre „machtvolle sonore<br />

Stimme, eine wahrhaft gestochene und<br />

prägnante Diktion.“Am Flügel begleitet<br />

Andreas Bügel<br />

Die Brasserie liefert „All-American-<br />

Food“ mit seinen Burgern, Salaten und<br />

Snacks, die sich als „Welternährung“ rund<br />

um den Globus ausgebreitet haben.<br />

Kurz vor Weihnachten, Mittwoch, 12.<br />

Dezember, 18 Uhr, führt eine nicht nur<br />

mediterrane Lesereise unter dem Motto<br />

„Reif für die Insel“ mit Kraft Eike Wrede<br />

rund ums Mittelmeer. Nur eine Kreuzfahrt<br />

ist teuerer. Mit Kraft Eike Wrede hören<br />

und sehen die Besucher des vierten SPEE-<br />

ciale die Welt des Mittelmeers und erleben<br />

die „Säulen des Herkules“ im Westen als<br />

das Ende der Welt in der Antike und die<br />

östliche Levante als zwei mittelmeerische<br />

Landschaften. Das „mare nostrum“ des<br />

römischen Imperiums ist so etwas wie die<br />

Wiege der Kultur und Zivilisation der<br />

Menschheit – ungebrochen seit der Antike<br />

bis in die Gegenwart. Kraft Eike Wrede<br />

erinnert sowohl an Charles Baudelaire<br />

und seine „Liebesinsel“ Kythera, als auch<br />

an Alexandria – Treffpunkt der eleganten<br />

Welt noch bis in die frühen 50er-Jahre,<br />

aber auch an Odysseus, der an fremde<br />

Inseln eines paradiesisch-glückseligen<br />

Lebens vorgestoßen war. Doch auch der<br />

Fall Konstantinopels 1453, ein bis heute<br />

im kollektiven Gedächtnis der Griechen<br />

kaum bewältigtes Trauma, fi ndet Eingang<br />

in Wredes Leseabend. Mittelmeer – Tapas<br />

stehen im Mittelpunkt des kulinarischen<br />

Teils des Abends, für den auch dieses Mal<br />

die Brasserie zuständig ist.<br />

Für Mitglieder der Spee-Akademie kostet<br />

der Abend inklusive Kulturprogramm<br />

und kulinarischen Teil 20 Euro, die rund<br />

fünf Tage vor dem Programmabend auf der<br />

Sonderkonto der Spee-Akademie 623 470<br />

bei der Stadtsparkasse Wuppertal(BLZ 330<br />

500 00) eingezahlt werden müssen (für<br />

Nicht-Mitglieder 30 Euro).<br />

Joachim Krug, FSA:<br />

Bilder: FSA-Archiv<br />

Physiotherapie<br />

in der<br />

Wellness-Lounge<br />

Dino Sambo<br />

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Manuelle Therapie<br />

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42113 Wuppertal | Tel. 0202 29 53 971<br />

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66<br />

GOLDFIEBER! Wuppertaler stürmen Juwelier Dalmann in der<br />

Herzogstraße 5 in Wuppertal. Super-Kurs treibt Edelmetallbesitzer zum Verkauf.<br />

Seit Wochen erreichen die Goldpreise ständig neue<br />

Rekordhöhen. Das bringt immer mehr Menschen<br />

dazu, in ihren Schmuckschatullen zu kramen. Viele<br />

von ihnen entdecken dabei wahre Schätze, die sie<br />

schnell beim Juwelier Dalmann in Geld umwandeln<br />

können. ����� ���� �������� ��� ��������� ��������� �����<br />

direkt im Zentrum von Wuppertal. Allein in den<br />

letzten Wochen stieg der Goldverkauf um 40 Prozent,<br />

so Willi Fichel, Geschäftsführer des Bundesverbands<br />

der Juweliere. Ob Ringe, Broschen oder<br />

Zahnkronen-Gold, zu versilbern liegt im Trend.<br />

Sandra Schäfer entdeckt beim Aufräumen in der<br />

Wohnung Goldschmuck, den sie von ihrer Mutter<br />

geerbt hatte.<br />

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Bringen Sie ihn einfach zu DALMANN® und nutzen Sie den hohen Goldpreis.<br />

„Weil er damals für mich zu altmodisch wirkte, hatte<br />

ich ihn schnell vergessen“, erzählt sie. „Da ich in<br />

den letzten Tagen immer wieder von Rekordpreisen<br />

für Gold gelesen habe, entschied ich, jetzt zu<br />

handeln.“ Wert des Goldschatzes: rund 2.950 Euro.<br />

Auch bei Juwelier Dalmann in der Herzogstraße<br />

5 in Wuppertal, Tel.: 0202 - 94607923 blüht das<br />

Goldgeschäft. „Ich glaube, die Marke von 40.000<br />

Euro pro Kilo Feingold war für viele die magische<br />

Grenze“, sagt Herr Alegöz, während eine Kundin<br />

bei ihm anfragt, wie viel sie für ihren Schmuck bekommen<br />

würde. 795 Euro zahlt er der Kundin für<br />

Zahngold, Armband und Kette. „Das ist alter Familienschmuck,<br />

der im Schrank versauerte“.<br />

Gold habe in den letzten Jahren einen rasanten<br />

Preisanstieg hingelegt. Schon seit Wochen erreichen<br />

die Goldpreise bis dahin für unmöglich gehaltene<br />

Rekordstände. Derzeit steht der Preis bei<br />

ca. 1.300 Euro je Feinunze (31,1 Gramm). Wer im<br />

Jahr 1970 ein breites italienisches Armband für<br />

600 Mark gekauft hat, bekommt heute dafür möglicherweise<br />

990 Euro angerechnet“, sagt Juwelier<br />

Dalmann, der zurzeit mehr als doppelt so viele<br />

Kunden hat wie sonst. Auch Markenuhren, wie<br />

Rolex, Breitling und ähnliche werden beim Juwelier<br />

Dalmann angekauft. Denn für viele Menschen<br />

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werden.<br />

DALMANN® Wuppertal - Herzogstraße 5 - 42103 Wuppertal - Tel.: 0202 - 946 079 23 - wuppertal@dalmann.de<br />

Öff nungszeiten: Mo - Fr: 9.30 - 19.00 Uhr, Sa: 9.30 - 18.00 Uhr<br />

www.dalmann.de


Kulturnotizen<br />

Müllers Marionetten-Theater<br />

Versprechen muss man halten<br />

Der Froschkönig in Müllers Marionetten-<br />

Theater<br />

Weiter geht es mit der großen Grimm-<br />

Reihe in Müllers Marionetten-Theater. Am<br />

27. und 28. Oktober jeweils um 16 Uhr<br />

beweist der Froschkönig der schönen Prinzessin<br />

auf entzückende Weise, dass es besser<br />

ist, ein Versprechen zu halten.<br />

Der Frosch holt der Prinzessin die Goldkugel<br />

aus dem Brunnen und dafür muss<br />

sie seine Freundin werden. Versprochen<br />

ist versprochen! Aber muss die Prinzessin<br />

den glibberigen Kerl auch küssen? – Das<br />

wundervolle Theatermärchen von Günther<br />

Weißenborn nach Grimm mit Musik von<br />

Antonin Dvorak zeigt, dass selbst eine Prin-<br />

The art of tool making<br />

zessin ihre Versprechen halten muss. Natürlich<br />

soll sie dafür auch belohnt werden.<br />

Aufführungstermine: 27. und 28.<br />

Oktober 2012 jeweils 16 Uhr Weitere<br />

Vorstellungstermine am 1., 3., 4., und 10.<br />

November 2012.<br />

Wohngemeinschaft für Tiere<br />

Die Bremer Stadtmusikanten zu<br />

Gast in Wuppertal<br />

Mit den „Bremer Stadtmusikanten“ gibt<br />

Müllers Marionetten-Theater im Oktober<br />

ein weiteres Grimm-Märchen zum<br />

Besten. Esel, Hund, Katze und Hahn<br />

sind alt geworden und taugen nicht mehr<br />

zum Schleppen, Wachen, Mäusefangen<br />

und Mistkratzen. Da verlassen sie ihr zu<br />

Hause und gründen im Wald die erste<br />

Alters-Wohngemeinschaft der deutschen<br />

Geschichte.<br />

Eine wahrhaft lustvolle Inszenierung<br />

aus den Kindern- und Hausmärchen der<br />

Gebrüder Grimm erwartet Jung und Alt<br />

zum Start in den goldenen Oktober.<br />

Aufführungstermine: 3., 6., 14., 17., 20.<br />

Oktober 2012 um 16 Uhr.<br />

Neuenteich 80, 42107 Wuppertal-Elberfeld<br />

info@muellersmarionettentheater.de<br />

www.muellersmarionettentheater.de<br />

In der Akademie Remscheid neue<br />

Wege gehen<br />

Unter neuer Leitung bietet kreativ50plus die<br />

Möglichkeit, Ideen zu gestalten<br />

Kreativ50plus, das offene Kulturprogramm<br />

an der Akademie Remscheid hat<br />

eine neue Programmleiterin. Imke Nagel<br />

gehört zum ersten Absolventenjahrgang<br />

der Weiterbildung „Kulturgeragogik<br />

– Kulturarbeit mit Älteren“ der Fachhochschule<br />

Münster und des Instituts<br />

für Bildung und Kultur (kurz IBK)<br />

Remscheid. Motivation für ihre Arbeit<br />

ist die Tatsache, dass Kreativität und die<br />

Möglichkeit neue Wege zu beschreiten<br />

nie aufhören. Zukunft und Kreativität<br />

werden aber oft nur mit Jugend assoziiert.<br />

Der neuen Programmleiterin ist es ein<br />

Anliegen, Älteren mit den Seminaren von<br />

kreativ50plus Raum und Know-How zu<br />

bieten, um eigene künstlerisch-kreative<br />

Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen.<br />

Als Dipl.-Kulturpädagogin ist Imke<br />

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68<br />

Kulturnotizen<br />

Nagel außerdem spezialisiert auf kulturelle<br />

Vermittlung in den Fachbereichen<br />

kreatives Schreiben und Kunst. So bot sie<br />

zuletzt das spielerische Schreibseminar<br />

„Herzstücke unter der Lupe“ an. Die Teilnehmerinnen<br />

im Alter von 60-87 Jahren<br />

gingen schreibend der Frage nach, was für<br />

sie Lebensqualität bedeutet. Kreativ50plus<br />

lädt mit seinem Angebot in den Bereichen<br />

Theater, Tanz, Musik, Medien und<br />

Kunst dazu ein, neue Ausdrucksformen<br />

zu erproben oder Bewährtes weiter<br />

auszubauen. Im Austausch innerhalb der<br />

Teilnehmergruppe lässt sich Entwickeltes<br />

verfeinern. Beim „experimentellen Gestalten<br />

mit Ton“ erhalten die Teilnehmenden<br />

Impulse, um Formen und Strukturen aus<br />

dem Alltag für ihre Arbeiten mit Ton zu<br />

nutzen. Auch Interessierte ohne Vorkenntnisse<br />

sind herzlich willkommen. Die<br />

abstrakten Werke des Künstlers Bernard<br />

Schultze stehen in der Reihe „Inspiration<br />

Künstlerbilder“ im Mittelpunkt. Durch<br />

verschiedene auf der Leinwand angebrachte<br />

Materialien lässt sich Malerei ins<br />

Dreidimensionale erweitern. Wer lieber<br />

schreibt, bekommt in „Darüber könnte<br />

ich ein Buch schreiben“ Tipps, um Autobiografi<br />

sches schriftlich in Szene zu setzen.<br />

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Von der Heydt-Preis für Anne Linsel<br />

Förderpreis für Roswitha Dasch<br />

Das Kuratorium für den Kulturpreis der<br />

Stadt Wuppertal hat entschieden: Die<br />

Kulturjournalistin und Filmemacherin<br />

Anne Linsel bekommt den Von der<br />

Heydt-Preis der Stadt Wuppertal. Der<br />

Anne Linsel<br />

Roswitha Dasch<br />

Musikerin Roswitha Dasch wird der<br />

Förderpreis zuerkannt.<br />

Die zukünftige Von der Heydt-Preisträgerin,<br />

die Wuppertaler Kulturjournalistin<br />

Anne Linsel, ist seit vielen Jahrzehnten auf<br />

verschiedenen Feldern aktiv. Sie arbeitet für<br />

den Hörfunk, schreibt Literatur-, Theater-<br />

und Kunstkritiken, Reportagen und<br />

Portraits und dreht Dokumentationen. Ihr<br />

Film "Tanzträume", eine Dokumentation<br />

der Arbeit Pina Bauschs mit Wuppertaler<br />

Teenagern, fängt die weltberühmte<br />

Choreografi n aus nächster Nähe ein - und<br />

das nur kurze Zeit vor Bauschs plötzlichem<br />

Tod. Die Annäherung an die scheue Gründerin<br />

und Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters<br />

und ihre Akteure, mit denen sie<br />

die Produktion "Kontakthof" einstudierte,<br />

erlebte seine Uraufführung bei der Berlinale<br />

und wurde auf vielen Festivals gezeigt.<br />

Den Laien-Tänzern und ihren Gefühlen<br />

kommt sie mit der Kamera nah und schafft<br />

damit einfühlsame Portraits ganz normaler<br />

Jugendlicher in einer besonderen Situation.<br />

"Mit dem Preis soll ihre außerordentliche<br />

Lebensleistung gewürdigt werden", so die<br />

Begründung des Kuratoriums.<br />

Der Förderpreis geht an Roswitha<br />

Dasch. Die Musikerin studierte Violine an<br />

der Musikhochschule Köln und absolvierte<br />

eine private Gesangsausbildung. Sie beschäftigt<br />

sich intensiv mit jüdischer Kultur<br />

und Musik und steht seit Mitte der 80er<br />

Jahre mit verschiedenen Musikern auf der<br />

Bühne. "Roswitha Dasch besticht durch<br />

ihre künstlerische Vielseitigkeit - als Musikerin,<br />

Sängerin, Schauspielerin, Rezitatorin,<br />

Moderatorin und Pädagogin, kurz: Sie<br />

ist eine Allrounderin, ohne je beliebig zu<br />

sein", heißt es in der Begründung der Jury.<br />

Der Kulturpreis der Stadt Wuppertal<br />

wird alle zwei Jahre verliehen, seit 2008<br />

unter dem Namen Von der Heydt-Preis.<br />

Seit 1950 wurden über 100 Persönlichkeiten<br />

und Ensembles mit dem Kulturpreis<br />

ausgezeichnet, darunter Heinrich Böll,<br />

Alice Schwarzer, Pina Bausch,Tony Cragg<br />

und Tom Tykwer. Im Kuratorium des Preises<br />

sitzen acht fachkundige Bürger, die vom<br />

Kulturausschuss gewählt werden, und fünf<br />

Mitglieder, die von den Ratsfraktionen<br />

nominiert werden. Mit dem Preis werden<br />

Künstler ausgezeichnet, die durch ihr Leben<br />

und Wirken mit dem Bergischen Land<br />

verbunden sind. Der Von der Heydt-Preis<br />

ist mit 12.500 Euro dotiert, der Förderpreis<br />

mit 5.000 Euro. Die Preisverleihung<br />

ist für dieses Jahr vorgesehen.<br />

Premieren<br />

im Oktober und November 2012<br />

Trilogie der Sommerfrische<br />

Komödie von Carlo Goldoni<br />

Premiere 11. Oktober 2012 / Opernhaus<br />

Der Barbier von Sevilla<br />

(Il Barbiere di Siviglia) Commedia in zwei<br />

Akten von Gioachino Rossini in italienischer<br />

Sprache mit deutschen Übertiteln<br />

Premiere 20. Oktober 2012 Opernhaus<br />

Vom guten Ton – Die Welt ist voller<br />

Geplapper (Urauführung)<br />

Musiktheater für vier Singstimmen, vier<br />

Bläser und Zupforchester. Musik von Thomas<br />

Beimel, Text von Cornelie Müller<br />

Glückliche Reise<br />

Operette in 3 Akten von Eduard Künneke<br />

Text Max Bertuch und Kurt Schwabach<br />

Premiere 31. 10. 2012 Teo Otto Theater<br />

Remscheid, 18. 11. 2012 Opernhaus<br />

Käthe Hermann<br />

Schauspiel von Anne Lepper, Premiere 24.<br />

November 2012 Kleines Schauspielhaus


Festival 3B<br />

Kammermusik in der Immanuelskirche.<br />

Jungstars der internationalen Klassikelite<br />

zu Gast in Wuppertal vom<br />

22. – 28. Oktober 2012<br />

Kammermusik pur! Ein Festival, das<br />

alle bisherigen Vorstellungen von Klassischer<br />

Kammermusik auf den Kopf stellt.<br />

Nach dem fulminanten Auftakt im Herbst<br />

2011 fi ndet das von der Wuppertaler Bratschistin<br />

Barbara Buntrock initiierte Festival<br />

zum zweiten Mal statt.<br />

Neben den vier Konzerten stehen für das<br />

Publikum ein öffentlicher Meisterkurs<br />

des Leipziger Streichquartetts und ein<br />

Rhythmus-Klang-Workshop, der sich an<br />

Erwachsene und Kinder ab dem Grundschulalter<br />

richtet sowie eine Late-Night-<br />

Lounge-Veranstaltung auf dem Programm.<br />

Neben dem Leipziger Streichquartett,<br />

das aktuell als eines der renommiertesten<br />

Kammermusikensembles weltweit gilt, sind<br />

Jungstars der internationalen Klassikelite zu<br />

Barbara Buntrock. Foto: Sonja Werner<br />

Gast, die allesamt bereits weltweit solistisch<br />

in den größten Konzerthäusern und auf den<br />

prominentesten Klassikfestivals spielen.<br />

Künstler des diesjährigen Festivals sind das<br />

Leipziger Streichquartett mit Stefan Arzberger<br />

(Violine), Tilman Büning (Violine),<br />

Ivo Bauer (Viola) und Matthias Moosdorf<br />

(Violoncello) sowie Alexandra Soumm<br />

(Violine), Agata Szymczewska (Violine),<br />

Erik Schumann (Violine), Werner Dickel<br />

(Viola), David Pia (Violoncello), Isang Enders<br />

(Violoncello), Kit Armstrong (Klavier),<br />

Julien Quentin (Klavier) und die Gastgeberin<br />

Barbara Buntrock (Viola).<br />

Vom 22. bis 28. Oktober kann man<br />

ihre Spielfreude und energiegeladenen<br />

Interpretationen in der Immanuelskirche in<br />

Wuppertal erleben.<br />

Veranstaltungsorte sind die Immanuelskirche<br />

Wuppertal, ein Konzertsaal, der<br />

für seine überragende Akustik international<br />

bekannt ist sowie die Hochschule für Musik<br />

und Tanz Köln, Abteilung Wuppertal.<br />

Alle Programminformationen über www.<br />

festival-3b.de www.festival-3b.de , Tickets<br />

über www.wuppertal-live.de www.wuppertal-live.de/<br />

, die Wuppertaler Vorverkaufsstellen<br />

und die Abendkassen.<br />

Ausstellung<br />

im Skulpturenpark Waldfrieden<br />

Didier Vermeiren<br />

vom 26. 10. 2012 bis 10. 3. 2013<br />

In seinem gesamten Schaffen befragt<br />

Didier Vermeiren die Tradition der<br />

Skulptur und ihrer heutigen Möglichkeiten.<br />

Er gehört einer Generation von Künstlern<br />

an, die seit den 1970er Jahren im Rückgriff<br />

auf das Vermächtnis der Konzeptkunst und<br />

des Minimalismus an einer Neudefi nition<br />

der Dialektik der Kunst gearbeitet haben.<br />

1951 in Brüssel geboren erlangte Vermeiren<br />

in den 1980er Jahren internationale<br />

Bekanntheit durch Werke, die sich der<br />

Frage nach der Bedeutung der Skulpturen<br />

ausgehend von der Plinthe, auf der sie stehen,<br />

nähern. Vermeiren ist Professor an der<br />

Düsseldorfer Kunstakademie, die Ausstellung<br />

seine erste Einzelschau in Deutschland<br />

seit 1993 (damals Haus Lange, Krefeld).<br />

Im Skulpturenpark Waldfrieden, www.<br />

skulpturenpark-waldfrieden.de www.<br />

skulpturenpark-waldfrieden.de/ ; Öffnungszeiten<br />

März bis November<br />

Di – So von 10 bis 18 Uhr; Dezember bis<br />

Februar: Fr – So von 10 bis 17 Uhr<br />

Didier Vermeiren, Étude pour l’Urne #2,<br />

2008, plaster, painted wood, 210,5 x 124,5<br />

x 124,5 cm, © Didier Vermeiren, ADAGP<br />

Sinfonieorchester Wuppertal<br />

Konzerte Oktober/November<br />

So. 28. Oktober 2012, 11 Uhr<br />

2. Sinfoniekonzert<br />

So. 4. November 2012, 11 & 15 Uhr<br />

Mendelssohn Saal<br />

1. Familienkonzert<br />

FELIX UND FANNY AUF REISEN<br />

So. 11. November 2012, 11 Uhr<br />

3. Sinfoniekonzert<br />

Do. 15. Nov. 2012, 10 & 12 Uhr<br />

Mendelssohn Saal<br />

1. Schulkonzert<br />

DIE VIER JAHRESZEITEN<br />

Mo. 19. November 2012, 20 Uhr<br />

Mendelssohn Saal<br />

1. Kammerkonzert<br />

Osthaus Museum Hagen<br />

Norbert Frensch – MalereI<br />

AM RAND DER SICHTBARKEIT<br />

In Duisburg und Hagen eröffnete am<br />

Wochenende eine Ausstellung in grau und<br />

schwarz. Es sind die Farben des Frankfurter<br />

Malers Norbert Frensch<br />

Mehr als ein Jahrzehnt lang glich<br />

Norbert Frenschs Atelier einer Dunkelkammer<br />

– er wollte der Malerei bis an den Rand<br />

der Sichtbarkeit folgen. Frensch (Jahrgang<br />

1960) malte mit Ölfarbe und spiegelnder<br />

Harzlasur ein einziges Motiv: eine schlich te,<br />

69


70<br />

Kulturnotizen<br />

Blick in die Ausstellung mit Werken von<br />

Norbert Frensch im Osthaus Museum Hagen<br />

2012 (© 2012 VG Bild-Kunst Bonn,<br />

Fotografi e: Heike Wippermann, Hagen )<br />

in tiefe Nacht getauchte, silbrig schimmernde<br />

Schale, in deren Oberfl äche sich letzte<br />

Reste des Lichts zu verfangen scheinen.<br />

Das Museum DKM in Duisburg und<br />

das Osthaus-Museum Hagen widmen<br />

Norbert Frensch jetzt eine zweiteilige<br />

Werkschau. Neben den zwischen 1992<br />

und 2004 entstan denen schwarzen Bildern<br />

umfasst sie vor allem die 2004 begonnene<br />

graue Serie. In ihr beschränkt sich Frensch<br />

ebenfalls auf wenige Motive: Auf den Gemälden<br />

einer Werkrei he sind abwechselnd<br />

helle und dunkle Farb streifen zu sehen, die<br />

Licht und Schatten in meditative Bahnen<br />

lenken.<br />

Im privaten Museum DKM, das Frensch<br />

einen ständigen Künstlerraum eingerichtet<br />

hat, sind rund 20 schwarze und graue Bilder<br />

zu sehen. Das Osthaus-Museum zeigt<br />

etwa 50 Werke, darunter ein fast 16 Meter<br />

messendes, für das Haus konzipiertes Breitwand<br />

gemälde, zahlreiche Papierarbeiten,<br />

die „Lasuren“, und einige selten gezeigte,<br />

vor 1992 entstandene abstrakte Bilder.<br />

Termin: bis 26. 11. im Museum DKM<br />

/ bis 30. 9. im Osthaus Museum<br />

www.osthausmuseum.de<br />

Klaus-Peter Kirchner<br />

„Herzensschatzi komm!“<br />

Bilder, Objekte und Installationen<br />

Kunstmuseum Ahlen<br />

28. Oktober 2012 – 20. Januar 2013<br />

Ausgangspunkt für das aktuelle Schaffen<br />

Klaus-Peter Kirchners sind Selbstäußerungen<br />

von Frauen, die im 19. und frühen 20.<br />

Jahrhundert zeitweilig in psychiatrischen<br />

Anstalten lebten und sich mit der Erschaffung<br />

eigener Weltbilder gegenüber den<br />

totalitären Institutionen zu behaupten suchten.<br />

Bereits von den Surrealisten rezipiert,<br />

refl ektiert Kirchner in der Ausstellung über<br />

das Verhältnis von bildnerischem Schaffen<br />

und Emotion, Ästhetisierung als Überlebensprinzip<br />

und das Wesen der Kunst.<br />

„Herzensschatzi komm!“<br />

„Herzensschatzi komm!“ Mit diesem<br />

dringenden Wunsch hat Emma Hauck,<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts Insassin der<br />

Psychiatrischen Klinik Heidelberg, in Briefen<br />

an ihren Mann vergeblich Blatt um Blatt<br />

gefüllt. Als sie im Februar 1908 erstmals in<br />

die Einrichtung kam, war sie seit viereinhalb<br />

Jahren verheiratet und Mutter zweier kleiner<br />

Kinder. Kurz nach ihrer Entlassung wurde<br />

sie für unheilbar krank erklärt und in die<br />

Heilanstalt bei Wiesloch eingewiesen. Dort<br />

starb sie 1920 im Alter von 42 Jahren.<br />

Aus den Briefen der Emma Hauck<br />

sprechen die Sehnsucht nach Zuwendung<br />

und das Leiden an den Geschlechterrollen<br />

der damaligen bürgerlichen Gesellschaft.<br />

Einige der zahlreichen eng beschriebenen<br />

Blätter bestehen aus unleserlichen Wortreihen,<br />

die abstrakte grafi sche Strukturen bilden<br />

und einer modernen Bildsprache ähneln.<br />

Neben vielen anderen solcher ästhetischen<br />

Äußerungen von psychisch Kranken<br />

haben die Blätter Eingang in die berühmte<br />

Sammlung Prinzhorn gefunden. Von dem<br />

an der Heidelberger Klinik arbeitenden<br />

Arzt und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn<br />

zusammengetragen, wurden sie 1922 unter<br />

dem Titel „Bildnerei der Geisteskranken“<br />

veröffentlicht. Die Publikation weckte unter<br />

den Avantgarde-Künstlern jener Zeit große<br />

Aufmerksamkeit. Vor allem den Surrealisten<br />

galt sie als eine Art Bibel. Dessen Vertreter<br />

sahen in der Sammlung einen Akt der Befreiung<br />

von gesellschaftlichen Konventionen;<br />

sie hielten die Bilder für einen unverfälschten<br />

Ausdruck individuellen Gestaltungswillens.<br />

Der in Berlin und Soest lebende<br />

Künstler Klaus-Peter Kirchner hat sich in<br />

seinem aktuellen künstlerischen Schaffen<br />

eingehend mit Selbstäußerungen von Frauen<br />

beschäftigt, die um die Wende vom 19. zum<br />

20. Jahrhundert in psychiatrischen Einrichtungen<br />

lebten und sich mit der Erschaffung<br />

eigener Weltbilder gegenüber den totalitären<br />

Institutionen zu behaupten suchten. Diese<br />

autonomen Individualisierungsbestrebungen<br />

äußern sich auch in den Anagrammen<br />

der surrealistischen Autorin Unica Zürn,<br />

Lebensgefährtin von Hans Bellmer, die unter<br />

Schizophrenie litt. Insbesondere aus ihrer<br />

produktiven Lust an der Zerstörung von<br />

Wörtern und Sinn – die Gedichte bestehen<br />

Zeile für Zeile aus denselben, immer wieder<br />

anders zusammen gesetzten Buchstaben<br />

– schöpft Kirchner für die Ent-wicklung<br />

einer neuen Formensprache. Mit hohem<br />

Assoziationspotential aufgeladene Bilder,<br />

Objekte, Zeichen und Symbole löst er aus<br />

ihrem ursprünglichen Kontext, um sie in<br />

völlig neue Zusammenhänge zu setzen.<br />

Die in den letzten Jahren entstandenen<br />

Arbeiten sind eindringliche Plädoyers für<br />

künstlerische Freiheit. Angeregt von den<br />

Ergebnissen seiner Kurse für künstlerisch<br />

begabte Menschen mit geistiger Beeinträchtigung,<br />

rührt Kirchner mit seinen Werken<br />

an existentielle Befi ndlichkeiten als Quelle<br />

der Kreativität. Eigens für die Ausstellung<br />

im Kunstmuseum Ahlen geschaffene Bilder,<br />

Objekte und Installationen treten mit älteren<br />

Arbeiten in einen Dialog und eröffnen<br />

Räume für umfassende ästhetische Erlebensmomente.<br />

Klaus-Peter Kirchner fragt nach<br />

dem Ursprung der Bilder und dem Wesen<br />

der Kunst, nach der Grenze zwischen Norm<br />

und Abweichung und nach dem Verhältnis<br />

von Ästhetik und Emotion. Zur Ausstellung<br />

erscheint ein umfangreicher zweibändiger<br />

Katalog.<br />

Museum Schloß Moyland<br />

KUNST. BEWEGT. 02<br />

Joseph Beuys und der Schwan<br />

29. September 2012 bis März 2013<br />

Mit dieser Präsentation stellt das Museum<br />

Schloss Moyland ein rätselhaftes und<br />

Joseph Beuys, abgestürzter Schwan, 1959<br />

© VG Bild-Kunst, Bonn 2012


vielschichtiges Thema aus dem Schaffen<br />

von Joseph Beuys vor. Dem Schwan kam<br />

bereits in der Antike, der germanischen<br />

Mythologie, aber auch für die Stadt Kleve,<br />

in der Joseph Beuys aufgewachsen ist, große<br />

Bedeutung zu. Zeitgleich erscheint im<br />

Richter Verlag, Düsseldorf, die Publikation<br />

von Heribert Schulz „Joseph Beuys und<br />

der Schwan“.<br />

Stiftung Museum Schloss Moyland<br />

Sammlung van der Grinten<br />

Joseph Beuys Archiv des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Am Schloss 4, 47551 Bedburg-Hau<br />

www.moyland.de/ausstellungen<br />

Städt. Galerie Villa Zanders<br />

Salonstücke RELOADED<br />

Künstlerräume<br />

28. 9. 2012 – 13. 1. 2013<br />

Dieter Froelich, Tina Haase, Karin<br />

Hochstatter, Anette Lauer, Axel Lieber, Andrea<br />

Ostermeyer, Klaus Schmitt, Heike Weber<br />

Anette Lauer, Salonstücke 4, 1996 (© VG<br />

Bild-Kunst, Foto: D. Janecek)<br />

In den neunziger Jahren fanden unter<br />

dem Titel „Salonstücke“ Rauminstallationen<br />

im Grünen Salon der Städtischen<br />

Galerie Villa Zanders statt. Mit diesen<br />

Installationen machte das neu eröffnete<br />

Museum sich seinerzeit in Kunstkreisen<br />

schnell einen Namen. Zahlreiche Magazine<br />

druckten die eindrucksvollen Werke ab,<br />

so dass das großbürgerliche Ambiente im<br />

Kontrast mit zeitgenössischer Kunst überregional<br />

publik wurde.<br />

Die Künstlerinnen und Künstler<br />

standen damals am Anfang ihrer Karriere,<br />

heute gehören sie zur internationalen<br />

Avantgarde. Zum zwanzigjährigen Jubiläum<br />

der Städtischen Galerie Villa Zanders<br />

knüpfen wir an diese erfolgreiche Reihe<br />

mit einer Neupräsentation der damaligen<br />

Teilnehmer an.<br />

Gezeigt werden Skulptur, Malerei,<br />

Zeichnung und Video sowie neue raum-<br />

bezogene Werke, in denen sowohl eine<br />

Kontinuität zum ehemaligen Salonstück<br />

als auch der innovative Ansatz eines jeden<br />

Werkes spürbar wird.<br />

Eintritt: 4 Euro / ermäßigt 2 Euro<br />

Städtische Galerie Villa Zanders<br />

Konrad - Adenauer - Platz 8<br />

51465 Bergisch Gladbach<br />

www.villa-zanders+de<br />

Museum Ostwall Dortmund<br />

Fluxus<br />

Zwei Ausstellungen im Dortmunder U<br />

In diesem Jahr wäre der amerikanische<br />

Komponist John Cage 100 Jahre alt<br />

geworden, zudem gab es vor 50 Jahren<br />

erstmals Fluxus-Konzerte in Deutschland.<br />

Beides ist Anlass genug, das Dortmunder<br />

U mit zwei Ausstellungen vom 25.<br />

August 2012 bis zum 6. Januar 2013 ganz<br />

unter das Zeichen von Fluxus und John<br />

Cages Einfl uss auf zeitgenössische Künstler<br />

zu stellen.<br />

Das Museum Ostwall zeigt mit FLU-<br />

XUS – Kunst für Alle! ein variationsreiches<br />

Spektrum künstlerischen Schaffens aus<br />

dem Fluxus-Zusammenhang. Mit der Präsentation<br />

von Werken aus der Sammlung<br />

Feelisch und der Sammlung Braun/Lieff<br />

werden erstmals zwei umfassende Kollektionen<br />

mit dem Schwerpunkt Fluxus<br />

zusammengebracht.<br />

Milan Knížák: Ein fl iegendes Buch<br />

(Flying Book), 1965/70 - Exponat der<br />

Sonderausstellung „FLUXUS - Kunst für<br />

Alle!“ im Museum Ostwall.<br />

Bildlizenz: Alle Rechte vorbehalten VG<br />

BILD-KUNST, Bonn 2012 / Foto:<br />

Jürgen Spiler<br />

Leonie-Reygers-Terrasse,<br />

44137 Dortmund<br />

www.dortmund.de/de/freizeit_und_<br />

kultur/museen/museum_ostwall<br />

Der neue<br />

Pina Bausch-<br />

Kalender<br />

Fotografi en von Jochen Viehoff<br />

2013<br />

Pina Bausch<br />

Tanztheater Wuppertal<br />

Ab 15. Oktober<br />

im Buchhandel<br />

18,90 Euro<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong><br />

Friedrich-Engels-Allee 122<br />

42285 Wuppertal<br />

Telefon 0202 - 28 10 40<br />

verlag@hpnackekg.de<br />

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72<br />

Kulturnotizen<br />

Paul Cézanne (1839–1906), Stillleben<br />

mit Äpfeln, 1893/94, The J. Paul Getty<br />

Museum, Los Angeles<br />

Wallraf-Richartz-Museum Köln<br />

1912 – Mission Moderne<br />

Noch bis zum 30. Dezember 2013<br />

Die Jahrhundertschau des Sonderbundes.<br />

Große Retrospektive mit van Gogh, Gauguin,<br />

Picasso, Munch & Co<br />

Vor 100 Jahren fand in Köln eine der<br />

wichtigsten Ausstellungen der jüngeren<br />

Kunstgeschichte statt. Die heute<br />

legendäre Kölner Sonderbundausstellung<br />

war im Sommer 1912 angetreten,<br />

dem konservativen Kaiserreich die<br />

moderne Kunst nahe zu bringen – mit<br />

durchschlagendem Erfolg. Die Schau<br />

wurde in Deutschland zum wichtigsten<br />

Wegbereiter für die Moderne. Qualität<br />

und Quantität der Exponate waren<br />

atemberaubend. Rund 650 Kunstwerke<br />

– darunter alleine 130 Gemälde von<br />

van Gogh, 26 von Cézanne, 25 von<br />

Gauguin, 32 von Munch und 16 von<br />

Picasso – waren in der eigens für die<br />

Schau errichteten Ausstellungshalle zu<br />

sehen. Das Spektrum der ausgestellten<br />

Kunst reichte vom Postimpressionismus<br />

bis hin zum deutschen Expressionismus,<br />

den jungen Malern der Brücke und des<br />

Blauen Reiters.<br />

Anlässlich des Jubiläums der Sonderbundausstellung<br />

zeigt das Wallraf<br />

mit „1912 – Mission Moderne“ bis<br />

zum 30. Dezember 2012 einen spektakulären<br />

Rückblick auf diese Jahrhun-<br />

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Henri-Edmond Cross, Die Lichtung,<br />

1906/07, Wallraf-Richartz-Museum &<br />

Fondation Corboud, Köln<br />

dertschau. Mit mehr als hundert Meisterwerken,<br />

die damals zu sehen waren, wird<br />

die ursprüngliche Ausstellung in ihren<br />

Schwerpunkten und Zielsetzungen<br />

rekonstruiert. Die hochkarätigen Exponate<br />

kommen aus der ganzen Welt nach Köln.<br />

www.wallraf.museum<br />

„Ein Bild ohne Rahmen<br />

ist wie eine Seele ohne Körper“<br />

Vincent van Gogh<br />

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Kunstsammlung NRW<br />

100 x Paul Klee<br />

29. September 2012 bis zum 10. Februar<br />

2013 im K21<br />

Die Paul Klee-Sammlung in der<br />

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen<br />

gehört zu den umfangreichsten Beständen<br />

mit Arbeiten dieses Künstlers in Deutschland.<br />

Den Grundstock für den Düsseldorfer<br />

Bestand bildeten 88 Werke, die das<br />

Land Nordrhein-Westfalen im Jahr 1960<br />

erworben hatte. Heute zählt die Samm<br />

lung 100 Arbeiten, die regional Paul Klee,<br />

und international einen bedeutenden<br />

Anziehungspunkt darstellen. Noch nie<br />

wurden in Düsseldorf seit Errichtung<br />

Verlag <strong>HP</strong> <strong>Nacke</strong> Wuppertal<br />

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Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen,<br />

erworben 1960<br />

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des Baus am Grabbeplatz 1986 alle 100<br />

Werke gemeinsam der Öffentlichkeit<br />

präsentiert. Die einzigartige Möglichkeit,<br />

dem Publikum die vollständige Kollektion<br />

zu zeigen, bietet neue Erkenntnisse.<br />

Die Ausstellung „100 x Paul Klee –<br />

Geschichte der Bilder“ eröffnet am 28.<br />

September 2012 in K21 Ständehaus.<br />

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen,<br />

Grabbeplatz 5, 40213 Düsseldorf<br />

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Bitte haben Sie Verständnis dafür. dass wir den Betrag nur per Lastschrift<br />

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Sie können das Abnonnement jederzeit kündigen und diese<br />

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