Erbengemeinschaft und Willensvollstrecker
Erbengemeinschaft und Willensvollstrecker
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Inhalt<br />
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
HANS RAINER KÜNZLE<br />
I. Die <strong>Erbengemeinschaft</strong> 159<br />
1. Gemeinsames Eigentum 160<br />
2. Gemeinsames Handeln 160<br />
3. Gemeinsames Prozessieren 162<br />
4. Ausnahme: Handeln durch einzelne Erben 162<br />
5. Sonderfall: Fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong> 163<br />
II. Der <strong>Willensvollstrecker</strong> 164<br />
1. Verbesserung der Handlungsfähigkeit der <strong>Erbengemeinschaft</strong> 164<br />
2. Verwaltung des Nachlasses 165<br />
3. Erbteilung 166<br />
4. Mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong> 170<br />
5. Stellung im Erbschaftssteuerverfahren 173<br />
I. Die <strong>Erbengemeinschaft</strong><br />
Über die <strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> den <strong>Willensvollstrecker</strong> könnte man ganze<br />
Bücher schreiben <strong>und</strong> nicht nur einen kurzen Aufsatz. Nachfolgend soll das Zusammenwirken<br />
des Individuums (<strong>Willensvollstrecker</strong>) mit der Gemeinschaft<br />
(<strong>Erbengemeinschaft</strong>) etwas ausgeleuchtet werden, wobei es in erster Line darum<br />
geht, die beiden Tätigkeitsfelder voneinander abzugrenzen.<br />
159
HANS RAINER KÜNZLE<br />
1. Gemeinsames Eigentum<br />
Mit dem Tod des Erblassers gehen alle seine Rechte <strong>und</strong> Pflichten, 1 „die ganze<br />
Rechtsposition des Erblassers“, 2 soweit möglich 3 gesamthaft (direkt) auf die<br />
Erben über <strong>und</strong> zwar auf dem Weg der sog. Universalsukzession (Art. 560<br />
Abs. 1 ZGB). 4 Diese Gesamtnachfolge bedeutet, „dass die der Vererbung unterliegenden<br />
vermögensrechtlichen Beziehungen des Erblassers als Einheit auf<br />
den Erben übergehen, kraft eines aus dem Erbrecht fliessenden Gesamtanspruchs“.<br />
5<br />
Die Universalsukzession hängt mit der Freiheit des Eigentums zusammen. Dies<br />
bedeutet, dass sich die Erben bei der Verfügung über den Nachlass – abgesehen<br />
von den Rechten der Vermächtnisnehmer – keine Beschränkungen gefallen lassen<br />
müssen. Sie bedeutet weiter, dass die Erben die Erbteilung selbständig<br />
bestimmen, also (einverständlich) auch gegen den Willen des Erblassers teilen<br />
können. 6<br />
2. Gemeinsames Handeln<br />
Mehrere Erben bilden notwendigerweise eine Gemeinschaft, die sog. <strong>Erbengemeinschaft</strong>.<br />
7 Dabei handelt es sich um eine Gesamthandsgemeinschaft, 8 deren<br />
1<br />
Vgl. Art. 560 Abs. 2 ZGB: „Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen,<br />
das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte <strong>und</strong> der Besitz des Erblassers ohne weiteres<br />
auf sie über, <strong>und</strong> die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben“.<br />
2<br />
JEAN NICOLAS DRUEY, Gr<strong>und</strong>riss des Erbrechts, Bern 5. Aufl., 2002, § 13 N 17.<br />
3<br />
Ausgenommen sind höchstpersönliche Rechte wie zum Beispiel das Privatstrafklagerecht, vgl. ZR<br />
76 (1977) 170 Erw. 4 Nr. 66 = SJZ 74 (1978) 59 Nr. 17; die Übertragung ist nur beschränkt möglich<br />
bei öffentlich-rechtlichen Stellungen, vgl. DRUEY (FN 2), § 13 N 18 ff.<br />
4<br />
Vgl. PAUL PIOTET, Schweizerisches Privatrecht, Band IV: Erbrecht, 1. Halbband, Basel/Stuttgart<br />
1978, <strong>und</strong> Nachtrag zum Band IV/1, Basel/Frankfurt am Main 1986, § 3 I B.<br />
5<br />
ARNOLD ESCHER, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band III: Erbrecht, 2. Abteilung:<br />
Der Erbgang (Art. 537–640), 3. Aufl., Zürich 1960, Vorbem. zu Art. 560–579 ZGB N 2.<br />
6<br />
Vgl. ALEXANDER BECK, Historisches <strong>und</strong> Rechtsvergleichendes zur Stellung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s,<br />
ZBJV 84 (1948) 7 ff.<br />
7<br />
Vgl. DRUEY (FN 2), § 4 N 9; PIOTET (FN 4), § 3 II.<br />
8<br />
Vgl. PETER TUOR/VITO PICENONI, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das<br />
Erbrecht, 2. Abteilung: Der Erbgang (Art. 537–640 ZGB), Bern 1973, Vorbem. zu Art. 602–606<br />
ZGB N 7; ESCHER (FN 5), Art. 602 ZGB N 2; WALTHER HÄRTSCH, Die Rechte der Gläubiger<br />
an einer Gemeinschaft in der ihr Schuldner steht, St. Gallen 1914 (Diss. Bern), 61: „Gab das römische<br />
Recht jedem Erben einen Anteil (pars pro indiviso) zu freier Verfügung, so hat die germanische<br />
Auffassung, der unser Recht gefolgt ist, Gesamteigentum geschaffen“.<br />
160
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
Regeln sich teilweise aus dem Erbrecht (Art. 602 Abs. 2 ZGB) <strong>und</strong> teilweise<br />
aus dem Sachenrecht (Art. 652–654 ZGB) ergeben. 9<br />
In Art. 602 Abs. 2 ZGB ist der Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbschaftsverwaltung,<br />
festgehalten, der bedeutet, dass die Erben den Nachlass selbst gesamthänderisch<br />
verwalten können. 10 Das Gesetz schreibt – im Gegensatz zu anderen Gesamthandgemeinschaften<br />
– keine notwendigen Organe vor. 11 Die wichtigsten<br />
Regeln lauten: Der einzelne Erbe hat „keine individuellen Titel an der Erbschaft“,<br />
12 die Erben sind vielmehr Eigentümer zur gesamten Hand 13 <strong>und</strong> können<br />
nur gemeinsam über die Erbschaft verfügen. 14 Jeder Erbe haftet solidarisch <strong>und</strong><br />
persönlich mit seinem ganzen Vermögen (Art. 603 ZGB).<br />
In Art. 607 Abs. 2 ZGB ist der Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbteilung festgehalten,<br />
der bedeutet, dass die Erben ihre Erbanteile selbst aus dem Nachlass zusammenstellen<br />
können: 15 „Die Erben bestimmen ... (1) ob, (2) wann, (3) wie, (4) zu<br />
welchem Anrechnungswert ... geteilt wird“. 16 Hintergr<strong>und</strong> für dieses Prinzip<br />
bildet der in Art. 607 Abs. 1 ZGB festgehaltene <strong>und</strong> in Art. 610 Abs. 1 ZGB für<br />
einen besonderen Fall wiederholte Gr<strong>und</strong>satz der Gleichbehandlung (Gleichberechtigung)<br />
der Erben 17 bei der Teilung: Gr<strong>und</strong>sätzlich haben alle Erben den<br />
gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft. 18<br />
9<br />
Vgl. DRUEY (FN 2), § 4 N 9; PIOTET (FN 4), § 3 II.<br />
10<br />
Vgl. ESCHER (FN 5), Art. 602 ZGB N 12.<br />
11<br />
Vgl. TUOR/PICENONI (FN 8), Art. 602 ZGB N 21.<br />
12<br />
DRUEY (FN 2), § 4 N 9.<br />
13<br />
Vgl. DRUEY (FN 2), § 4 N 9; PIOTET (FN 4), § 3 II: „Gesamteigentümer“; TUOR/PICENONI<br />
(FN 8), Vorbem. zu Art. 602–606 ZGB N 7.<br />
14<br />
Vgl. PKG 1983, 64 Nr. 11: Teilnahme aller Erben an der Vermittlungsverhandlung; PIOTET<br />
(FN 4), § 84 II B.<br />
15<br />
Vgl. BGE 114 II 419 Erw. 2a = JdT 137 (1989) I 579 = Pra. 78 (1989) 575 Nr. 169 = ZBGR 72<br />
(1991) 29 Nr. 5; RVJ 1988, 298 Erw. 4a: „Autant donc que les héritiers sont d’accord au sujet du<br />
partage, seule leur volonté importe“.<br />
16<br />
PETER BREITSCHMID, Die Stellung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s in der Erbteilung, in: Praktische<br />
Probleme der Erbteilung, hrsg. von JEAN NICOLAS DRUEY <strong>und</strong> PETER BREITSCHMID, St. Gallen<br />
1997, 141 f.<br />
17<br />
Vgl. BREITSCHMID (FN 16), 123 f., welcher folgende Ausnahmen nennt: Interessengeb<strong>und</strong>ene<br />
Verwaltung ist zulässig, wenn eine Teilungsvorschrift zu vollziehen ist oder wenn ein Erbe an<br />
der Verwaltung eines ihm zugedachten Unternehmens beteiligt wird.<br />
18<br />
Vgl. BGE 112 II 211 Erw. 2b = Pra. 75 (1985) 816 Nr. 235: Versteigerung vor Klärung der güterrechtlichen<br />
Teilung ist unzulässig; BGE 100 II 443 f. Erw. 4 = JdT 123 (1975) I 547 = ZBGR<br />
57 (1976) 108 Nr. 21; BGE 97 II 20 Erw. 4 = JdT 121 (1973) I 43 = Pra. 60 (1971) 535 Nr. 169<br />
= ZBGR 53 (1972) 117 Nr. 11: Gleichwertige Aufteilung von Losen.<br />
161
HANS RAINER KÜNZLE<br />
3. Gemeinsames Prozessieren<br />
In prozessualer Hinsicht bilden die Mitglieder der <strong>Erbengemeinschaft</strong> eine<br />
notwendige Streitgenossenschaft. 19 Sie müssen dennoch nicht in jedem Fall eine<br />
einzige Partei bilden, sondern es genügt, wenn sämtliche Mitglieder der <strong>Erbengemeinschaft</strong><br />
irgendwie am Prozess beteiligt sind, sei es als Kläger, Beklagte<br />
oder solche, die zuhanden des Gerichts eine Erklärung abgeben, wonach sie<br />
sich dem Ergebnis des Prozesses unterziehen werden. 20<br />
4. Ausnahme: Handeln durch einzelne Erben<br />
Der einzelne Erbe hat auch für kleinere, zur ordentlichen Verwaltung gehörende<br />
Geschäfte, keine Vertretungsmacht, 21 wohl aber für Geschäfte im Zusammenhang<br />
mit dem Begräbnis 22 <strong>und</strong> (sonstige) dringende Geschäfte. 23 Weiter<br />
können nach Art. 65 Abs. 3 SchKG Betreibungsurk<strong>und</strong>en einem einzelnen Erben<br />
zugestellt werden <strong>und</strong> nach Art. 145 Abs. 2 OR kann ein einzelner Erbe,<br />
der von einem Erbschaftsgläubiger aufgefordert wird, eine Nachlassschuld zu<br />
bezahlen, die Einreden aller Erben entgegenhalten. 24<br />
Jeder einzelne Erbe kann (von den anderen Erben <strong>und</strong> Dritten) Auskunft verlangen,<br />
soweit seine eigene Rechtsposition betroffen ist, weil nicht einzusehen ist,<br />
19<br />
Vgl. BGE 89 II 429.<br />
20<br />
Vgl. dazu BGE 100 II 441 f. Erw. 1 = JdT 123 (1975) I 545 f. = ZBGR 57 (1976) 106 Nr. 21:<br />
Erklärung; BGE 93 II 14 ff. Erw. 2b = JdT 115 (1967) I 545 f. = Pra. 56 (1967) 256 Nr. 80: „im<br />
Namen aller Erben“; BGE 89 II 434 ff. Erw. 4 = JdT 112 (1964) I 369 f. = Pra. 53 (1964) 83 f.<br />
Nr. 50: Erklärung; BGE 86 II 455 Erw. 3 = JdT 109 (1961) I 469 = Pra. 50 (1961) 266 Nr. 90 =<br />
ZBGR 45 (1964) 208 Nr. 28: „mit dem Rechtsbegehren … einverstanden erklärt“; BGE 75 II<br />
198 f. Erw. 1 = JdT 98 (1950) I 69 = Pra. 38 (1949) 412 Nr. 141: „sämtliche Erben zu Worte<br />
kommen“; BGE 74 II 216 ff. Erw. 2-4 = JdT 97 (1949) I 266 ff. = Pra. 38 (1949) 108 f. Nr. 40:<br />
„drei Miterben aber sind der Klage nicht beigetreten, noch haben sie zu den Anträgen der Klage<br />
irgendwie Stellung bezogen“; BGE 74 II 220 Erw. 1 = JdT 97 (1949) I 291: Erklärung; BGE 72<br />
II 346 Erw. a = JdT 95 (1947) I 53 = Pra. 35 (1946) 454 Nr. 191: „auch gegen die übrigen Miterben<br />
hätte gerichtet werden müssen“; BGE 54 II 243 f. = Pra. 17 (1928) 470 f. Erw. 2 Nr. 162:<br />
„zwei gegen den dritten Miterben vorgehen“.<br />
21<br />
Vgl. THOMAS LEIMGRUBER, Die Befugnisse des einzelnen Miterben beim Erbgang <strong>und</strong> bei der<br />
Nachlassverwaltung, Basel/Stuttgart 1978, 49 f.<br />
22<br />
Vgl. BGE 54 II 90 = JdT 76 (1928) I 354 = Pra. 17 (1928) 345 Nr. 115 = ZBGR 24 (1943) 105<br />
Nr. 29: „Auslagen für Leichenmahl <strong>und</strong> Grabstein“; BGE 54 II 92 Erw. 1: „Wer eine Person, für<br />
die er unterstützungspflichtig war, bestatten lässt, handelt somit als Vertreter ihrer Erbschaft <strong>und</strong><br />
kann sich aus dem Nachlass bezahlt machen“.<br />
23<br />
Vgl. LEIMGRUBER (FN 21), 50 ff.; kritisch dazu PIOTET (FN 4), § 85 IV A <strong>und</strong> E.<br />
24 Vgl. PIOTET (FN 4), § 85 III.<br />
162
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
„wieso diese Orientierung Rechte eines Miterben beeinträchtigen sollte“. 25 Der<br />
Umstand, dass eine Information sich zu Lasten eines anderen Erben auswirkt,<br />
ändert nichts an der Auskunftspflicht. 26 Dabei handelt es sich aber nicht um eine<br />
eigentliche Ausnahme, weil es nur um das Zugänglichmachen von Informationen<br />
<strong>und</strong> nicht um Handlungen betreffend den Nachlass geht.<br />
5. Sonderfall: Fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong><br />
Kommt (mit oder ohne Mitwirkung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s) 27 ein Nichtteilungsvertrag<br />
zustande 28 (fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong>), 29 ist der Willensvoll-<br />
25<br />
BGE 82 II 567 Erw. 7 = JdT 107 (1959) I 137 = Pra. 46 (1957) 14 Nr. 4; weiter vgl. WALTER<br />
FELLMANN, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band VI: Das Obligationenrecht,<br />
2. Abteilung: Die einzelnen Vertragsverhältnisse, 4. Teilband: Art. 394–406 OR, Bern 1992,<br />
Art. 400 OR N 103.<br />
26<br />
Vgl. BREITSCHMID (FN 16), 118.<br />
27<br />
Vgl. MARTIN KARRER, Kommentar zu Art. 517 f. <strong>und</strong> Art. 551–559 ZGB, in: Kommentar zum<br />
Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II (Art. 457–977, Art. 1–61<br />
SchlT), hrsg. von HEINRICH HONSELL, PETER NEDIM VOGT <strong>und</strong> THOMAS GEISER, 2. Aufl., Basel/Genf/<br />
München 2003, Art. 518 ZGB N 67.<br />
28<br />
Durch Vertrag kann auch ein einzelner Erbe ausscheiden, vgl. DIETER ZOBL, Änderungen im<br />
Personenbestand von Gesamthandschaften, Zürich 1973 (Diss. Zürich 1973), 101 <strong>und</strong> 103 ff.<br />
29<br />
Vgl. ZVW 5 (1950) 99 f.: Fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong> über einen Viertel des Erbes; die fortgesetzte<br />
<strong>Erbengemeinschaft</strong> ist ebenfalls eine Gesamthandsgemeinschaft, vgl. MARTHA KRA-<br />
MER, Die Auseinandersetzung der Gesamthandgemeinschaften im schweizerischen Recht, Lachen<br />
1943 (Diss. Zürich 1943), 9, <strong>und</strong> den leading case BGE 61 II 38; nach DIETER MOOR, Die<br />
fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong>, Diss. Basel 1971 (MaschSchr.), 70 f., ist eine fortgesetzte <strong>Erbengemeinschaft</strong><br />
nicht möglich, wenn der <strong>Willensvollstrecker</strong> mit der Durchführung der Teilung<br />
beauftragt wurde oder eine Nichtteilung sonst dem Willen des Erblassers zuwiderlaufen würde;<br />
dies wird heute anders gesehen: Die Erben können dank weitgehender Freiheit der Erbteilung<br />
(vorne, I.2.) über das weitere Schicksal des Nachlasses bestimmen.<br />
163
HANS RAINER KÜNZLE<br />
strecker daran geb<strong>und</strong>en, 30 auch wenn die Einigung von den Anordnungen des<br />
Erblassers abweicht, 31 es sei denn, sie sei widerrechtlich 32 oder unsittlich. 33<br />
II. Der <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
1. Verbesserung der Handlungsfähigkeit der <strong>Erbengemeinschaft</strong><br />
Der Einsatz eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s führt zur rechtlichen <strong>und</strong> faktischen 34<br />
Verbesserung der Handlungsfähigkeit der <strong>Erbengemeinschaft</strong>, 35 damit sollen<br />
vor allem (tatsächlich <strong>und</strong> rechtlich) komplizierte Verhältnisse in geordneter<br />
<strong>und</strong> zweckmässiger Weise geregelt werden. 36 Das zeigt sich alleine schon dar-<br />
30 Vgl. BGE 108 II 538 Erw. 2c = JdT 131 (1983) I 593 = Pra. 72 (1983) 480 Nr. 177 = ZBGR 66<br />
(1985) 247 Nr. 51: „Dass der <strong>Willensvollstrecker</strong> verpflichtet ist, sich nach den Wünschen der<br />
Erben zu erk<strong>und</strong>igen <strong>und</strong> ihnen bei seinem Vorgehen im Hinblick auf die Teilung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
Rechnung zu tragen, wird auch von der Lehre angenommen“; diese Entscheidung ist zusammenfassend<br />
auch in BN 45 (1984) 416 Nr. 13 abgedruckt; BGE 97 II 17 Erw. 3 = JdT 121 (1973) I<br />
40 = Pra. 60 (1971) 533 Nr. 169 = ZBGR 53 (1972) 114 Nr. 11: „Für einen <strong>Willensvollstrecker</strong>,<br />
der die Erbteilung mangels besonderer Anordnungen des Erblassers nach Vorschrift des Gesetzes<br />
auszuführen hat, bedeuten diese Regeln in erster Linie, dass er in allen Punkten über welche<br />
die Erben einig sind, deren Willen zu respektieren hat“; PIOTET (FN 4), § 24 III C 2; THOMAS<br />
HUX, Die Anwendbarkeit des Auftragsrechts auf die Willensvollstreckung, die Erbschaftsverwaltung,<br />
die Erbschaftsliquidation <strong>und</strong> die Erbenvertretung, Entlebuch 1985 (Diss. Zürich 1985),<br />
41; JÜRG CHRISTIAN SCHÄRER, Der Gr<strong>und</strong>satz der materiellen Höchstpersönlichkeit der letztwilligen<br />
Verfügung, Zürich 1973 (Diss. Bern 1973), 156.<br />
31 Vgl. KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 57 m.w.N.; PIOTET (FN 4), § 108 I; LIONEL HARALD<br />
SEEBERGER, Die richterliche Erbteilung, 2. Aufl., Freiburg i.Ue. 1993 (Diss. Freiburg i.Ue. 1992),<br />
27; ORLANDO CANOVA, Die amtliche Mitwirkung bei der Erbteilung gemäss Art. 609 ZGB,<br />
Zürich 1947 (Diss. Zürich 1947), 79 ff.; der Erblasser kann die Erben nicht dazu zwingen, die<br />
Gemeinschaft auf bestimmte oder unbestimmte Zeit fortzusetzen, vgl. (für das BGB) KARL HAE-<br />
GELE, Recht des Testamentsvollstreckers zu unentgeltlichen Verfügungen <strong>und</strong> zur Erbteilung bei<br />
Dauervollstreckung, BWNotZ 35 (1969) 270; offen gelassen in ZBGR 34 (1953) 252 Nr. 56.<br />
32<br />
Vgl. SEEBERGER (FN 31), 26; auf dem Gebiet des Erbrechts ist vor allem ein Verstoss gegen<br />
zwingende Bestimmungen zu prüfen; weiter vgl. BREITSCHMID (FN 16), 145: Der <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
darf „auf eine vollstreckbare <strong>und</strong> formal taugliche Abmachung pochen“.<br />
33<br />
Vgl. PIOTET (FN 4), § 24 III D.<br />
34<br />
Neben der fehlenden Einstimmigkeit der Erben ist auch an abwesende oder unbekannte Erben zu<br />
denken, vgl. ZR 67 (1968) 366 Erw. 1 Nr. 123.<br />
35<br />
Vgl. AR-GVP 1988, 118 Nr. 1083; HEINZ HAUSHEER, Erbrechtliche Probleme des Unternehmers,<br />
Bern 1970(Habil. Bern), 73: Der <strong>Willensvollstrecker</strong> soll „Uneinigkeit unter den Erben<br />
verhindern oder überbrücken helfen. Er soll für einen geordneten Ablauf des Erbganges ... besorgt<br />
sein“.<br />
36<br />
Vgl. SG-KGE 1938, 11 Nr. 2 = SJZ 36 (1939/40) 126 Nr. 90 = ZBGR 26 (1945) 258 Nr. 71.<br />
164
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
an, dass ein <strong>Willensvollstrecker</strong>ausweis in wenigen Tagen zur Verfügung<br />
steht, 37 während das Ausstellen einer Erbbescheinigung deutlich mehr Zeit in<br />
Anspruch nimmt.<br />
2. Verwaltung des Nachlasses<br />
Durch den Einsatz eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s wird die vorne 38 beschriebene<br />
Wirkung der Universalsukzession eingeschränkt, indem das Eigentum am<br />
Nachlass zwar auf die Erben übergeht, aber der Besitz <strong>und</strong> die Verwaltung des<br />
Nachlasses 39 ihnen sogleich wieder entzogen werden: Die Vertretungs- <strong>und</strong><br />
Verfügungsbefugnis des <strong>Willensvollstrecker</strong>s sind exklusiv. 40 „Durch die Ernennung<br />
eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s werden die Rechte der Erben am Nachlass<br />
ähnlich wie durch eine Auflage eingeschränkt“. 41 Der <strong>Willensvollstrecker</strong> verträgt<br />
sich nicht mit der Universalsukzession, weil er ein Institut der Singularsukzession<br />
ist. 42 Der <strong>Willensvollstrecker</strong> stammt nicht (wie die Universal-<br />
37<br />
Vgl. dazu ausführlicher HANS RAINER KÜNZLE, Anfang <strong>und</strong> Ende der Willensvollstreckung, in:<br />
Festschr. für Ernst A. Kramer, hrsg. von HEINRICH HONSELL, ROGER ZÄCH, FRANZ HASENBÖH-<br />
LER, FRIEDRICH HARRER <strong>und</strong> RENÉ RHINOW, Basel/Genf/München 2004, 377 f.<br />
38<br />
Vgl. vorne, I.1.<br />
39<br />
Vgl. BGE 90 II 381 Erw. 2 = JdT 113 (1965) I 341 = Pra. 54 (1965) 120 Nr. 36: Dem <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
steht „das Recht zur Verwaltung des Nachlasses <strong>und</strong> den mit dessen Abwicklung<br />
verb<strong>und</strong>enen Verfügungen ausschliesslich zu <strong>und</strong> ist den Erben für die Dauer der Willensvollstreckung<br />
entzogen (Art. 602 Abs. 2 ZGB)“; SG-KGE 1938, 11 Nr. 2 = SJZ 36 (1939/40) 126<br />
Nr. 90 = ZBGR 26 (1945) 25 Nr. 71: „Den Erben ist zwar nicht das Recht auf Substanz des<br />
Nachlasses, wohl aber das ihnen bei Nichtbestehen einer Willensvollstreckung zukommende<br />
Recht auf Verwaltung <strong>und</strong> Verfügung über den Nachlass während der Dauer der Willensvollstreckung<br />
entzogen“.<br />
40<br />
Vgl. dazu ausführlicher HANS RAINER KÜNZLE, Der <strong>Willensvollstrecker</strong> im schweizerischen<br />
<strong>und</strong> US-amerikanischen Recht, Zürich 2000, 246 <strong>und</strong> 255.<br />
41<br />
BGE 48 II 311 Erw. 1 = JdT 71 (1923) I 293 = Pra. 11 (1922) 412 Nr. 166 = ZBGR 27 (1946)<br />
234 Nr. 80.<br />
42<br />
Vgl. VITO PICENONI, Probleme aus der Willensvollstreckung, ZBGR 50 (1969) 161.<br />
165
HANS RAINER KÜNZLE<br />
sukzession) aus dem römischen Recht, 43 sondern wurde im kanonischen <strong>und</strong><br />
germanischen Recht ausgebildet. 44<br />
Der <strong>Willensvollstrecker</strong> handelt (im Rahmen seiner Aufgabe) frei <strong>und</strong> kann –<br />
sofern dies etwa zur Erfüllung eines Vermächtnisses oder zur Bezahlung einer<br />
Schuld notwendig ist – auch eine Liegenschaft veräussern. 45 Das zeigt, dass die<br />
dem <strong>Willensvollstrecker</strong> zugestandene Erbschaftsverwaltung durchaus auch die<br />
Erbteilung beeinflussen kann. Soweit keine Interessen von Vermächtnisnehmern<br />
oder Dritten im Spiel sind, wird sich der <strong>Willensvollstrecker</strong> bei der Verwaltung<br />
des Nachlasses allerdings an die Erben halten <strong>und</strong> ihren gemeinsamen<br />
Willen befolgen.<br />
3. Erbteilung<br />
Der vorne 46 erwähnte Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbteilung ist gr<strong>und</strong>sätzlich auch<br />
vom <strong>Willensvollstrecker</strong> zu beachten. 47 In diesem Sinne kann man sagen, dass<br />
43 Das vorklassische römische Recht kannte noch den familiae emptor, eine Vertrauensperson des<br />
Erblassers, welche mit den Vollstreckern letztwilliger Verfügungen verwandt ist; ihm stand aber<br />
die Freiheit des Eigentums entgegen, welche im Laufe der Zeit auf der Seite der Erben zur Universalsukzession<br />
<strong>und</strong> auf der Seite des emptor familiae zur Rückbildung seiner Rechtsstellung<br />
führte <strong>und</strong> zwar über den Mittler bis zum Testamentszeugen, vgl. ALEXANDER BECK, Historisches<br />
<strong>und</strong> Rechtsvergleichendes zur Stellung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s, ZBJV 84 (1948) 7 ff.<br />
44<br />
Häufig wird der Salmann (lex salica, Tit. 46) als Vorläufer des Testamentsvollstreckers angesehen,<br />
vgl. EUGEN HUBER, System <strong>und</strong> Geschichte des Schweizerischen Privatrechts, Band 4, Basel<br />
1893, 630 f.; ausgebildet wurde er aber vom kanonischen Recht, vgl. BECK (FN 43), ZBJV 84<br />
(1948) 17; PETER TUOR, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Band III: Das Erbrecht,<br />
1. Abteilung: Die Erben (Art. 457–536), 2. Aufl., Bern 1964, Vorbem. zu Art. 517–518 ZGB N 2;<br />
HENRI LE FORT, Des exécuteurs testamentaires, Genf 1878 (Diss. Genf), 22: „ces règles ecclésiastiques<br />
assez nombreuses et explicites ont dû contribuer à répandre et à familiariser l’usage des<br />
exécuteurs des testaments“; WALTHER SCHÖNFELD, Die Vollstreckung der Verfügungen von Todes<br />
wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG Germ.Abt. 42 (1921) 336 f.: „Im 13.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert erhielt ... die kanonische Lehre vom Testamentsvollstrecker ... mit Hilfe der reichen<br />
Praxis des oberitalienischen, d.h. langobardischen Gewohnheitsrechts ihre abschliessende Ausbildung...“.<br />
45<br />
Vgl. BGE 97 II 15 ff. Erw. 3 = JdT 121 (1973) I 39 ff. = Pra. 60 (1971) 532 f. Nr. 169 = ZBGR<br />
53 (1972) 113 ff. Nr. 11: Der <strong>Willensvollstrecker</strong> hat allerdings die Teilungsregeln von<br />
Art. 611 ff. ZGB zu beachten, welche den Erben einen gewissen Vorrang beim Erwerb geben.<br />
46<br />
Vgl. vorne, I.2.<br />
47<br />
Vgl. BGE 108 II 537 Erw. 2a = JdT 131 (1983) I 593 = Pra. 72 (1983) 480 Nr. 177 = ZBGR 66<br />
(1985) 246 Nr. 51: Der <strong>Willensvollstrecker</strong> muss „Art. 607 Abs. 2 ZGB beachten, wonach gesetzliche<br />
<strong>und</strong> eingesetzte Erben die Teilung frei vereinbaren können“.<br />
166
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
die Erben die Mitwirkung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s zu ertragen haben, 48 <strong>und</strong><br />
zwar selbst dann, wenn (nur) ein Alleinerbe vorhanden ist.<br />
Es fragt sich, ob die Einsetzung eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s <strong>und</strong> der gleichzeitige<br />
Erlass von Teilungsvorschriften 49 ein Gr<strong>und</strong> für eine Abweichung vom<br />
Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbteilung sei. Nach einigen Autoren ist das zu bejahen. 50<br />
Als Begründung gibt etwa Baumgartner an, dass minderjährige, entmündigte,<br />
abwesende <strong>und</strong> unbekannte Erben vor einer Übervorteilung zu schützen seien. 51<br />
M. E. ist die Institution des <strong>Willensvollstrecker</strong>s nicht das geeignete Instrument<br />
zum Schutz von bestimmten Erbenkategorien. 52 Der <strong>Willensvollstrecker</strong> muss<br />
vielmehr die Ausrichtung der Vermächtnisse, die Erfüllung der Auflagen <strong>und</strong><br />
die Bezahlung der Schulden sicherstellen <strong>und</strong> ist (in diesem Rahmen) nicht an<br />
den gemeinsamen Willen der Erben geb<strong>und</strong>en. Im Übrigen 53 hat er eine Einigung<br />
der Erben aber zu beachten, nämlich zu vollziehen. 54 Das B<strong>und</strong>esgericht<br />
drückte dies im Zusammenhang mit einer Enterbung sehr schön aus: „Im übrigen<br />
können sich die Erben über eine angefochtene Enterbung gütlich verständigen<br />
<strong>und</strong> so die jedem zustehende Erbberechtigung in einer auch vom Willens-<br />
48<br />
Vgl. ZR 91 (1992) 117 Erw. 2 Nr. 31: „... wie sich Erben etwa in die Mitwirkung eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s<br />
zu schicken ... haben“.<br />
49<br />
Vgl. Art. 608 Abs. 1 ZGB.<br />
50<br />
Vgl. MATTHIAS BAUMGARTNER, Der Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbteilung, Winterthur 1954 (Diss.<br />
Zürich 1953), 16: „Der Erblasser ist ... kompetent, für alle Erben Teilungsregeln in Form einer letztwilligen<br />
Verfügung aufzustellen. Sofern er mit dem Vollzug seiner Anordnungen einen <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
betraut, wird in diesem Umfange der Gr<strong>und</strong>satz der freien Erbteilung eingeschränkt“;<br />
ebenso Arnold ESCHER, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Band III: Erbrecht,<br />
1. Abteilung: Die Erben (Art. 457–536), 3. Aufl., Zürich 1959, Art. 518 ZGB N 17 m.w.N.; ähnlich<br />
PIOTET (FN 4), § 24 III D: „Hat der Erblasser selbst Teilungsvorschriften aufgestellt, so muss<br />
sich der <strong>Willensvollstrecker</strong> ihnen unterziehen; er scheint aber an einen von sämtlichen Erben<br />
abgeschlossenen Teilungsvertrag geb<strong>und</strong>en zu sein, wenn er von diesen Vorschriften abweicht“.<br />
51<br />
Vgl. BAUMGARTNER (FN 50), 1 f.<br />
52<br />
Für minderjährige <strong>und</strong> entmündigte Erben sorgen vorm<strong>und</strong>schaftliche Organe (Art. 360 ff. ZGB)<br />
<strong>und</strong> zudem sieht das Erbrecht für sie (<strong>und</strong> für abwesende <strong>und</strong> unbekannte Erben) besondere<br />
Schutzmassnahmen vor, wie die Aufnahme eines Inventars (Art. 553 ZGB) oder die Anordnung<br />
einer Erbschaftsverwaltung (Art. 554 ZGB).<br />
53<br />
Nicht in Frage kommt dagegen, das Einverständnis eines Vermächtnisnehmers zu einer Erbteilung<br />
einzuholen.<br />
54<br />
Vgl. SEEBERGER (FN 31), 108: Der <strong>Willensvollstrecker</strong> kann die Durchsetzung von Teilungsvorschriften<br />
„selbst durch die Einsetzung eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s nicht sicherstellen“; AR-<br />
THUR JOST, Der <strong>Willensvollstrecker</strong>, Zürich 1953, 23, welcher folgende Begründung anführt:<br />
„Da die Erben die Möglichkeit haben, sich nach einer vom <strong>Willensvollstrecker</strong> durchgeführten<br />
Teilung auf andere Weise zu verständigen, ist schwer einzusehen, warum sie dies einverständlich<br />
nicht auch vor derselben tun dürfen …“.<br />
167
HANS RAINER KÜNZLE<br />
vollstrecker zu beachtenden Weise festlegen“. 55 Der Vollzug von Teilungsvorschriften<br />
wird somit durch eine abweichende Einigung der Erben verhindert.<br />
Wie steht es nun aber, wenn eine solche Einigung über die Erbteilung nicht zustande<br />
kommt. Auch in diesem Fall darf der <strong>Willensvollstrecker</strong> Teilungsvorschriften<br />
nach herrschender Lehre nicht eigenständig vollziehen, 56 was höchst<br />
unbefriedigend ist, weil die Teilungsvorschriften damit praktisch wirkungslos<br />
werden <strong>und</strong> weil der <strong>Willensvollstrecker</strong> im Rahmen der Erbteilung zu einem<br />
reinen Mediator wird. Die Durchsetzung der Teilungsvorschriften darf allerdings<br />
nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in einen grösseren Zusammenhang<br />
gestellt werden, nämlich unter die Fragestellung, was geschieht,<br />
wenn die Erbteilung blockiert ist, die Erben zu keiner Einigung gelangen. In<br />
dieser Lage gibt es drei mögliche Auswege:<br />
(1) Der Nachlass bleibt (vorläufig) ungeteilt, bis sich ein Erbe doch noch<br />
entschliesst, die Teilungsklage anzuheben, oder bis nach erneuten Verhandlungen<br />
doch noch eine Einigung zustande kommt. Dies ist die Lösung nach herrschender<br />
Meinung, 57 welche allgemein als unbefriedigend angesehen wird, weil<br />
das Problem nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben wird. Für den <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
stellt sich die schwierige Frage, ob er sein Amt auf unbeschränkte Zeit<br />
fortführen soll, oder ob er es niederlegen soll, weil die Erbteilung gescheitert<br />
ist. Man wird jeden <strong>Willensvollstrecker</strong> verstehen, der in diesem Zeitpunkt den<br />
Erben mitteilt, dass er seine Aufgabe nicht weiterführen werde <strong>und</strong> die Geschäfte<br />
den Erben überträgt. Es wurde schon vorgeschlagen, subjektiv-partielle<br />
Erbteilungen 58 durchzuführen. Diese werden von der herrschenden Meinung<br />
aber ebenfalls abgelehnt. 59 Teil-Lösungen können höchstens als objektivpartielle<br />
Erbteilungen ausgestaltet sein, also eine Einigung sämtlicher Erben<br />
über einzelne Nachlassgegenstände zum Gegenstand haben.<br />
55<br />
BGE 85 II 603 Erw. 4 = JdT 108 (1960) I 304 = Pra. 49 (1960) 268 Nr. 91.<br />
56<br />
Zur Übertragung von Gr<strong>und</strong>stücken vgl. BJM 2005, 79: Mitwirkung der Erben; RENÉ BIBER,<br />
Der Umgang des <strong>Willensvollstrecker</strong>s mit Gr<strong>und</strong>stücken, in: Willensvollstreckung – Aktuelle<br />
Rechtsprobleme, hrsg. von HANS RAINER KÜNZLE, Zürich 2004, 64 f.<br />
57<br />
Vgl. BREITSCHMID (FN 16), 149 f.; STEPHAN WOLF, Die Teilung der Erbschaft durch den <strong>Willensvollstrecker</strong>,<br />
in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2), hrsg. von HANS RAI-<br />
NER KÜNZLE, Zürich 2006, 115.<br />
58<br />
So PETER WEIMAR, Die Erbschaftsteilung als Erfüllungs- <strong>und</strong> Verfügungsgeschäft, in: Mélanges<br />
Pierre Engel, hrsg. von FRANÇOIS DESSEMONTET <strong>und</strong> PAUL PIOTET, Lausanne 1989, 455 ff.<br />
59<br />
Vgl. DRUEY (FN 2), § 16 N 33.<br />
168
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
(2) Revidierte Zürcher Praxis: Nach der revidierten Zürcher Praxis darf der<br />
<strong>Willensvollstrecker</strong> nach Ablauf einer von ihm angesetzten, angemessenen<br />
Frist seinen eigenen Teilungsplan vollziehen. 60 Im Gegensatz zur alten Zürcher<br />
Praxis 61 schafft der <strong>Willensvollstrecker</strong> damit keine endgültigen Verhältnisse,<br />
weil nur eine provisorische Verteilung (<strong>und</strong> keine eigentliche Erbteilung) vorgenommen<br />
wird. Den Erben steht es nach wie vor offen, gegen andere Erben<br />
vorzugehen, wenn sie der Ansicht sind, dass sie bei dieser Verteilung zu kurz<br />
gekommen sind. Die herrschende Meinung lehnt dieses Vorgehen ab. 62 Es führt<br />
insbesondere bei der Übertragung von Liegenschaften zu Problemen, weil ein<br />
Beleg im Sinne von Art. 18 GBV fehlt. Zudem schafft der <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
tatsächliche Verhältnisse, welche in einem späteren Zeitpunkt nur noch schwer<br />
rückgängig gemacht werden können. Dennoch scheint dies de lege lata der einzige<br />
Ausweg zu sein, wenn der <strong>Willensvollstrecker</strong> den „gordischen Knoten“<br />
durchschlagen will.<br />
(3) Der <strong>Willensvollstrecker</strong> ist zur Teilungsklage legitimiert. Dieser Vorschlag<br />
von KARRER 63 wird von der herrschenden Meinung de lege lata abgelehnt,<br />
64 scheint aber de lege ferenda auf breite Zustimmung zu stossen, 65 obwohl<br />
er nicht ganz unproblematisch ist, weil der <strong>Willensvollstrecker</strong> ins Geschehen<br />
eingreift. Um diesem wertvollen Vorschlag mehr Gewicht zu verleihen, wird<br />
hier eine konkrete Formulierung für eine Gesetzesergänzung vorgeschlagen.<br />
Als neuen Art. 518 Abs. 2 bis ZGB schlage ich vor:<br />
Der <strong>Willensvollstrecker</strong> ist befugt, die Teilungsklage zu erheben, wenn die Erben<br />
sich über die Teilung nicht einigen <strong>und</strong> keine Teilungsklage erheben.<br />
60<br />
Vgl. ZR 60 (1961) 183 Nr. 84; BJM 1968, 27.<br />
61<br />
Vgl. ZR 34 (1935) 369 Nr. 182.<br />
62<br />
Vgl. BREITSCHMID (FN 16), 149; KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 63; MATTHIAS STEIN-<br />
WIGGER, Verbindlichkeit <strong>und</strong> Durchsetzbarkeit erblasserischer Teilungsvorschriften, AJP 10<br />
(2001) 1145.<br />
63<br />
Vgl. KARRER (FN 27), Art. 528 ZGB N 66.<br />
64<br />
Vgl. BREITSCHMID (FN 16), 150.<br />
65<br />
Vgl. etwa PAUL EITEL, Prozessführung durch den <strong>Willensvollstrecker</strong>, in: Willensvollstreckung<br />
– Aktuelle Rechtsprobleme (2), hrsg. von HANS RAINER KÜNZLE, Zürich 2006, 162 m.w.N.<br />
169
HANS RAINER KÜNZLE<br />
4. Mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
Der Erblasser kann mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong> ernennen. 66 In der Lehre <strong>und</strong> Gerichtspraxis<br />
gibt es zu dieser Konstellation nur wenige Hinweise. Zunächst ist<br />
nach dem Sinn einer solchen Regelung zu fragen. Es ist denkbar, dass es in<br />
grossen Nachlässen notwendig ist, in verschiedenen Jurisdiktionen verschiedene<br />
Personen mit besonderen Aufgaben zu betrauen. 67 In der Praxis werden allerdings<br />
häufig aus einem gewissen Misstrauen heraus mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
eingesetzt, etwa in Testamenten, in welchen überwiegend Vermächtnisnehmer<br />
(häufig gemeinnützige Organisationen) eingesetzt werden. In diesen<br />
Fällen sollte – wenn möglich – mindestens eine natürliche Person als Erbe eingesetzt<br />
werden, welche auch als Entscheidungsträger wirken kann. Die gegenseitige<br />
Kontrolle zwischen Erbe <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong> ist weit wirksamer als<br />
die Einsetzung mehrerer <strong>Willensvollstrecker</strong> (welche zusammenspannen können).<br />
Der Verkehr der Erben mit mehreren <strong>Willensvollstrecker</strong>n ist kompliziert<br />
<strong>und</strong> oft wenig förderlich für eine zügige Abwicklung der Erbteilung.<br />
Der Erblasser kann die Tätigkeit mehrerer <strong>Willensvollstrecker</strong> selbst regeln. 68<br />
So kann er für Entscheidungen das Mehrheitsprinzip vorsehen oder eine Geschäftsordnung<br />
festlegen. 69 Eher selten wird es vorkommen, dass mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
nebeneinander handeln. Das ist etwa der Fall, wenn der Erblasser<br />
in mehreren (sich nicht ausschliessenden) Verfügungen verschiedene <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
ernennt. 70<br />
Wenn die Tätigkeit mehrerer <strong>Willensvollstrecker</strong> vom Erblasser nicht auf einzelne<br />
Gebiete beschränkt wurde, 71 handeln diese im Zweifel gemeinsam<br />
66<br />
Vgl. Extraits 1962, 25 = RNRF 48 (1967) 13 Nr. 7: „une ou plusieurs personnes“; zu Beispielen<br />
vgl. BGE 89 II 279 (quattro esecutori testamentari), BGE 110 II 184 (3 <strong>Willensvollstrecker</strong>) <strong>und</strong><br />
BGE 78 II 123 (3 <strong>Willensvollstrecker</strong>: Schwager, Bankdirektor <strong>und</strong> Rechtsanwalt) sowie ZBGR<br />
27 (1946) 277 Nr. 90 (2 <strong>Willensvollstrecker</strong>).<br />
67<br />
Zum Einsatz des <strong>Willensvollstrecker</strong>s im Ausland vgl. ausführlich KURT SIEHR, Internationale<br />
Nachlässe: Tätigkeit des <strong>Willensvollstrecker</strong>s im Ausland, in: Willensvollstreckung – Aktuelle<br />
Rechtsprobleme (2), hrsg. von HANS RAINER KÜNZLE, Zürich 2006, 255 ff.<br />
68<br />
Vgl. BGE 78 II 128.<br />
69<br />
Vgl. KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 91; PICENONI (FN 42), ZBGR 50 (1969) 166; weiter<br />
vgl. § 2224 Abs. 1 BGB.<br />
70<br />
Vgl. H. NUSSBAUM, Der <strong>Willensvollstrecker</strong>, ZBGR 4 (1923) 64.<br />
71<br />
Vgl. JEAN-CLAUDE WENGER, Der Anwalt als <strong>Willensvollstrecker</strong>, in: Das Anwaltsgeheimnis,<br />
Zürich 1997, 53: „beispielsweise die Beteiligung an einem Unternehmen“.<br />
170
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
(Art. 518 Abs. 3 ZGB). 72 Dies bedeutet allerdings nicht, dass sie bei sämtlichen<br />
Handlungen gemeinsam auftreten müssen, sondern nur, dass sie die wichtigen<br />
Beschlüsse gemeinsam zu fällen haben. In der Ausführung müssen sie sich,<br />
schon aus Effizienzgründen, aufteilen. Die Aufteilung kann weitgehend vorgegeben<br />
sein, wenn <strong>Willensvollstrecker</strong> mit verschiedenen Berufen (Bankier,<br />
Treuhänder, Steuerberater, Rechtsanwalt etc.) bestellt wurden. Andernfalls ist<br />
eine interne Absprache unter den mehreren <strong>Willensvollstrecker</strong>n notwendig.<br />
Bei Unklarheiten kann die Aufsichtsbehörde angegangen werden, welche allerdings<br />
erst im Konfliktsfall tätig werden wird. 73<br />
Mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong> haften (analog wie mehrere Beauftragte nach<br />
Art. 403 Abs. 2 OR) solidarisch. 74 Eine (interne) Geschäftsordnung teilt die<br />
Verantwortung nicht. 75 Dies ist ein Aspekt, welcher den einen oder anderen<br />
<strong>Willensvollstrecker</strong> davon abhalten wird, die ihm zugedachte Aufgabe überhaupt<br />
anzunehmen, womit die vom Erblasser angestrebte Lösung gar nicht zustande<br />
kommt.<br />
Das Honorar für mehrere <strong>Willensvollstrecker</strong> ist entweder ein in der letztwilligen<br />
Verfügung festgelegtes Gesamthonorar, welches unter die mehreren <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
(gemäss der letztwilligen Verfügung oder entsprechend ihren<br />
Aufgaben) aufgeteilt wird, oder es setzt sich ansonsten aus mehreren Einzel-<br />
Honoraren zusammen. Neben den gleich bleibenden Ausführungshandlungen<br />
kommt in diesem Fall eine gewisse Zeit für die (gemeinsame) Beschlussfassung<br />
<strong>und</strong> die Koordination der Tätigkeiten hinzu. Die Gesamtsumme darf den sonst<br />
üblichen Rahmen aber nur unwesentlich überschreiten. Ob dies 10 oder 20%<br />
sind kann nur im Zusammenhang mit einem konkreten Fall entschieden werden.<br />
Nachdem das Honorar des <strong>Willensvollstrecker</strong>s an sich schon häufig zu<br />
72 Vgl. PIOTET (FN 4), § 24 II A; KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 92: Einstimmige Beschlüsse,<br />
nach aussen ist es allerdings möglich, einen einzelnen <strong>Willensvollstrecker</strong> handeln zu lassen<br />
(interne Verfahrensordnung); PICENONI (FN 42), ZBGR 50 (1969) 165: Prinzip der Einstimmigkeit;<br />
die Formulierung des Testaments kann allerdings beide Möglichkeiten (gemeinsames <strong>und</strong><br />
alleiniges Handeln) einschliessen, vgl. BGE 89 II 438: „Messieurs Wavre, notaires à Neuchâtel,<br />
ensemble ou séparément“.<br />
73 Vgl. CLAUDE WETZEL, Interessenkonflikte des <strong>Willensvollstrecker</strong>s, Zürich 1985 (Diss. Zürich<br />
1984), N 117; die Aufsichtsbehörde kann nur festlegen, in welcher Weise die (mehreren) Willlensvollstrecker<br />
handeln sollen, sie ist aber nicht zuständig, materielle Fragen zu entscheiden,<br />
um eine blockierte Situation aufzuheben; weiter vgl. § 2224 Abs. 1 BGB.<br />
74 Vgl. KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 94.<br />
75 Vgl. KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 92.<br />
171
HANS RAINER KÜNZLE<br />
Diskussionen Anlass gibt, 76 kann dies im Falle von mehreren <strong>Willensvollstrecker</strong>n<br />
recht komplex werden. Auch hier kann nicht einfach Abhilfe geschaffen<br />
werden, weil auch die vom Erblasser festgelegten Honorare einer gerichtlichen<br />
Kontrolle unterstehen. 77<br />
In dringenden Fällen kann ein einzelner <strong>Willensvollstrecker</strong> – ähnlich dem einzelner<br />
Erben 78 – alleine (ohne Rücksprache mit den übrigen) handeln. 79<br />
Wenn einer von mehreren <strong>Willensvollstrecker</strong>n (durch Tod, Verzicht usw.)<br />
ausscheidet, werden die Geschäfte von den übrigen weitergeführt. 80 Dies stellt<br />
die Kontinuität für die Erben sicher. Hier zeigt sich ein Vorteil gegenüber dem<br />
einzelnen <strong>Willensvollstrecker</strong>, weil die Regelung des ZGB bei der Regelung<br />
des Ersatzes eines <strong>Willensvollstrecker</strong>s einen Schwachpunkt aufweist. 81 Der<br />
Ersatz (Nachfolger) kann nur vom Erblasser selbst bestimmt werden, was die<br />
Erben nicht selten dazu reizt, einen Versuch zur Absetzung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s<br />
zu unternehmen, wenn kein Ersatz-<strong>Willensvollstrecker</strong> bestimmt wurde.<br />
In vielen Ländern bestehen wesentlich liberalere Lösungen. So können nach<br />
deutschem Recht auch das Nachlassgericht (§ 2200 BGB), der Testamentsvollstrecker<br />
(§ 2199 BGB) <strong>und</strong> sogar Dritte (§ 2198 BGB) den Nachfolger bestimmen.<br />
Deshalb sollte de lege feranda ein neuer Art. 517 Abs. 4 ZGB eingefügt<br />
werden:<br />
Der Erblasser kann die Bestellung eines Ersatzes dem <strong>Willensvollstrecker</strong> oder<br />
der Aufsichtsbehörde übertragen.<br />
76<br />
Vgl. dazu den neusten Stand bei ANDREAS FLÜCKIGER, Das Honorar der <strong>Willensvollstrecker</strong>s<br />
– Anwendung von Anwalts- <strong>und</strong> Notariatstarifen, in: Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme<br />
(2), hrsg. von HANS RAINER KÜNZLE, Zürich 2006, 197 ff.<br />
77<br />
Vgl. FLÜCKIGER (FN 76), 217.<br />
78<br />
Vgl. vorne, I.4.<br />
79<br />
Dies ist in § 2224 Abs. 2 BGB <strong>und</strong> Art. 700 Abs. 2 CC it. ausdrücklich vorgesehen.<br />
80<br />
Vgl. KARRER (FN 27), Art. 518 ZGB N 96; WETZEL (FN 73), N 118; HANSJÜRG BRACHER, Der<br />
<strong>Willensvollstrecker</strong>, insbesondere im zürcherischen Zivilprozessrecht, Zürich 1966 (Diss. Zürich<br />
1965), 45 f.: „Dies geschieht im Interesse der Aufrechterhaltung der angeordneten Willensvollstreckung<br />
(favor testamenti)“; JEAN CARRARD, Les pouvoirs de l’exécuteur testamentaire,<br />
Yverdon 1923 (Thèse Lausanne 1923), N 163; die <strong>Willensvollstrecker</strong> dürfen keine abweichende<br />
Geschäftsordnung aufstellen, vgl. ARTHUR JOST, Fragen aus dem Gebiete der Willensvollstreckung,<br />
in: Festgabe zum Schweizerischen Anwaltstag, hrsg. vom Luzernischen Anwaltsverband,<br />
Luzern 1953, N 26; weiter vgl. § 2224 Abs. 1 BGB.<br />
81<br />
Vgl. KÜNZLE (FN 40), 150.<br />
172
5. Stellung im Erbschaftssteuerverfahren 82<br />
<strong>Erbengemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
Der <strong>Willensvollstrecker</strong> kann im Verfahren zur Festsetzung der Erbschaftssteuer<br />
mitwirken, soweit nach dem anwendbaren kantonalen Steuerrecht eine sog.<br />
Nachlasssteuer besteht 83 oder wenn Rechte des Nachlasses betroffen sind. 84 Der<br />
<strong>Willensvollstrecker</strong> haftet im Fall der Nachlassteuer (neben den Erben) bis zum<br />
Betrag des reinen Nachlasses. 85 Bei der in den meisten Kantonen zur Anwendung<br />
kommenden Erbanfallsteuer kann der <strong>Willensvollstrecker</strong> die Erben nur<br />
vertreten, wenn er sich durch eine Vollmacht ausweisen kann. 86 Für den <strong>Willensvollstrecker</strong><br />
empfiehlt es sich in jedem Fall, die Abwicklung der Erbschaftssteuern<br />
eng zu begleiten, weil die Frage, ob die Steuern von den Erben<br />
bzw. Vermächtnisnehmern oder aus dem Nachlass zu bezahlen ist, in vielen<br />
Fällen von der letztwilligen Verfügung nicht klar geregelt wird. Sodann empfiehlt<br />
sich ein koordiniertes Vorgehen der Erben <strong>und</strong> Vermächtnisnehmer gegenüber<br />
den Steuerbehörden <strong>und</strong> Gerichten.<br />
82 Vgl. dazu ausführlich MARTIN ZWEIFEL, Die steuerliche Stellung des <strong>Willensvollstrecker</strong>s, in:<br />
Willensvollstreckung – Aktuelle Rechtsprobleme (2), hrsg. von HANS RAINER KÜNZLE, Zürich<br />
2006, 175 ff.<br />
83 Das ist zum Beispiel der Fall im Kanton Graubünden, vgl. § 6 <strong>und</strong> § 109 des Steuergesetzes für<br />
den Kanton Graubünden vom 8. Juni 1986 (GR StG – BR 720.010).<br />
84 Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Erbschaftssteuer gemäss letztwilliger Verfügung vom<br />
Nachlass zu tragen ist, oder wenn Gegenstände aus dem Nachlass zur Sicherstellung der Erbschaftssteuer<br />
von den Steuerbehörden in Verwahrung genommen wurden oder wenn Konten gesperrt<br />
wurden.<br />
85 Vgl. § 13 Abs. 3 lit. e in Verbindung mit § 115 Abs. 2 GR StG (FN 83).<br />
86 RB 1982 Nr. 124.<br />
173