Friedericus rex und der Ungarwein - Heimatverein Stadt Teltow ...
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<strong>Frie<strong>der</strong>icus</strong> <strong>rex</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Ungarwein</strong> „Rex vinorum“<br />
Zugleich ein Exkurs zu preußischen Flüssigkeits-Maßeinheiten<br />
von Günter Duwe<br />
Durch einen Artikel von Rudolf Jaeckel über das Testament Friedrichs<br />
des Großen (<strong>Teltow</strong>er Heimatbote November 2011) bin ich darauf aufmerksam<br />
geworden, dass <strong>der</strong> König mehreren Verwandten <strong>Ungarwein</strong><br />
vererbt hat. Das hat mein Interesse erweckt <strong>und</strong> zwar gleich aus zweierlei<br />
Gründen: Erstens hat es mich verw<strong>und</strong>ert, dass <strong>der</strong> König einem<br />
Wein eine so hohe Wertschätzung gibt, was ja Fragen nach sich zieht;<br />
<strong>und</strong> zweitens war ich freudig überrascht, dass dieser Wein aus Ungarn<br />
stammt. - Denn mit diesem Land verbindet mich eine beson<strong>der</strong>e Beziehung.<br />
Ich habe dort seit 1962 Fre<strong>und</strong>e, kenne Land <strong>und</strong> Leute <strong>und</strong> trinke<br />
sehr gerne den Rotwein Bikavér (Stierblut). Den habe ich vor 50 Jahren<br />
in einem Weinkeller im nordungarischen Eger kennen gelernt. Doch als<br />
meine Fre<strong>und</strong>e mir zu meinem Geburtstag mit Tokajer Wein gratulierten,<br />
habe ich beim Anstoßen auf meine Ges<strong>und</strong>heit gespürt: Das ist mehr<br />
als ein Getränk – das ist ein Lebenselixier. Auf dem Etikett <strong>der</strong> Flasche,<br />
die ich seit meinem letzten Ungarnbesuch aufbewahre (siehe Bild) steht<br />
„Rex vinorum“.<br />
Daran habe ich sofort<br />
gedacht, als ich „<strong>Ungarwein</strong>“<br />
im Testament des<br />
<strong>Frie<strong>der</strong>icus</strong> <strong>rex</strong> las. Ja,<br />
dieser Wein war des<br />
großen Königs würdig.<br />
Sicher hat er, <strong>der</strong> Verehrer<br />
des Französischen,<br />
mit Voltaire auch<br />
die besten französischen<br />
Weine getrunken. Doch<br />
sein „Depot“ war voller<br />
<strong>Ungarwein</strong>, <strong>der</strong> zudem<br />
als lange lagerfähig gilt.<br />
Dieser Wein wächst auf<br />
vulkanischem Gestein<br />
(Tuff) an den Hängen<br />
des Bodrog, einem kleinen<br />
Nebenfluss <strong>der</strong> Theiß (siehe Karte).<br />
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Einst gehörte dieses Gebiet mit <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> Sárospatak zum Stammland<br />
Ungarns. Nach dem Gebietsverlust (Vertrag von Trianon 1920) verläuft<br />
dort die Grenze zur Slowakei. Seinen Namen trägt <strong>der</strong> Wein nach <strong>der</strong><br />
Kleinstadt Tokaj. Zur Zeit Friedrichs II. gab es dort mehrere Dörfer mit<br />
deutschstämmigen Bewohnern.<br />
Wenn <strong>der</strong> Wein auf Flaschen (meist ein halber Liter) abgefüllt wird,<br />
tragen diese ein Etikett. Darauf sieht man eine Krone <strong>und</strong> die Jahreszahl<br />
1631. Das bedeutet, er war lange vor <strong>der</strong> Zeit Friedrichs II. bekannt <strong>und</strong><br />
auch begehrt von fremden Landesfürsten. Man weiß aus <strong>der</strong> Literatur,<br />
dass das russische Zarenhaus direkt im Anbaugebiet eine mit Soldaten<br />
besetzte Nie<strong>der</strong>lassung errichtet hatte, um sich den Zugriff auf diesen<br />
Wein zu sichern, <strong>und</strong> später befand sich die Zarin Elisabeth die Große<br />
gewissermaßen in Konkurrenz zu Friedrich dem Großen.<br />
Man weiß bis heute nicht genau, warum dieser Wein einen so einzigartigen<br />
Geschmack besitzt. Für den Aszú (Ausbruch) werden nur überreife<br />
Trauben verwendet, die schon teilweise aufgeplatzt sind <strong>und</strong> auch<br />
den leichten Ansatz einer beson<strong>der</strong>en Edelfäule (Botrytis cinerea) haben.<br />
Aus dem Gestein stammende Spurenelemente scheinen auch Einfluss<br />
zu haben. Beson<strong>der</strong>s wichtig ist aber wohl die mehr als<br />
h<strong>und</strong>ertjährige Erfahrung <strong>der</strong> Weinbauern in <strong>der</strong> Führung des Gärprozesses.<br />
Letztendlich aber bleibt es ein Geheimnis, in das wohl sogar<br />
das für den Fassbau verwendete Holz, ja vielleicht sogar <strong>der</strong> die Fässer<br />
4<br />
Quelle <strong>der</strong> Karte:<br />
Ungarn, Edition Leipzig<br />
u. Corvina Budapest,<br />
copy. 1974
edeckende Schimmel in den Lagerräumen einfließt (siehe Bild Schimmelauflage<br />
– Clabosporium cellare, ernährt sich vom verdunsteten Alkohol).<br />
Was mich beson<strong>der</strong>s überrascht<br />
hat, ist die große Menge des <strong>Ungarwein</strong>es,<br />
die <strong>der</strong> König vererbte.<br />
Wahrscheinlich hatte er zu<br />
diesem Zeitpunkt auf eine noch<br />
größere Menge Zugriff. Addiert<br />
man die Einzelpositionen, so beträgt<br />
die Gesamtmenge 280 Eimer.<br />
Ein Eimer war nicht, wie<br />
mancher wohl heute annimmt,<br />
ein Gefäß mit Henkel zum Tragen<br />
von Flüssigkeiten, son<strong>der</strong>n<br />
ein preußisches Volumenmaß<br />
von 64 Quart. Ein auf einen Eimer Inhalt geeichtes Fass fasste also 64<br />
Quart*. Die Berechnung des Volumens eines Quart basiert auf dem Zoll<br />
(2,615 cm). Ein aus 64 Kubikzoll gebildeter Würfel besitzt eine Kantenlänge<br />
von 4 Zoll (10,46 cm). Dieses Würfelvolumen ist das Quart =<br />
1,145 Liter. Die in Klammern stehenden Zahlenangaben sind die in das<br />
Dezimalsystem umgerechneten Volumina.<br />
Um sich das zu veranschaulichen, braucht man sich nur Eiswürfel von<br />
einem Kubikzoll (17,89 cm³) vorzustellen. Von denen stellt man (im<br />
Geiste) 4 Reihen von je 4 Würfeln nebeneinan<strong>der</strong>. Diese Schicht bedeckt<br />
eine Fläche von 16 Kubikzoll (10,5 x 10,5 cm) <strong>und</strong> hat eine Höhe<br />
von einem Zoll. Setzt man noch drei solcher Schichten darüber, so ergibt<br />
dies den vorher genannten 64 Kubikzoll-Würfel, also das Eichmaß eines<br />
Quart.<br />
Auf genau diese Weise wird auch <strong>der</strong> Eimer berechnet, <strong>und</strong> so kann man<br />
ihn auch im Geiste aufbauen. Anstelle von kleinen Eiswürfeln muss man<br />
sich Quart-Würfel (Kantenlänge 4 Zoll = 10,4 cm) vorstellen. Im täglichen<br />
Gebrauch nutzt man Krüge, Kannen o<strong>der</strong> Fässer für Flüssigkeiten.<br />
Um diese zu eichen befüllt man sie mittels eines Eichgefäßes. Auf Basis<br />
des Eimervolumens waren noch an<strong>der</strong>e Volumenangaben in Preußen in<br />
Gebrauch: Eine Tonne = 1,5 Eimer; ein Ahn = 2 Eimer; ein Anker = 0,5<br />
Eimer.<br />
Man findet für das Eimer-Maß auch Angaben von nur 60 Quart Inhalt.<br />
Ich werde das nicht übernehmen. Denkbar ist ein Bezug des preußischen<br />
Quart zu dem britischen Quart, das ja tatsächlich ein Viertel ist, nämlich<br />
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das Viertel einer Gallone (sie ist größer als 4 Liter). Eine <strong>der</strong> Gallone<br />
vergleichbare Maßeinheit gab es in Preußen nicht. Der Bezeichnung<br />
Quart ist das Quartier sehr ähnlich. Diese war mit geringfügig abweichendem<br />
Inhalt im norddeutschen Raum in Gebrauch: Hamburg 0,91 Liter,<br />
Braunschweig 0,94 Liter, Oldenburg 0,89 Liter.<br />
Bei meinen Recherchen zu dem Weinvolumenmaß „Eimer“ habe ich<br />
noch einen interessanten Hinweis erhalten. Der bezieht sich auf die Nutzung<br />
durch einen an<strong>der</strong>en berühmten Mann mit dem Vornamen Friedrich.<br />
Nachzulesen im 4. Akt, 3. Aufzug, des wohl bekanntesten Werkes<br />
von Friedrich von Schiller – Die Räuber.<br />
Um das Wissen über die Nutzung des Eimer-Maßes zu vervollständigen,<br />
möchte ich noch erwähnen, dass es auch in Österreich im Gebrauch war,<br />
<strong>und</strong> das sogar noch in späterer Zeit. Allerdings besaß dort <strong>der</strong> Eimer<br />
dann nur noch 50 Quart Inhalt.<br />
Die heimische Lagerung<br />
Wenn es also unzweifelhaft ist, dass Friedrich <strong>der</strong> Große nur solches<br />
Gut vererbt hat, über das er zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schrift des Testamentes<br />
1769 persönlich verfügte, dann muss die gesamte Menge Wein<br />
im unmittelbaren Zugriffsbereich seines Lebensortes gelagert gewesen<br />
sein, also in Berlin o<strong>der</strong> Potsdam. Damit möchte ich zugleich auf die Basis<br />
des Weinverzehrs am Hofe dieses Königs, <strong>der</strong> die Qualität schätzte,<br />
hinweisen, nämlich die Lagerung. Wenn man über den Verzehr edler<br />
Weine an <strong>der</strong> Tafel Friedrichs II. spricht, muss man sich bewusst sein,<br />
dass bereits vor dem Erwerb geeignete Lagerräume vorhanden gewesen<br />
sein müssen. Ich werde darauf später nochmals zu sprechen kommen;<br />
denn bevor <strong>der</strong> Wein eingelagert wurde, musste er ja erst einmal von<br />
Ungarn nach Berlin bzw. Potsdam kommen. Bei <strong>der</strong> genannten großen<br />
Menge muss es sich um mehrere Lieferungen gehandelt haben. Man<br />
muss zudem die politische Situation bedenken. Es könnte sein, dass Erwerb<br />
<strong>und</strong> Transport nicht problemlos abgelaufen sind. Denn die österreichische<br />
Kaiserin war zugleich ungarische Königin. Zwischen ihr <strong>und</strong><br />
Friedrich II. tobte ein jahrelanger Krieg. Er hatte ihr schon zu Beginn<br />
seiner Regierungszeit Schlesien entrissen. Auch als dann endlich 1763<br />
durch den Vertrag von Hubertusburg Frieden einkehrte, blieb sie aber<br />
verständlicherweise seine persönliche Feindin. Das galt nicht für den ungarischen<br />
Adel. Für die Männer, die um Freiheit vom Habsburger Joch<br />
rangen, war Friedrich II. als Feind <strong>der</strong> Österreicher ein Fre<strong>und</strong>. In diesem<br />
Spannungsfeld verlief <strong>der</strong> Weinerwerb <strong>und</strong> Transport. Es war ja<br />
eine sehr lange Wegstrecke (über 1000 km) aus dem Nordosten Ungarns<br />
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is nach Berlin/Potsdam. Wenn man neben dem Landweg auf Pferdefuhrwerken<br />
auch das Schiff nutzte, hatte das zudem den Vorteil, dass <strong>der</strong><br />
Wein nicht so durchgeschüttelt wurde. Ich gehe davon aus, dass man den<br />
Wein in den kleinen Fässern beließ, in denen er bereits vor Ort beim<br />
Winzer lagerte (siehe Bild). Für den Wasserweg boten sich die Theiß<br />
(flussabwärts), die Donau (flussaufwärts) <strong>und</strong> eventuell die Elbe (flussabwärts)<br />
an.<br />
Wichtiger als das ist die<br />
Lagerung vor Ort, so in<br />
Potsdam. Ich habe schon<br />
etwas über die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Weinlagerung<br />
für den Verzehr des<br />
Weines als Genussmittel<br />
gesagt. Die Kernfrage ist:<br />
Welche konkreten Bedingungen<br />
sind zu erfüllen?<br />
Beim Erzeuger lagert <strong>der</strong><br />
Wein üblicherweise in einem<br />
Bergstollen. In Tokaj<br />
hat man lange, oft verzweigte Gänge in den Tuffstein gehauen. Dort<br />
herrscht ein konstantes Klima. Das muss man nachahmen. Das wichtigste<br />
ist die Temperatur. Sie sollte gleichmäßig sein <strong>und</strong> in einem Bereich<br />
von 8 °C bis maximal 12 °C liegen. Das erreicht man in unserem Lande,<br />
wenn man zureichend tief ins Erdreich geht, also tiefe Keller o<strong>der</strong><br />
„Bergstollen“ ausbaut. Auch im Sandboden kann man entsprechende<br />
Gewölbe errichten, wie das die berliner Brauereien zur Kühlung des<br />
Bieres getan haben. Probleme bringt beim Kellerbau ein hoher Gr<strong>und</strong>wasserstand.<br />
Bei den Überlegungen zur Größe <strong>der</strong> Lagerkeller (Flächen)<br />
beziehe ich mich allein auf den zu vererbenden Wein <strong>und</strong> fasse dabei zugleich<br />
das Gesagte zusammen.<br />
Genannt sind im Testament 280 Eimer, das sind abger<strong>und</strong>et 20.500 Liter.<br />
Ich gehe davon aus, dass diese in Fässern mit einem Fassungsvermögen<br />
von einem Eimer (73 Liter) gelagert wurden. Das waren also 280<br />
Fässer. (Ich erhöhe die Menge um 20 Fässer.) Der Durchmesser solcher<br />
Fässer ist etwas größer als 50 cm. Legt man diese Fässer nebeneinan<strong>der</strong>,<br />
so erhält man eine Reihe von annähernd 150 Meter Länge. Ein Stollen,<br />
in dem zu je<strong>der</strong> Seite eines Ganges die Fässer aufgereiht sind, wäre immer<br />
noch 75 Meter lang (siehe Bild Tokaj). Vermutlich hat man in Potsdam<br />
Gewölbe ausgebaut, tief im Erdreich, vielleicht unter den<br />
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Schlössern o<strong>der</strong> in den in <strong>der</strong> Nähe liegenden „Bergen“. Allein für den<br />
genannten Wein müssen diese eine Gr<strong>und</strong>fläche von etwa 200 m² gehabt<br />
haben. Da sind wohl die Archäologen gefragt.<br />
Ich habe bisher immer nur über den ideellen Wert gesprochen. Der edle<br />
Wein hat natürlich auch einen materiellen Wert besessen <strong>und</strong> musste<br />
deshalb auch vor Diebstahl geschützt werden. Wollte man nur den Bestand<br />
des zu vererbenden Weines von gut 20.000 Litern wie<strong>der</strong> auffüllen,<br />
so müsste man heute dafür einen Betrag von einer halben Million<br />
Euro aufbringen; denn ein Liter Tokajer-Wein kostet 20 bis 30 Euro.<br />
Würde es sich um die Spitzenklasse Aszú 6 Puttonyos (Bütten) handeln,<br />
müsste man wohl mit dem dreifachen Betrag rechnen.<br />
Dem Bru<strong>der</strong> Heinrich hat <strong>der</strong> König 200.000 Taler <strong>und</strong> 50 Eimer <strong>Ungarwein</strong><br />
(mehr als 90.000 Euro) vererbt.<br />
Bil<strong>der</strong> in dem Artikel aus: Bildband Tokay, Landschaft im Wechsellicht, Károly<br />
Szelényi^, 1981<br />
* zu Maßeinheit „Quart“: Bezugsmaß preuß. Zoll=26.15 cm, kleine Enzyklopädie Natur,<br />
VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1966<br />
Das „Drei-Bretzel-Jahr“ (1888)<br />
In Abständen werden im <strong>Teltow</strong>er Heimatboten interessante<br />
Nachrichten aus dem <strong>Teltow</strong>er Kreisblatt veröffentlicht.<br />
So zum Beispiel vom 3. Januar 1888.<br />
<strong>Teltow</strong>. „1888“, das Drei-Bretzel-Jahr, wie <strong>der</strong> Berliner Volkswitz<br />
bereits das Jahr bezüglich <strong>der</strong> drei Achten getauft hat, ist nun begonnen.<br />
Manchem fidelen Sylvesterfeierer werden die Aussichten am ersten<br />
Tage des Neuen Jahres freilich nicht aufmunternd erschienen sein, mit<br />
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