Gedenkjahr - Landesschulrat Steiermark
Gedenkjahr - Landesschulrat Steiermark
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FERNOST<br />
Hongkong-Blitzlichter<br />
zu Bildungssystem und<br />
Wirtschaft. Eine<br />
dreiteilige Serie nach<br />
einer Studienreise des<br />
<strong>Landesschulrat</strong>es<br />
gemeinsam mit der<br />
Steirischen<br />
Volkswirtschaftlichen<br />
Gesellschaft im Herbst<br />
des Vorjahres. Zweiter<br />
Teil: Eindrücke von<br />
Mag. Brigitte Jug<br />
Bildungsreise Hongkong -<br />
was habe ich auf dieser Reise<br />
gesehen, das unser Bildungssystem<br />
beeinflussen sollte?<br />
Unter dem Eindruck der<br />
Ergebnisse der PISA-Studie<br />
kann ich diese Frage nur<br />
noch in diesem Kontext<br />
beantworten.<br />
Ergebnisse der Studie, die<br />
mich am meisten betroffen<br />
machen:<br />
● Ein Viertel der jetzt sechzehnjährigen<br />
Österreicher<br />
kann nicht sinnerfassend<br />
lesen. Der Zugang zu besserer<br />
Bildung ist vom Elternhaus<br />
abhängig. Die sprachlichen<br />
Fähigkeiten von<br />
Immigrantenkindern sind<br />
mangelhaft, unabhängig<br />
davon, ob diese in erster oder<br />
zweiter Generation in Österreich<br />
leben. Österreichische<br />
SchülerInnen sehen keinen<br />
Sinn in mathematischer und<br />
naturwissenschaftlicher Bildung<br />
und haben keine Freude<br />
daran. Trotzdem die<br />
SchülerInnen wenig Schulangst<br />
und viel Zufriedenheit<br />
mit Schule haben, haben sie<br />
wenig Freude am Lernen.<br />
Ich beschränke meine Beobachtungen<br />
auf die beiden<br />
chinesischen Schulen und<br />
weiß, dass diese erstens subjektiv<br />
sind und man zweitens<br />
nicht generalisieren darf.<br />
Andererseits gehört Hongkong<br />
zu den Gewinnern der<br />
PISA-Studie, was für mich<br />
doch genug Anlass zu Fragen<br />
und Thesen gibt.<br />
Meine Beobachtungen in<br />
Hongkong:<br />
● SchülerInnen und Eltern<br />
ist Bildung wichtig. Die Wertigkeit<br />
von mathematischer<br />
und naturwissenschaftlicher<br />
Bildung ist hoch. Schule ist<br />
ein starres und striktes System,<br />
in dem hierarchische<br />
Strukturen kaum hinterfragt<br />
werden. Unterricht findet<br />
vorwiegend frontal, in kleinen<br />
Räumen mit vielen SchülerInnen<br />
statt. Die LehrerInnen<br />
sind vorwiegend jung.<br />
LehrerInnen und SchülerInnen<br />
identifizieren sich mit<br />
ihrer Schule. Für „Abweichler<br />
von der Norm“ gibt es<br />
Stützmaßnahmen, die nicht<br />
von LehrerInnen durchgeführt<br />
werden. Die Differenzierung<br />
nach unterschiedlichen<br />
Begabungen erfolgt erst<br />
mit 16 Jahren. Der Umgang<br />
der SchülerInnen untereinander<br />
ist freundlich, friedlich,<br />
aggressionsfrei.<br />
Meine Thesen basierend auf<br />
den Beobachtungen:<br />
● Gesellschaftspolitisches<br />
Interesse an Bildung im Allgemeinen<br />
ist ein wichtiger<br />
Motivationsfaktor für die<br />
Lernbereitschaft von Kindern<br />
und Jugendlichen. Im<br />
Speziellen gilt das auch für<br />
Mathematik und Naturwis-<br />
SCHULE<br />
www.dieschule-stmk.com<br />
senschaften. Kinder und<br />
Jugendliche in homogenen<br />
Gruppen zu unterrichten<br />
wirkt sich auf die Leistungsbereitschaft<br />
lernschwacher<br />
SchülerInnen negativ aus.<br />
Jede Unterrichtsform hat<br />
ihre Vor- und Nachteile. Deshalb<br />
ist es wichtig, Methoden<br />
zu mixen. Die Negativwerbung<br />
für Frontalunterricht<br />
und Bewerbung des eigenverantwortlichen<br />
Arbeitens<br />
als allein akzeptable Unterrichtsform<br />
ist falsch und<br />
schadet Lernschwachen.<br />
Sie sind auch PISA-Gewinner<br />
Diese brauchen klare Strukturen.<br />
Wenn man Kinder und<br />
Jugendliche nicht fordert<br />
werden sie denkfaul und<br />
demotiviert. Schule muss ein<br />
Stützsystem für „Abweichler<br />
von der Norm“ anbieten.<br />
Gesellschaftspolitische Verantwortung<br />
ist es, allen<br />
Zugang zur individuell besten<br />
Bildung zu ermöglichen<br />
und Defizite aus dem Elternhaus<br />
auszugleichen. Klare<br />
Verhaltensrichtlinien mit<br />
Konsequenzen für Zuwiderhandelnde<br />
dienen einem<br />
friedlichen Umgang miteinander.Identifikationsfördernde<br />
Maßnahmen von<br />
Schulen sind der Leistungsmotivation<br />
dienlich.<br />
Meine daraus abgeleiteten<br />
Forderungen an ein Bildungssystem<br />
und an denUnterricht:<br />
● PolitikerInnen müssen den<br />
gesellschaftspolitischen Wert<br />
von Bildung wieder heben.<br />
In einer von wirtschaftlichen<br />
Faktoren dominierten Welt<br />
hängt das eng mit finanziellen<br />
Ressourcen zusammen,<br />
sei das eine moderne Ausstattung<br />
von Bildungsanstalten,<br />
eine ansprechende<br />
Architektur, eine gute<br />
Bezahlung der Mitarbeiter-<br />
Innen. In einer von Medien<br />
dominierten Welt hängt das<br />
mit öffentlicher Imagepflege<br />
zusammen. In einer leistungsorientiertenGesellschaft<br />
hängt das mit einer<br />
Zugangsbeschränkung und<br />
ständigen Kompetenzkontrolle<br />
der MitarbeiterInnen<br />
ebenso zusammen wie mit<br />
Outputkontrolle und Vergabe<br />
von entsprechenden Zertifikaten.<br />
Eine Serie mit Goodpractice-Beispielen<br />
18<br />
über die Entwicklung an<br />
steirischen allgemeinbildenden<br />
höheren Schulen<br />
8<br />
Nr. 167<br />
JUNI<br />
2005<br />
Klug geplante Rahmenvoraussetzungen,<br />
die individuelle<br />
Gestaltungs- und Handlungsspielräume<br />
für Lehrerinnen und Lehrer<br />
zulassen, Schülerinnen und Schülern<br />
das Ernstgenommensein vermitteln,<br />
die Qualität des<br />
Unterrichts in den Mittelpunkt des<br />
Interesses stellen und das Dahinterstehen<br />
der Direktion ohne<br />
Augenzwinkern klar machen,<br />
haben am BORG Deutschlandsberg<br />
ein Erfolgsmodell von Evaluation<br />
an Schulen entstehen lassen,<br />
das zum festen Bestandteil<br />
der Schulkultur geworden ist und<br />
sich mit fortschreitender Erfahrung<br />
und Sicherheit der Schulpartner<br />
ständig weiterentwickelt. Es hat in<br />
allen Belangen bestätigt, dass<br />
man mit professioneller Neugierde<br />
und geeigneten Instrumenten auf<br />
ehrliche Fragen auch ehrliche Antworten<br />
bekommt.<br />
Das BORG<br />
Deutschlandsberg vom<br />
Individual-Feedback<br />
über Selbstevaluation<br />
und Fremdevaluation<br />
zurück zum Individual-<br />
Feedback.<br />
Wie war es am Anfang?<br />
In den frühen 90er-Jahren regte<br />
eine engagierte Kollegin mit<br />
PI-Erfahrung Direktor und<br />
Personalvertretung an, mit<br />
„gemischten“ Feedback-Bogen<br />
Rückmeldungen über den<br />
Unterricht einholen zu lassen.<br />
Aus Neugier und aus Loyalität<br />
zur Schulleitung erprobten<br />
zuerst Mitglieder des Dienststellenausschusses<br />
das vorgefertigte<br />
Feedback-Blatt und<br />
berichteten in Konferenzen<br />
über Wirkungen und Nebenwirkungen.<br />
In Fachgruppen<br />
wurden Adaptierungen und<br />
Spezifizierungen erarbeitet<br />
und bald hatte jede Kollegin/jeder<br />
Kollege ein Set von<br />
praktikablen Rückmeldebogen<br />
zur Auswahl. Und die meisten<br />
setzten es zumindest in einem<br />
Teil ihrer Klassen ein. Bald<br />
wurde dieses Instrument des<br />
Individual-Feedback als ein<br />
Konstrukt erkannt und erlebt,<br />
das latente Unzufriedenheit<br />
mit Lehrergewohnheiten, unerwünschten<br />
Verhaltensweisen,