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Gedenkjahr - Landesschulrat Steiermark

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Nr. 167<br />

JUNI<br />

2005<br />

19<br />

SCHULE<br />

www.dieschule-stmk.com<br />

Zeitgeschichte erzählt<br />

Im Rahmen des heurigen<br />

<strong>Gedenkjahr</strong>es nahmen die<br />

Mädchen der 3. a, 3. b und 4. c<br />

HS Ursulinen an einem Projekt<br />

teil, bei dem sie anhand eines<br />

Fotos mit Groß- oder Urgroßeltern<br />

über die Zeit des Kriegsendes<br />

bis zum Staatsvertrag sprechen<br />

sollten. Dieses Gespräch<br />

der Generationen war deshalb<br />

besonders spannend, weil viele<br />

SchülerInnen Geschichte(n)<br />

hörten, die sie bisher nicht<br />

kannten ...<br />

Alarm<br />

„Am Ende der Kriegszeit, als<br />

die Schwestern meiner Oma<br />

noch klein waren, wurde Graz<br />

von den Russen besetzt. Beinahe<br />

jede Familie, die mehrere<br />

Räumlichkeiten zu Verfügung<br />

hatte, bekam ein paar Soldaten<br />

zugeteilt. Obwohl die Familie<br />

meiner Großmutter nur zwei<br />

Räume bewohnte, musste sie<br />

einen davon hergeben. Mehrere<br />

russische Soldaten wurden in<br />

ihrem zweiten Raum untergebracht.<br />

Dafür, dass sie eigentlich<br />

Feinde waren, waren sie<br />

sehr nett. Sie spielten mit den<br />

Kindern und brachten Lebensmittel,<br />

die meine Urgroßmutter<br />

verkochen sollte, sie soll sehr<br />

gut gekocht haben. Die Familie<br />

durfte von allen Speisen mitessen.<br />

Alle waren sehr erleichtert,<br />

dass sie es mit ihren Besatzern<br />

so gut getroffen hatten. Doch<br />

eines Tages begannen die Soldaten<br />

im benachbarten Hallerschlosspark<br />

ein großes Loch<br />

auszuheben. Unter den Nachbarn<br />

kursierte das Gerücht,<br />

dass die Russen ein Massengrab<br />

schaufelten, um alle zu erschie-<br />

ßen und dann hineinzuwerfen.<br />

Meine Urgroßmutter und meine<br />

Tanten konnten es gar nicht<br />

glauben: Sollten diese vorher so<br />

freundlichen Männer wirklich<br />

so etwas Fürchterliches mit<br />

ihnen vorhaben? Doch als die<br />

Soldaten zu ihnen kamen und<br />

sie aufforderten, ihnen in den<br />

Park zu folgen, waren auch sie<br />

starr vor Entsetzen. Als sie im<br />

Park ankamen, fiel ihnen vor<br />

Erleichterung ein Stein vom<br />

Herzen: In der großen Grube<br />

war kein Massengrab, sondern<br />

eine Miniaturstadt, die die Soldaten<br />

zum Spielen für die Kinder<br />

gebaut hatten.“<br />

Florentine Frantz, 3.a HS<br />

Krank sein im Krieg<br />

„Die Nachkriegszeit war am<br />

schwersten, wenn man krank<br />

war, was auf den Bruder meiner<br />

Oma leider zutraf. Er<br />

bekam eine Lungenentzündung,<br />

musste mit einem Pferdefuhrwerk<br />

ins Krankenhaus<br />

gebracht und das Penicilin aus<br />

Wien organisiert werden. Diese<br />

Aufgabe übernahm zum Glück<br />

ein bekannter Arzt der Familie.<br />

Auf dem Foto unten sind meine<br />

Großmutter und ihr Bruder an<br />

dem Tag zu sehen, an dem der<br />

Bub aus dem Krankenhaus zu<br />

Fuß nach Hause kam. Er musste<br />

sofort helfen, die Schafe zu<br />

hüten. Seine Kleidung war alt,<br />

aber warm. Er trug einen<br />

Schafwollpulli und Schuhe,<br />

was im Sommer so gut wie nie<br />

vorkam.<br />

Die Kleider meiner Großmutter<br />

wurden in Handarbeit aus<br />

Schürzen ihrer Mutter gefertigt.<br />

Die Hose ihres Bruders<br />

IST FREI<br />

war von der Klinik gespendet<br />

worden.“ Tina Gutschi, 3.a HS<br />

Meine Oma erzählt<br />

„Als der Krieg im Mai 1945<br />

endlich aus war, wohnte meine<br />

Oma gerade in Trieben in der<br />

Obersteiermark. Alle waren<br />

sehr froh. Plötzlich kamen drei<br />

große Panzer aus Russland,<br />

obwohl es geheißen hatte, dass<br />

der Krieg zu Ende sei. Geschäfte<br />

und Schulen waren geschlossen,<br />

man konnte nur auf dem<br />

Bahnhof Brot und Milch kaufen.<br />

Drei Monate blieben die<br />

Panzer, dann zogen sie ab.<br />

Damals arbeitete meine Oma<br />

im Postamt Rottenmann als<br />

Buchhaltungslehrling. Sogar<br />

1946 war noch keine Berufsschule<br />

offen. Aber 1947<br />

benachrichtigte man aus Graz<br />

die Leute, dass die Landfrauen-Schule<br />

Haidegg eröffnet<br />

wurde. Meine Oma trat ein,<br />

aber als sie auf dem Bahnhof in<br />

Graz ankam, sah sie Schreckliches:<br />

zerbombte Häuser und<br />

nichts als Schutthäufen. Mit<br />

der Straßenbahn kam sie bis St.<br />

Leonhard, von da musste sie<br />

aber fast eine Stunde zu Fuß bis<br />

Haidegg gehen. In der Schule<br />

wurden jeweils 28 Mädchen in<br />

Vierergruppen eingeteilt. Am<br />

Vormittag arbeiteten sie in<br />

ihren Gruppen, nachmittags<br />

hatten sie gemeinsam Unterricht.<br />

Nach 50 und 55 Jahren<br />

gab es ein Klassentreffen. Dort<br />

trafen sich die Freundinnen<br />

und erzählten über ihr jetziges<br />

Leben als alte Damen.“<br />

Agnes und Elisabeth Oleschak,<br />

3.a HS

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