10. Simulation und virtuelle Realität - FKFS
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<strong>10.</strong> <strong>Simulation</strong> <strong>und</strong> <strong>virtuelle</strong> <strong>Realität</strong><br />
Reinhard Blumrich<br />
<strong>10.</strong>2. Numerische Berechnung der Aeroakustik<br />
von Fahrzeugen<br />
Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen <strong>und</strong> Fahrzeugmotoren Stuttgart, Stuttgart<br />
<strong>10.</strong>2.1. Einführung<br />
Wie in Kapitel 6.3 dieses Buches dargestellt, spielen die Windgeräusche bei Kraftfahrzeugen<br />
eine wichtige Rolle. Im mittleren Geschwindigkeitsbereich treten sie<br />
in einzelnen Frequenzbereichen hervor <strong>und</strong> ab etwa 120 km/h dominieren sie das<br />
Gesamtgeräusch, sowohl innen als auch außen. Somit wird auch in Zukunft das<br />
Windgeräusch bei Kraftfahrzeugen eine Rolle spielen, zumal die Komfortansprüche<br />
weiter steigen dürften <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> der weiteren Minderung der<br />
akustischen Einflüsse durch das Rollen <strong>und</strong> den Antrieb schon heute bereits ab ca.<br />
80 km/h das Gesamtgeräusch im Innenraum vom Windgeräusch wesentlich beeinflusst<br />
werden kann (Ullrich 2008).<br />
Windgeräusche werden u. a. bei der Umströmung von Hindernissen oder bei der<br />
Überströmung von Hohlräumen erzeugt, so wie es bei der Umströmung eines<br />
Fahrzeuges der Fall ist. Es entstehen hierbei Fluktuationen im Geschwindigkeits-<br />
<strong>und</strong> Druckfeld bzw. aerodynamische Kräfte, die verschiedene Arten von aeroakustischen<br />
Quellen hervorrufen. Zum einen sind es pulsierende Volumenströme,<br />
die durch Monopolterme repräsentiert werden können. Beispiele für diesen<br />
Quellentyp sind Auspufföffnungen oder Undichtigkeiten in Dichtungssystemen.<br />
Zum anderen sind es Druckfluktuationen an der Fahrzeugoberfläche, die durch<br />
Dipolterme repräsentiert werden können. Diese Quelltypen findet man dort, wo<br />
turbulente Strömung z. B. im Nachlauf eines Außenspiegels auf das Seitenfenster<br />
trifft. Außerdem treten turbulente Scherspannungen z. B. im Nachlauf eines<br />
Kraftfahrzeugs auf, die durch Quadrupolterme dargestellt werden können. Letztere<br />
sind allerdings in der Regel für Kraftfahrzeuge irrelevant. Eine detaillierte<br />
Beschreibung der aeroakustischen Quelltypen <strong>und</strong> der typischen aeroakustischen<br />
Schallquellen an Kraftfahrzeugen ist in Kapitel 6.3 zu finden. In Abbildung <strong>10.</strong>30<br />
sind an Hand des Beispiels der Umströmung eines Seitenspiegels die möglichen<br />
Regionen, in denen die verschiedenen Quelltypen auftreten können, skizziert. Wie<br />
bereits erwähnt, sind die Quadrupolquellen normalerweise zu vernachlässigen.
2<br />
Abb. <strong>10.</strong>30: Beispiel von Regionen aeroakustischer Quellen an einem Fahrzeug (turbulente<br />
Strömung hinter einem Außenspiegel, Quadrupolquellen normalerweise vernachlässigbar)<br />
(Blumrich 2008a)<br />
Die Gr<strong>und</strong>lagen für die Aeroakustik <strong>und</strong> ihrer Berechnung wurden in der Luft-<br />
<strong>und</strong> Raumfahrtforschung gelegt. Vor allem der Lärm von Düsentriebwerken stand<br />
hier auf Gr<strong>und</strong> ihrer immensen Schallpegel <strong>und</strong> der hierdurch folgenden Umweltbelastung<br />
im Fokus. In diesem Umfeld entstanden von 1951 bis 1954 auch die<br />
wegweisenden Arbeiten von M. J. Lighthill zur Theorie aeroakustischer Quellen<br />
(Lighthill 1951a/b). Hieraus wurde die weithin bekannte aeroakustische Analogie<br />
von Lighthill entwickelt. Maestrello untersuchte 1967 sodann als erster auch das<br />
durch die Umströmung von Flugzeugaußenhautpaneelen erzeugte <strong>und</strong> in die<br />
Flugzeugkabine übertragene Rauschen (Maestrello 1967).<br />
In der Fahrzeugentwicklung wurde deutlich später erst auf die Aeroakustik<br />
geachtet. Hierbei bildeten die Arbeiten aus der Luft- <strong>und</strong> Raumfahrt eine Basis.<br />
Entsprechend spät hielt auch die Berechnung der Aeroakustik Einzug in die<br />
Fahrzeugentwicklung <strong>und</strong> ist daher ein relativ neues Feld. Die Argumente für<br />
ihren Einsatz sind diejenigen, die allgemein für Berechnungsmethoden gelten.<br />
Hierzu zählt, vor allem unter dem Gesichtspunkt der ständigen Optimierung der<br />
Entwicklungszyklen, der Kosten sparende Einsatz in einem sehr frühen Entwicklungsstadium.<br />
<strong>Simulation</strong>en können außerdem als komplementäres Werkzeug zu<br />
den Experimenten im Prozess der Fahrzeugentwicklung dienen. Im Gegensatz zu<br />
den Experimenten liefern sie Daten für das gesamte betrachtete dreidimensionale<br />
Strömungs- oder Schallfeld. Hierdurch können sie entscheidend zum Verständnis<br />
der Strömungsdetails <strong>und</strong> der Schallerzeugungsmechanismen beitragen.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der weiter wachsenden Leistung der Rechner <strong>und</strong> der optimierten<br />
Algorithmen werden vor allem numerische Methoden zunehmend wichtiger für<br />
die Fahrzeugentwicklung. Während entsprechende Software für die <strong>Simulation</strong><br />
der Aerodynamik (Computational Fluid Dynamics, CFD) schon seit geraumer Zeit<br />
kommerziell erhältlich ist <strong>und</strong> inzwischen mehr oder weniger als Standardwerkzeug<br />
betrachtet werden kann, ist die numerische <strong>Simulation</strong> der Aeroakustik<br />
erst auf dem Weg in der Fahrzeugentwicklung regelmäßig genutzt zu werden.<br />
Zurzeit konzentrieren sich die numerischen Untersuchungen im Bereich der
Fahrzeugaeroakustik üblicherweise auf folgende in Kapitel 6.3 diskutierte Punkte,<br />
die hauptsächlich im Hinblick auf den Innenraumgeräuschpegel betrachtet<br />
werden. Diese sind:<br />
• Schiebedach- <strong>und</strong> Seitenfensterwummern,<br />
• Unterboden<br />
• Außenspiegel,<br />
• A-Säulen-Wirbel,<br />
• Scheibenwischer,<br />
• Klimasysteme (HVAC systems).<br />
Im Allgemeinen müssen die <strong>Simulation</strong>en in Bezug auf die gewählte Vernetzung,<br />
die Anfangs- <strong>und</strong> Randbedingungen sowie die Betrachtung der relevanten Parameter<br />
sehr sorgfältig durchgeführt werden. Ist dies geschehen, so liefert die<br />
numerische Aeroakustik schon jetzt für spezielle Szenarien, wie z. B. das Schiebedachwummern,<br />
zuverlässige Ergebnisse. In einigen Jahren wird die Berechnung<br />
der Aeroakustik bzw. die Numerische Aeroakustik den Status eines Standardwerkzeuges<br />
erreicht haben.<br />
Das aerodynamisch induzierte Geräusch von Fahrzeugen wird direkt oder indirekt<br />
durch die Umströmung des Fahrzeuges erzeugt. Als direkt wird hier die Abstrahlung<br />
von Schall durch aeroakustische Quellen im Fluid (im Wesentlichen an<br />
Oberflächen) bezeichnet, ohne Anregung von Schwingungen einer Karosseriestruktur<br />
wie z. B. Scheibe oder Tür. Als indirekt wird hier die Anregung von<br />
Strukturschwingungen durch die aerodynamischen Kräfte <strong>und</strong> die darauf folgende<br />
Abstrahlung von Schall der schwingenden Struktur bezeichnet. Hierbei muss noch<br />
unterschieden werden, ob eine signifikante Rückwirkung der Strukturvibration auf<br />
die Strömung stattfindet. Ist dies nicht der Fall spricht man im Allgemeinen von<br />
Fluid-Struktur-Kopplung, findet eine Rückwirkung statt, so spricht man im Allgemeinen<br />
von Fluid-Struktur-Interaktion oder -Wechselwirkung.<br />
Diese Vorgänge müssen von den <strong>Simulation</strong>en erfasst werden <strong>und</strong> erfordern<br />
deshalb die Kombination von verschiedenen Berechnungsmethoden. Dies gilt im<br />
Besonderen für Innengeräusche, von denen ein großer Anteil über die von der<br />
Umströmung angeregten Karosseriestrukturen abgestrahlt wird. In den folgenden<br />
Abschnitten werden in der logischen Reihenfolge von der Anregung bis zum<br />
Schalleintrag am Empfänger einige wesentliche Berechnungsmethoden für die<br />
unterschiedlichen Mechanismen dargestellt <strong>und</strong> diskutiert. Eine vollständige Darstellung<br />
aller verfügbaren Methoden kann im Rahmen dieses Kapitels nicht<br />
gegeben werden. Die Literaturverweise werden hierfür weiter helfen.<br />
<strong>10.</strong>2.2. Berechnung der Anregung <strong>und</strong> der Quellen<br />
Für die <strong>Simulation</strong> der Aeroakustik werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, die<br />
das aerodynamische Geräusch unter verschiedenen vereinfachenden Annahmen<br />
berechnen. In diesem Abschnitt werden die Methoden zur Berechnung der aero-<br />
3
4<br />
dynamischen Anregung, die auch die aeroakustischen Quellen beinhaltet, beschrieben.<br />
Eine wichtige Basis für die Numerische Aeroakustik bildet die <strong>Simulation</strong> der<br />
Strömung mit Hilfe einer CFD-Software. Sie berechnet die Druck- <strong>und</strong> Geschwindigkeitsfluktuationen,<br />
die bei der Umströmung des betrachteten Fahrzeugs auftreten<br />
<strong>und</strong> signifikante Quellen für Schall sein können. Hierbei sind die Druckfluktuationen<br />
auf den Oberflächen entweder durch eine turbulente Strömung an<br />
der Oberfläche oder durch Strömungsablösungen von besonderem Interesse. Geschwindigkeitsfluktuationen<br />
können bei Leckagen wichtig werden, sofern diese<br />
mit berücksichtigt werden, eventuell auch Geschwindigkeitsfluktuationen in<br />
Nachläufen. Im für Fahrzeuge üblichen Geschwindigkeitsbereich bis 250 km/h<br />
sind die Druckfluktuationen an den Oberflächen normalerweise die dominierenden<br />
Quellen, solange keine Monopolquellen vorhanden sind (siehe Kap. <strong>10.</strong>2.1).<br />
Die gr<strong>und</strong>legenden physikalischen Zusammenhänge, auf denen die CFD-<br />
<strong>Simulation</strong>en basieren, sind auf der einen Seite die bekannten Navier-Stokes-<br />
Gleichungen (NSG), auf der anderen Seite der Algorithmus der Lattice-Boltzmann-Methode<br />
(LBM). Die NSG beruhen auf der<br />
• klassischen Kontinuumsmechanik, <strong>und</strong> befolgen die<br />
• Massenerhaltung,<br />
• Impulserhaltung <strong>und</strong><br />
• Energieerhaltung.<br />
Zur Schließung des Gleichungssystems wird noch eine Zustandsgleichung, die die<br />
Materialeigenschaften beinhaltet, benötigt. Diese Gleichungen sind oft beschrieben<br />
<strong>und</strong> diskutiert, so dass an dieser Stelle nur auf die entsprechende Literatur<br />
verwiesen wird (z. B. Goldstein 1976, Pierce 1981).<br />
Im Gegensatz zu den NSG beruht die LBM auf einem<br />
• Ansatz auf mikroskopischer Ebene, den<br />
• Boltzmann-Gleichungen <strong>und</strong><br />
• Gasteilchen auf einem Gitter in<br />
• diskreten Zuständen (Geschwindigkeit in Betrag <strong>und</strong> Richtung).<br />
Auch hier ist die Energie- <strong>und</strong> Impulserhaltung erfüllt. Die LBM entspricht den<br />
NSG in der Kontinuumsmechanik. Auch für die LBM wird auf eine Darstellung<br />
der Gleichungen an dieser Stelle verzichtet, da sie in der Literatur zu genüge zu<br />
finden sind. Eine genauere Beschreibung der LBM ist z. B. in (Brenner 2008)<br />
gegeben.<br />
Im Prinzip können auf Basis eines dieser Gleichungssysteme das gesamte<br />
Strömungsfeld <strong>und</strong> seine turbulenten Fluktuationen gleichzeitig <strong>und</strong> direkt berechnet<br />
werden. Diese Direkte Numerische <strong>Simulation</strong> (DNS) muss eine große<br />
Bandbreite turbulenter Skalen richtig abbilden <strong>und</strong> ein instationäres, d.h. zeitlich<br />
variierendes <strong>und</strong> damit zeitlich aufgelöstes, Ergebnis liefern. Eine Parametrisierung<br />
von turbulenten Fluktuationen ist nicht mehr nötig, allerdings ist der<br />
Rechenaufwand groß.<br />
Auch die Ausbreitung der Schallwellen von den aeroakustischen Quellen in der
inhomogenen Strömung kann auf Basis eines dieser Gleichungssysteme gleichzeitig<br />
<strong>und</strong> direkt mit berechnet werden. Diese komplexeste Berechnungsform wird<br />
häufig Direkte <strong>Simulation</strong> (DS) genannt. Sie muss sowohl die Strömung mit ihren<br />
Turbulenzen (kleine Längen, große Energien) als auch die akustischen Wellen<br />
(große Längen, kleine Energien) richtig abbilden. Hierfür muss eine Gleichungsform<br />
zur Berechnung einer instationären Lösung gewählt werden, die die<br />
Kompressibilität der Luft mit berücksichtigt. Die benötigte räumliche Auflösung<br />
des zu Gr<strong>und</strong>e liegenden Gitters richtet sich nach den relevanten Turbulenzskalen<br />
sowie der zu beschreibenden Geometrie <strong>und</strong> nicht nach den relevanten akustischen<br />
Wellenlängen, die i. d. R. größer als erstere sind. Die zeitliche Auflösung muss<br />
allerdings an die relativ schnelle Ausbreitung der Schallwellen angepasst werden,<br />
um zumindest das Courant-Friedrich-Levi-Kriterium (∆t ≤ 0.5 ∆x / c, z. B. in<br />
Duncan 1999) zu erfüllen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e sind die Anforderungen an die<br />
Rechenleistung außerordentlich, sowohl bezüglich der Rechengeschwindigkeit als<br />
auch bezüglich der Speicherkapazität. Die DS wird infolgedessen derzeit nur für<br />
kleine, akademische oder niederfrequente Fälle mit relativ großräumiger<br />
Anregung (z. B. Schiebedachwummern) genutzt.<br />
Für eine effizientere Berechnung <strong>und</strong> für größere technische Anwendungen sind<br />
Verfahren entwickelt worden, die auf verschiedenen Näherungen beruhen. Entweder<br />
werden die Strömungsfluktuationen insgesamt modelliert, d.h. mit einem<br />
Turbulenzmodell parametrisiert <strong>und</strong> nicht direkt berechnet, oder sie werden für<br />
größere Längenskalen direkt berechnet <strong>und</strong> für kleinere Skalen auf verschiedene<br />
Weise modelliert. Die üblichen Verfahren sind (siehe z. B. Glegg 1999):<br />
• Reynolds averaged Navier-Stokes (RANS): stationäre Methode, alle Turbulenzskalen<br />
werden modelliert <strong>und</strong> nicht direkt berechnet.<br />
• Unsteady Reynolds averaged Navier-Stokes (URANS): instationäre RANS<br />
Methode mit statistischer Mittelung bzw. Ensemble-Mittelung.<br />
• Large Eddy <strong>Simulation</strong> (LES): Berechnung der größeren Turbulenzskalen <strong>und</strong><br />
Modellierung der kleineren.<br />
• Very Large Eddy <strong>Simulation</strong> (VLES): LES deren Grenze zwischen aufgelöster<br />
(d.h. berechneter) <strong>und</strong> modellierter Turbulenz zu größeren Skalen hin verschoben<br />
ist.<br />
• Detached Eddy <strong>Simulation</strong> (DES): RANS Methode mit Regionen höherer<br />
Auflösung, in denen LES benutzt wird (i.d.R. an Wänden RANS <strong>und</strong> im Fluid-<br />
Volumen LES, (Spalart et al. 1997)).<br />
Für aeroakustische Berechnungen interessieren wie bereist erwähnt im<br />
Wesentlichen die Druck- <strong>und</strong> Geschwindigkeitsfluktuationen. Inwieweit die verschiedenen<br />
Verfahren diese Strömungsfluktuationen, bezogen auf deren Skalen,<br />
<strong>und</strong> die Schallwellen direkt berechnen, zeigt qualitativ die Skizze in Abbildung<br />
<strong>10.</strong>31. Die verschiedenen Verfahren zur Turbulenzberechnung sind üblicherweise<br />
auf Basis der NSG spezifiziert. Bei der LBM kann man auf vergleichbare Weise<br />
die Strömungsfluktuationen modellieren.<br />
Sind die Druck- <strong>und</strong> Geschwindigkeitsfluktuationen mittels eines der verschiedenen<br />
CFD-Verfahren berechnet worden, können die akustischen Quellen,<br />
abhängig vom Grad der direkten Berechnung, bestimmt werden. Die zeitlichen<br />
5
6<br />
Variationen der relevanten Fluktuationen entsprechen den akustischen Frequenzen,<br />
die zu erwarten sind. Falls die relevanten Größen mit einem Turbulenzmodell<br />
parametrisiert wurden, müssen die Fluktuationen hieraus rekonstruiert werden. Sie<br />
werden durch pseudo-stochastische Fluktuationen mit den entsprechenden relevanten<br />
Skalen in Zeit <strong>und</strong> Raum angenähert. Diese pseudo-stochastischen Fluktuationen<br />
werden mit Hilfe des statistischen Verhaltens von Turbulenz <strong>und</strong> den<br />
Ergebnissen aus dem Turbulenzmodell, z. B. die turbulente kinetische Energie,<br />
synthetisiert. Das so genannte SNGR-Verfahren (Stochastic Noise Generation and<br />
Radiation, siehe z. B. in (Bechara et al. 1994, Bailly et al. 1995)) fußt auf einer<br />
solchen Rekonstruktion.<br />
Abb. <strong>10.</strong>31: Qualitative Übersicht der direkten Berechnung der verschiedenen Skalen in den<br />
unterschiedlichen Verfahren (Blumrich 2006)<br />
In der Praxis kann in vielen Fällen für die Berechnung des Strömungsfeldes ein<br />
inkompressibles Fluid angenommen werden. Dies vereinfacht die <strong>Simulation</strong> <strong>und</strong><br />
kann bei niedrigen Mach-Zahlen sowie ohne Wechselwirkung zwischen Akustik<br />
<strong>und</strong> Strömungsfeld durchgeführt werden. Für die <strong>Simulation</strong> von Effekten wie<br />
Schiebedachwummern aber, wo eine Kopplung zwischen der Wirbelablösung <strong>und</strong><br />
der angeregten Hohlraumresonanz statt findet, sollte die Kompressibilität der Luft<br />
für eine korrekte <strong>Simulation</strong> mit berücksichtigt werden. Natürlich auch, wenn die<br />
Ausbreitung der Schallwellen mit berechnet werden soll, wie oben bereits<br />
erwähnt.
<strong>10.</strong>2.3. Berechnung des Schallfeldes im Fluid<br />
Ausgehend von den über die Strömungsfluktuationen bestimmten akustischen<br />
Quellgebieten kann das Schallfeld am Ort des Empfängers auf verschiedene Art<br />
<strong>und</strong> Weise mit einer Akustik-Berechnung mehr oder weniger genau bestimmt<br />
werden, sofern dies durch eine DS nicht schon in der Strömungssimulation enthalten<br />
ist. Die einfacheren Methoden gehen von einer rein geometrischen Ausbreitung<br />
von der Quelle zum Empfänger aus. Effekte durch die Ausbreitung des<br />
Schalls in der inhomogenen Strömung werden also nicht berücksichtigt. Es gibt<br />
jedoch auch komplexere Methoden, bei denen die Effekte, die die Schallwellen<br />
auf dem Weg von der Quelle zum Empfänger z. B. im inhomogenen Strömungsfeld<br />
erfahren, mit berücksichtigt werden. Dies ist z. B. bei den linearisierten Euler-<br />
Gleichungen (Linearised Euler Equations, LEE) der Fall.<br />
Abbildung <strong>10.</strong>32 gibt einen kleinen Überblick über die verschiedenen Ansätze der<br />
Berechnung bis hin zum Schallfeld am Empfänger. In den folgenden Abschnitten<br />
werden einige wichtige der bekannten Methoden zur Berechnung des Schallfeldes<br />
dargestellt.<br />
Abb. <strong>10.</strong>32: Übersicht über die Methoden zur numerischen <strong>Simulation</strong> der Aeroakustik<br />
(Blumrich 2006)<br />
7
8<br />
<strong>10.</strong>2.3.1. Aeroakustische Analogien<br />
Eine Möglichkeit die Ausbreitung des Schalls bzw. das Schallfeld im Fluid zu<br />
berechnen, sind die so genannten Aeroakustischen Analogien (AAA). Wie zuvor<br />
bereits erwähnt, wurde die Basis für die AAA von Lighthill (Lighthill 1951a, b) in<br />
der Mitte des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts entwickelt. Es handelt sich um Berechungsmethoden,<br />
bei denen i. d. R. eine geradlinige Ausbreitung des Schalls von<br />
der Quelle im Fluid zum Empfänger angenommen wird, d.h. ohne besondere<br />
Ausbreitungseffekte. Sie eignen sich im Wesentlichen nur für das Außengeräusch<br />
von Fahrzeugen.<br />
Lighthill leitete aus den kompressiblen Navier-Stokes-Gleichungen ohne Näherungen<br />
eine Wellengleichung ab. Es handelt sich also um eine exakte Theorie. Die<br />
linearen <strong>und</strong> die nichtlinearen Terme wurden getrennt sowie die nichtlinearen<br />
Terme zusammen mit den Reibungstermen auf die rechte Seite gebracht. Somit<br />
entstand eine inhomogene, akustische Wellengleichung, bei der die Terme auf der<br />
rechten Seite als aeroakustische Quellen interpretiert werden können. Sie bestehen<br />
sowohl aus Druck- <strong>und</strong> Geschwindigkeitsfluktuationen als auch aus Spannungstensor<br />
<strong>und</strong> Krafttermen. Des Weiteren wurde der stationäre Anteil der Feldgrößen<br />
(Druck, Dichte) vom instationären Anteil getrennt. Die von Lighthill entwickelte<br />
Gleichung lautet:<br />
2<br />
2<br />
2<br />
∂<br />
2 ∂<br />
∂ Tij<br />
( − ρ0<br />
) − a0<br />
( ρ − ρ ) =<br />
2<br />
0<br />
∂t<br />
∂x<br />
∂x<br />
∂x<br />
∂x<br />
ij<br />
ρ (<strong>10.</strong>25)<br />
i<br />
i<br />
2<br />
( p − p ) − a0<br />
( ρ − ρ ) ) δ ij ij<br />
T τ<br />
= ρvi v j +<br />
0 0 −<br />
(<strong>10.</strong>26)<br />
Hierbei sind a0 die Schallgeschwindigkeit, ρ die Dichte des Fluids, ρ0 die Dichte<br />
des ungestörten Fluids, p <strong>und</strong> p0 die entsprechenden Drücke, vi <strong>und</strong> vj die Fluid-<br />
Geschwindigkeit in i- <strong>und</strong> j-Richtung, δij das Kronecker-Symbol <strong>und</strong> τij der<br />
viskose Spannungstensor. Der Term Tij wird Lighthillscher Spannungstensor<br />
genannt.<br />
Durch die zweite räumliche Ableitung des Spannungstensors ergibt sich eine Quadrupolverteilung.<br />
Das heißt, die instationären Fluktuationen der Strömung werden<br />
durch eine Verteilung von Quadrupolquellen im selben Volumen dargestellt. Hierbei<br />
werden allerdings Quell- <strong>und</strong> Ausbreitungsterme vermischt.<br />
Um die Quellterme von der akustischen Variablen unabhängig machen zu können,<br />
wurden Näherungen eingeführt. Für ein ideales Gas wie z. B. Luft in einer<br />
isentropen Strömung mit hoher Reynolds- <strong>und</strong> kleiner Machzahl, wird der<br />
Lighthill-Tensor oft wie folgt angenähert:<br />
Tij ρ0<br />
≈ v v<br />
(<strong>10.</strong>27)<br />
i<br />
j<br />
i<br />
j
Auf diesem Wege sind linearisierte Gleichungen abgeleitet worden, die die Ausbreitung<br />
der akustischen Wellen in einem homogenen, ruhenden Medium beschreiben.<br />
Letzteres wird angeregt durch die akustischen Quellterme, die aus den<br />
turbulenten Fluktuationen bestimmt wurden. Da die Aeroakustik hier durch<br />
Gleichungen der klassischen Akustik beschrieben wird, werden solche Verfahren<br />
Aeroakustische Analogien genannt.<br />
Für die Berücksichtigung der Anwesenheit von festen Oberflächen wurden<br />
zunächst von Curle (Curle 1955) <strong>und</strong> später von Ffowcs Williams <strong>und</strong> Hawkings<br />
(Ffowcs Williams u. Hawkings 1969) formale Lösungen der Lighthill-Gleichung<br />
(Gl. <strong>10.</strong>25) entwickelt. Während bei Curle noch Einschränkungen bezüglich der<br />
Bewegung der Oberfläche (Normalengeschwindigkeit an der Oberfläche gegen<br />
Null) zu beachten waren, sind diese bei der Lösung von Ffowcs Williams <strong>und</strong><br />
Hawkings nicht mehr gegeben. Da in der Fahrzeugakustik bewegte Oberflächen<br />
die Regel sind, wird letztere bevorzugt eingesetzt, sofern Aeroakustische<br />
Analogien überhaupt eingesetzt werden. Die Gleichung der Ffowcs-Williams-<br />
Hawkings-Analogie lautet:<br />
{ }<br />
( f ) ∂Q<br />
( f )<br />
2<br />
2<br />
∂ ρ 2 2 ∂<br />
∂Fi<br />
δ δ<br />
− a ∇ ( ρ)<br />
= Tij<br />
H(<br />
f ) + +<br />
2 0<br />
∂<br />
∂x<br />
x<br />
∂x<br />
∂t<br />
F<br />
t i j<br />
i<br />
i<br />
Q<br />
[ ρu<br />
( u − v ) + pδ<br />
− ]<br />
= −<br />
τ<br />
i<br />
j<br />
[ ( u − v ) + ρ v ]<br />
i = − j j 0<br />
j<br />
9<br />
(<strong>10.</strong>28)<br />
Quadrupol-, Dipol-, Monopolquellen<br />
j<br />
ij<br />
∂ f<br />
∂x<br />
i<br />
ij<br />
∂ f<br />
∂xj<br />
ρ (<strong>10.</strong>29)<br />
Die Funktion f(x,t) beschreibt für f = 0 die sich bewegende Oberfläche, δ(f) stellt<br />
die Dirac-Funktion dar, H(f) die Heaviside-Funktion. Auf der rechten Seite dieser<br />
inhomogenen Wellengleichung finden sich neben den Quadrupoltermen nun auch<br />
die für die Fahrzeugaeroakustik wichtigen Dipol- <strong>und</strong> Monopolterme. An Hand<br />
der Dirac- <strong>und</strong> der Heaviside-Funktionen kann man die verschiedenen Charaktere<br />
der Quellterme erkennen. Die Quadrupolterme beschreiben Volumenquellen<br />
außerhalb der Oberfläche (siehe oben) <strong>und</strong> die Dipol- <strong>und</strong> Monopolterme beschreiben<br />
Flächenquellen an der Oberfläche. Monopolquellen werden hier durch<br />
die Bewegung der Oberfläche erzeugt.<br />
Im Falle einer hybriden Methode wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, dienen<br />
die Analogien also zur Auswertung der Gebiete, in denen Schallquellen zu erwarten<br />
sind. Abbildung <strong>10.</strong>33 illustriert an Hand eines Beispiels eine solche Auswertung.<br />
Die turbulente Strömung, hervorgerufen durch einen Außenspiegel, erzeugt<br />
Regionen von Quadrupolquellen im Nachlauf (normalerweise vernachlässigbar)<br />
<strong>und</strong> Regionen von Dipolquellen auf Gr<strong>und</strong> der Druckfluktuationen auf<br />
i
10<br />
dem Seitenfenster. Zusätzlich können Monopolquellen auftreten, beispielsweise<br />
durch Leckagen in den Dichtungen.<br />
Abb. <strong>10.</strong>33: Aeroakustische Quelltypen <strong>und</strong> entsprechende Gleichungsterme am Beispiel der<br />
turbulenten Umströmung eines Außenspiegels (Quadrupolquellen i. d. R. vernachlässigbar,<br />
vergleiche Abb. <strong>10.</strong>30) (Blumrich 2006)<br />
Über die drei hier erwähnten Aeroakustischen Analogien hinaus existieren noch<br />
andere, die zum Teil auch in der Fahrzeugakustik eingesetzt werden oder wurden.<br />
So zum Beispiel Lilleys Analogie (Lilley 1973) oder diejenigen von Howe (Howe<br />
1975) <strong>und</strong> Möhring (Möhring 1978). Generell ist jedoch festzuhalten, dass durch<br />
das vorwiegende Interesse am Innengeräusch des Fahrzeuges die Analogien, die in<br />
erster Linie die Abstrahlung nach außen berechnen können <strong>und</strong> nicht den Transfer<br />
in den Innenraum, in der Numerischen Fahrzeugaeroakustik mittlerweile eine eher<br />
untergeordnete Rolle spielen.<br />
<strong>10.</strong>2.3.2. Kirchhoff-Integral-Methode<br />
Um den Schalldruck im Fernfeld bestimmen zu können, betrachtet die Kirchhoff-<br />
Integral-Methode nicht die aeroakustischen Quellen im Quellvolumen, sondern<br />
die Quellverteilung auf einer dieses Volumen umschließenden Oberfläche, d.h.<br />
einer Hüllfläche. Dies setzt voraus, dass die Druck- <strong>und</strong> Schnelleverteilung auf der<br />
Hüllfläche bestimmt werden kann. Für eine Berechnung wird hierzu das betrachtete<br />
Gebiet in zwei Regionen unterteilt:<br />
• die innere, nicht-lineare Region, die mit Hilfe von CFD mit kleiner bzw. ohne<br />
Diffusion, Dissipation <strong>und</strong> Dispersion berechnet wird, <strong>und</strong><br />
• die äußere, lineare Region, in der mit Hilfe eines Integrals über die Quellterme<br />
auf dem Rand der nicht-linearen, inneren Region (Kirchhoff-Oberfläche) der<br />
Schalldruck im Fernfeld berechnet wird.<br />
Ein theoretischer Hintergr<strong>und</strong> ist z. B. in Kapitel 1.5 bei Goldstein gegeben<br />
(Goldstein 1976). Der Vorteil der Kirchhoff-Integral-Methode gegenüber den
Aeroakustischen Analogien ergibt sich aus der Tatsache, dass Oberflächenintegrale<br />
über den Quellbereich ausgeführt werden, im Gegensatz zu den Volumenintegralen<br />
der Aeroakustischen Analogien. Mit dem harmonischen Ansatz<br />
r<br />
φ<br />
r<br />
iωt<br />
( x t)<br />
= ϕ(<br />
x)<br />
e<br />
, (<strong>10.</strong>30)<br />
stellen sich die Integrale in allgemein gehaltener Form wie folgt dar:<br />
r<br />
ϕ<br />
ikr<br />
ikr<br />
e<br />
e<br />
∫ r n ∫ n r ⎟ −<br />
−<br />
1 ∂ϕ<br />
1 ∂ ⎛ ⎞<br />
4π<br />
∂ 4π<br />
∂ ⎜<br />
⎝ ⎠<br />
( x ) = −<br />
dS + ϕ ⎜ dS<br />
0<br />
Hierbei bezeichnet ( 0 )<br />
( x, t)<br />
r<br />
S<br />
S<br />
. (<strong>10.</strong>31)<br />
x r<br />
ϕ die komplexe Amplitude des akustischen Potenzials<br />
φ , S die Hüllfläche, r den Abstand zum Aufpunkt x0 r , n r die Flächennormale.<br />
Die Gleichung muss korrekterweise Kirchhoff-Helmholtz-Formel genannt<br />
werden. Druck p <strong>und</strong> Schnelle v′<br />
r des Schallfeldes sind über die zeitliche <strong>und</strong><br />
räumliche Ableitung mit dem akustischen Potenzial verknüpft:<br />
p<br />
=<br />
r<br />
v ′ =<br />
−<br />
∂φ<br />
∂t<br />
ρ 0 bzw. (<strong>10.</strong>32)<br />
gradφ<br />
(<strong>10.</strong>33)<br />
Bei den ursprünglichen Verfahren nach der Kirchhoff-Methode musste sich die<br />
Integrationsoberfläche außerhalb der wirbelbehafteten Quellströmung <strong>und</strong> des<br />
Scherströmungsbereiches befinden. Bei neueren Verfahren ist dies nicht zwingend<br />
erforderlich. Auch bewegte Oberflächen können berücksichtigt werden (Farassat<br />
u. Myers 1988).<br />
<strong>10.</strong>2.3.3. Linearisierte Euler-Gleichungen<br />
An Hand der so genannten linearisierten Euler-Gleichungen (Linearised Euler<br />
Equations, LEE) kann das Schallfeld am Ort des Empfängers inklusive der<br />
Schallausbreitung in der inhomogenen Strömung berechnet werden, sofern es<br />
nicht schon durch eine DS direkt mit berechnet wurde. Reflektierende Flächen in<br />
der Nachbarschaft der Schallquellen können mit den LEE auch berücksichtigt<br />
werden.<br />
Die LEE folgen aus den Navier-Stokes-Gleichungen unter Vernachlässigung der<br />
nicht-linearen Terme <strong>und</strong> der Viskosität sowie unter der Annahme, dass die<br />
akustischen Terme sehr klein gegenüber den mittleren Strömungsgrößen sind.<br />
11
12<br />
Führt man eine Skalentrennung zwischen den mittleren Strömungsgrößen<br />
( p , u , ρ ) <strong>und</strong> den akustischen Termen ( p ′ , u′<br />
, ρ′ ) durch <strong>und</strong> geht bei der Schallausbreitung<br />
in Luft von adiabatischen Prozessen aus, können unter Vernachlässigung<br />
der Schwerkraft die LEE in folgender Form geschrieben werden<br />
(Blumrich u. Heimann 2002):<br />
r<br />
∂u′<br />
+<br />
∂t<br />
r r v r 1 1 p′<br />
( u ∇)<br />
u′<br />
+ ( u′<br />
∇)<br />
u + ∇ p′<br />
− ∇ p = 0<br />
ρ<br />
κ ρ p<br />
r ( p ∇u′<br />
+ p′<br />
∇u<br />
) = 0<br />
(<strong>10.</strong>34)<br />
∂ p′<br />
r v<br />
r<br />
+ u ∇ p′<br />
+ u′<br />
∇ p + κ (<strong>10.</strong>35)<br />
∂t<br />
mit κ = cp<br />
cv<br />
, dem Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten der Luft bei<br />
konstantem Druck bzw. konstantem Volumen. Obwohl die LEE umfassender <strong>und</strong><br />
im Allgemeinen genauer als die AAA sind, werden sie in der Regel nur für<br />
spezielle Anwendungen herangezogen, da die Anforderungen an die Rechenleistung<br />
relativ hoch sind.<br />
In Abbildung <strong>10.</strong>34 ist ein Überblick über die unterschiedlichen Berechungsmethoden,<br />
mit denen das Schallfeld am Empfänger im Fluid berechnet werden<br />
kann, gegeben. Es ist jeweils eine CFD-Rechnung gekoppelt mit einer akustischen<br />
Rechnung. Die Darstellung für die LEE gilt im Prinzip auch für eine FEM-<br />
Berechnung mit Luft als Material.<br />
Aeroakustische Analogien<br />
Abstrahlung mit<br />
Aeroakustischer Analogie<br />
Quellen<br />
mit CFD<br />
Kirchhoff-Integral-Methode<br />
Abstrahlung mit<br />
Kirchhoff-Integral<br />
Quellen<br />
mit CFD<br />
Linearisierte Euler-Gleichungen<br />
Ausbreitung<br />
mit LEE<br />
Strömung<br />
<strong>und</strong> Quellen<br />
mit CFD<br />
Abb. <strong>10.</strong>34: Schematische Darstellung der verschiedenen, gekoppelten Methoden zur<br />
Berechnung des Schallfeldes im Fluid. Die LEE-Darstellung gilt im Prinzip auch für eine FEM-<br />
Berechnung (Blumrich 2007)<br />
<strong>10.</strong>2.4. Fluid-Struktur-Kopplung <strong>und</strong> -Interaktion<br />
Bei den bisherigen Betrachtungen wurden nur feste, nicht vibrierende Oberflächen
von Strukturen betrachtet, wenn überhaupt, so wie es bei vielen Anwendungen<br />
aeroakustischer Berechnungen bisher angenommen wurde. Tatsächlich werden<br />
allerdings Fahrzeugstrukturen wie z. B. die Türen, der Unterboden <strong>und</strong> das Dach<br />
durch die aerodynamischen Kräfte zu Vibrationen angeregt. Abbildung <strong>10.</strong>35 zeigt<br />
beispielhaft die Schwingungsform einer Fahrzeugtür (Vibrationsmode bei 65 Hz),<br />
die durch die aerodynamischen Kräfte einer Umströmung von 140 km/h angeregt<br />
wurde. Gemessen wurde die Geschwindigkeit normal zur Oberfläche mit einem<br />
Laser-Scanning-Vibrometer im Windkanal.<br />
Abb. <strong>10.</strong>35: Vibrationsmode einer Fahrzeugtür bei 65 Hz, angeregt durch die Umströmung<br />
(140 km/h), gemessen im Windkanal mit einem Laser-Scanning-Vibrometer (Geschwindigkeit<br />
der Oberflächennormalen, rot: aus der Ebene heraus, grün: in die Ebene hinein) (Blumrich<br />
2008b)<br />
Da insbesondere das Innengeräusch in der Regel im Blickpunkt steht, müssen für<br />
genaue Berechnungen die hierfür relevanten Karosserievibrationen <strong>und</strong> ihre<br />
Schallabstrahlung in den Innenraum betrachtet werden. Der gesamte Prozess setzt<br />
sich aus den Schritten<br />
1. Erzeugung der Wechseldrücke an den Oberflächen,<br />
2. Anregung <strong>und</strong> Ausbreitung von Strukturvibrationen,<br />
3. Abstrahlung von Luftschall<br />
zusammen. Aerodynamische Geräusche, die an Dichtungssystemen erzeugt<br />
wurden, können als Spezialfall der Strukturvibrationen gesehen werden. Hierbei<br />
gelten auf Gr<strong>und</strong> der relativ weichen Materialien <strong>und</strong> der sehr kleinen Flächen<br />
andere Randbedingungen. Die aerodynamischen Geräusche durch die Dichtungen<br />
können, je nach Qualität des Dichtungssystems, den Innenraumpegel dominieren.<br />
Auch aerodynamische Geräusche, die im Außenbereich erzeugt wurden wie z. B.<br />
13
14<br />
an Seitenspiegeln, Antennen oder Dachträgern <strong>und</strong> durch die Struktur in den<br />
Innenraum transferiert werden, können deutlich wahrnehmbar sein <strong>und</strong> müssen<br />
somit berücksichtigt werden.<br />
Neben der rein aeroakustischen Berechnung unter der Annahme, dass die Struktur<br />
nicht zu Vibrationen angeregt wird, müssen bei der Berechnung der Aeroakustik<br />
eines Fahrzeuges zwei verschiedene Wechselwirkungen zwischen dem Fluid, der<br />
Luft der Umströmung, <strong>und</strong> der Karosseriestruktur betrachtet werden:<br />
1. Die Fluid-Struktur-Kopplung unter der Annahme, dass die Strukturvibration<br />
mit relativ kleinen Amplituden keinen Einfluss auf die Umströmung hat. Sie<br />
wird auch schwache Kopplung oder Ein-Weg-Kopplung genannt.<br />
2. Die Fluid-Struktur-Interaktion, bei der eine starke Strukturvibration oder –<br />
verformung die Umströmung beeinflusst <strong>und</strong> somit eine echte Wechselwirkung<br />
stattfindet. Sie wird auch starke Kopplung oder Zwei-Wege-Kopplung genannt.<br />
Für die Berechnung von Vibrationen der Karosseriestrukturen unter aero-dynamischer<br />
Anregung <strong>und</strong> der daraus resultierenden Schallabstrahlung müssen<br />
Methoden aus der Struktur-Akustik betrachtet werden. Die gängigsten sind die<br />
Finite-Elemente-Methoden (FEM, siehe z. B. Fahy 1985), die Randelemente-<br />
Methoden (Bo<strong>und</strong>ary Element Method, BEM, siehe z. B. Banerjee u. Butterfield<br />
1981) <strong>und</strong> die Statistische Energie-Analyse (SEA, siehe z. B. Lyon 1975). In<br />
Abbildung <strong>10.</strong>36 sind Skizzen dargestellt, in denen die prinzipiellen kausalen<br />
Zusammenhänge der Berechnungsmethoden für die einzelnen Teilgebiete zu sehen<br />
sind. Die obere Skizze gilt für die Fluid-Struktur-Kopplung <strong>und</strong> die untere für die<br />
Fluid-Struktur-Interaktion. Diese Verfahren sind in Kapitel <strong>10.</strong>1 ausführlich<br />
beschrieben, weswegen hier unter Verweis auf dieses Kapitel nicht näher darauf<br />
eingegangen wird. Es wird nur eine kurze Übersicht gegeben.<br />
Mit der FEM, bei der das Volumen diskretisiert wird, ergeben sich vielfältige<br />
Möglichkeiten. Dadurch, dass sowohl das Fluid als auch die Struktur modelliert<br />
werden können, sind die Berechnung der Strukturvibrationen, der Schallabstrahlung<br />
<strong>und</strong> eine direkte Berücksichtigung der Wechselwirkung von Fluid <strong>und</strong><br />
Struktur möglich. Auch Dichtungssysteme mit eventuellen Undichtigkeiten<br />
können betrachtet werden. Auf Gr<strong>und</strong> des hohen Diskretisierungsaufwandes <strong>und</strong><br />
der Notwendigkeit eines abgeschlossenen Volumens, d. h. geeigneter Randbedingungen,<br />
ist eine Schallabstrahlungsberechnung bzw. eine Betrachtung des<br />
Fluids mit der FEM nur für relativ kleine Lufträume zu empfehlen. Die Berücksichtigung<br />
der Kopplung von Innenraum <strong>und</strong> Karosseriestruktur beim Schalleintrag<br />
in den Innenraum wäre eine solche Anwendung.
Abb. <strong>10.</strong>36: Prinzip der Fluid-Struktur-Kopplung (oben) <strong>und</strong> der Fluid-Struktur-Interaktion<br />
(unten). In Klammern sind die jeweiligen Berechnungsmethoden erwähnt (<strong>FKFS</strong> 2009)<br />
Die BEM wird in der Fahrzeugakustik im Wesentlichen zur Berechnung der<br />
Schallabstrahlung von vibrierenden Strukturen eingesetzt. Sie ist hierfür besonders<br />
geeignet, da nur die vibrierende Oberfläche diskretisiert wird <strong>und</strong> somit der Aufwand<br />
relativ gering ist. Einige Formulierungen der BEM sind auch für die<br />
15
16<br />
Berechnung von Struktur-Vibrationen geeignet (z. B. Agnantiaris et al. 1998,<br />
Heuer et al. 1990)), allerdings ist hierfür die FEM besser geeignet <strong>und</strong> wird daher<br />
auch eher eingesetzt. Die Stärke der BEM liegt in der Lösung akustischer<br />
Probleme in unendlich ausgedehnten Gebieten. Dies ist bei Fahrzeugen z. B. bei<br />
der Bestimmung der Abstrahlung nach außen der Fall. Trotzdem wird die BEM<br />
zum Teil auch zur Berechnung des Schallfeldes im Fahrzeuginneren benutzt. Der<br />
höhere numerische Aufwand wird durch den geringeren Vernetzungsaufwand<br />
kompensiert. Letzteres reduziert die Arbeitskosten.<br />
Die FEM <strong>und</strong> die BEM sind für höhere Frequenzen, d. h. oberhalb ca. 500 Hz, mit<br />
Gesamt-Fahrzeugmodellen auf Gr<strong>und</strong> ihres Vernetzungsaufwandes bzw. numerischen<br />
Aufwandes derzeit noch nicht praktikabel. Die SEA hingegen kommt mit<br />
wesentlich kleineren Modellen aus <strong>und</strong> kann mit geringen Rechenleistungen<br />
durchgeführt werden. Darüber hinaus fordert sie hohe Frequenzen, da bei ihr eine<br />
hohe Dichte an Eigenmoden der betrachteten Struktur vorausgesetzt wird. Die<br />
SEA erreicht ihre Effektivität durch die statistische Betrachtung von Energieflüssen.<br />
SEA-Modelle von Fahrzeugen bestehen aus so genannten Subsystemen,<br />
die sowohl Strukturen als auch Kavitäten bzw. Fluide abbilden. Subsysteme im<br />
Bereich Struktur sind z. B. Türbleche, Fenster, Dach. Die Fluid-Subsysteme bestehen<br />
z. B. aus Motorraum, dem Bereich zwischen Straße <strong>und</strong> Unterboden sowie<br />
dem Innenraum. Je nach Zielsetzung der Untersuchung wird das Fahrzeug dabei<br />
mit 80 bis 150 Subsystemen modelliert. Die SEA wird für Berechnungen des<br />
Innenraumpegels von Fahrzeugen für Frequenzen oberhalb von 500 Hz erfolgreich<br />
eingesetzt.<br />
Die verschiedenen Verfahren zur Berechnung der Strukturantwort können mit den<br />
CFD-Programmen gekoppelt werden, um aus der CFD-Rechnung die Anregungsterme<br />
bestimmen zu können. Hierfür müssen natürlich entsprechende Schnittstellen<br />
vorhanden sein. In der Theorie würden so für jeden Zeitschritt mittels CFD<br />
die auf die Struktur wirkenden Kräfte <strong>und</strong> mit dem Struktur-Code die entsprechende<br />
Strukturantwort ermittelt. Sofern eine Wechselwirkung zwischen Fluid<br />
<strong>und</strong> Struktur betrachtet werden soll, würde im nächsten Zeitschritt die veränderte<br />
Geometrie der Struktur als neue Randbedingung in die CFD-Rechnung eingehen.<br />
Dies wäre allerdings eine äußerst aufwändige Vorgehensweise <strong>und</strong> kann numerische<br />
Probleme hervorrufen.<br />
In der Praxis muss entweder die Rückwirkung der Struktur auf die Strömung<br />
vernachlässigt werden, so dass keine Iterationen zwischen CFD- <strong>und</strong> Struktur-<br />
Code nötig sind, oder das Zeitintervall für den Datenaustausch zwischen CFD-<br />
<strong>und</strong> Struktur-Code vergrößert werden. D.h. nicht bei jedem Zeitschritt werden die<br />
veränderten Randbedingungen zwischen CFD- <strong>und</strong> Strukturberechnung übergeben,<br />
sondern in ausreichend kleinen Zeitabständen. Die Zeitabstände müssen<br />
einerseits genügend groß sein, um den Rechenaufwand handhabbar zu halten,<br />
andererseits genügend klein sein, um die Interaktion in etwa abbilden zu können.<br />
Dies gilt auch für etwaige Verformungen, die einen stationären Zustand unter dem<br />
Strömungseinfluss annehmen, wie der so genannte Ballooning-Effekt bei Stoffdächern<br />
von Kabriolets.<br />
Neben den bereits erwähnten Struktur-Codes sind auch Kombinationen aus ihnen<br />
zur Berechnung der Strukturantwort möglich. Darüber hinaus existieren noch
weitere, neuere Methoden, die nicht oder noch nicht so verbreitet sind. Dies sind<br />
z. B. die Wave-Based Method (WBM, auch Wave-Based Technique, WBT,<br />
(Desmet et al. 1998) oder die hybride FEM-WBM Methode (HFE-WBM, (van<br />
Hal et al. 2004)). Diese befinden sich jedoch noch in der Entwicklung. Die HFE-<br />
WBM kombiniert die geometrische Flexibilität der FEM mit der Fähigkeit der<br />
WBM, bei höheren Frequenzen eingesetzt werden zu können.<br />
<strong>10.</strong>2.5. Beispiele aus der Praxis<br />
Die numerische <strong>Simulation</strong> der Fahrzeugaeroakustik ist mittlerweile soweit<br />
gediehen, dass sie in einem weiten Bereich der hier auftretenden akustischen<br />
Effekte eingesetzt wird. Dies beinhaltet Untersuchungen an Hand von generischen<br />
Strukturen, um die Algorithmen weiter zu entwickeln <strong>und</strong> zu verbessern, aber<br />
auch um die Physik der betrachteten Effekte besser zu verstehen. Auch reale<br />
einzelne Fahrzeug-Komponenten <strong>und</strong> ihre Umgebung am Fahrzeug werden betrachtet,<br />
um die Aeroakustik dort im Detail zu untersuchen. Gesamtfahrzeuge mit<br />
einer umfassenden Darstellung der vorhandenen Effekte können noch nicht<br />
simuliert werden.<br />
Die bisherigen <strong>Simulation</strong>en zeigen nicht nur, dass sie weitgehend verlässliche<br />
Ergebnisse hervorbringen können, sondern werden auch schon als ergänzende<br />
Entwicklungswerkzeuge eingesetzt. Sie können hierbei ihre Vorteile gegenüber<br />
den Experimenten einbringen. Diese sind diesbezüglich, wie bereits erwähnt, dass<br />
eine erheblich größere Datenmenge im ganzen betrachteten Volumen erhoben<br />
werden kann <strong>und</strong> dass die "Messung" der Daten nicht in die Strömung eingreift<br />
<strong>und</strong> somit stört oder gar Störgeräusche hervorruft.<br />
In diesem Abschnitt können nur einige wenige Beispiele gezeigt werden. Das erste<br />
Beispiel untersucht Kopplungseffekte im Innenraum eines Pkw beim Schiebedachwummern<br />
an Hand einer generischen Struktur in Form von einem SAE-<br />
Modell im Maßstab 1:4 (Blumrich et al. 2007). Betrachtet wurde die Kopplung<br />
zweier Volumina (Innenraum <strong>und</strong> Kofferraum) über Luft oder über eine<br />
schwingende Trennwand. Abbildung <strong>10.</strong>37 zeigt das Modell mit dem zugehörigen<br />
Aufbau des Rechengitters. Die <strong>Simulation</strong>en wurden mit dem CFD-Programm<br />
PowerFLOW ® durchgeführt, welches auf der Lattice-Boltzmann-Methode beruht.<br />
In Abbildung <strong>10.</strong>38 ist ein Ergebnis aus dieser Untersuchungsreihe zu sehen,<br />
nämlich der Vergleich des Falls ohne Kopplung zwischen Innenraum <strong>und</strong><br />
Kofferraum mit demjenigen mit Luftkopplung. Bei letzterem hat die Trennwand<br />
Öffnungen <strong>und</strong> lässt eine direkte Kopplung der beiden Volumina zu. Wie die<br />
Ergebnisse zeigen, äußert sich der Kopplungseffekt durch eine Verschiebung des<br />
Wummermaximums zu höheren Frequenzen hin <strong>und</strong> eine Absenkung des<br />
maximalen Wummerpegels. Experiment <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> stimmen im Pegel-<br />
Verlauf über der Geschwindigkeit sehr gut überein. Auch im Frequenzverhalten<br />
gibt es eine ähnlich gute Übereinstimmung (aus Gründen der Übersichtlichkeit<br />
hier nicht dargestellt).<br />
Trotz der Wechselwirkung zwischen Akustik <strong>und</strong> Strömung, die bei den Wummer-<br />
17
18<br />
phänomenen auftritt <strong>und</strong> im Prinzip eine Berücksichtigung der Kompressibilität<br />
der Luft erfordert, ist die <strong>Simulation</strong>stechnik hier schon relativ weit gediehen.<br />
Dies liegt daran, dass sehr tiefe Frequenzen betrachtet werden <strong>und</strong> somit die<br />
Geometrie relativ grob darstellbar ist. So sind schon einige <strong>Simulation</strong>en mit<br />
Modellen von realen Fahrzeugen durchgeführt worden (z. B. Crouse et al. 2007a,<br />
Read et al. 2005, Seibert et al. 2004). Problemfelder hier sind Absorptions- <strong>und</strong><br />
Kopplungsmechanismen im Innenraum (s. o.).<br />
Abb. <strong>10.</strong>37: 1:4-SAE-Modell (grau) mit Schiebedachöffnung <strong>und</strong> Hohlraum sowie Teil des<br />
dreidimensionalen Gitters der CFD-Rechnung (dunkelblau: Gebiet mit feinster Auflösung,<br />
(Blumrich et al. 2007)<br />
Ein weiteres Beispiel für die numerische Untersuchung aeroakustischer Effekte an<br />
Hand von generischen Strukturen ist die <strong>Simulation</strong> der Umströmung eines Seitenspiegels.<br />
Generische Seitenspiegel sind zur Entwicklung <strong>und</strong> Überprüfung der<br />
Berechnungsalgorithmen vielfach numerisch untersucht worden, da der Bereich<br />
Seitenspiegel-Seitenscheibe, auch zusammen mit der A-Säule, aeroakustisch<br />
bedeutsam ist (s. auch Abb. <strong>10.</strong>33). Der Seitenspiegel bewirkt Strömungsfluktuationen<br />
auf der Seitenscheibe <strong>und</strong> generiert somit mögliche Beiträge zum Innengeräusch<br />
in der Nähe der Fahrerohren.
Abb. <strong>10.</strong>38: Vergleich der Wummerpegel mit <strong>und</strong> ohne Luftkopplung zwischen Innenraum <strong>und</strong><br />
Kofferraum <strong>und</strong> Vergleich zwischen Experiment <strong>und</strong> <strong>Simulation</strong> (Mikrofon im Innenraum des<br />
Modells, siehe auch (Blumrich et al. 2007)<br />
Abbildung <strong>10.</strong>39 zeigt die Ergebnisse einer solchen <strong>Simulation</strong>, hier berechnet mit<br />
dem CFD-Programm Fluent ® , welches auf den Navier-Stokes-Gleichungen basiert.<br />
In Strömungsrichtung hinter dem Seitenspiegel sind auf der Seitenscheibe<br />
deutlich Fluktuationen zu erkennen, die einer Wirbelstraße ähneln. Diese <strong>Simulation</strong><br />
liefert keine Schallpegel als Ergebnis, sondern Pegel des hydrodynamischen<br />
Wechseldruckes. Dieser Wechseldruckpegel lässt jedoch Rückschlüsse auf die<br />
Geräuschentstehung zu, auch im Innenraum des Fahrzeuges.<br />
19
20<br />
Abb. <strong>10.</strong>39: Simulierte Umströmung eines generischen Seitenspiegels. Iso-Linien: statischer<br />
Druck. Konturflächen: Betrag der Geschwindigkeit. Schaubild: ANSYS Inc.<br />
Bei der Untersuchung einzelner Fahrzeug-Komponenten wird neben der Komponente<br />
selbst auch ihre Umgebung an der Fahrzeugkarosserie modelliert, um die<br />
Anströmung richtig nachbilden zu können. Als Beispiel ist in Abbildung <strong>10.</strong>40 die<br />
simulierte Umströmung eines Scheibenwischers zu sehen, berechnet mit Fluent ® .<br />
Die Abbildung zeigt das Strömungsverhalten an Hand von Stromlinien sowie von<br />
Geschwindigkeitsvektoren auf der Windschutzscheibenoberfläche. Auch hier<br />
liefert die <strong>Simulation</strong> keine Schallpegel im Innenraum direkt als Ergebnis.<br />
Vielmehr soll mit der <strong>Simulation</strong> gezeigt werden, inwieweit der Scheibenwischer<br />
zu Strömungsfluktuationen auf der Windschutzscheibe führt <strong>und</strong> somit mögliche<br />
Beiträge zum Innengeräusch produziert. In Strömungsrichtung hinter dem Scheibenwischer<br />
sind auf der Windschutzscheibe deutlich Wirbel <strong>und</strong> Fluktuationen zu<br />
erkennen.<br />
Nutzt man den Vorteil der <strong>Simulation</strong> der "nicht-störenden Messung" bzw. Datenerhebung,<br />
so kann sie eingesetzt werden, um experimentelle Defizite aufzudecken<br />
oder auszugleichen. Zu Letzteren zählen Messmethoden, die z. B. die Umströmung<br />
stören bzw. verändern. Vergleichende <strong>Simulation</strong>en können die Störung,<br />
die die Messmethode verursacht, abschätzen. Ein Beispiel hierfür ist die Störung<br />
der Strömung durch Flachsonden auf der Seitenscheibe zur Messung des Wechseldruckes.<br />
Die Flachsonden erzeugen selbst Turbulenzen bzw. Wechseldrücke, d.h.<br />
sie messen (frequenzabhängig) i. d. R. höhere Werte als tatsächlich am Fahrzeug<br />
ohne die Sonden vorhanden wären.<br />
Bei einer diesbezüglichen Untersuchung mit dem CFD-Programm PowerFLOW ®
wurde die Umströmung ohne Flachsonden, mit Flachsonden sowie mit Flachsonden<br />
mit abgeschrägter Einhausung miteinander verglichen (Senthooran et al.<br />
2008). Die abgeschrägte Einhausung simuliert die Anbringung der Sonden auf der<br />
Seitenscheibe mittels Klebeband im Experiment.<br />
Abb. <strong>10.</strong>40: <strong>Simulation</strong> der Umströmung eines Scheibenwischers. Gezeigt sind Stromlinien <strong>und</strong><br />
Geschwindigkeitsvektoren auf der Windschutzscheibenoberfläche (blau = niedrige, rot = hohe<br />
Geschwindigkeit). Schaubild: Konzernforschung der Volkswagen AG<br />
Abbildung <strong>10.</strong>41 zeigt Detailaufnahmen von den Flachsonden in Experiment <strong>und</strong><br />
<strong>Simulation</strong> sowie von den berechneten Wechseldruckfeldern auf der Seitenscheibe,<br />
hier im Oktavband von 177 Hz bis 354 Hz. Der Vergleich zeigt deutlich,<br />
dass die Flachsonden in ihrer Umgebung in der <strong>Simulation</strong> den Wechseldruck<br />
erhöhen, besonders diejenigen ohne abgeschrägte Einhausung. Eine Frequenzanalyse<br />
der Daten zeigt, in welchem Maße <strong>und</strong> in welchen Frequenzbereichen die<br />
Wechseldruckfelder von den Flachsonden verändert werden können. Am Beispiel<br />
zweier Flachsonden am A-Säulen-Wirbel zeigen die <strong>Simulation</strong>sergebnisse, dass<br />
bei Messungen mit Flachsonden ohne Einhausung im Bereich unterhalb von<br />
einem Kilohertz bis zu 10 dB erhöhte Werte zu erwarten sind (s. Abb. <strong>10.</strong>42).<br />
Diese künstliche Erhöhung kann mit der Einhausung unterdrückt werden, wie es<br />
auch die Experimente mit Einhausung zeigen (rote Linie). Im Bereich zwischen<br />
ca. 2 kHz <strong>und</strong> 5 kHz sind jedoch auch für die Flachsonden mit Einhausung erhöhte<br />
Wechseldruckpegel zu erwarten.<br />
21
22<br />
Abb. <strong>10.</strong>41:Detailaufnahmen der Flachsonden (oben rechts) <strong>und</strong> des berechneten Wechseldruckes<br />
auf der Seitenscheibe im Oktavband von 177 Hz bis 354 Hz in dB. Die Erhöhung des<br />
Wechseldruckes an den Flachsonden ist deutlich zu erkennen (Senthooran et al. 2008)<br />
Ein weiteres Gebiet in der Fahrzeugaeroakustik, in dem mittlerweile in der Entwicklung<br />
die numerische <strong>Simulation</strong> eine Rolle spielt sind die Klimaanlagen von<br />
Fahrzeugen. Hier sind Kanäle, Filter, Klappen <strong>und</strong> Düsen wichtige Objekte, an<br />
denen auf Gr<strong>und</strong> der Durchströmung aeroakustische Geräusche erzeugt werden<br />
können (s. Kap. 6.3). Lüfter stellen sogar eine Art aktive Schallquelle dar, da sie<br />
auch ohne Anströmung aeroakustischen Lärm erzeugen können. In Hinblick auf<br />
die <strong>Simulation</strong>en handelt es sich bei den Klimaanlagen also, verglichen mit den<br />
aeroakustischen Quellen auf Gr<strong>und</strong> einer Fahrzeugumströmung, um etwas andere<br />
Szenarien. Sie sind von den geometrischen Abmessungen her normalerweise<br />
kleiner <strong>und</strong> mit geringeren Geschwindigkeiten behaftet, jedoch in sich unter<br />
Umständen komplexer.<br />
Als Beispiel für Aeroakustik-<strong>Simulation</strong>en bei Fahrzeug-Klimaanlagen soll hier<br />
die Untersuchung eines generischen Luftausströmers gezeigt werden. Es wurde<br />
eine CFD-<strong>Simulation</strong> mit Hilfe von Star-CD ® (Basis: Navier-Stokes-Gleichungen)<br />
für das Strömungsfeld <strong>und</strong> eine anschließende BEM-Berechnung für die Schallabstrahlung<br />
durchgeführt (Augustin et al. 2007). In Abbildung <strong>10.</strong>43 sind das<br />
simulierte Geschwindigkeitsfeld <strong>und</strong> der Aufbau des Vergleichsexperimentes zu<br />
sehen. Die <strong>Simulation</strong>en wurden mit verschiedenen zeitlichen Auflösungen berechnet.<br />
Ein Vergleich zwischen den experimentellen Wechseldruckspektren <strong>und</strong><br />
denen aus den verschiedenen <strong>Simulation</strong>en von einem Sensor in der Nähe des<br />
Ausströmers zeigt inwieweit <strong>Simulation</strong> <strong>und</strong> Experiment übereinstimmen <strong>und</strong><br />
beispielhaft die Abhängigkeit der Ergebnisse von <strong>Simulation</strong>sparametern (s.
Abb. <strong>10.</strong>44). Wie bei dem hier gezeigten Beispiel werden auch bei den Klimaanlagen<br />
oft noch vereinfachte Geometrien betrachtet, um die Algorithmen zu<br />
prüfen <strong>und</strong> weiter zu entwickeln (s. auch Adam et al. 2008). Schon früher wurden<br />
jedoch auch reale Geometrien von Klimaanlagen mit numerischen Mitteln<br />
untersucht, wie z. B. die Optimierung eines Luftverteilers (Kühnel et al. 2004).<br />
Hier sind jedoch meist stationäre CFD-Rechnungen ohne akustische Nachbearbeitung<br />
eingesetzt worden. An Hand des berechneten Geschwindigkeitsfeldes<br />
wurden dann Rückschlüsse auf das akustischen Verhalten gezogen.<br />
Weitere Beispiele für aeroakustische Untersuchungen an Fahrzeugen mit numerischen<br />
Mitteln lassen sich z. B. für den Bereich Unterboden finden, wo die<br />
Umströmung Schwingungen anregt, die zu tieffrequenten Geräuschen im Innenraum<br />
führen (s. Ullrich 2008, Crouse et al. 2007b). Auch die Umströmung eines<br />
Fahrzeuges mit Dachträgern wurde simuliert (s. Senthooran et al. 2007). Hier entstehen<br />
zum Teil sehr störende tonale Geräusche, die es zu vermeiden gilt. Das<br />
gleiche gilt für Antennen, besonders in der klassischen Stabform, sofern sie noch<br />
als Anbauteil verbaut werden.<br />
Abb. <strong>10.</strong>42. Frequenzspektren der gemessenen <strong>und</strong> simulierten Wechseldruckpegel am Ort<br />
zweier Flachsonden (Position: blaue Punkte oberes Bild) für die verschiedenen Konfigurationen<br />
(Gestrichelte Markierungen: Bereiche mit Pegelerhöhung durch Flachsonden) (Senthooran et al<br />
2008)<br />
23
24<br />
Abb. <strong>10.</strong>43:Untersuchung der Aeroakustik eines generischen Luftausströmers. Oben:<br />
Momentaufnahme des Betrages des simulierten Geschwindigkeitsfeldes. Unten: experimenteller<br />
Aufbau (Augustin et al. 2007)<br />
Abb. <strong>10.</strong>44: Links: gemessenes (grün) <strong>und</strong> simulierte Wechseldruckspektren am Luftausströmer.<br />
Rechts: Momentaufnahme des simulierten Geschwindigkeitsfeldes (Betrag) mit Aufnahmeposition<br />
der Wechseldrücke (2) (Augustin et al. 2007)
<strong>10.</strong>2.6. Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick<br />
Aerodynamisch erzeugte Geräusche spielen für Personenwagen vor allem bei Geschwindigkeiten<br />
oberhalb von ca. 120 km/h eine dominierende Rolle. Für einzelne<br />
Frequenzbänder auch schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten. Die wichtigsten<br />
Geräuschquellen sind Anbauteile wie die Außenspiegel oder Antenne, spezielle<br />
Karosseriestrukturen wie z. B. die A-Säule oder die Radhäuser (letztere für das<br />
Außengeräusch) sowie das Dichtungssystem.<br />
Die Berechnung der aerodynamischen Geräusche, d. h. die <strong>Simulation</strong> der Aeroakustik,<br />
ist auf Basis von CFD-Berechnungen möglich. Allerdings muss ein hoher<br />
Rechenaufwand in Kauf genommen werden <strong>und</strong> der Aufbau der <strong>Simulation</strong> muss<br />
sorgfältig gewählt werden. Die Geometrie des Fahrzeuges <strong>und</strong> des Volumens in<br />
den aeroakustisch sensitiven Gebieten muss mit hoher Genauigkeit mit einem<br />
passenden Gitter räumlich aufgelöst werden. Der Grad der räumlichen Auflösung<br />
richtet sich nach den zu betrachtenden Längenskalen der Turbulenz <strong>und</strong> der Grad<br />
der zeitlichen Auflösung richtet sich nach der Schallgeschwindigkeit, sofern die<br />
Schallwellen mit berechnet werden sollen. Die akustischen Ergebnisse reagieren<br />
sehr sensitiv auf die simulierten Strömungsfluktuationen. Sie sind stark abhängig<br />
von der verwendeten Berechnung der Turbulenz. Auch die Randbedingungen<br />
spielen eine wichtige Rolle.<br />
Im Falle einer Direkten <strong>Simulation</strong> werden die Strömungsfluktuationen <strong>und</strong> die<br />
akustischen Wellen direkt berechnet, es findet keine Modellierung bzw. Parametrisierung<br />
statt. Die akustischen Ergebnisse sind zuverlässig, solange der Aufbau<br />
des Falls richtig gewählt wurde <strong>und</strong> das numerische Rauschen (abhängig vom<br />
Algorithmus) genügend klein ist. Letzteres ist ein Kriterium, das in der Vergangenheit<br />
häufig nicht erfüllt war. Die Anforderungen an die Rechnerleistung im<br />
Sinne von Geschwindigkeit <strong>und</strong> Speicherkapazität sind sehr groß für komplexe<br />
Fälle. Folglich werden derzeit nur kleinere, tieffrequente oder akademische Fälle<br />
mit der DS berechnet, die komplexeren, wie die <strong>Simulation</strong> eines realen Gesamtfahrzeuges,<br />
sind eine Aufgabe für die Zukunft.<br />
Im Falle der hybriden Verfahren werden die CFD-<strong>Simulation</strong>en mit einer<br />
akustischen Auswertung der Strömungsfluktuationen gekoppelt. Diese Nachbearbeitung<br />
kann mit Hilfe verschiedener Methoden durchgeführt werden. Hierzu<br />
zählen u.a. die Linearisierten Euler Gleichungen, die Aeroakustischen Analogien<br />
<strong>und</strong> die Randelemente-Methode. Die Modellierung der Turbulenz muss sorgfältig<br />
gewählt werden. Die Genauigkeit der einfacheren Turbulenzmodelle erfüllt bezüglich<br />
der Akustik oft nur geringe Anforderungen. Insbesondere wenn Absolutwerte<br />
der Schallpegel <strong>und</strong> der Frequenzen gefordert sind, müssen die Ergebnisse<br />
hier mit Vorsicht interpretiert werden.<br />
Die meisten kommerziell verfügbaren CFD-Programme wurden inzwischen für<br />
aeroakustische Anwendungen erweitert. Während einzelne Hersteller sich auf<br />
eines oder wenige Turbulenzmodelle konzentrieren, bieten andere fast die gesamte<br />
Bandbreite der üblichen Turbulenzmodelle zur Wahl für die einzelnen zu berechnenden<br />
Fälle. DNS <strong>und</strong> DS ist mit entsprechender Auflösung mit allen Codes<br />
möglich, wie bereits erwähnt derzeit allerdings nur für kleine oder akademische<br />
25
26<br />
Fälle empfehlenswert. Die weiterhin steigende Rechnerleistung erlaubt aber<br />
zunehmend auch die <strong>Simulation</strong> von komplexeren Fällen.<br />
Es bleibt festzuhalten, dass die <strong>Simulation</strong> der Strömungsfluktuationen als mögliche<br />
Erreger für aeroakustischen Schall heutzutage fast schon als Standard angesehen<br />
werden kann. Die Abstrahlung nach außen ist auf dem Weg dorthin,<br />
während die zuverlässige Berechung des Transfers von aeroakustischem Schall in<br />
den Innenraum sich in der Entwicklung befindet. Einzig die Statistische Energieanalyse<br />
ist hier schon relativ weit gediehen. Sie müsste dann mit einer CFD-<br />
<strong>Simulation</strong> gekoppelt werden.<br />
Die Aeroakustik wird auch in Zukunft trotz eventueller weiterer Geschwindigkeitsbeschränkungen<br />
eine wichtige Rolle in der Fahrzeugentwicklung spielen. Die<br />
weitere Reduktion der anderen Geräuschquellen <strong>und</strong> die weiter steigenden<br />
Komfortansprüche sind der Gr<strong>und</strong> hierfür. Die <strong>Simulation</strong> wird hierbei weiter<br />
Einzug halten, um zur Kostensenkung schon in frühen Entwicklungsphasen Ergebnisse<br />
für Design-Entscheidungen zur Verfügung zu haben. Geeignete Werkzeuge<br />
zur <strong>Simulation</strong> des Schalltransfers in den Innenraum werden besonders<br />
wichtig sein.<br />
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BEM Bo<strong>und</strong>ary Element Method<br />
CFD Computational Fluid Dynamics<br />
DES Detached Eddy <strong>Simulation</strong><br />
DNS Direkte Numerische <strong>Simulation</strong><br />
DS Direkte <strong>Simulation</strong><br />
FEM Finite Elemente Methode<br />
HFE-WBM Hybride FEM-WBM<br />
LBM Lattice-Boltzmann-Methode<br />
LEE Linearised Euler Equations<br />
LES Large Eddy <strong>Simulation</strong><br />
NSG Navier-Stokes-Gleichungen<br />
RANS Reynolds averaged Navier-Stokes<br />
SEA Statistische Energie-Analyse<br />
URANS Unsteady Reynolds averaged Navier-Stokes<br />
VLES Very Large Eddy <strong>Simulation</strong><br />
WBM, WBT Wave-Based Method/Technique