1 9 . JUNI – GRAZ - Styriarte

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Markus Schirmer spricht über seinen Beethoven-Abend bei der „styriarte“. Markus, nach Deinem umjubelten styriarte-Schubert-Abend im letzten Jahr erarbeitest Du nun ein reines Beethoven-Programm… Na ja, Beethovens Klavierwerk ist nach wie vor gewissermaßen das Rückenmark für jeden klassischen Konzertpianisten, jedenfalls für mich, wieder einmal… Hat das vielleicht auch damit zu tun, dass die allererste Frau, die Beethovens Sonaten öffentlich und mit begeisterter Zustimmung des Meisters aufführte, eine geborene Grazerin war? Natürlich nicht direkt, aber hier von meinem Fenster am Dietrichsteinplatz kann ich ja das Haus in der Herrengasse genau sehen, wo Marie Pachler ihren Salon hatte, den im September 1827 bekanntlich auch Franz Schubert besucht hatte. Hatte Beethoven nicht auch eine Einladung von Marie Pachler, hierher nach Graz zu kommen…? Genau, die musste Beethoven aber kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen, und so traf man sich in Baden bei Wien, wo Beethoven äußerte: „Es wäre gescheiter gewesen, zu Ihnen nach Graz als zu meinem Bruder nach Gneixendorf zu fahren.“ Ich fi nde immer, es liegt noch so viel in der Luft hier, eine spürbare atmosphärische Kontinuität… MARKUS SCHIRMER Die nehme ich auch sehr deutlich wahr, und die so genannte „Waldstein“-Sonate ist ja eine Huldigung Beethovens an jenen Mann, der die musikgeschichtlich gewiss bedeutendste Kontinuität hellseherisch prophezeite. Ich hab’s ja gewusst, dass Du darauf zu sprechen kommst und das genaue Zitat mitgebracht; am 29. Oktober 1792 schreibt Graf Waldstein noch in Bonn dem endgültig nach Wien übersiedelnden Beethoven ins Stammbuch: „Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen.“ Schon unglaublich, dass man so was Epochales ahnen kann…! Aber schau, genau da liegt nun gerade die so paradoxe wie alles entscheidende Pointe! Denn Beethoven stellt diese Kontinuität, die wir nach wie vor und völlig zu recht als das unglaubliche Wunder der „Wiener Klassik“ bezeichnen, nicht durch schlaffe Nachahmung oder ermattete Mimikry her, sondern durch ein Feuerwerk von un-erhörten Innovationen, darauf kommt’s ja an! (Wird plötzlich ganz unruhig). Nimm nur den Beginn der „Waldstein“-Sonate, wo ein simpler C-Dur-Akkord unmittelbar hintereinander 14 (!!) Mal angeschlagen wird, ich kann’s bis heute nicht fassen! 24 Ja, klingt richtig übergschnappt … Wäre noch heutzutage ein absolut sicheres „Aus“ bei einer Aufnahmeprüfung in Komposition. Noch radikaler ist für mich aber der Beginn der Cellosonate op. 5/2, die wir aus diesem Grund mit der „Waldstein“-Sonate konfrontieren. Das ist ein reiner g-Moll-Akkord beider Instrumente, aber so niederschmetternd, so drastisch-ausweglos und von so einer brutal-jähen Direktheit, dass es kaum zu fassen ist… Mit zunehmendem Alter wird man zwar allen Superlativen mehr und mehr abhold… Mhm, mir geht’s seit einiger Zeit ganz genau so… …aber auch wenn ich’s mit kaltem Blut überlege, muss ich sagen, dass ich in Beethovens Kammermusik keinen auch nur annähernd vergleichbaren Beginn fi nden kann! Dabei ist das ja nichts grundlegend Neues wie etwa der „Tristan“-Akkord, aber das scheint eben Beethovens Genialität gewesen zu sein, scheinbar Bekanntes im buchstäblichen Nu in völlig neues, oftmals bestürzend radikales Licht zu tauchen! Und wie geht’s dann weiter nach diesem Schock? Was unmittelbar folgt, ist eine absteigende Skala des Klaviers, die
wie eine dünne, zerbrechliche und unbeschützte Stimme direkt aus dem Himmel klingt. Das ist schon reiner Schubert, so wie mich dieser Beginn frappierend an den Anfang von dessen erstem Impromptu in c- Moll erinnert… Diese leere Oktave auf dem g? Ganz genau, aber da ist die Stimmung schon dämmriger, fahler, nicht so von dieser gesammelten Aggressivität wie eben bei Beethoven. Gerade an dieser Stelle freu ich mich schon außerordentlich auf das gemeinsame Musizieren mit Danjulo Ishizaka, einem außerordentlich sensiblen Partner am Cello. Mit ihm gemeinsam spielst Du dann an diesem Abend… …noch die „Judas Maccabäus“-Variationen WoO 45, die dann einen geistreichen und auch witzigen Beethoven zeigen, aber doch mehr <strong>–</strong> durch die Form der Variationen bedingt <strong>–</strong> in den Bahnen der Tradition komponierend. Dazu kommt dann noch ein Variationszyklus für Soloklavier, der mir sehr am Herzen liegt… Welcher denn? Verrat ich noch nicht. Auch recht, ein wenig Überraschung und Spannung ist ja durchaus im Sinn Beethovens. Ich wünsch Dir jedenfalls eine gute und gedankenvolle Zeit mit MARKUS SCHIRMER seiner Musik bis zum Konzert in der Helmut-List-Halle, auf das wir uns alle schon sehr freuen! Ganz meinerseits! Das Gespräch mit Markus Schirmer führte Harald Haslmayr. Mo, 2. Juli & Di, 3. Juli Helmut-List-Halle, 20 Uhr WALDSTEIN-SONATE Beethoven: Klaviersonate in C, op. 53 („Waldstein“) u. a. Sonate für Cello und Klavier op. 5/2 „Judas Maccabäus“-Variationen Markus Schirmer, Klavier Danjulo Ishizaka, Violoncello Karten & Informationen: Tel. 0316.825000 • www.styriarte.com 25 FOTO: WERNER KMETITSCH FOTOS: WERNER KMETITSCH
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