Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de
Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de Gespr¨achsprotokolle aus Eins Live DOMIAN - Funpps.de
Gesprächsprotokolle aus Eins Live DOMIAN
- Seite 2 und 3: Das Konzept der Sendung Seit April
- Seite 4: war 1993 die Heiße Nummer. Das For
- Seite 7 und 8: 10 Analphabet 85 11 Punker 92 12 Sp
- Seite 9 und 10: Gesprächsprotokolle aus dem Buch
- Seite 11 und 12: Elfriede: (erleichtert) Ach so! Sex
- Seite 13 und 14: Domian: Elfriede, erzählte mir doc
- Seite 15 und 16: Elfriede: Ja, und man spricht mit e
- Seite 17 und 18: zeug dazu. Du kennst das ja bestimm
- Seite 19 und 20: mehr die saftigen. Wenn ich ihm mei
- Seite 21 und 22: Domian: Aber für dich hat es keine
- Seite 23 und 24: Kapitel 3 Anscheißen Domian: Jenni
- Seite 25 und 26: Jennifer: (zögert) Die Gefühle ni
- Seite 27 und 28: Domian: Also, das ist für mich so
- Seite 29 und 30: Domian: Ich finde es ekelhaft, du f
- Seite 31 und 32: Markus: Es kam schon öfters vor. Z
- Seite 33 und 34: Kapitel 4 Hackfleisch Domian: Hallo
- Seite 35 und 36: Leo: Ja, es gibt viele seltsame Din
- Seite 37 und 38: Domian: Ich weiß nicht. Es ist so
- Seite 39 und 40: Leo: Das ist nicht viel. Und was pa
- Seite 41 und 42: fähig für eine Beziehung. Leo: Du
- Seite 43 und 44: Kapitel 5 Schwuler Priester Domian:
- Seite 45 und 46: Domian: Du hattest all die Jahre ni
- Seite 47 und 48: Domian: Und in dieser Zeit hast du
- Seite 49 und 50: Werner: Ja, es gibt schwule Prieste
- Seite 51 und 52: Werner: Ja, ich nehme das Thema ”
Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong><br />
<strong>DOMIAN</strong>
Das Konzept <strong>de</strong>r Sendung<br />
Seit April 1995 mo<strong>de</strong>riert Jürgen Domian beim<br />
West<strong>de</strong>utschen Rundfunk in Köln eine Telefon-<br />
Talkshow, ein Talk-Radio. Die Sendung trägt<br />
seinen Namen (≫<strong>DOMIAN</strong>≪) und wird bimedial<br />
<strong>aus</strong>gestrahlt, d.h. im Radio bei <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> und<br />
gleichzeitig im WDR-Fernsehen. Je<strong>de</strong> Nacht,<br />
außer Samstag und Sonntag, in <strong>de</strong>r Zeit von<br />
1.00 - 2.00 Uhr. Die Leute können kostenfrei<br />
anrufen und sich mit Jürgen Domian live im<br />
Radio & Fernsehen unterhalten. In <strong>de</strong>r Regel<br />
wird an zwei Tagen in <strong>de</strong>r Woche ein bestimmtes<br />
Thema vorgegeben. Die restlichen Tage ist<br />
das Talk-Radio offen, das be<strong>de</strong>utet, je<strong>de</strong>r hat die<br />
Möglichkeit, zu je<strong>de</strong>m Thema anzurufen, über<br />
das er gerne sprechen möchte.<br />
1
Der Mo<strong>de</strong>rator<br />
Jürgen Domian, 1958 in Gummersbach geboren,<br />
begann seine Karriere beim Fernsehen als<br />
Kabelträger, während er an <strong>de</strong>r Kölner Universität<br />
Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft<br />
studierte. Das journalistische Handwerk<br />
erlernte er beim Deutschlandfunk und beim<br />
WDR. Als Nachfolger von Chris Howland in<br />
<strong>de</strong>r Sendung Blue Monday erhielt er seine erste<br />
Chance zur regelmäßigen <strong>Live</strong>-Mo<strong>de</strong>ration und<br />
mo<strong>de</strong>rierte in Kölner Cafés eigens organisierte<br />
Talk-Shows. Zu Gast waren u.a. Elke Hei<strong>de</strong>nreich,<br />
Jürgen von <strong>de</strong>r Lippe, Dagmar Berghoff<br />
und Günter Lamprecht.<br />
1990 wur<strong>de</strong> Domian dann festangestellter Redakteur<br />
beim WDR. Seine erste Talk-Sendung<br />
2
war 1993 die Heiße Nummer. Das Format erschien<br />
einmal pro Woche im Jugendprogramm<br />
von WDR 1 und wur<strong>de</strong> zur bekanntesten Sendung<br />
auf <strong>de</strong>m Kanal. Als WDR 1 im April 1995<br />
zu <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> umgeformt wur<strong>de</strong>, erhielt das Talk-<br />
Radio <strong>de</strong>n Namen <strong>DOMIAN</strong> und einen täglichen<br />
Sen<strong>de</strong>platz. Der WDR-Hörfunkchef Fritz<br />
Pleitgen setzte sich dafür ein, daß die Sendung<br />
auch im WDR-Fernsehen übertragen wur<strong>de</strong>. Etwa<br />
100.000 Zuschauer pro Sendung schalten<br />
Domian bereits 1996 ein. Bevor seine Show ins<br />
Programm genommen wur<strong>de</strong>, saßen so spät gera<strong>de</strong><br />
mal 10.000 Menschen vor <strong>de</strong>m Bildschirm.<br />
Das <strong>Eins</strong> <strong>Live</strong> Talk-Radio feierte im April 2000<br />
sein Fünfjähriges. Jetzt sind bis zu 220.000 Zuschauer<br />
allein im WDR-Fernsehen zur späten<br />
Stun<strong>de</strong> mit dabei.<br />
3
Inhaltsverzeichnis<br />
1 ≫0190≪ 7<br />
2 Anpupsen 13<br />
3 Anscheißen 20<br />
4 Hackfleisch 30<br />
5 Schwuler Priester 40<br />
6 Spiel mit <strong>de</strong>m Tod 51<br />
7 Win<strong>de</strong>lfetischist 64<br />
8 Narzißmus 71<br />
9 Masochismus 78<br />
5
10 Analphabet 85<br />
11 Punker 92<br />
12 Sperma-Cocktail 98<br />
13 Auto-Fellatio 104<br />
14 Unbemerkt Schwanger 108<br />
15 Der Schwanz 115<br />
16 Telefon-Sex 130<br />
17 Sodomie 135<br />
18 Fisten 139<br />
19 Schwanzfotos 147<br />
20 Pä<strong>de</strong>rasten 153<br />
21 Transsexualität 165<br />
6
22 Damenschuhe 176<br />
23 Linienführung 181<br />
24 Prostitution 186<br />
25 Inzest 197<br />
26 Übersinnliches 206<br />
27 Sozialhilfe 213<br />
28 Goldfische 233<br />
29 Sex-Shop 244<br />
7
Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Buch<br />
≫Jenseits <strong>de</strong>r Scham≪<br />
8
Kapitel 1<br />
≫0190≪<br />
Domian: Elfrie<strong>de</strong> ist 77. Hallo Elfrie<strong>de</strong>!<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja? (P<strong>aus</strong>e)<br />
Domian: Elfrie<strong>de</strong>, hier ist Jürgen! Du bist jetzt<br />
dran! (P<strong>aus</strong>e)<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja?<br />
Domian: Warum hast du bei uns zum Thema<br />
” Zu alt für Sex“ angerufen?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Domian?<br />
Domian: Ja?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ah! Da ist <strong>de</strong>r Domian!<br />
Domian: Ja, ich bin’s ... du bist jetzt dran!<br />
9
Elfrie<strong>de</strong>: (erleichtert) Ach so! Sex im Alter . . . das<br />
ist das gleiche wie in <strong>de</strong>r Jugend. Da gibt<br />
es überhaupt keinen Unterschied. In <strong>de</strong>r Jugend<br />
war man aber flotter und schneller. Ich<br />
bin ja alleinstehend. Ich habe ja nur Telefonsex.<br />
Domian: (erstaunt) Du hast Telefonsex? Wen<br />
rufst du an?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Verschie<strong>de</strong>ne Nummern.<br />
Domian: Also kommerzielle Sachen. Es ist kein<br />
Bekannter von Dir?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Nein! Das ist ein ganz großer Witz<br />
gewesen — du wirst es nicht glauben! Ich<br />
bin alleine und durch einen Unfall behin<strong>de</strong>rt.<br />
Und da wollte ich die Telefonseelsorge<br />
anrufen.<br />
Domian: Die Telefonseelsorge?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja! Und stell dir vor, ich habe mich<br />
vertan. Ich hatte plötzlich einen Telefonsexdienst<br />
am Telefon.<br />
10
Domian: (lacht <strong>aus</strong> vollem Herzen) Das ist ja<br />
wun<strong>de</strong>rbar! Und dann? Erzähl mal!<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ich hab’ am Telefon geweint, und <strong>de</strong>r<br />
junge Mann hat sich wohl gedacht: Was ist<br />
<strong>de</strong>nn nun da los? Der war aber so anständig<br />
— das war ein junger Mann von 39 — und<br />
sagte: Jetzt legen sie mal auf und rufen eine<br />
an<strong>de</strong>re Nummer an. Das habe ich dann<br />
auch gemacht, und er kam dann auch wie<strong>de</strong>r<br />
ans Telefon. Er sagte mir, daß es sonst<br />
viel zu teuer gekommen wäre.<br />
Domian: Und dann hast du richtig Telefonsex<br />
mit ihm gemacht?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja, nach<strong>de</strong>m ich mich <strong>aus</strong>gesprochen<br />
hatte, kamen wir auf das Thema. Und dann<br />
haben wir es gemacht.<br />
Domian: Rufst du ihn öfter an?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja. Die Woche einmal.<br />
Domian: Die Woche einmal?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Das ist teuer, Domian!<br />
11
Domian: Elfrie<strong>de</strong>, erzählte mir doch mal, wie<br />
<strong>de</strong>r das macht. Bringt <strong>de</strong>r dich dann richtig<br />
in Fahrt?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ich kann dir doch hier nichts vorstöhnen.<br />
Domian: Nein, nein! Aber ich muß dich mal<br />
ganz indiskret fragen: Bringt <strong>de</strong>r dich dann<br />
soweit, daß du einen Orgasmus am Telefon<br />
hast?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja!<br />
Domian: Hast du dann noch irgendwelche Hilfsmittel<br />
bei dir?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Nein! Ich onaniere nur.<br />
Domian: Und wie lange dauert dann so ein Gespräch?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Na, ungefähr eine Viertelstun<strong>de</strong>.<br />
Domian: Och, das geht aber schnell. Und er<br />
weiß schon richtig, wie er dich scharf machen<br />
kann?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja.<br />
12
Domian: (lacht) Ich fin<strong>de</strong> es wun<strong>de</strong>rbar, daß du<br />
das machst und daß du das so offen erzählst.<br />
Da wür<strong>de</strong> sich manch einer in <strong>de</strong>inem Alter<br />
schämen.<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Weshalb soll man sich schämen? In<br />
<strong>de</strong>n dreißiger Jahren war es viel schlimmer.<br />
Ich war Einzelkind. Da war es noch schlimmer.<br />
Man mußte sich immer verstecken. Mein<br />
Mann ist schon seit 20 Jahren tot, <strong>de</strong>r war<br />
Frührentner. Vom Traktor überfahren.<br />
Domian: Auf je<strong>de</strong>n Fall ist es schön, daß du<br />
durch Zufall diese Telefonsexnummer ent<strong>de</strong>ckt<br />
hast.<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja.<br />
Domian: Ist es so, daß du dich richtig darauf<br />
freust, es einmal in <strong>de</strong>r Woche zu machen?<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Ja, ja!<br />
Domian: Das ist also eine Bereicherung für <strong>de</strong>in<br />
Leben?<br />
13
Elfrie<strong>de</strong>: Ja, und man spricht mit einem Menschen,<br />
<strong>de</strong>r ganz auf mich eingeht. Das ist<br />
wun<strong>de</strong>rschön.<br />
Domian: Elfrie<strong>de</strong>, ich danke dir ganz herzlich<br />
für <strong>de</strong>inen Anruf und wünsche dir noch viel<br />
Spaß beim Telefonsex. Von Herzen alles Gute!<br />
Elfrie<strong>de</strong>: Tschüß Domian!<br />
14
Kapitel 2<br />
Anpupsen<br />
Domian: Katja, was ist Dein Thema?<br />
Katja: Mein Freund steht auf Anpupsen.<br />
Domian: (lacht) Ich habe — glaube ich — so<br />
beinahe alles schon gehört hier, <strong>de</strong>nke ich<br />
immer, aber anpupsen . . .<br />
Katja: Ja! Ich habe meinen Freund vor über einem<br />
Jahr kennengelernt. Ich habe dann mal<br />
<strong>aus</strong> Gag mehr o<strong>de</strong>r weniger rumgepupst. Um<br />
ihn abzutörnen!<br />
Domian: Macht ja eigentlich auch nicht so an.<br />
Katja: Eigentlich! Auf je<strong>de</strong>n Fall habe ich dann<br />
so rumgepupst. Dann kam noch ein Feuer-<br />
15
zeug dazu. Du kennst das ja bestimmt, wenn<br />
man ein Feuerzeug dranhält und so?<br />
Domian: Nein. Ich kenne das nicht. Was passiert<br />
<strong>de</strong>nn, wenn man das Feuerzeug dranhält?<br />
Katja: Ja, dann kommt eine richtige Stichflamme!<br />
Domian: Nein! Ist das wahr?<br />
Katja: Ja, das ist wahr. Ich habe mir schon Unterhosen<br />
angebrannt und solche Scherze.<br />
Domian: Wußte ich echt nicht. Es ist wahrscheinlich<br />
auch nicht so empfehlenswert, das zu<br />
machen?<br />
Katja: Ach, das ist eigentlich ganz lustig.<br />
Domian: Also nicht, daß alle Leute, die jetzt<br />
die Sendung sehen und im Bett liegen und<br />
mal pupsen müssen, gleich ihr Feuerzeug<br />
dranhalten.<br />
Katja: Ich empfehle wirklich aufzupassen.<br />
16
Domian: Also wenn, dann in <strong>de</strong>r Toilette, wo<br />
viel Wasser ist . . . Aber erzählte mal weiter<br />
mit <strong>de</strong>m Freund.<br />
Katja: Ich wollte ihn also abtörnen, und auf<br />
einmal sagt er mir: ” Hör mal, das fin<strong>de</strong> ich<br />
total toll, daß ein Mädchen pupst! Und dann<br />
auch noch so ein Mädchen wie du!“ Man<br />
re<strong>de</strong>t ja auch weniger drüber.<br />
Domian: Ja, das ist ein Tabu.<br />
Katja: Komischerweise. Über Sex wird ja auch<br />
immer gesprochen. Aber nicht über das Pupsen.<br />
Domian: Wir brechen jetzt das Tabu!<br />
Katja: Gott sei Dank!<br />
Domian: Zurück zum Freund.<br />
Katja: Ja also, wenn ich ihn anpupse . . . und er<br />
mag es beson<strong>de</strong>rs heftig! Da gibt’s übrigens<br />
auch Unterschie<strong>de</strong>: einmal die saftigen und<br />
dann gibt’s noch die trockenen. Und er mag<br />
17
mehr die saftigen. Wenn ich ihm meinen Popo<br />
vors Gesicht halte . . . das törnt ihn sexuell<br />
an.<br />
Domian: (ein wenig entrüstet) Also ein Schwein,<br />
<strong>de</strong>in Freund?<br />
Katja: Weiß ich nicht.<br />
Domian: Mich wür<strong>de</strong> das vollkommen abtörnen!<br />
Und man kann ja auch nicht immer pupsen.<br />
Katja: Doch!<br />
Domian: Wie bitte?!<br />
Katja: Ich glaube, das ist schon fast krankhaft<br />
bei mir. Wenn ich abends von <strong>de</strong>r Arbeit komme<br />
. . . <strong>de</strong>n ganzen Tag über staue ich an und<br />
abends, du glaubst es gar nicht, was da los<br />
ist. Da geht die Post ab! Aber wirklich!<br />
Domian: Macht es dir <strong>de</strong>nn auch richtig Spaß?<br />
Katja: Was heißt ” Spaß“? Mich interessiert halt<br />
nur, ob unter <strong>de</strong>inen Zuschauern vielleicht<br />
einige sind, die ähnliche Neigungen haben.<br />
18
Domian: Du kannst also ganz gut damit leben?<br />
Katja: Ich lache mich mehr o<strong>de</strong>r weniger kaputt<br />
darüber.<br />
Domian: Und dir gefällt es auch, wenn <strong>de</strong>in<br />
Freund dadurch angetörnt wird?<br />
Katja: Ja.<br />
Domian: Darf er dich <strong>de</strong>nn auch anpupsen?<br />
Katja: (entrüstet) Nein, das nicht! Es hört sich<br />
vielleicht komisch an, aber einige Pupse synchronisiere<br />
ich sogar.<br />
Domian: Wie bitte?!<br />
Katja: Wie soll ich das erklären? Wenn man<br />
einen abläßt, machen die ja manchmal so<br />
Geräusche. ” Miau“ o<strong>de</strong>r so ganz gequält.<br />
Und ich kann das halt akustisch genau wie<strong>de</strong>rgeben.<br />
Dann fin<strong>de</strong> ich es lustig! Wenn er<br />
einen fahren läßt und ich die nachsynchronisiere.<br />
19
Domian: Aber für dich hat es keine sexuelle<br />
Komponente?<br />
Katja: Nein.<br />
Domian: Du fin<strong>de</strong>st es eigentlich ekelig.<br />
Katja: Och, nein . . .<br />
Domian: (energisch) Aber es stinkt doch!<br />
Katja: Er mag es beson<strong>de</strong>rs, wenn es total riecht.<br />
Und das fin<strong>de</strong> ich halt so süß an meinem<br />
Freund. Er sagt: ” Hör mal Katja, ich fin<strong>de</strong><br />
das toll! Das ist <strong>de</strong>in individueller Geruch.“<br />
Domian: Animiert er dich <strong>de</strong>nn zu beson<strong>de</strong>ren<br />
Nahrungsmitteln, die du zu dir nehmen<br />
sollst?<br />
Katja: Bohnensuppe? Er sagt dann immer: ” Katja,<br />
das ist <strong>de</strong>in Geruch. Der gehört zu dir.“<br />
Domian: Also, du mußt jetzt immer Bohnensuppe<br />
essen?<br />
Katja: Na ja, nicht immer. Er mag zum Beispiel<br />
auch, wenn ich in frisch gewaschene<br />
20
Bettwäsche pupse. Dann kommt er so richtig<br />
angemuckelt und sagt: ” Ah, was riechst<br />
du wie<strong>de</strong>r muckelig!“ Und dann kuschelt er<br />
sich so richtig an meinen Popo.<br />
Domian: Für <strong>de</strong>inen Freund ist es also so ein<br />
Teil <strong>de</strong>s sexuellen Vorspiels?<br />
Katja: Kommt darauf an, wie ich ihn anpupse.<br />
Erregt fühlt er sich, wenn ich ihm meinen<br />
Popo direkt vors Gesicht halte.<br />
Domian: Katja, ich glaube fast — ich weiß es<br />
zwar nicht, aber ich glaube —, daß du damit<br />
in <strong>de</strong>r Welt nicht alleine steht.<br />
Katja: Das wäre schön.<br />
21
Kapitel 3<br />
Anscheißen<br />
Domian: Jennifer, wir unterhalten uns jetzt. Über<br />
was eigentlich?<br />
Jennifer: Über meinen Freund und seine Veranlagung.<br />
Domian: Was für eine Veranlagung?<br />
Jennifer: Er hat die Veranlagung, daß er sich<br />
mal gerne von mir . . . (zögert) . . . bekoten<br />
lassen wür<strong>de</strong>.<br />
Domian: Iiiihhh, äääähhhh! Wie unappetitlich!<br />
Jennifer: Das fin<strong>de</strong> ich auch.<br />
Domian: Wie lange seid ihr zusammen?<br />
Jennifer: Ein halbes Jahr?<br />
22
Domian: Wann hat er es dir das erste Mal offenbart?<br />
Jennifer: Vor ein, zwei Monaten. Zuerst gar nicht.<br />
Jetzt fängt er damit an und sagt: ” Ja, ich<br />
fin<strong>de</strong> das toll.“ Er hat das schon gemacht,<br />
und ich fühle mich jetzt auch ein bißchen<br />
unter Druck gesetzt.<br />
Domian: Was hast du da spontan gedacht o<strong>de</strong>r<br />
auch gesagt, als er das zu dir gesagt hat?<br />
Jennifer: Zuerst habe ich gedacht, daß er einen<br />
Witz macht. Dann fing er immer wie<strong>de</strong>r davon<br />
an, und da habe ich begriffen, daß er es<br />
ernst meint. Für mich ist es unvorstellbar,<br />
mich da irgendwie . . .<br />
Domian: Für mich auch! Es ist auch für mich<br />
eine sexuelle Abartigkeit! Hat sich <strong>de</strong>in Bild<br />
von ihm verän<strong>de</strong>rt?<br />
Jennifer: Ja!<br />
Domian: Deine Gefühle auch?<br />
23
Jennifer: (zögert) Die Gefühle nicht. Ich liebe<br />
ihn immer noch.<br />
Domian: Aber hat die Liebe nicht irgendwie in<br />
<strong>de</strong>r Ferne ein Fragezeichen bekommen?<br />
Jennifer: Einen Knacks hat sie dadurch auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall bekommen.<br />
Domian: Hat er <strong>de</strong>nn schon ein bißchen <strong>aus</strong><br />
<strong>de</strong>m Nähkästchen geplau<strong>de</strong>rt? Wie o<strong>de</strong>r ob<br />
er es schon konkret mit Leuten gemacht hat?<br />
Jennifer: (zögert) Soll ich ihn dir mal geben?<br />
Dann erzählt er dir das selber.<br />
Domian: Gerne!<br />
Markus: Hallo Domian, hier ist <strong>de</strong>r Markus!<br />
Domian: Du stehst also richtig auf ankoten?<br />
Markus: Ja, ich stehe darauf!<br />
Domian: Wann hast du das <strong>de</strong>nn ent<strong>de</strong>ckt bei<br />
dir?<br />
24
Markus: Vor ungefähr drei Jahren. Da habe<br />
ich das bei einer Frau kennengelernt. Die<br />
hatte damals schon Erfahrungen.<br />
Domian: Wie lernt man das <strong>de</strong>nn einfach so<br />
kennen? Hat die gesagt, ich mache das jetzt<br />
einfach mal bei dir?<br />
Markus: So ging es ungefähr ab, ja! Wir waren<br />
zwei Jahre zusammen, und nach einem<br />
Jahr hat sie es mir erst gesagt.<br />
Domian: Und da hast du dann interessiert reagiert<br />
o<strong>de</strong>r wie?<br />
Markus: Ja, klar. Ich konnte mir das vorher<br />
gar nicht vorstellen.<br />
Domian: Und dann hat sie es irgendwann bei<br />
dir gemacht?<br />
Markus: Ja.<br />
Domian: Wie? Wohin? Auf <strong>de</strong>ine Brust o<strong>de</strong>r<br />
was?<br />
Markus: Auf <strong>de</strong>n Bauch. (P<strong>aus</strong>e)<br />
25
Domian: Also, das ist für mich so eine frem<strong>de</strong><br />
Welt. Für die meisten Leute wahrscheinlich<br />
auch. Ich muß noch mal fragen: Da kackt<br />
dir <strong>de</strong>ine Freundin auf <strong>de</strong>n Bauch? Und dann?<br />
Markus: Das macht mich einfach an.<br />
Domian: Ja, was passiert <strong>de</strong>nn dann?<br />
Markus: (zögert) Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben<br />
soll . . .<br />
Domian: Sag einfach, wie es dann weitergeht.<br />
Markus: Dabei bekomme ich eine Erektion.<br />
Domian: Und dann?<br />
Markus: Das ist eben <strong>de</strong>r Kick.<br />
Domian: Wie lange bleibt <strong>de</strong>r Kot auf <strong>de</strong>inem<br />
Bauch?<br />
Markus: Ungefähr 5 Minuten.<br />
Domian: Und dann schläfst du auch mit <strong>de</strong>r<br />
Frau, während <strong>de</strong>r Kot noch auf <strong>de</strong>inem Bauch<br />
liegt?<br />
26
Markus: Nein, Sex haben wir in diesem Moment<br />
nicht.<br />
Domian: Es ist also nur eine ungeheure Erregung<br />
für dich, wenn <strong>de</strong>r Haufen auf <strong>de</strong>m<br />
Bauch liegt?<br />
Markus: Genau.<br />
Domian: Hast du dann auch einen Orgasmus?<br />
Markus: Ja!<br />
Domian: Deine Freundin hat es dir mit <strong>de</strong>r Hand<br />
gemacht?<br />
Markus: Gen<strong>aus</strong>o war das.<br />
Domian: Die Bu<strong>de</strong> stinkt ja danach! Gehst du<br />
dann duschen, o<strong>de</strong>r nimmst du das mit einem<br />
Handtuch weg.<br />
Markus: Erst mit einem Handtuch, dann gehe<br />
ich unter die Dusche.<br />
Domian: Das ist doch eine ungeheure Sauerei!<br />
Markus: Es ist eine Sauerei . . . (überlegt) Ich<br />
weiß nicht, was ich dazu sagen soll.<br />
27
Domian: Ich fin<strong>de</strong> es ekelhaft, du fin<strong>de</strong>st es antörnend.<br />
Aber du kannst es nicht genau erklären, warum<br />
du es antörnend fin<strong>de</strong>st?<br />
Markus: Nein, kann ich nicht.<br />
Domian: Kannst du es nachvollziehen, daß sich<br />
die meisten Leute ekelnd abwen<strong>de</strong>n?<br />
Markus: Na klar, ich hätte er mir vorher ja<br />
auch nicht vorstellen können.<br />
Domian: Wir gehst du <strong>de</strong>nn jetzt damit um, daß<br />
<strong>de</strong>ine Freundin Jennifer überhaupt nichts damit<br />
am Hut hat? Und sie hat ja auch gesagt,<br />
daß sie sich unter Druck gesetzt fühlt.<br />
Markus: Wir haben in <strong>de</strong>r letzten Zeit viel darüber<br />
gere<strong>de</strong>t. Ich weiß, daß ich sie zu nichts drängen<br />
kann. Sie hat mir gesagt, daß sie absolut dagegen<br />
ist, und da wer<strong>de</strong> ich auch nichts machen<br />
können.<br />
Domian: An <strong>de</strong>iner Stelle wäre ich auch ganz<br />
hellhörig. Sie hat ja sogar gesagt, daß die<br />
Liebe einen Knacks bekommen hat. Ist <strong>de</strong>nn<br />
28
diese Lei<strong>de</strong>nschaft so stark, daß du nicht darauf<br />
verzichten kannst?<br />
Markus: Nein, wür<strong>de</strong> ich nicht sagen.<br />
Domian: Du kannst eine erfüllte Sexualität auch<br />
leben, ohne dieses zu praktizieren?<br />
Markus: Ich bin ja nun schon ein halbes Jahr<br />
mit ihr zusammen, und es hat auch ohne<br />
funktioniert. Ich kann auch ohne leben. Obwohl<br />
es mir <strong>de</strong>n absoluten Kick geben wür<strong>de</strong>.<br />
Domian: Wie wirst du dich Jennifer gegenüber<br />
jetzt weiter verhalten?<br />
Markus: Sie akzeptiert es nicht, und dagegen<br />
wer<strong>de</strong> ich auch nichts machen können. Ich<br />
möchte auf je<strong>de</strong>n Fall mit ihr zusammenbleiben.<br />
Domian: Dazu kann man wirklich nieman<strong>de</strong>n<br />
drängen. Ich möchte dich noch etwas fragen:<br />
Habt ihr das damals eigentlich öfters<br />
praktiziert?<br />
29
Markus: Es kam schon öfters vor. Zwar nicht<br />
in regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n . . .<br />
Domian: Auch umgekehrt, daß du es bei ihr<br />
gemacht hast?<br />
Markus: Das nicht.<br />
Domian: Wie geht das überhaupt? Man kann<br />
doch nicht immer?! Wie schafft man es, daß<br />
man in <strong>de</strong>m Moment auch wirklich kann?<br />
Markus: Man wartet eben auf <strong>de</strong>n richtigen Zeitpunkt.<br />
Es ist ja nicht täglich o<strong>de</strong>r wöchentlich<br />
passiert.<br />
Domian: Man mußt also <strong>de</strong>n Moment, wo man<br />
Stuhlgang erwartet, auch abpassen?<br />
Markus: Ja.<br />
Domian: Was hat <strong>de</strong>nn eigentlich <strong>de</strong>ine Freundin<br />
davon gehabt?<br />
Markus: Für sie war es auch ein Kick. Hat sie<br />
mir erzählt.<br />
30
Domian: Frem<strong>de</strong> Welten . . . gibst du mir Jennifer<br />
noch mal?<br />
Jennifer: Hallo.<br />
Domian: Nimmst du es ihm ab, daß er dich<br />
nicht unter Druck setzen will?<br />
Jennifer: (zögerlich und überlegend) Ja, ich <strong>de</strong>nke<br />
schon.<br />
Domian: Es ist schon seltsam, so etwas von<br />
seinem Freund zu wissen, o<strong>de</strong>r?<br />
Jennifer: Ja, ziemlich.<br />
Domian: Hat er dir das auch schon mal so <strong>de</strong>tailliert<br />
erzählt wie mir gera<strong>de</strong>.<br />
Jennifer: So genau nicht. Ich wollte es auch<br />
nicht so genau hören.<br />
Domian: Hoffen wir, daß er sich an seine Worte<br />
hält und daß eure Beziehung keinen Scha<strong>de</strong>n<br />
nimmt. Alles Gute euch bei<strong>de</strong>n.<br />
Jennifer: Dir auch.<br />
31
Kapitel 4<br />
Hackfleisch<br />
Domian: Hallo Leo!<br />
Leo: Mein Thema ist meine sexuelle Phantasie.<br />
Es ist ziemlich ungewöhnlich. Einmal<br />
im Monat überkommt es mich. Ich wer<strong>de</strong><br />
dann sexuell erregt. Ich will dann nicht mit<br />
einer Frau o<strong>de</strong>r einem Mann schlafen, son<strong>de</strong>rn<br />
mit Hackfleisch.<br />
(P<strong>aus</strong>e)<br />
Ich gehe einmal im Monat zu einem Metzger,<br />
kaufe mir kiloweise Hackfleisch und wenn<br />
ich das alles nach H<strong>aus</strong>e gebracht habe, richte<br />
ich mein Zimmer um, <strong>de</strong>cke alles ab, dann<br />
verteile ich das Hackfleisch auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />
(P<strong>aus</strong>e)<br />
32
Wenn ich das Hackfleisch in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n<br />
habe, wenn ich es berühre, stimuliert mich<br />
das sexuell. Allein dieser feuchte Brei. Das<br />
geht dann soweit, daß ich es mit <strong>de</strong>m Hackfleisch<br />
treibe. Ich forme mir dar<strong>aus</strong> — soweit<br />
möglich — meine eigene Frau. Und . . .<br />
Domian: Und?<br />
Leo: Je wil<strong>de</strong>r das wird, je mehr ich dieses glitschige<br />
Zeug auf meiner Haut spüre, <strong>de</strong>sto<br />
geiler.<br />
Domian: Ich forme mit meinen Hän<strong>de</strong>n die Brüste,<br />
<strong>de</strong>n Mund, die Arme, die Vagina. (P<strong>aus</strong>e)<br />
Leo: Dir ist ja klar, daß wir alle jetzt lachen<br />
müssen.<br />
Domian: Ja klar.<br />
Leo: Und dir ist auch klar, daß alle jetzt <strong>de</strong>nken:<br />
Will <strong>de</strong>r uns verarschen?<br />
Domian: Nein, nein. Ich verarsche dich nicht.<br />
Auf keinen Fall. Es gibt ja viele Dinge heutzutage:<br />
Gummipuppen . . .<br />
33
Leo: Ja, es gibt viele seltsame Dinge. Wir wollen<br />
jetzt ernsthaft darüber re<strong>de</strong>n?<br />
Domian: Ja!<br />
Leo: Hast du eine Freundin?<br />
Domian: Nein, seit eineinhalb Jahren nicht mehr.<br />
Leo: Aber du hattest eine ganz normale Beziehung<br />
und auch eine ganz normale Sexualität?<br />
Domian: Ja.<br />
Leo: Das ist wirklich skurril. Seit wann machst<br />
du das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch?<br />
Domian: Seit zwei Jahren ungefähr.<br />
Leo: Wie kam es <strong>de</strong>nn zu <strong>de</strong>m Hackfleisch?<br />
Domian: Ich hatte mal einen Bekannten, <strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>r SM-Szene war. Ich war dann auch dabei,<br />
und dann hat er mir mal was davon berichtet,<br />
daß er auch solche Neigungen hat.<br />
Zwar nicht so extrem wie ich heute, aber <strong>de</strong>r<br />
hatte das auch schon mal <strong>aus</strong>probiert.<br />
34
Leo: Und da hast du das auch <strong>aus</strong>probiert?<br />
Domian: Ja. Danach ging auch meine Beziehung<br />
in die Brüche.<br />
Leo: Hing das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch zusammen?<br />
Domian: Ich <strong>de</strong>nke ja. Ich hatte am Anfang wirklich<br />
eine ganz normale Sexualität gehabt.<br />
Ich habe das dann mal <strong>aus</strong>probiert. Daraufhin<br />
hat sie mich verlassen.<br />
Leo: Hat sie das mitbekommen?<br />
Domian: Ich habe es ihr erzählt. Sie wollte es<br />
zuerst gar nicht glaube, bis sie mich mal<br />
zufällig überrascht hat. Wir haben damals<br />
zusammen gewohnt.<br />
Leo: Das hat sie abgetörnt?<br />
Domian: Ja.<br />
Leo: Kann man auch verstehen.<br />
Domian: Ja, schon.<br />
Leo: Du kannst es nicht näher erklären, warum<br />
es gera<strong>de</strong> Hackfleisch sein muß?<br />
35
Domian: Ich weiß nicht. Es ist so unberührt, es<br />
ist so ein zarter Leib. Es ist die Wahrnehmung.<br />
Ich küsse das Hackfleisch, ich lutsche<br />
es. Das kann man kaum in Worte fassen.<br />
Es ist für mich auch eine Schönheit,<br />
wenn es da liegt. Ich lasse mich fallen.<br />
Leo: Wieviel Hackfleisch kaufst du <strong>de</strong>nn dafür?<br />
Domian: Meistens 60 Kilo.<br />
Leo: Wie bitte? 60 Kilo?<br />
Domian: Ja.<br />
Leo: 60 Kilo?<br />
Domian: Ja.<br />
Leo: Wieviel sind 60 Kilo Hackfleisch? Das kann<br />
ich mir gar nicht vorstellen. Ein ganzer Sack<br />
voll?<br />
Domian: Ja, so ungefähr.<br />
Leo: Was sagt <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Metzger zu dir?<br />
36
Domian: Solange ich bezahle, wird er wohl auch<br />
keine Fragen stellen. Ich kaufe öfter bei ihm.<br />
So für ca. 800 Mark meistens.<br />
Leo: 800 Mark? Fragt <strong>de</strong>r nicht, was du damit<br />
machst?<br />
Domian: Am Anfang wollte <strong>de</strong>r das natürlich<br />
gar nicht glauben und dachte, es wäre ein<br />
Scherz. Aber als er gemerkt hatte, daß ich<br />
es ernst meine, hat er mir das Hackfleisch<br />
besorgt.<br />
Leo: Also er fragt dich nicht weiter?<br />
Domian: Nein.<br />
Leo: Bevorzugst du Rin<strong>de</strong>r- o<strong>de</strong>r Schweinegehacktest?<br />
Domian: Schwein eigentlich.<br />
Leo: Ich stelle mir das fast wie eine Orgie vor,<br />
was du da machst. Wie lange dauert das?<br />
Domian: Eine halbe bis dreiviertel Stun<strong>de</strong>.<br />
37
Leo: Das ist nicht viel. Und was passiert dann<br />
mit <strong>de</strong>n 60 Kilo Hackfleisch?<br />
Domian: Ich schmeiße es weg.<br />
Leo: Das ist ja völlig skurril.<br />
Domian: In <strong>de</strong>n letzten Monaten hat es sich<br />
auch gesteigert.<br />
Leo: Weiß außer mir und <strong>de</strong>n Zuhörern sonst<br />
noch jemand davon?<br />
Domian: Nein, nur meine letzte Freundin.<br />
Leo: Wenn du diese Sendung verfolgst, weißt<br />
du, daß ich in Sachen Sex nun wirklich für<br />
alle Abson<strong>de</strong>rlichkeiten ein offenes Ohr und<br />
ach viel Verständnis habe. Dieses allerdings<br />
hört sich meines Erachtens ziemlich be<strong>de</strong>nklich<br />
an. Ich erahne, daß du da in eine Ecke<br />
abdriftest — wenn es <strong>de</strong>nn alles stimmt —<br />
, in <strong>de</strong>r du nicht glücklich wirst. Du hast<br />
dadurch vermutlich schon eine Beziehung<br />
verloren. Und du sagst selbst, daß sich das<br />
38
noch steigert. Das ist wirklich eine richtige<br />
Perversion, <strong>de</strong>r du da nachgehst. Es besteht<br />
die Gefahr, daß du dich vollkommen<br />
isolierst und seelischen Scha<strong>de</strong>n davonträgst.<br />
Du solltest dich in fachkundige Beratung begeben.<br />
Du mußt zu einem Therapeuten. Da<br />
stimmt irgend etwas nicht.<br />
Domian: Seit diese Beziehung been<strong>de</strong>t ist, habe<br />
ich auch keine Beziehung mehr zu einer<br />
Frau gehabt. Ich ziehe das mit <strong>de</strong>m Hackfleisch<br />
auch vor.<br />
Leo: Je<strong>de</strong> Frau wird doch das Weite suchen!<br />
Stell dir doch mal vor, du erzählst einer Frau,<br />
daß du dir einmal im Monat 60 Kilo Hackfleisch<br />
kaufst und es damit treibst. Das ist<br />
doch schrecklich!<br />
Domian: Ja, das stimmt.<br />
Leo: Das en<strong>de</strong>t irgendwann in einer vollkommenen<br />
Vereinsamung.<br />
Domian: Stimmt, ich bin zur Zeit auch nicht<br />
39
fähig für eine Beziehung.<br />
Leo: Du hast wirklich vorher eine relativ normale<br />
Sexualität gehabt? Du hattest nie son<strong>de</strong>rbare<br />
Dinge im Kopf, in <strong>de</strong>r Phantasie?<br />
Domian: Nein, eigentlich nie.<br />
Leo: Kannst du dir vorstellen, zu einem Therapeuten<br />
zu gehen?<br />
Domian: Ja, doch.<br />
Leo: Wür<strong>de</strong>st du diese Neigung auch gerne in<br />
<strong>de</strong>n Griff bekommen o<strong>de</strong>r gar loswer<strong>de</strong>n?<br />
Domian: Ich möchte das sicherlich irgendwann<br />
wie<strong>de</strong>r ablegen.<br />
Leo: Wie fühlst du dich <strong>de</strong>nn danach?<br />
Domian: Befriedigt halt. Ich komme zum Samenerguß.<br />
Leo: Das war mir schon klar.<br />
Domian: Ich fühle mich halt wohl. Das kann<br />
man schwer in Worte fassen.<br />
40
Leo: Hast das für dich nicht auch einen üblen<br />
Beigeschmack, wenn du da in <strong>de</strong>n Massen<br />
Hackfleisch sitzt?<br />
Domian: Ja, gut. Am Anfang war es erst unangenehm.<br />
Danach hatte ich mich aber daran<br />
gewöhnt. Später war es dann auch ein rasen<strong>de</strong>s<br />
Gefühl, es immer wie<strong>de</strong>r zu erleben.<br />
Leo: Also, ich halte das für <strong>aus</strong>gesprochen be<strong>de</strong>nklich,<br />
Leo. Ich wür<strong>de</strong> dich gerne noch<br />
mal zu meiner Psychologin rüberschalten.<br />
Die kann dir sicherlich, was Sexualtherapie<br />
angeht, noch ein paar Tips geben, wie du so<br />
etwas einfä<strong>de</strong>lst. Bleibst du am Telefon?<br />
Domian: Ja, klar.<br />
Leo: Alles Gute.<br />
41
Kapitel 5<br />
Schwuler Priester<br />
Domian: Hallo Werner, 38 Jahre.<br />
Werner: Ich bin ein schwuler katholischer Priester.<br />
Domian: Das kling nach großen Problemen.<br />
Werner: Eigentlich hat es mir einen langen Teil<br />
meines bisherigen Lebens keine Probleme<br />
bereitet. Ehe ich mich vor ein paar Jahren<br />
verliebt habe. Da habe ich mir selber eingestan<strong>de</strong>n,<br />
daß ich schwul bin. Bis dahin habe<br />
ich das immer verdrängt.<br />
Domian: Hast du eine Gemein<strong>de</strong>?<br />
Werner: Ja, und es wissen auch ein paar Leute<br />
in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. Leute, zu <strong>de</strong>nen ich ein<br />
42
großes Vertrauen habe. Aber natürlich nicht<br />
alle.<br />
Domian: Wie hast du <strong>de</strong>ine Liebe kennengelernt?<br />
Werner: Im Urlaub. Aber es war eigentlich nur<br />
eine Schwärmerei meinerseits, nicht von ihm.<br />
Aber damals habe ich mir dann das erste<br />
Mal gesagt: Junge, ich glaube, du bist doch<br />
schwul.<br />
Domian: Wie alt warst du da?<br />
Werner: Damals war ich 32.<br />
Domian: Auch eher schon ein fortgeschrittenes<br />
Alter. Wie hast du dich <strong>de</strong>nn vorher sexuell<br />
eingestuft.<br />
Werner: Ich habe das eigentlich immer erfolgreich<br />
verdrängt. Auch in meiner theologischen<br />
Ausbildung bin ich mit Sexualität konfrontiert<br />
wor<strong>de</strong>n. Weil ich aber Priester wer<strong>de</strong>n<br />
wollte, habe ich das immer schön zur<br />
Seite gestellt.<br />
43
Domian: Du hattest all die Jahre nie ein sexuelles<br />
Erlebnis.<br />
Werner: Nein.<br />
Domian: Ich habe sehr selten die Gelegenheit,<br />
mit einem Priester über solche Themen zu<br />
re<strong>de</strong>n. Hast du onaniert?<br />
Werner: Ja.<br />
Domian: Hat man da als Priester nicht auch ein<br />
schlechtes Gewissen, wenn man onaniert?<br />
Werner: Nein, das eigentlich nicht.<br />
Domian: Welche Phantasien hattest du <strong>de</strong>nn beim<br />
Onanieren? Bezog sich das nur auf Männer<br />
o<strong>de</strong>r auch auf Frauen?<br />
Werner: Gemischt eigentlich.<br />
Domian: Aber wenn man noch nie Erfahrungen<br />
gemacht hat, fehlen einem doch die Bil<strong>de</strong>r.<br />
Was waren das für Phantasien?<br />
Werner: Es war eigentlich immer schon so, daß<br />
mich Menschen sexuell angezogen haben,<br />
44
die mir fremd waren, also keine Freun<strong>de</strong>.<br />
Ich habe das halt immer auf Bil<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />
hier und da mal einen Pornofilm bezogen.<br />
Domian: Ach, Pornofilme hast du dir schon besorgt?<br />
Werner: Nein, ich bin ins Kino gegangen.<br />
Domian: Das ist aber auch ein ganz schöner<br />
Schritt, als Geistlicher in ein Pornokino zu<br />
gehen. Hast du <strong>de</strong>nn nicht tierisch Angst gehabt,<br />
daß dich jemand erkennen könnte?<br />
Werner: Ich bin dafür je<strong>de</strong>smal 250 Kilometer<br />
weggefahren.<br />
Domian: War das ein heterosexuelles Pornokino?<br />
Werner: Es gibt ja diese Kabinen, wo man <strong>aus</strong>wählen<br />
kann. Wobei mir die heterosexuellen Filme<br />
nicht so gut gefielen. Man hört ja auch immer<br />
von <strong>de</strong>r Ausbeutung <strong>de</strong>r Frau in solchen<br />
Filmen. Und da bin ich halt durch die<br />
an<strong>de</strong>ren 99 Programme gedüst.<br />
45
Domian: Und in dieser Zeit hast du die Thematik,<br />
ob du nun schwul bist o<strong>de</strong>r nicht, verdrängt?<br />
Werner: Ja.<br />
Domian: Warst du nicht ständig in einer I<strong>de</strong>ntitätskrise?<br />
Du hast, was die Sexualmoral<br />
betrifft, als katholischer Priester natürlich an<strong>de</strong>re<br />
Dinge zu vertreten als ins Pornokino zu<br />
gehen.<br />
Werner: Ich habe im Laufe meiner Priesterjahre<br />
festgestellt, daß ich mich von einem<br />
stockkonservativen Mann hin zu einem sehr<br />
toleranten Mann entwickelt habe.<br />
Domian: Das heißt, du vertrittst nach außen hin<br />
nicht die teilweise sehr rigi<strong>de</strong>n Vorstellungen<br />
<strong>de</strong>r katholischen Kirche?<br />
Werner: Ich sage das von <strong>de</strong>r Kanzel <strong>aus</strong>, was<br />
ich selbst vertreten kann. Ich behaupte, die<br />
Kirche sollte sich <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Thema Sexualität<br />
die nächsten Jahre erst mal her<strong>aus</strong>hal-<br />
46
ten und sich auf Werte zurückziehen, wo sie<br />
auch wirklich was zu sagen hat und auch<br />
sagen kann.<br />
Domian: Mit 32 hast du dich also das erste Mal<br />
verliebt. Wie ging es dann in <strong>de</strong>iner homosexuellen<br />
Entwicklung weiter?<br />
Werner: Dann habe ich das einem befreun<strong>de</strong>ten<br />
Priester erzählt. Ich war halt verliebt<br />
und hatte das Gefühl, daß ich es irgend jeman<strong>de</strong>n<br />
erzählen mußte. Dann hat <strong>de</strong>r mir<br />
eingestan<strong>de</strong>n, daß er ähnlich fühlt. Wir haben<br />
uns dann erstaunt angeguckt und uns<br />
gefragt, warum wir nicht schon Jahre eher<br />
darüber sprechen konnten. Meine Urlaubsliebe<br />
hatte sich für mich ja nicht erfüllt. Dann<br />
habe ich einfach weitergesucht. Wenn man<br />
seinen Horizont ein wenig öffnet, fin<strong>de</strong>t man<br />
auch Leute, die einem diesbezüglich weiterhelfen.<br />
Domian: Gibt es da wirklich Gruppen von anonymen,<br />
schwulen katholischen Geistlichen?<br />
47
Werner: Ja, es gibt schwule Priestergruppen.<br />
Domian: Das muß aber wohl alles streng geheim<br />
bleiben.<br />
Werner: (zögert) Ja, ich <strong>de</strong>nke, daß wir uns<br />
natürlich um Anonymität bemühen. Aber es<br />
gibt auch in einer an<strong>de</strong>ren Gruppe einen<br />
Priester, <strong>de</strong>r sich sehr engagiert und <strong>de</strong>r durch<strong>aus</strong><br />
auch schon mit <strong>de</strong>m Bischof Kontakt hatte.<br />
Domian: Eine Seltenheit unter <strong>de</strong>n Bischöfen.<br />
Werner: Sagen wir mal so: Es ist nicht <strong>de</strong>r Bischof<br />
von Fulda.<br />
Domian: (lacht) Das habe ich mir fast gedacht.<br />
Lebst du im Augenblick auch in einer Beziehung?<br />
Werner: Nein.<br />
Domian: Und du fährst immer noch 250 Kilometer,<br />
um Sex zu erleben, um Männer kennenzulernen?<br />
48
Werner: Nein, ich traue mich jetzt schon ein<br />
wenig mehr. Es ist ja auch so, daß die homosexuelle<br />
Szene einen schützt. Ich habe in einer<br />
schwulen Gruppe in einer Nachbarstadt<br />
sogar schon Leute <strong>aus</strong> meiner Gemein<strong>de</strong> gesehen.<br />
Aber die halten dicht.<br />
Domian: Du riskierst, was <strong>de</strong>inen Job angeht,<br />
ja Kopf und Kragen.<br />
Werner: Ich <strong>de</strong>nke, daß man mich nur r<strong>aus</strong>schmeißen<br />
wür<strong>de</strong>, wenn ich jeman<strong>de</strong>n in mein<br />
Pfarrh<strong>aus</strong> holen wür<strong>de</strong> und mit einem Mann<br />
leben wür<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r wenn ich mit jeman<strong>de</strong>n<br />
im Bett erwischt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Auf je<strong>de</strong>n<br />
Fall wür<strong>de</strong> man mich nicht aufgrund meiner<br />
Homosexualität allein r<strong>aus</strong>schmeißen.<br />
Domian: Also bist du einem eher toleranten Bischof<br />
zugeordnet.<br />
Werner: Ja.<br />
Domian: Hast du in <strong>de</strong>r Kirche auch schon mal<br />
über Homosexualität gepredigt?<br />
49
Werner: Ja, ich nehme das Thema ” Homosexualität“<br />
schon in <strong>de</strong>n Mund. Nicht unbedingt<br />
im Sinne <strong>de</strong>r Kirche.<br />
Domian: Ist das <strong>de</strong>nn für dich nicht ein Spagat?<br />
Der Papst hat ja klare Aussagen zum<br />
Thema Schwulsein gemacht.<br />
Werner: (zögert) Also, ich sage immer, daß es<br />
auch eine Frage <strong>de</strong>s Verhaltens <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />
ist. Ich habe auf diese Predigten keine<br />
negativen Reaktionen bekommen. Das einzige<br />
Mal, wo Leute <strong>aus</strong> einer höheren Etage<br />
sich beschwert haben, war eine Predigt, in<br />
<strong>de</strong>r es um Scheidung ging.<br />
Domian: Ich glaube ja auch, daß inzwischen<br />
die Vielzahl <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n toleranter ist<br />
als <strong>de</strong>r Papst. Was hast du für einen Eindruck?<br />
Wenn das in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> so richtig<br />
bekannt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong>n die Leute<br />
zu dir stehen?<br />
Werner: Kann ich ganz schwer einschätzen. In<br />
meiner schwulen Priestergruppe gibt es zwei,<br />
50
drei Leute, die auch einen Freund haben.<br />
Wo <strong>de</strong>r Freund auch ins Pfarrh<strong>aus</strong> kommt,<br />
auch dort schläft. Und die Gemein<strong>de</strong> weiß<br />
davon. Aber ich wür<strong>de</strong> das Experiment heute<br />
nicht wagen wollen.<br />
Domian: Das be<strong>de</strong>utet doch, daß <strong>de</strong>ine Zukunft<br />
weiter von Heimlichkeiten geprägt sein wird.<br />
Werner: Das ist für mich halt die Frage. Ich<br />
habe vor kurzem mal mit einer Freundin darüber<br />
gesprochen, und ich habe gesagt, daß mein<br />
Tag ja sowieso so voll ist, daß ich gar keine<br />
Zeit für einen Freund hätte. Darauf sagte<br />
die Freundin, wenn du jeman<strong>de</strong>n triffst, <strong>de</strong>n<br />
du liebst, dann hast du auch die Zeit. Und<br />
dann wäre da ja auch die Frage, wenn ich<br />
jeman<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n ich liebe, ob man dann<br />
sagt: O.K., jetzt gebe ich <strong>de</strong>n Beruf auf.<br />
Domian: Du könntest dir schon vorstellen, daß<br />
du <strong>de</strong>inen Beruf — <strong>de</strong>r dir wahrscheinlich<br />
sehr am Herzen liegt — aufgibst?<br />
Werner: Ich weiß nicht . . . (zögert) . . . ich bin<br />
51
da in mir auch ein wenig zwiegespalten.<br />
Domian: Das ist ja auch hypothetisch. Die Frage<br />
kommt ja auch erst auf dich zu, wenn die<br />
große Liebe da ist.<br />
Werner: Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite frage ich mich,<br />
ob ich mich überhaupt bereit mache für eine<br />
große Liebe.<br />
Domian: Ich fin<strong>de</strong> das sehr toll und interessant,<br />
daß du heute hier angerufen hast. Auch, weil<br />
sich bei mir immer wie<strong>de</strong>r Leute mel<strong>de</strong>n,<br />
junge Christen, die ihr Schwulsein und ihren<br />
Glauben nicht miteinan<strong>de</strong>r vereinbaren<br />
können.<br />
Werner: Die Liebe zu einem Mann kann gen<strong>aus</strong>o<br />
rein sein wie die Liebe zu einer Frau.<br />
52
Kapitel 6<br />
Spiel mit <strong>de</strong>m Tod<br />
Domian: Paul ist am Telefon, 30 Jahre alt.<br />
Paul: Hallo Domian! Also ich habe etwas Extremes:<br />
früher habe ich mich immer selbst<br />
verletzt. Das passierte meistens in Streßsituationen.<br />
Irgendwann später, in einer sehr<br />
großen Streßsituation, wollte ich mich umbringen.<br />
Da habe ich ein Gift genommen.<br />
Domian: Ein Gift hast du genommen?<br />
Paul: Ja, ein Gift.<br />
Domian: Was für ein Gift?<br />
Paul: Ach, das möchte ich jetzt eigentlich nicht<br />
sagen, weil man es frei kaufen kann.<br />
53
Domian: Okay, bitte sage es nicht!<br />
Paul: Es dauert ziemlich lange. Ist auch eine<br />
ziemliche Quälerei, das Zeug reinzuwürgen.<br />
Aber irgendwie muß ich sagen, daß es gar<br />
nicht so schlecht war. Ich lag da so ungefähr<br />
sechs Stun<strong>de</strong>n, und es passiert dann immer<br />
so in Wellen. Man <strong>de</strong>nkt immer: Bald bist du<br />
drüber. Na ja, ich fand das halt unheimlich<br />
cool.<br />
Domian: Es ist ein Gift, das man einnimmt,<br />
das man schluckt?<br />
Paul: Ja.<br />
Domian: Und es hat wirklich eine so enorme<br />
Wirkung, daß man sterben kann?<br />
Paul: Man hat nicht nur das Gefüh, es ist auch<br />
wirklich lebensgefährlich. Es kann zu Herzkammerflimmern<br />
führen und dann hilft nur<br />
Reanimation.<br />
Domian: Man ist während<strong>de</strong>ssen aber bei Bewußtsein?<br />
54
Paul: Völlig.<br />
Domian: Und dieses hat, als du das damals <strong>aus</strong>probiert<br />
hast, auch eine sehr angenehme Wirkung<br />
für dich gehabt?<br />
Paul: Für mich war das so ein Gefühl von Freiheit.<br />
Es war ein tolles Erlebnis.<br />
Domian: Es hat ein paar Stun<strong>de</strong>n gedauert, und<br />
dann hat die Wirkung nachgelassen?<br />
Paul: Ja, das ist ein wenig problematisch. Man<br />
muß danach min<strong>de</strong>stens noch einen Tag im<br />
Bett bleiben, weil man sich nicht mehr bewegen<br />
kann.<br />
Domian: Ist es etwa so, daß du das öfters machst?<br />
Paul: Inzwischen habe ich es wohl sechsmal gemacht.<br />
Domian: Du spielst also wirklich je<strong>de</strong>smal mit<br />
<strong>de</strong>inem Leben?<br />
Paul: Ja. Einmal bin ich in die Klinik eingeliefert<br />
wor<strong>de</strong>n, und da habe ich die Leute auf<br />
55
<strong>de</strong>r Intensivstation ziemlich zum Rennen gebracht.<br />
(lacht ein wenig)<br />
Domian: Mensch Paul, das fin<strong>de</strong> ich . . . ich weiß<br />
gar nicht . . . das ist ja unglaublich. Warum<br />
machst du das? Warum?<br />
Paul: Ich weiß nicht. Das ist irgendwie ein Gefühl<br />
von Freiheit.<br />
Domian: Ich will hier nun wirklich keine Drogen<br />
propagieren, aber es gibt doch Drogen,<br />
die eine ähnliche Wirkung haben, aber nicht<br />
so lebensgefährlich sind wie <strong>de</strong>in Gift. Warum<br />
muß es <strong>de</strong>nn ein Gift sein, das dich unter<br />
Umstän<strong>de</strong>n millimeternah an <strong>de</strong>n Tod katapultiert?<br />
Paul: Ich <strong>de</strong>nke, das ist auch so eine Art To<strong>de</strong>ssehnsucht.<br />
Domian: Ist dir <strong>de</strong>in Leben so wenig wert?<br />
Paul: Ja schon. Eigentlich ist es mir generell<br />
ziemlich wenig wert. Ich lebe also relativ risikofreudig.<br />
56
Domian: Und dieses Zeug kann man kaufen?<br />
Paul: Ja.<br />
Domian: Hast du das immer zu H<strong>aus</strong>e?<br />
Paul: Ich habe hier noch ein Röhrchen. Aber<br />
das wird nicht reichen.<br />
Domian: Was sind das <strong>de</strong>nn für Situationen, in<br />
<strong>de</strong>nen du das dann nimmst?<br />
Paul: Das sind meistens Streßsituationen. O<strong>de</strong>r<br />
wenn ich die Welt halt mal nicht ertragen<br />
kann. O<strong>de</strong>r wenn ich Gewissensbisse habe.<br />
Bei mir ist das ziemlich extrem.<br />
Domian: Aber du willst letztendlich nicht sterben?<br />
Paul: Eigentlich nicht.<br />
Domian: Du willst dieses Gefühl <strong>de</strong>s Übergangs<br />
haben?<br />
Paul: Genau. Ich könnte das nämlich auch injizieren.<br />
Dann wäre ich wirklich weg. (lacht)<br />
57
Domian: Du sagtest gera<strong>de</strong>, daß es auch noch<br />
die Nachwirkung hat, daß man einen Tag im<br />
Bett verbringen muß.<br />
Paul: Mann kann sich sehr schlecht bewegen<br />
und kommt nicht auf die Beine.<br />
Domian: Ist das nicht schrecklich? Ich stelle<br />
mir das gera<strong>de</strong> spontan wie einen schrecklichen<br />
Kater vor.<br />
Paul: Es ist schon ziemlich unangenehm, das<br />
stimmt. Man hat auch kaum ein Gefühl in<br />
<strong>de</strong>n Extremitäten.<br />
Domian: Bereust du das dann und sagst: ≫Scheiße,<br />
ich mache es nicht noch mal!≪?<br />
Paul: Es ist so toll, das kann wahrscheinlich<br />
keiner nachvollziehen. Es ist wie eine Wie<strong>de</strong>rgeburt.<br />
Wenn man die Sonne aufgehen<br />
sieht und man noch lebt. Wahnsinn!<br />
Domian: Wieviel Stun<strong>de</strong>n dauert dieser Vorgang?<br />
Paul: Etwa sechs Stun<strong>de</strong>n.<br />
58
Domian: Wenn die Wirkung nachläßt, wirst du<br />
dann mißmutig o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>pressiv?<br />
Paul: Nein. Das ist eher ein riesiger Pusch. Dann<br />
ist die Energie wie<strong>de</strong>r da. Auch wenn man<br />
vorher <strong>de</strong>primiert war. Das ist dann wie weggeblasen.<br />
(P<strong>aus</strong>e)<br />
Domian: Ich bin sehr baff, muß ich dir sagen.<br />
So etwas habe ich noch nie gehört.<br />
Paul: Ja, extrem. (lacht)<br />
Domian: Das ist wirklich extrem. Weiß das jemand<br />
<strong>aus</strong> <strong>de</strong>inem Freun<strong>de</strong>skreis?<br />
Paul: Ich wollte das eigentlich nieman<strong>de</strong>n erzählen,<br />
weil die Leute <strong>de</strong>nken könnten, ich wolle sie<br />
unter Druck setzen. So nach <strong>de</strong>m Motto: Ich<br />
bringe mich jetzt um, wenn du dich nicht so<br />
und so verhälst.<br />
Domian: Das ist also <strong>de</strong>in Geheimnis, und außer<br />
mir und ein paar hun<strong>de</strong>rtt<strong>aus</strong>end Menschen<br />
weiß es bis jetzt niemand. (bei<strong>de</strong> lachen)<br />
Warum hast du das jetzt hier erzählt?<br />
59
Hast du nicht Angst, daß dich jemand an er<br />
Stimme erkennt?<br />
Paul: Also einmal ist das nicht mein Sen<strong>de</strong>bereich,<br />
und dann muß ich sagen, daß ich damit<br />
inzwischen auch in psychiatrischer Behandlung<br />
bin. Ich habe das inzwischen so<br />
vielen Leuten erzählt. Ich saß auch mal in<br />
einem Hörsaal und wur<strong>de</strong> von 600 Leuten<br />
angestarrt.<br />
Domian: Also es wissen keine engen Freun<strong>de</strong><br />
von dir, ansonsten ist es schon publik.<br />
Da haben sich die Psychiater wahrscheinlich<br />
auf dich gestürzt, als interessantes Forschungsphänomen.<br />
Paul: Ja, ich bin ein schwieriger Fall (lacht).<br />
Domian: Es ist ja ein schwieriger Schritt, zu<br />
einem Psychiater zu gehen. Wie kam es dazu?<br />
Warum hast du dich dafür entschie<strong>de</strong>n.<br />
Paul: Na ja, ich habe auch noch an<strong>de</strong>re Probleme.<br />
Das hängt mit meiner Persönlichkeit<br />
60
zusammen. Im Augenblick lei<strong>de</strong> ich unter starken<br />
Angstgefühlen. Das ist halt nicht gut erträglich,<br />
und dann geht man halt zum Psychiater.<br />
Domian: Hast du <strong>de</strong>m Psychiater gleich von<br />
<strong>de</strong>m Gift erzählt, o<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>r erst lange bei<br />
dir graben müssen?<br />
Paul: Ich war eigentlich immer sehr offen und<br />
habe das auch immer erzählt. Deswegen komme<br />
ich auch gerne auf die Geschlossene. Da<br />
kennt man mich schon (bei<strong>de</strong> lachen).<br />
Domian: Wann war <strong>de</strong>r letzt Trip? Ich nenne<br />
es mal so.<br />
Paul: Das ist eineinhalb Jahre her.<br />
Domian: Das ist dann doch schon sehr lange<br />
her.<br />
Paul: Im Augenblick glaube ich, daß mein Magen<br />
das nicht mehr mitmacht (lacht). Ich habe<br />
ihn wohl ein bißchen ruiniert.<br />
61
Domian: Und wie lange bist du jetzt <strong>de</strong>shalb in<br />
psychiatrischer Behandlung.<br />
Paul: (überlegt) Seit 1991.<br />
Domian: Das ist lange. Hast du <strong>de</strong>n Eindruck,<br />
daß die Therapie Wirkung zeigt und du nicht<br />
noch mal in Versuchung gerätst?<br />
Paul: Also ehrlich gesagt ist das eine von <strong>de</strong>n<br />
Sachen, die ich mir ungern nehmen lassen<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
Domian: Das heißt, es ist schon fast beruhigend<br />
für dich, dieses Röhrchen zu H<strong>aus</strong>e zu<br />
haben?<br />
Paul: Ja, ja.<br />
Domian: Für <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>r Fälle kannst du dann<br />
noch mal zugreifen.<br />
Paul: Genau. Das ist ganz komisch. (lacht)<br />
Domian: Sage mir doch mal, warum dir <strong>de</strong>in<br />
Leben keinen Spaß macht.<br />
62
Paul: Es ist so eine Art Min<strong>de</strong>rwertigkeitskomplex.<br />
Ich komme mir halt unheimlich nullwertig<br />
vor.<br />
Domian: Warum?<br />
Paul: Och, das ist angeboren. Was weiß ich?<br />
Frühe Kindheit kaputt, alles im Eimer . . .<br />
Domian: Du wirkst relativ selbstbewußt und durch<strong>aus</strong><br />
normal.<br />
Paul: Das mag täuschen. (lacht)<br />
Domian: Kann sein. Bist du berufstätig?<br />
Paul: Bis vor kurzem. Da bin ich r<strong>aus</strong>geschmissen<br />
wor<strong>de</strong>n. Das hat mich auch ein wenig<br />
irritiert. Mal gucken, wie es jetzt weitergeht.<br />
Domian: Was hat du gemacht?<br />
Paul: Krankenpflege.<br />
Domian: Krankenpflege? Aha.<br />
Paul: Oje, jetzt wird es heikel.<br />
63
Domian: Das vertiefen wir jetzt mal nicht. Also<br />
Paul, ich erspare dir das Angebot, mit<br />
meiner Psychologin zu sprechen. Ich glaube,<br />
du bist da in sehr guten Hän<strong>de</strong>n. Ich<br />
wünsche dir, daß du das nicht mehr machst;<br />
ich wünsche dir, daß die Psychiater Erfolg<br />
haben. Daß du Erfolg hast und daß dir das<br />
Leben wie<strong>de</strong>r Spaß macht.<br />
Paul: Das ist ein netter Wunsch.<br />
64
Gesprächsprotokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Buch<br />
≫Extreme Leben≪<br />
65
Kapitel 7<br />
Win<strong>de</strong>lfetischist<br />
Robert: Ich stehe auf Win<strong>de</strong>l- und Gummihosen.<br />
Domian: Dich stimuliert es also selbst, wenn<br />
du zum Beispiel eine Win<strong>de</strong>l trägst.<br />
Robert: Ja.<br />
Domian: Warum ist das so?<br />
Robert: Das kann ich nicht konkret beantworten.<br />
Es ist halt so. Mir gefällt es sehr gut.<br />
Und ich gehe dieser Neigung auch nach.<br />
Domian: Wann hast du diese Neigung an dir<br />
ent<strong>de</strong>ckt?<br />
Robert: Als ich ungefähr 16 war.<br />
66
Domian: Wie hast das das ent<strong>de</strong>ckt?<br />
Robert: Ich bin damals furchtbar geil gewor<strong>de</strong>n,<br />
als ich diese Dinger in einem Schaufenster<br />
liegen sah. Und habe dann auch allen<br />
Mut zusammengerafft und habe mir Höschen<br />
und eine Packung Win<strong>de</strong>ln gekauft.<br />
Domian: Wie war das genau? Was passierte dann,<br />
als du zu H<strong>aus</strong>e warst?<br />
Robert: Ich habe mich ganz nackt <strong>aus</strong>gezogen<br />
und die Win<strong>de</strong>l angelegt. Das war ein gigantisch<br />
geiles Gefühl. Und dann habe ich<br />
mich befriedigt. Dabei habe ich die Win<strong>de</strong>l<br />
angelassen. Ich habe quasi in die Win<strong>de</strong>l<br />
onaniert, in<strong>de</strong>m ich mich auf <strong>de</strong>n Bauch gelegt<br />
habe. So mache ich das noch heute. Die<br />
Hand nehme ich selten. Der direkte Kontakt<br />
Win<strong>de</strong>l/Penis, das ist es.<br />
Domian: Wie oft machst du das so?<br />
Robert: Alle zwei, drei Tage.<br />
Domian: Magst du auch normalen Sex?<br />
67
Robert: Den hatte ich bisher kaum. Überhaupt<br />
habe ich keinen Sex mit an<strong>de</strong>ren. Die Neigung<br />
ist sehr stark — und Gleichgesinnte zu<br />
fin<strong>de</strong>n, fällt mir sehr schwer. Aber ich suche.<br />
Domian: Du bist 30 Jahre alt und hattest auch<br />
noch nie eine etwas längere sexuelle Beziehung<br />
zu einem Menschen?<br />
Robert: So ist es.<br />
Domian: Vermißt du das?<br />
Robert: Ja.<br />
Domian: Müßte es unbedingt jemand sein, <strong>de</strong>r<br />
gen<strong>aus</strong>o gestrickt ist wie du?<br />
Robert: Müßte nicht unbedingt sein.<br />
Domian: Kannst du dir einen erfüllten Orgasmus<br />
ohne Win<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r Gummi vorstellen?<br />
Robert: Ja, das kann ich.<br />
Domian: Dann wun<strong>de</strong>rt es mich schon, daß du<br />
noch keine Beziehung hattest.<br />
68
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Wie erklärst du dir das?<br />
Robert: Ich habe mich noch nicht intensiv bemüht.<br />
Zu<strong>de</strong>m bin ich ein recht komplizierter Mensch,<br />
und sowohl ich als auch mein Partner müßte<br />
sehr viel Energie in so eine Beziehung pumpen,<br />
um sie am Leben zu erhalten.<br />
Domian: Bist du homo- o<strong>de</strong>r heterosexuell?<br />
Robert: Eher schwul.<br />
Domian: Könnte es sein, daß <strong>de</strong>ine sexuelle Neigung<br />
— also die Win<strong>de</strong>ln — dich in eine<br />
sexuelle <strong>Eins</strong>amkeit manövriert haben?<br />
Robert: Vielleicht. Aber ich glaube es nicht.<br />
Domian: Gibt es <strong>de</strong>nn noch an<strong>de</strong>re sexuelle Phantasien?<br />
Robert: Eigentlich nicht.<br />
Domian: Wie sehen <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ine Phantasien <strong>aus</strong>,<br />
wenn die Win<strong>de</strong>ln angelegt sind?<br />
69
Robert: Ich stelle mir oft vor, daß mir dann jemand<br />
noch in die Win<strong>de</strong>ln pinkelt — o<strong>de</strong>r<br />
auf die Win<strong>de</strong>l. Das fin<strong>de</strong> ich richtig toll.<br />
Domian: Gibt es auch Vorstellungen, daß du<br />
<strong>de</strong>nkst, du bist ein Säugling, <strong>de</strong>r bemuttert,<br />
gewaschen und gecremt wird?<br />
Robert: Nein, ich weiß, daß es das gibt. Aber<br />
bei mir ist es nicht so. Ich brauche auch<br />
nicht so viele Phantasien. Ich bin ganz und<br />
gar mit <strong>de</strong>n Win<strong>de</strong>ln und Gummihöschen zufrie<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Zelebrierst du diese Aktion so richtig?<br />
Robert: Oh ja. Und manchmal, wenn ich Zeit<br />
habe, kann es mehrere Stun<strong>de</strong>n dauern. Ich<br />
liege einfach da in meinem Höschen, lege<br />
mich auf <strong>de</strong>n Bauch, reibe so meinen Penis,<br />
lege mich wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Rücken, betrachte<br />
mich, fasse das Gummihöschen an usw. Das<br />
ist ganz herrlich.<br />
70
Domian: Hast du ein großes Höschen-Repertoire?<br />
Robert: Nein, so sehr viele sind es gar nicht.<br />
An dieser Stelle wollte ich so langsam zum En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Interviews kommen. Da rückte Robert<br />
aber mit noch einer nicht so alltäglichen Vorliebe<br />
her<strong>aus</strong>:<br />
Robert: Auch Zahnspangen fin<strong>de</strong> ich äußerst<br />
geil.<br />
Domian: Zahnspangen?<br />
Robert: Ja, genau. Und ich suche Leute, <strong>de</strong>nen<br />
es ebenso geht. Vielleicht könnten die sich<br />
ja bei euch mel<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Ja, wir reichen dann <strong>de</strong>ine Telefon-<br />
Nummer weiter. Erzähl aber mal, was es mit<br />
<strong>de</strong>r Zahnspange auf sich hat.<br />
Robert: Ich nehme sie in <strong>de</strong>n Mund. Und Zahnspange<br />
kombiniert mit Win<strong>de</strong>ln, das ist das<br />
Größte.<br />
71
Domian: Das ist ja völlig bizzar. Kanst du wahrscheinlich<br />
auch nicht näher erklären, warum<br />
das so ist!?<br />
Robert: Nein. Es ist mir auch egal. Angefangen<br />
hat es mit meiner eigenen ersten Zahnspange.<br />
Die hat mich damals tierisch angemacht.<br />
Mehr kann ich dazu nicht sagen.<br />
Ich mag es halt. Und so soll es auch bleiben.<br />
Domian: Robert, in diesem Sinne: Tschau!<br />
Lei<strong>de</strong>r hat sich bis heute kein weiterer Zahnspangen-<br />
Freund bei uns gemel<strong>de</strong>t. Ob Robert auf an<strong>de</strong>rem<br />
Wege einen Gleichgesinnten gefun<strong>de</strong>n hat<br />
wissen wir nicht.<br />
72
Kapitel 8<br />
Narzißmus<br />
Ich muß zugeben, daß auch ich ein durch<strong>aus</strong><br />
narzißtisch veranlagter Mensch bin. Wür<strong>de</strong> ich<br />
sonst Gefallen daran fin<strong>de</strong>n, meine Nase allnächtlich<br />
in eine Kamera zu halten?! Es ist allerdings<br />
schwer zu entschei<strong>de</strong>n, wo die Grenze<br />
zwischen noch vertretbarer o<strong>de</strong>r gar gesun<strong>de</strong>r<br />
Ich-Bezogenheit und extremer, vielleicht sogar<br />
krankhafter Eigenliebe verläuft.<br />
Im Mai 1996 haben wir im Talk-Radio ” Narzißmus“<br />
thematisiert. Es waren die Menschen aufgefor<strong>de</strong>rt<br />
anzurufen, die über<strong>aus</strong> eitel, egozentrisch<br />
und selbstverliebt sind. So wie es einst<br />
Narziß war, <strong>de</strong>r schöne Jüngling <strong>aus</strong> <strong>de</strong>r griechischen<br />
Mythologie, <strong>de</strong>r die Liebe <strong>de</strong>r Echo<br />
73
verschmähte, sich unstillbar in sein eigenes Spiegelbild<br />
verliebte und in eine Blume — eine Narzisse<br />
— verwan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>.<br />
Letzteres ist Udo (20) bislang erspart geblieben:<br />
Udo: Ich bin ein bekennen<strong>de</strong>r Naziß.<br />
Domian: Was macht <strong>de</strong>inen Narzißmus <strong>aus</strong>?<br />
Udo: Das Wichtigste und Schönste für mich ist<br />
<strong>de</strong>r Spiegel.<br />
Domian: Wieviele Stun<strong>de</strong>n pro Tag verbringst<br />
du vor <strong>de</strong>m Spiegel?<br />
Udo: Drei bis vier Stun<strong>de</strong>n. Spiegel und Schaufenster<br />
zusammengenommen. Das fängt morgens<br />
im Bad an, da brauche ich ungefähr eine<br />
Stun<strong>de</strong>. Und so zieht sich das durch <strong>de</strong>n<br />
Tag. In je<strong>de</strong>m Schaufenster, an <strong>de</strong>m ich vorbeigehe,<br />
spiegle ich mich.<br />
Domian: Was macht du eine Stun<strong>de</strong> im Bad?<br />
Udo: Meine Haare. Die sind zwar kurz, aber<br />
er dauert seine Zeit. Alles muß liegen. Ich<br />
74
muß föhnen und manchmal gelen. Mit meiner<br />
Haut mache ich auch ganz viel, intensive<br />
Pflege halt. Die Augenrän<strong>de</strong>r gestalte<br />
ich, und die Augenbrauen wer<strong>de</strong>n gefärbt.<br />
Make-up direkt benutze ich aber nicht.<br />
Domian: Dein Gesicht ist dir außeror<strong>de</strong>ntlich<br />
wichtig. Wie ist es mit <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>s Körpers.<br />
Udo: Ich bin sehr stolz auf mich. Ich gefalle<br />
mir sehr gut. Und dafür habe ich auch hart<br />
an mir gearbeitet. Ich betreibe sehr viel Sport,<br />
täglich, zu H<strong>aus</strong>e und im Studio.<br />
Domian: Fin<strong>de</strong>st du dich selbst auch erotisch?<br />
Udo: Ja!<br />
Domian: Auch geil?<br />
Udo: Das Eigenerotische ist bei mir nicht so<br />
sehr im Mittelpunkt. Ich fin<strong>de</strong> mich schön,<br />
mehr aber nicht. Obwohl es natürlich einzelne<br />
Bereiche meines Körpers gibt, die ich<br />
beson<strong>de</strong>rs attraktiv fin<strong>de</strong>. Zum Beispiel die<br />
Beine, weil die sehr lang sind. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Po,<br />
75
weil <strong>de</strong>r schön fest ist. Und beson<strong>de</strong>rs stolz<br />
bin ich auf meine Füße, weil die sehr klein<br />
sind.<br />
Domian: Welche Schuhgröße hast du?<br />
Udo: Ich bin 1,79 m groß und habe Schuhgröße<br />
38 bis 39.<br />
Domian: Könntest du dir vorstellen, mit dir selbst<br />
zu schlafen.<br />
Udo: Vorstellen schon, aber es muß nicht unbedingt<br />
sein.<br />
Domian: Ein Narziß liebt es, wenn sich alles<br />
um ihn dreht. Ist das bei dir auch so?<br />
Udo: Oh ja! Wenn ich zum Beispiel auf eine<br />
Party gehe, dann will ich auch <strong>de</strong>r Mittelpunkt<br />
sein. Wenn das nicht <strong>de</strong>r Fall ist, dann<br />
ich die Sache für mich gelaufen.<br />
Domian: Bist du fähig, jeman<strong>de</strong>n zu lieben?<br />
Udo: Nein, nicht mehr. Ich will das auch nicht.<br />
Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, so-<br />
76
wohl im Elternh<strong>aus</strong> als auch mit Männern.<br />
Ich bin schwul, und ich bin oft enttäuscht<br />
wor<strong>de</strong>n. Ich habe es satt. Jetzt interessiere<br />
ich mich nur noch für mich. Ich bin wichtig.<br />
Und ich habe auch keine Lust mehr, wegen<br />
an<strong>de</strong>rer Menschen unglücklich zu sein.<br />
Domian: Wann bist du glücklich?<br />
Udo: Wenn ich in <strong>de</strong>n Spiegel schaue, ich mir<br />
richtig gut gefalle und dann lächle.<br />
Domian: Du brauchst keinen an<strong>de</strong>ren Menschen<br />
für <strong>de</strong>in Glück?<br />
Udo: Nein, absolut nicht.<br />
Domian: Bist du dabei nicht einsam?<br />
Udo: Nein, eben nicht. Ich habe ja mich.<br />
Domian: Hast du Freun<strong>de</strong>?<br />
Udo: Ja, das sind meist Frauen.<br />
Domian: Bist du in diesen Freundschaften so<br />
für dich auch die Nr. 1?<br />
77
Udo: Unbedingt. Aber das macht nichts, weil<br />
die Frauen so sind wie ich.<br />
Domian: Kann man sich auf dich verlassen?<br />
Udo: Ja.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong>st du in einer Freundschaft auch<br />
gegen <strong>de</strong>ine eigenen Interessen han<strong>de</strong>ln, um<br />
z.B. jeman<strong>de</strong>m zu helfen?<br />
Udo: Das kommt darauf an. Wenn es zu viele<br />
Mühen erfor<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>, dann täte ich es<br />
nicht.<br />
Domian: Hast du Angst vor Krankheiten o<strong>de</strong>r<br />
einem Unfall? Auf einen Schlag wäre <strong>de</strong>ine<br />
Hülle, <strong>de</strong>ine schöne Hülle unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
für immer zerstört.<br />
Udo: Ja. Auch über das Alter <strong>de</strong>nke ich nach.<br />
Aber ich schiebe das alles von mir weg. Ich<br />
will das Älterwer<strong>de</strong>n nicht wahrhaben. Es<br />
wür<strong>de</strong> ja alles zusammenbrechen.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong>st du so wie Dorian Gray <strong>de</strong>ine<br />
Seele für <strong>de</strong>ine Schönheit verkaufen?<br />
78
Udo: Da gäbe es gar nicht mehr viel zu verkaufen.<br />
Ich bin so miststückartig drauf, daß da<br />
nicht mehr viel mit Seele ist.<br />
79
Kapitel 9<br />
Masochismus<br />
Wenn wir alle wüßten, was unsere Chefs so in<br />
Sachen Sex bevorzugen und praktizieren, wahrscheinlich<br />
kämen wir vor lauter Staunen, Lachen<br />
o<strong>de</strong>r Kopftschütteln gar nicht mehr zum<br />
Arbeiten.<br />
Im Januar 1996 rief bei uns ein Chef an, <strong>de</strong>r<br />
vor <strong>de</strong>m Talk-Radio-Publikum die Hüllen fallen<br />
ließ. Da er es aber anonym tat, brauchte er<br />
wohl um die Arbeitsdisziplin in seinem Betrieb<br />
nicht zu bangen. Nennen wir ihn Hartmut (42).<br />
Hartmut: Ich fin<strong>de</strong>, die Leute sollten was Sex<br />
angeht noch viel toleranter wer<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Ich vermute, sie sollen auch eine be-<br />
80
stimmte Vorliebe von dir tolerieren. Also r<strong>aus</strong><br />
mit <strong>de</strong>r Sprache!<br />
Hartmut: Ja, das ist so. Ich habe vor einiger<br />
Zeit in einer Kneipe ein Paar kennengelernt:<br />
Kurt und Elke. Wir haben uns gut unterhalten,<br />
viel gelacht und schließlich kamen wir<br />
auf das Thema Sex-Clubs und Swinger-Treffs.<br />
Die bei<strong>de</strong>n erzählten, daß sie in einen bestimmten<br />
regelmäßig gehen. Und das hat mich<br />
interessiert. Ich lebe zur Zeit in Scheidung<br />
und war bereit, neue Erfahrungen zu machen.<br />
Also haben wir uns für das nächste<br />
Wochenen<strong>de</strong> verabre<strong>de</strong>t — in diesem besagten<br />
Club. Es war ein ganz normaler Abend,<br />
und normal heißt: FKK und Bi.<br />
Domian: Was geschah dort?<br />
Hartmut: Es waren ca. 20, 25 Leute dort. Man<br />
trank, re<strong>de</strong>te, saß rum. An diesem Abend waren<br />
alle nackt. Na ja, und wenn sich etwas<br />
ergab, dann ging man seinen sexuellen Gefühlen<br />
nach. Vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, mit mehreren o<strong>de</strong>r<br />
81
man zog sich zu zweit zurück.<br />
Domian: Du hast zum ersten Mal so was erlebt?<br />
Hartmut: Ja.<br />
Domian: Wie war das für dich?<br />
Hartmut: Ich fand es ganz beeindruckend. Als<br />
die ersten Hemmungen überwun<strong>de</strong>n waren,<br />
habe ich mich ganz toll gefühlt. Da sitzt du<br />
nackt mit Leuten zusammen, mit Rechtsanwälten,<br />
Seeleuten, Ärzten und Bauarbeitert, mit <strong>de</strong>nen<br />
man privat so nie in Kontakt käme. Alle<br />
sind gleich. Keine Klassenunterschie<strong>de</strong>.<br />
Domian: Über was habt ihr euch unterhalten?<br />
Hartmut: Über Gott und die Welt, über die Benzinpreise<br />
und natürlich über Sex.<br />
Domian: Hast du dort etwas unternommen?<br />
Hartmut: Nein, an <strong>de</strong>m Abend noch nicht. Ich<br />
bin aber drei Tage später wie<strong>de</strong>r hingegangen.<br />
Da war Lack und Le<strong>de</strong>r angesagt. Und<br />
82
nach 15 Ehejahren und noch mehr Sexjahren<br />
habe ich dort meine Neigung ent<strong>de</strong>ckt.<br />
Deshalb, weil ich das irgendwie in mir spürte,<br />
haben mich Kurt und Elke wohl auch von<br />
Anfang an interessiert.<br />
Domian: Um welche Neigung han<strong>de</strong>lt es sich?<br />
Hartmut: Also, Elke ist eine Domina. Und mir<br />
macht die <strong>de</strong>vote Rolle unheimlich Spaß. An<br />
jenem Freitag bin ich mit ihr in einen Studioraum<br />
gegangen. Und seit<strong>de</strong>m immer wie<strong>de</strong>r.<br />
Erst war mir das schon fremd. Aber dann<br />
ging’s richtig ab.<br />
Domian: Was habt ihr gemacht?<br />
Hartmut: Sie hat mich an ein Gitter angebun<strong>de</strong>n,<br />
mir die Augen verbun<strong>de</strong>n und mich erst<br />
mal gestreichelt. Und dieses Wehrlossein, das<br />
war schon richtig geil. Und dann fing sie<br />
an, mich verbal fertigzumachen, mich zu beschimpfen,<br />
mich zu erniedrigen.<br />
Domian: Erzähle es noch genauer. Wie z.B. war<br />
83
Elke angezogen?<br />
Hartmut: Sie war in Le<strong>de</strong>r, sehr dominant, mit<br />
Stiefeln und Peitsche. Ich habe meistens nur<br />
ein Höschen an und bin oft — wie schon<br />
gesagt — gefesselt. An<strong>de</strong>re Leute schauen<br />
dabei auch zu. Das gibt mir <strong>de</strong>n zusätzlichen<br />
Kick. Na ja, sie geht mich verbal sehr<br />
vulgär und aggressiv an. Was mich total anmacht.<br />
Sie zieht mir auch schon mal eine<br />
mit <strong>de</strong>r Peitsche über und gibt mir Befehle,<br />
zu wimmern o<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Kopf bestimmte<br />
Bewegungen zu machen o<strong>de</strong>r ihre Stiefel<br />
o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zu lecken.<br />
Domian: Warum macht dich eine <strong>de</strong>rartige Erniedrigung<br />
an?<br />
Hartmut: Wohl weil ich in meinem sonstigen<br />
Leben sehr wenig Wi<strong>de</strong>rstand spüre. Vielleicht<br />
<strong>de</strong>nken viele Leute, daß ich ein Arschloch<br />
bin, aber niemand traut sich, es mir zu<br />
sagen.<br />
Domian: Was machst du beruflich?<br />
84
Hartmut: Ich bin Chef einer Putzkolonne. Ich<br />
habe etwa 200 Frauen unter mir. Ich bin <strong>de</strong>r<br />
Boß dort. Ohne Wenn und Aber.<br />
Domian: Und im Studio ist Elke <strong>de</strong>r Boß —<br />
ohne Wenn und Aber.<br />
Hartmut: Genau. Ich bin klein bei ihr und wer<strong>de</strong><br />
getreten. Und das macht mich ganz verrückt.<br />
Solche sexuelle Erregung habe ich früher<br />
noch nie empfun<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Wie hart geht es eigentlich zur Sachen?<br />
Hartmut: Bei mir hält es sich noch in Grenzen.<br />
Gegen Ho<strong>de</strong>n-Abbin<strong>de</strong>n zum Beispiel<br />
habe ich nichts. Aber Metallklammern an<br />
<strong>de</strong>n Augen, brutale Schläge und Blut, das<br />
gibt es bei mir nicht. Und wenn es doch zu<br />
hart wird, dann gibt es das Wort ” Gna<strong>de</strong>“<br />
— und sie läßt von mir ab. So ist die Regel.<br />
Domian: Wie bekommst du einen Orgasmus?<br />
Hartmut: Entwe<strong>de</strong>r macht es Elke mit <strong>de</strong>r Hand,<br />
85
o<strong>de</strong>r ich mache es selber, o<strong>de</strong>r machmal —<br />
wenn es beson<strong>de</strong>rs hoch hergeht —, dann<br />
reichen auch ganz heftige Beschimpfungen<br />
<strong>aus</strong>.<br />
Domian: Orgasmus nur durch schmutzige Worte?<br />
Hartmut: Ja. Ohne daß ich <strong>de</strong>n Schwanz anpacke.<br />
Ohne daß sie es tut. Ich kenne so was<br />
auch nur <strong>aus</strong> meiner Jugend.<br />
Domian: Du bist <strong>de</strong>r Chef von 200 Putzfrauen.<br />
Hast du nicht Angst, daß die das irgendwann<br />
mal erfahren?<br />
Hartmut: Ja, schon. Ich könnte meine Autorität<br />
verlieren. An<strong>de</strong>rerseits wäre es auch<br />
nicht so dramatisch. Job ist Job. Und Sex<br />
ist Sex<br />
86
Kapitel 10<br />
Analphabet<br />
Domian: Am Aparat: Gerhard, 67 Jahre alt.<br />
Gerhard: Ich möchte einen Hilferuf sagen. Im<br />
Namen aller, die nicht lesen und schreiben<br />
können.<br />
Domian: Bist du Analphabet?<br />
Gerhard: Ja. Und wir haben es oft so schwer.<br />
Ich war 31 Jahre verheiratet mit einer sehr<br />
lieben Frau, die ist vor drei Jahren gestorben.<br />
Und all die Jahre hat niemand mitbekommen,<br />
daß ich nicht lesen und schreiben<br />
kann, weil sie so clever war. Ich habe mich<br />
bei ihr so wohl gefühlt.<br />
Domian: Gehard, was hast du beruflich gemacht?<br />
87
Gerhard: Ich war Bergmann.<br />
Domian: Und du hast es in all <strong>de</strong>n Jahren auch<br />
in <strong>de</strong>inem Beruf verheimlichen können?<br />
Gerhard: Ja. Es ist nieman<strong>de</strong>n aufgefallen. Außer<br />
ein paar Leuten, die das nicht an die<br />
große Glocke gehängt haben. Und in meiner<br />
Umgebung hat das auch heute noch niemand<br />
mitbekommen.<br />
Domian: Hast du Kin<strong>de</strong>r?<br />
Gerhard: Nein.<br />
Domian: Ist das Leben nicht sehr viel schwieriger<br />
gewor<strong>de</strong>n für dich, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>ine Frau<br />
gestorben ist?<br />
Gerhard: Oh, ja! Es ist für mich eine Welt zusammengebrochen.<br />
Domian: Was ist das größte Problem?<br />
Gerhard: Ich habe immer treu und brav meine<br />
Arbeit gemacht, niemand hat mir etwas<br />
88
Schlechtes nachgesagt. Na ja, und jetzt kriege<br />
ich so wenig Rente. Es kommen immer<br />
Schreiben. Aber die kann ich ja nicht lesen.<br />
O<strong>de</strong>r ein an<strong>de</strong>res Beispiel: Früher kriegten<br />
wir je<strong>de</strong> Woche eine Zeitschrift. Die wollte<br />
ich abbestellen. Da hat <strong>de</strong>r Vertreter gesagt:<br />
≫Kein Problem≪, ich mußte etwas unterschreiben,<br />
das kann ich ja. Und wie sich<br />
dann her<strong>aus</strong>gestellt hat, habe ich einen neuen<br />
Jahresauftrag unterschrieben. Ich wußte<br />
ja nicht, was da stand. Es sind so die<br />
alltäglichen Sachen.<br />
Domian: Stehst du <strong>de</strong>nn ganz alleine da?<br />
Gerhard: Ein Mann hat mir schon mal so ein<br />
bißchen geholfen, aber <strong>de</strong>r ist nun weggezogen.<br />
Jetzt muß ich mir jemand an<strong>de</strong>ren<br />
suchen. Aber weißt du, Jürgen, das ist mir<br />
so peinlich. Hier in <strong>de</strong>r Nachbarschaft habe<br />
ich ein hohes Ansehen, und das möchte<br />
ich mir nicht versauen.<br />
Domian: Wie kommt das überhaupt, daß du nicht<br />
89
lesen und schreiben kannst?<br />
Gerhard: Ich bin als Russe in Deutschland geboren.<br />
Wir sind später Deutsche gewor<strong>de</strong>n.<br />
Ich bin auf einem Schiff großgewor<strong>de</strong>n. Und<br />
als dann das Gesetz kam, daß wir alle in die<br />
Schule gehen sollten, auch wir, die Kin<strong>de</strong>r<br />
von <strong>de</strong>m wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n und fahren<strong>de</strong>n Volk,<br />
da wur<strong>de</strong>n die Schulen zu Lazaretten erklärt<br />
und die Schule fiel sofort wie<strong>de</strong>r <strong>aus</strong>.<br />
Das war zwei Jahre lang. Und damit die<br />
Gr<strong>aus</strong>amkeiten von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rn aufhörten<br />
— die haben mich ja immer gehänselt als<br />
Russen, ich war verstoßen — habe ich damals<br />
gelernt Abstand von <strong>de</strong>n Menschen zu<br />
nehmen. Also damit diese Gr<strong>aus</strong>amkeiten been<strong>de</strong>t<br />
wur<strong>de</strong>n habe ich mich freiwillig zum<br />
Wehrertüchtigungslager gemel<strong>de</strong>t. Da wur<strong>de</strong><br />
ich erstmals als Mensch anerkannt. Ja,<br />
und in diesem ganzen Hin und Her habe ich<br />
nicht lesen und schreiben gelernt.<br />
Dann war <strong>de</strong>r Krieg zu En<strong>de</strong>, und wir hatten<br />
an<strong>de</strong>re Sorgen. Man mußte ja arbeiten. Es<br />
90
waren harte Zeiten. Dann habe ich später<br />
meine Frau kennengelernt. Bis dahin habe<br />
ich mich immer durchgemogelt, irgen<strong>de</strong>ine<br />
Ausre<strong>de</strong> fiel mir immer ein, wenn’s ums Schreiben<br />
und Lesen ging. Mal hatte ich mir die<br />
Hand verletzt, mal waren es die Augen o<strong>de</strong>r<br />
ich habe so zum Scherz gesagt: ≫Vorlesen?<br />
Ich kann doch gar nicht lesen≪, dann haben<br />
alle gelacht, und ich war <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Schnei<strong>de</strong>r.<br />
Domian: War es dir nicht peinlich, es <strong>de</strong>iner<br />
Frau, <strong>de</strong>iner jungen Frau damals zu beichten?<br />
Gerhard: Das war so. Meine liebe Frau war<br />
schwerbehin<strong>de</strong>rt. Und sie war so froh, daß<br />
sie jeman<strong>de</strong>n gefun<strong>de</strong>n hatte, <strong>de</strong>r ihr hilft<br />
und zur Seite steht. Wir haben uns gegenseitig<br />
geholfen. Ich habe mich nur ganz kurz<br />
am Anfang vor ihr geschämt. Später nicht<br />
mehr. Ja — aber jetzt ist sie nicht mehr.<br />
Domian: Für jüngere Leute in <strong>de</strong>iner Lage bie-<br />
91
ten die Volkshochschulen Kurse. Es gibt sehr<br />
viele Analphabeten. Natürlich können dort<br />
auch ältere Leute hingehen. Aber ich glaube,<br />
für dich ist das vielleicht nicht die richtige<br />
Lösung.<br />
Gerhard: Nein, nein. Es ist ja auch nicht nur<br />
das Schreiben und Lesen. Ich habe mich ja<br />
all die Jahre um nichts gekümmert. So Sachen<br />
vom Amt, von <strong>de</strong>r Sparkasse. Manchmal<br />
ist mir <strong>de</strong>r Strick ganz nahe.<br />
Man fühlt sich so hilflos. Daß ich keinen<br />
Straßennamen lesen kann ist ja nicht so schlimm,<br />
ich merke mir zur Orientierung immer die<br />
Häuser o<strong>de</strong>r Geschäfte, aber mit <strong>de</strong>r Rente<br />
jetzt zum Beispiel . . . o<strong>de</strong>r da ist jetzt was<br />
von <strong>de</strong>r Wohnungsgesellschaft gekommen,<br />
das erkenne ich an so einem Zeichen. Wer<br />
weiß, was die wollen. Manchmal habe ich<br />
Angst um meine Wohnung.<br />
Domian: Du brauchst dringend einen Helfer.<br />
Wen<strong>de</strong> dich doch mal an eine karitative Ein-<br />
92
ichtung o<strong>de</strong>r an die Kirche.<br />
Gerhard: Ja. Aber ich wollte anrufen bei dir,<br />
nicht weil ich um Hilfe betteln wollte, son<strong>de</strong>rn<br />
ich will <strong>de</strong>n Menschen sagen, daß sie<br />
Leute wie mich nicht verachten o<strong>de</strong>r <strong>aus</strong>stoßen<br />
sollen. O<strong>de</strong>r benachteiligen. O<strong>de</strong>r gar<br />
betrügen.<br />
Deshalb wollte ich hier sprechen. Wir sind<br />
ja keine Dummköpfe.<br />
93
Kapitel 11<br />
Punker<br />
Domian: Sven, 15 Jahre alt.<br />
Sven: Ich bin Punk. Und in meiner Umgebung<br />
stoße ich oft auf Wi<strong>de</strong>rstand. Und ich bin<br />
Punk, weil es Spaß macht, an<strong>de</strong>rs zu sein.<br />
Domian: Beschreib dich erst mal!<br />
Sven: Ich habe einen Iro, also rechts und links<br />
auf <strong>de</strong>m Kopf ist eine Glatze, und in <strong>de</strong>r Mitte<br />
steht ein großer Haarstreifen.<br />
Domian: Welche Farbe?<br />
Sven: Grün, Rot und Gelb. Und alles ist verfilzt.<br />
Dann bin ich noch gepierct. Im Gesicht,<br />
Nase, Lippe, Augen. Na ja, und schwarze<br />
alte Klamotten. Ich falle schon auf.<br />
94
Domian: Da bist du auch scharf drauf?<br />
Sven: Ich find’s toll zu zeigen, daß ich an<strong>de</strong>rs<br />
bin.<br />
Domian: Warum willst du das zeigen?<br />
Sven: Es gibt viel Spaß, die Leute mit meinem<br />
Aussehen zu verarschen.<br />
Domian: Funktioniert das überhaupt noch? Ihr<br />
gehört doch mittlerweile zum normalen Straßenbild.<br />
Sven: Ja, es funktioniert noch. Beson<strong>de</strong>rs hier<br />
auf <strong>de</strong>m Dorf, wo ich lebe.<br />
Domian: Erklär doch mal, was das Punk-Lebensgefühl<br />
— über die Kleidung hin<strong>aus</strong> und <strong>de</strong>n Spaß<br />
am Provozieren — so <strong>aus</strong>macht.<br />
Sven: Na ja, ich bin unpolitisch und unbürgerlich.<br />
Politik geht mir am Arsch vorbei. Ich<br />
bin Anarchist.<br />
Domian: Dir ist also alles egal. Du bist für nichts<br />
und gegen nichts, ich meine, du greifst selbst<br />
95
nicht ein.<br />
Sven: Früher war ich mal aktiver Linker. Und<br />
ich bin gegen Nazis.<br />
Domian: Das ist keine Kunst, das sind wir alle.<br />
Sven: Dann bin ich gegen Spießer.<br />
Domian: Die dir doch wie<strong>de</strong>rum gut gefallen,<br />
wenn sie dich anmachen.<br />
Sven: Ja, schon. Aber auf blö<strong>de</strong> Sprüche stehe<br />
ich nicht.<br />
Domian: Von was lebst du?<br />
Sven: Ich habe mal ein halbes jahr auf <strong>de</strong>r Straße<br />
gelebt.<br />
Domian: Also ein Schnorrer: ≫Haste mal ’ne<br />
Mark?≪<br />
Sven: Genau!<br />
Domian: Auf solche Leute stehe ich ja.<br />
Sven: Macht aber Spaß. Und ich möchte auch<br />
nicht arbeiten gehen. Ich stehe dazu, ich bin<br />
96
ein Schmarotzer. Ich lebe jetzt übrigens wie<strong>de</strong>r<br />
zu H<strong>aus</strong>e, bei meinem Vater.<br />
Domian: Was sagt <strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>iner Lebenseinstellung?<br />
Sven: Am Anfang hat er mich abgelehnt. Jetzt<br />
hat er kapiert, daß er nicht dagegen tun kann.<br />
Er akzeptiert mich. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />
hier im Dorf.<br />
Domian: Was ist <strong>de</strong>nn mit <strong>de</strong>r Schule?<br />
Sven: Ist Gott sei Dank in ein paar Wochen vorbei.<br />
Und dann gehe ich wie<strong>de</strong>r auf die Straße.<br />
Domian: Hast du einen Abschluß?<br />
Sven: Nein. Achte Klasse . . .<br />
Domian: Hörst sich ja alles sehr locker an . . .<br />
Sven: Ein bißchen naiv, ne?<br />
Domian: Na ja, als Phase ist das vielleicht okay.<br />
Aber willst du ewig schnorren, ewig auf <strong>de</strong>r<br />
Straße leben?<br />
97
Sven: Ich will meinen Spaß haben. Und ich möchte<br />
nicht in zehn, zwanzig Jahren so en<strong>de</strong>n, daß<br />
ich arbeiten gehen, ein normaler Spießer wer<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Es gibt ja als Lebensform nicht nur<br />
<strong>de</strong>n Punker und <strong>de</strong>n Normalo-Spießer. Und<br />
Spaß wollen wir alle haben. Nur <strong>de</strong>n muß<br />
man ja auch finanzieren.<br />
Sven: Ich fahr’ zu <strong>de</strong>n Chaos-Tagen nach Hannover.<br />
Das brauche ich nicht zu finanzieren.<br />
Da habe ich meinen Spaß.<br />
Domian: Ja, und schlägst da die Scheiben ein.<br />
Von Geschäften, die sich vielleicht junge Leute<br />
gera<strong>de</strong> aufgebaut haben.<br />
Sven: Ja, da muß man dann auch sagen: ≫Warum<br />
und weshalb?≪<br />
Domian: Warum?<br />
Sven: Wir wollen uns ja nur treffen. Und wenn<br />
dann eine Kleinigkeit passiert, geht <strong>de</strong>r Terror<br />
von <strong>de</strong>r Polizei los.<br />
98
Domian: Ich glaube, es gäbe noch viel mehr<br />
Terror, wenn die Polizei nicht da wäre.<br />
Sven: Glaube ich nicht.<br />
Domian: Sven, wenn wir uns auf <strong>de</strong>r Straße<br />
mal sehen, mußt du damit rechnen, daß ich<br />
dir keine Mark gebe.<br />
Sven: Ist ja auch okay.<br />
Domian: Mein Lieber . . . ich hoffe, daß <strong>de</strong>in<br />
leben nicht irgendwann <strong>de</strong>n Bach runtergehen<br />
wird.<br />
Sven: Nein, nein, ich habe das schon im Griff.<br />
Nur auf Arbeiten habe ich keinen Bock. Und<br />
dann wollte ich noch sagen, <strong>de</strong>ine Sendung<br />
ist echt toll. Hau’ rein!<br />
Domian: Sagt ein Punker! Das ist ja Spitze!<br />
Tschau!<br />
99
Kapitel 12<br />
Sperma-Cocktail<br />
Silke: Wir sind eine Clique — drei Schwule und<br />
ich —, wobei ich selbst lesbisch bin. Und<br />
unsere Überlegung war folgen<strong>de</strong>: Das Leben<br />
ist ja so sehr schön, aber wir wollen<br />
doch auch Nachkommen haben.<br />
Domian: Ihr wollt euch also vermehren?<br />
Silke: Genau. Also haben wir eine Familienplanung<br />
gemacht und sie auch in die Tat<br />
umgesetzt.<br />
Domian: Moment — erst einmal: wer ist ≫wir≪?<br />
Silke: Na, die drei Schwulen und ich.<br />
Domian: Und ihr vier habt eine Familienpla-<br />
100
nung in die Tat umgesetzt? Ganz Deutschland<br />
fiebert jetzt, wie das praktisch <strong>aus</strong>sah!<br />
Silke: Das war so: wir saßen an einem Abend<br />
mal alle sehr nett zusammen, hatten auch<br />
was getrunken, und dann kam uns die I<strong>de</strong>e<br />
mit <strong>de</strong>r Cocktailglas-Metho<strong>de</strong>.<br />
Domian: Die Cocktail-Glas-Metho<strong>de</strong>?<br />
Silke: Ja, man nehme ein Cocktailglas und ein<br />
paar Männer . . . und die Männer verschwin<strong>de</strong>n<br />
dann mit <strong>de</strong>m Glas auf <strong>de</strong>r Toilette. Und<br />
dann wur<strong>de</strong> mir das zugeführt.<br />
Domian: Von wem?<br />
Silke: Von meiner Freundin. Einfach so. Aber<br />
beim ersten Mal hat es nicht geklappt —<br />
dafür beim zweiten Mal. Und jetzt bin ich<br />
im dritten Monat schwanger.<br />
Domian: Nein!<br />
Silke: Doch!<br />
Domian: Und du weißt nicht, wer <strong>de</strong>r Vater ist?<br />
101
Silke: Nein. Aber das kann man ja vielleicht<br />
später erkennen.<br />
Domian: Sind die Jungs so unterschiedlich?<br />
Silke: Ja, total. Der eine hat etwas von Dirk<br />
Bach, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ist unser Bodyguard, und<br />
<strong>de</strong>r dritte ist eher die Tunte.<br />
Domian: Nun stell dir vor, es wird ein Junge,<br />
<strong>de</strong>r von allem etwas hat: ein tuntiger Bodyguard<br />
mit dickem Bauch.<br />
Silke: Das wäre doch schön.<br />
Domian: Das klingt schräg und verrückt. Es klingt<br />
auch witzig. Aber irgendwann ist das vielleicht<br />
alles an<strong>de</strong>re als witzig. Es gibt zum<br />
Beispiel keinen klar erkennbaren und benennbaren<br />
Vater. Soll das wirklich so bleiben.<br />
Silke: Es soll eigentlich offen bleiben. Vorerst.<br />
Vielleicht klären wir das später, wenn das<br />
Kind es wünscht. Wir wollen es jetzt die nächste<br />
Zeit auf je<strong>de</strong>n Fall offen lassen.<br />
102
Domian: Somit haben die Jungs auch keinerlei<br />
Rechte und Pflichten.<br />
Silke: Im üblichen Sinne nicht. Aber bei uns ist<br />
das gut geregelt. Wir wohnen in einer WG,<br />
und das schon seit dreienhalb Jahre, und alles<br />
läuft extrem gut.<br />
Domian: Ja, bis jetzt. Aber es können schnell<br />
Konflikte entstehen. Beson<strong>de</strong>rs, wenn ein Kind<br />
da ist.<br />
Silke: Ich hoffe, daß wir uns immer wie<strong>de</strong>r arrangieren<br />
wer<strong>de</strong>n. Es ist auch wirklich keine<br />
Schnapsi<strong>de</strong>e gewesen. Wir haben uns sehr<br />
lange Gedanken gemacht, und für das Kind<br />
ist auch gesorgt. Die Jungs wer<strong>de</strong>n zum Beispiel<br />
alle regelmäßig für das Kind Geld zahlen.<br />
Domian: Ist das vertraglich geregelt?<br />
Silke: Nein, das haben wir so <strong>aus</strong>gemacht, mündlich.<br />
103
Domian: Hoffentlich läuft da nichts schief. Ich<br />
bin da eher skeptisch.<br />
Silke: Vielleicht sollte ich über diesen Punkt wirklich<br />
noch mal nach<strong>de</strong>nken.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong> ich gut fin<strong>de</strong>n. Das ist ja kein<br />
kurzfristiger Spaß. Hier geht es schließlich<br />
um einen neuen Menschen. Welche Rolle<br />
spielt eigentlich <strong>de</strong>ine Freundin in <strong>de</strong>m ganzen<br />
Spiel?<br />
Silke: Eher eine Nebenrolle. Wir sind auch in<br />
einer Krise. Ich möchte das Kind. Und ich<br />
bin stolz, daß es nicht nur einen Papi hat,<br />
son<strong>de</strong>rn gleich drei.<br />
Domian: Wenn ihr euch versteht und zusammenrauft<br />
könnte das eine durch<strong>aus</strong> interessante<br />
Konstellation wer<strong>de</strong>n. Sehr unkonventionell.<br />
Soll es ein Junge o<strong>de</strong>r ein Mädchen wer<strong>de</strong>n?<br />
Silke: Mir ist das egal. Die Jungs hätten natürlich<br />
104
gerne einen Jungen. Aber eigentlich ist es<br />
allen egal. Hauptsache es ist gesund.<br />
Domian: Schön daß du angerufen hast. Und ich<br />
<strong>de</strong>nke, wir sollten in Kontakt bleiben. Mel<strong>de</strong><br />
dich doch noch mal bei uns! Vielleicht in<br />
einem halben Jahr.<br />
Silke: Wer<strong>de</strong> ich machen. Tschau!<br />
105
Kapitel 13<br />
Auto-Fellatio<br />
Es gibt nur einen Talk-Partner bis heute, auf<br />
<strong>de</strong>n ich wirklich neidisch bin . . . sein Name:<br />
Lars. Sein Alter: 25 Jahre.<br />
Lars: Mein Thema ist Autofellatio.<br />
Domian: Was wir jetzt erst einmal erklären müssen.<br />
Lars: Ja, also ich kann mich selbst mit <strong>de</strong>m<br />
Mund befriedigen.<br />
Domian: Das ist ja irre, erzähl!<br />
Lars: Irgendwann — so mit 14 — habe ich das<br />
mal versucht, <strong>aus</strong>probiert, so ein bißchen<br />
mit <strong>de</strong>r Zunge an <strong>de</strong>r Eichel zu spielen und<br />
106
halt auch daran herumzulutschen. Das hat<br />
toll gekribbelt und natürlich Laune gemacht.<br />
Es ist ein schon sehr geiles Gefühl, <strong>de</strong>n eigenen<br />
Schwanz im Mund zu haben.<br />
Domian: Wie weit kriegst du ihn in <strong>de</strong>n Mund?<br />
Lars: Ungefähr bis zur Hälfte, ein bißchen mehr<br />
sogar.<br />
Domian: Eine stramme Leistung. Mit welcher<br />
Körperhaltung schaffst du das?<br />
Lars: Ich bin sehr biegsam. Ich kann mühelos<br />
meinen Kopf auf die Knie legen. Und von da<br />
ist es ja nicht mehr so weit.<br />
Domian: Wahrscheinlich hast du dann auch noch<br />
einen großen Schwanz!?<br />
Lars: Eigentlich nicht, eher normal. Ich bin halt<br />
gelenkig. Aber ich muß sagen, daß es schon<br />
auch anstrengend ist.<br />
Domian: Eher lustvoll o<strong>de</strong>r anstrengend?<br />
107
Lars: Es hält sich so die Waage. Beim Höhepunkt<br />
ärgert es mich immer, daß es so anstrengend<br />
ist.<br />
Domian: Du hast also auch <strong>de</strong>n Orgasmus in<br />
<strong>de</strong>inem Mund?<br />
Lars: Ja, natürlich.<br />
Domian: Nun haben einige Männer — beson<strong>de</strong>rs<br />
heterosexuelle — nicht gera<strong>de</strong> das beste<br />
Verhältnis zu Sperma. Magst du <strong>de</strong>in Sperma?<br />
Lars: Es ist okay. Ich empfin<strong>de</strong> keinen Ekel, im<br />
Gegenteil, ich erfahre durch diese Art <strong>de</strong>r<br />
Selbstbefriedigung meinen Körper sehr intensiv.<br />
Das kommt mir übrigens zugute auch<br />
im Verhältnis zu Frauen: Durch meinen eigenen<br />
Oral-Sex kann ich oral auch besser<br />
mit Frauen umgehen.<br />
Domian: Wenn du vergleichst: Der Oral-Sex mit<br />
dir selbst o<strong>de</strong>r wenn eine Frau sich dort mit<br />
dir beschäftigt — was ist besser?<br />
108
Lars: Eigentlich wenn ich es mache; es ist perfekter.<br />
Eine Frau muß schon verdammt geschickt<br />
drauf sein, um es so hinzukriegen.<br />
Bisher habe ich so eine Frau noch nicht getroffen.<br />
Domian: Wie oft machst du es?<br />
Lars: Nicht so oft. Es ist eben eine Aktion. Und<br />
wenn man nicht ständig trainiert läßt auch<br />
die Biegsamkeit nach. Zu<strong>de</strong>m tut es meinem<br />
Rücken auch nicht so gut.<br />
Domian: Trotz <strong>de</strong>r Schwierigkeiten: Ist es die<br />
optimale Onaniermetho<strong>de</strong> für dich?<br />
Lars: Ganz ohne Zweifel: ja!<br />
Domian: Dann treib es nicht zu toll! Denk an<br />
<strong>de</strong>inen Rücken!<br />
Lars: Na ja, es macht mich mehr an, wenn ich<br />
an <strong>de</strong>n Rücken einer Frau <strong>de</strong>nke.<br />
109
Kapitel 14<br />
Unbemerkt Schwanger<br />
Regina: Folgen<strong>de</strong>s ist fast 18 Jahre her. Ich war<br />
schwanger . . . und habe es nicht gemerkt . . .<br />
bis zum Schluß, bis kurz vor <strong>de</strong>r Geburt.<br />
Domian: Bis kurz vor <strong>de</strong>r Geburt?<br />
Regina: Ja.<br />
Domian: Du hast neun Monate nicht bemerkt,<br />
daß du schwanger bist?<br />
Regina: So ist es. Ich hatte öfters Perio<strong>de</strong>n-Ausfälle.<br />
Und zu <strong>de</strong>r Zeit damals war ich recht dick,<br />
so daß ich es auch rein äußerlich nicht wahrgenommen<br />
habe. Zumin<strong>de</strong>st habe ich die körperlichen<br />
Verän<strong>de</strong>rungen ignoriert.<br />
Domian: Das ist ja unglaublich.<br />
110
Regina: Ja, aber so was gibt es nicht. Wenn<br />
auch ganz selten.<br />
Domian: Nun waren die neuen Monate vorüber.<br />
Was passierte dann?<br />
Regina: Wir waren gera<strong>de</strong> in eine neue Wohnung<br />
gezogen. Zwar hatten wir ein Telefon,<br />
aber es war noch nicht angeschlossen. Ich<br />
war alleine in <strong>de</strong>r Wohnung, und plötzlich<br />
spürte ich etwas im Unterleib, ich habe Wasser<br />
verloren — und genau in <strong>de</strong>m Moment<br />
ging mir ein Licht auf, und ich wußte es.<br />
Was dann geschah, war schon seltsam. Ich<br />
konnte nieman<strong>de</strong>n erreichen, und mir war<br />
klar: ≫Du kriegst ein Kind.≪ Alle an<strong>de</strong>ren<br />
Leute in <strong>de</strong>m Mietsh<strong>aus</strong> waren nicht zu H<strong>aus</strong>e,<br />
das hatte ich vorher mitbekommen. Ich<br />
war ganz alleine dort. Im vierten Stock. Dann<br />
raste mir durch meinen Kopf: ≫Was soll ich<br />
tun?≪ Wir hatten neue Matratzen gekauft,<br />
und meine Überlegung war: ≫Nein, die kannst<br />
du nicht versauen, da legst du dich nicht<br />
111
drauf.≪<br />
Domian: Das gibt es doch nicht!<br />
Regina: Doch, aber das ging alles rasend schnell<br />
durch meinen Kopf. Ich habe dann alle möglichen<br />
Decken ins Wohnzimmer auf die Er<strong>de</strong><br />
gepackt, auch Handtücher — und innerhalb<br />
von einer halben Stun<strong>de</strong> war mein Kind da.<br />
Es war eine Sturzgeburt.<br />
Domian: Du hast es ganz alleine geboren?<br />
Regina: Ja, und im Nachhinein war es gut, daß<br />
ich es im Wohnzimmer bekommen habe. Denn<br />
dort stand unser Schreibtisch, auf <strong>de</strong>m Paketschnur<br />
lag und eine Schere. Damit habe<br />
ich mein Kind abgenabelt.<br />
Domian: Das konntest du?<br />
Regina: Ja, ich komme <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Krankenpflegebereich.<br />
Domian: War das Kind wohlauf?<br />
112
Regina: Ja, und wir haben total Schwein gehabt.<br />
Nach<strong>de</strong>m ich es abgenabelt hatte, kam<br />
die Nachgeburt. Dann bin ich ins Bad gegangen<br />
und habe mein Kind gewaschen.<br />
Domian: Was geschah dann? Bist du danach<br />
wenigstens in Krankenh<strong>aus</strong> gefahren?<br />
Regina: Nein, nein. Warum <strong>de</strong>nn noch? Es war<br />
Freitag. Nachmittag, ca. halb vier. Und nach<br />
einer Stun<strong>de</strong>n — während dieser Zeit habe<br />
ich mich mit meinem Kind beschäftigt —<br />
kam mein Mann. Du kannst dir vorstellen,<br />
wie er <strong>aus</strong> allen Wolken gefallen ist. Und<br />
zusammen haben wir dann erst allmählich<br />
begriffen, was passiert war. Wir haben auch<br />
später keinen Arzt hinzugezogen.<br />
Domian: Warum nicht?<br />
Regina: Ich weiß nicht. Vielleicht war es <strong>de</strong>r<br />
Schock. Vielleicht habe ich mich auch geschämt.<br />
Domian: Ist das Kind gesund geblieben?<br />
113
Regina: Ja, völlig. Es gab nur am darauffolgen<strong>de</strong>n<br />
Montag ein Riesenproblem: Da kein<br />
Arzt dabei war, hatte ich ja auch keinen Geburtsschein.<br />
Mein Mann ist dann am Montag<br />
zu Rath<strong>aus</strong> gefahren und wollte das Kind<br />
anmel<strong>de</strong>n. Da haben die gesagt: ≫Na hören<br />
Sie mal, da kann ja je<strong>de</strong>r kommen, alleine<br />
schon wegen <strong>de</strong>r Steuervergünstigungen.≪ Es<br />
war nichts zu machen. Die wollten es sehen.<br />
Also bin ich noch am selben Tag mit<br />
<strong>de</strong>r Kleinen in Richtung Rath<strong>aus</strong>. Und das<br />
hat sie überzeugt. Obwohl ich auch irgen<strong>de</strong>in<br />
an<strong>de</strong>res Kind hätte vorzeigen können.<br />
Domian: Ich möchte noch einmal auf die Zeit<br />
<strong>de</strong>r Schwangerschaft zurückkommen. Du hast<br />
die Verdickungen <strong>de</strong>s Bauches als Zunahme<br />
verstan<strong>de</strong>n?<br />
Regina: Ja. Als junges Mädchen hatte ich schon<br />
einmal so eine Phase gehabt, da bekam ich<br />
einen dickeren Bauch. Deshalb habe ich das<br />
nicht ernstgenommen.<br />
114
Domian: Und das so lange Ausbleiben <strong>de</strong>r Regel.<br />
Regina: Ich habe das nicht son<strong>de</strong>rlich beachtet.<br />
Heute glaube ich, daß ich das alles auch<br />
nicht wahrhaben wollte.<br />
Domian: Hast du auch keine Bewegungen gespürt?<br />
Regina: Nein.<br />
Domian: Warum wolltest du es nicht wahrhaben?<br />
Regina: Vielleicht weil wir zu jenem Zeitpunkt<br />
auf keinen Fall ein Kind haben wollten. Es<br />
paßte nicht in unsere Lebensplanung. Aber<br />
als es dann da war, haben wir es sofort heiß<br />
und innig geliebt.<br />
Domian: Auf je<strong>de</strong>n Fall hast du unheimliches<br />
Glück gehabt.<br />
Regina: Ja. Aber es ist schon eine merkwürdige<br />
Geschichte. Es wissen auch nur ein paar<br />
115
Leute <strong>aus</strong> meinem engen Umfeld von alle<strong>de</strong>m.<br />
Meine Tochter natürlich auch. Und die<br />
Reaktionen waren damals sehr unterschiedlich.<br />
Ein Verwandter hat mal gesagt: ≫Die<br />
hat ja wie eine Sau geferkelt.≪<br />
116
Kapitel 15<br />
Der Schwanz<br />
Heißes Thema bei uns im Herbst 1995: ≫Der<br />
Schwanz≪. Wie groß sollte er sein? Welche Form<br />
wird bevorzugt? Sind beschnittene Männer die<br />
besseren Liebhaber?<br />
Wir haben uns gefreut, wie differenziert und<br />
wie wenig schlüpfrig die Anrufer und Anruferinnen<br />
sich zu diesem Thema äußerten, zum<br />
Beispiel Sandra (27), Achim (20) und Jan (23).<br />
Sandra: Ich bin <strong>de</strong>r Meinung, daß <strong>de</strong>r Penis eines<br />
Mannes durch<strong>aus</strong> groß sein sollte.<br />
Domian: Viele Frauen sagen aber: nicht die Größe<br />
macht’s, son<strong>de</strong>rn die Technik. Wie groß soll-<br />
117
te er <strong>de</strong>nn nach <strong>de</strong>inem Geschmack sein?<br />
Sandra: Min<strong>de</strong>stens 18 cm. Ich hatte mal einen<br />
Freund, <strong>de</strong>r sehr nett war und auch sehr<br />
hübsch <strong>aus</strong>sah — aber sein Schwanz war<br />
ein Schwänzchen. Wir waren eine Weile zusammen,<br />
und schon bald hatte ich keine Lust<br />
mehr, mit ihm zu schlafen. Daran — so kraß<br />
das auch sein mag — ist die Beziehung letztendlich<br />
gescheitert.<br />
Domian: Ist <strong>de</strong>nn für dich <strong>de</strong>r Schwanz das wichtigste<br />
am Manne?<br />
Sandra: Nein, nicht unbedingt. Auch <strong>de</strong>r Po muß<br />
stimmen. Er muß hart und klein sein, wie<br />
ein Apfel. Und auf Hän<strong>de</strong> und Arme achte<br />
ich auch sehr.<br />
Domian: Wenn du einen Mann kennenlernst,<br />
sch<strong>aus</strong>t du ihm zuerst auf die Hose — hinten<br />
o<strong>de</strong>r vorne?<br />
Sandra: Nein, in die Augen. Und ich habe die<br />
Erfahrung gemacht, daß ein selbstbewuß-<br />
118
ter Blick auf einen guten Schwanz hin<strong>de</strong>utet.<br />
Die Kurzen haben doch immer Komplexe.<br />
Domian: Viele Frauen kritisieren an zu langen<br />
Schwänzen, daß es ihnen beim Sex weh tut.<br />
Sandra: Ja, wenn er über 30 cm ist. Ich fin<strong>de</strong><br />
auch, daß es auf die Technik ankommt.<br />
Du glaubst gar nicht, wie geil es ist, einen<br />
großen Schwanz ganz vorsichtig, ganz tief<br />
in sich eindringen zu lassen.<br />
Domian: Ach, ich kann mir das schon vorstellen.<br />
Sandra: Natürlich muß man damit umzugehen<br />
wissen.<br />
Domian: Wie muß das Geschlechtsteil <strong>de</strong>nn sonst<br />
noch so <strong>aus</strong>sehen?<br />
Sandra: Ich liebe beschnittene Schwänze. Einmal<br />
wegen <strong>de</strong>r Hygiene, und beschnittene<br />
Männer können halt länger. Ansonsten mag<br />
119
ich eng anliegen<strong>de</strong> Ho<strong>de</strong>n, nicht dieses Geschlabber.<br />
Domian: Wie sieht es mit <strong>de</strong>m Penisumfang<br />
<strong>aus</strong>?<br />
Sandra: Er sollte nicht zu dick und nicht gera<strong>de</strong><br />
dünn sein.<br />
Domian: Hast du zur Zeit einen Freund.<br />
Sandra: Ja, und das Tolle ist: es stimmt alles<br />
bei ihm . . . bis auf <strong>de</strong>n Ho<strong>de</strong>nsack. Sehr<br />
geil.<br />
Domian: Magst du ihn auch gerne anfassen . . .<br />
<strong>de</strong>n Schwanz?<br />
Sandra: Ja, sehr.<br />
Domian: Magst du ihn gerne in <strong>de</strong>n Mund nehmen?<br />
Sandra: Ja.<br />
Domian: Machst du das <strong>de</strong>inem Freund zuliebe,<br />
o<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>st du das selbst auch scharf?<br />
120
Sandra: Früher habe ich das nur für die Männer<br />
getan. Aber je mehr ich meine Hemmungen<br />
und meine Erziehung losgewor<strong>de</strong>n bin, <strong>de</strong>sto<br />
mehr Spaß macht es mir auch.<br />
Domian: Du bläst also gerne?<br />
Sandra: Kann man so sagen.<br />
Domian: Viele Männer lieben es, im Mund <strong>de</strong>r<br />
Partnerin — o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Partners — einen Orgasmus<br />
zu bekommen . . .<br />
Sandra: Oh ja, mein Freund auch. Und da wir<br />
uns treu sind und wir bei<strong>de</strong> einen Aidstest<br />
gemacht haben können wir das auch so richtig<br />
genießen. Ich habe eine gute Freundin<br />
die fin<strong>de</strong>t das ekelhaft. Ich fin<strong>de</strong> das geil.<br />
Aber nur, wenn ich sehr verliebt bin.<br />
Domian: Re<strong>de</strong>st du mit an<strong>de</strong>ren Frauen — mit<br />
Freundinnen — auch über Schwänze?<br />
Sandra: Ja. Obwohl ich auch einige Freundinnen<br />
habe, <strong>de</strong>nen das peinlich ist.<br />
121
Domian: Gibt es ein Kosewort für <strong>de</strong>n Schwanz<br />
<strong>de</strong>ines Freun<strong>de</strong>s?<br />
Sandra: Ja, wir nennen ihn Gustav. Das ist uns<br />
im Jux mal so eingefallen.<br />
Domian: Meine Empfehlung an Gustav!<br />
∗<br />
Achim: Ich habe mit meinem Schwanz Probleme:<br />
Er ist ziemlich klein, erigiert mißt er<br />
nur etwa 9.5 cm.<br />
Domian: Ist nicht <strong>de</strong>r Knaller, aber es gibt noch<br />
kleinere.<br />
Achim: Ja, wie man es nimmt. Ich habe je<strong>de</strong>nfalls<br />
ziemliche Komplexe.<br />
Domian: Hast du auch schlecht Erfahrungen gemacht?<br />
122
Achim: Bei meiner ersten Freundin war das schon<br />
ein Problem: als wir zum ersten mal miteinan<strong>de</strong>r<br />
schlafen wollten, da habe ich mich<br />
sehr geschämt.<br />
Domian: Hat sie irgend etwas gesagt — o<strong>de</strong>r<br />
negativ reagiert?<br />
Achim: Gesagt hat sie nichts, aber reagiert.<br />
Domian: In welcher Weise?<br />
Achim: Sie hat komisch geschaut. Und vorher,<br />
als sie ihn im Dunkel angefaßt hatte, schreckte<br />
sie fast ein wenig zurück. Die Beziehung<br />
hat auch nicht lange gehalten.<br />
Domian: Und du meinst, das lag an <strong>de</strong>inem kleinen<br />
Schwanz?<br />
Achim: Könnte sein. Offen gere<strong>de</strong>t haben wir<br />
nie darüber. Aber ich merkte, daß ihr <strong>de</strong>r<br />
Sex keinen Spaß machte.<br />
Domian: Es gibt so viele Frauen, <strong>de</strong>nen die Größe<br />
relativ egal ist, die sogar kleinere bevorzugen.<br />
123
Achim: Ja, das habe ich auch schon gehört.<br />
Aber mir hilft das nichts. Ich bin <strong>de</strong>shalb<br />
total gehemmt in meiner Sexualität. Ich versuch’s<br />
auch immer im Dunkeln zu machen.<br />
Ich schäme mich eben so, mich vor einer<br />
Frau <strong>aus</strong>zuziehen, die Unterhose runterzulassen.<br />
Domian: Hattest du schon viele Frauen?<br />
Achim: Fünf, aber noch keine längere Beziehung.<br />
Domian: Wann ist die eigentlich zum ersten Mal<br />
aufgefallen, daß <strong>de</strong>iner kleiner ist als <strong>de</strong>r<br />
Durchschnitt.<br />
Achim: Beim Sport, da war ich 16. Dann auch<br />
durch Pornos. Heute mei<strong>de</strong> ich es, irgendwo<br />
zu duschen. Wenn ich eine Frau kennenlerne,<br />
versuche ich <strong>de</strong>n Sex so lange wie<br />
möglich hin<strong>aus</strong>zuschieben. Ich habe es sogar<br />
schon einmal einer Frau mit <strong>de</strong>m Mund<br />
gemacht und dabei meine Unterhose angelassen.<br />
≫Weil ich das geiler fin<strong>de</strong>≪, habe ich<br />
124
zu ihr gesagt. Danach bin ich auf die Toilette<br />
gegangen und habe mir einen runtergeholt.<br />
Domian: Ist <strong>de</strong>in Schwanz <strong>de</strong>nn sonst in Ordnung?<br />
Achim: Was heißt ≫in Ordnung≪?<br />
Domian: Sieht er normal <strong>aus</strong>?<br />
Achim: Na ja, das ist ja auch noch so ein Punkt.<br />
Er ist etwas krumm, nach vor gebogen, und<br />
recht dünn. Ich mag ihn selbst überhaupt<br />
nicht. Beim Wichsen gucke ich gar nicht hin.<br />
Domian: Wie haben eigentlich die an<strong>de</strong>ren Frauen<br />
auf ihn reagiert.<br />
Achim: Die eine hat ihn ja gar nicht gesehen.<br />
Die an<strong>de</strong>ren haben nichts gesagt. Aber keine<br />
hat mir einen geblasen.<br />
Domian: Wie bist du sonst gebaut?<br />
Achim: Eigentlich gut. Ich glaube, daß ich sogar<br />
gut <strong>aus</strong>sehe. Um so enttäuschter sind<br />
125
die Frauen dann wohl. Im Moment ist es so,<br />
daß ich schon gar keine Lust mehr habe, eine<br />
Frau kennenzulernen.<br />
Domian: Achim, du wirst mit <strong>de</strong>inem kleinen<br />
Schwanz leben müssen. Es gibt keine seriöse<br />
Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Penisvergrößerung. Aber<br />
es scheint ja gera<strong>de</strong>zu ein lebensbestimmen<strong>de</strong>s<br />
Problem für dich zu sein. Deshalb wür<strong>de</strong><br />
ich dir dringend raten, in eine Beratung zu<br />
gehen. Vielleicht zu Pro Familia. O<strong>de</strong>r direkt<br />
zu einem Therapeuten. Du mußt einfach<br />
lernen, dich so anzunehmen, wie du<br />
bist, und vor allem auch <strong>de</strong>ine Qualitäten zu<br />
sehen.<br />
Achim: Vielleicht hast du recht. Ich vereinsame<br />
sonst. Aber es wür<strong>de</strong> eine ganz große<br />
Überwindung kosten, dort offen darüber zu<br />
sprechen.<br />
Domian: Der Anfang ist gemacht! Du hast hier<br />
ja offen gesprochen. Alles Gute und tschüs!<br />
126
∗<br />
Jan: Ich bin schwul und stehe total auf beschnittene<br />
Schwänze.<br />
Domian: Die Größe ist dir egal?<br />
Jan: Nein, natürlich nicht — so 16 bis 18 cm<br />
fin<strong>de</strong> ich scharf.<br />
Domian: Und beschnitten?<br />
Jan: Auf je<strong>de</strong>n Fall.<br />
Domian: Warum?<br />
Jan: Ich fin<strong>de</strong> beschnittene Schwänze sehen im<br />
schlaffen und erigierten Zustand einfach erotischer<br />
<strong>aus</strong>. Selbst <strong>de</strong>r absolut schlaffe strahlt<br />
noch so eine Geilheit <strong>aus</strong>. Es wirkt auf mich<br />
auch männlicher.<br />
Domian: Aber man kann mit <strong>de</strong>m kleinen Häutchen<br />
doch so viele wun<strong>de</strong>rbare Sachen machen.<br />
127
Jan: Was <strong>de</strong>nn?<br />
Domian: Na ja, zum Beispiel hin und her schieben,<br />
hoch und runter ziehen.<br />
Jan: Ja — und dann stinkt es.<br />
Domian: Es stinkt?<br />
Jan: Weil sich unter <strong>de</strong>r Vorhaut immer etwas<br />
bil<strong>de</strong>t, Bakterien und so. Und die riechen.<br />
Domian: Erstens kann man sich da ja auch waschen.<br />
Und zweitens soll es Leute geben,<br />
die so einen leichten Schwanzgeruch auch<br />
durch<strong>aus</strong> inspirierend fin<strong>de</strong>n.<br />
Jan: Ich nicht. Ich nehme gerne einen absolut<br />
sauberen Schwanz in <strong>de</strong>n Mund. Außer<strong>de</strong>m<br />
fühlt sich — wenn man beschnitten ist —<br />
auch alles so toll und straff an.<br />
Domian: Bist du selbst auch beschnitten?<br />
Jan: Ich habe mich vor drei Jahren beschnei<strong>de</strong>n<br />
lassen.<br />
128
Domian: Das ist ja ein Ding. Nur weil es dir so<br />
gut gefällt?<br />
Jan: Ja.<br />
Domian: Ist das sehr schmerzhaft?<br />
Jan: Nicht beson<strong>de</strong>rs. Eigentlich nur die ersten<br />
Tage. Und nach ein paar Wochen war ich<br />
wie<strong>de</strong>r voll einsatzfähig.<br />
Domian: Wie war <strong>de</strong>r erste Sex oben ohne?<br />
Jan: Super. Ich habe ein ganz neues Schwanzgefühl<br />
gehabt. Früher war ich immer so auf<br />
die Eichel konzentriert. Und jetzt ist <strong>de</strong>r ganze<br />
Penis einbezogen. Alles ist empfindlich<br />
und erregbar. Auch zum Onanieren nehme<br />
ich jetzt <strong>de</strong>n ganzen Schwanz und bearbeite<br />
ihn. Es ist nicht nur so wie früher diese<br />
Fummelei oben herum.<br />
Domian: Was weg ist ist weg. Vielleicht mußt<br />
du es jetzt auch so sehen!?<br />
Jan: Nein, nein. Und ich komme auch besser<br />
an. Ich gehe oft in die Sauna, in schwule<br />
129
Häuser, du verstehst. Und die Männer gucken<br />
mir dort seit ich beschnitten bin viel interessierter<br />
zwischen die Beine als vorher.<br />
Domian: Nimmst du auch nur beschnittene Männer?<br />
Jan: Sie haben Vorrang. Auch beim Anal-Sex<br />
ist mir ein Beschnittener lieber — man kann<br />
es so toll hin<strong>aus</strong>zögern.<br />
Domian: Hast du die Erfahrung an die auch gemacht,<br />
daß du <strong>aus</strong>dauern<strong>de</strong>r gewor<strong>de</strong>n bist?<br />
Jan: Die ersten Monate war das nicht so, jetzt<br />
ist es aber ein<strong>de</strong>utig so.<br />
Domian: Du verliebst dich unsterblich in einen<br />
Traum-Burschen, die Liebe wird erwi<strong>de</strong>rt.<br />
Und in <strong>de</strong>r ersten Nacht passiert die Katastrophe:<br />
Du mußt sehen, daß er nicht beschnitten<br />
ist. Wie geht’s weiter?<br />
Jan: Könnte vielleicht ein Problem wer<strong>de</strong>n. Dauerhaften<br />
Sex fin<strong>de</strong> ich halt nur beschnitten<br />
geil.<br />
130
Domian: Fin<strong>de</strong> ich übertrieben. Die Liebe muß<br />
doch wichtiger sein als so ein Stückchen Haut<br />
— ob dran o<strong>de</strong>r nicht dran.<br />
Jan: Ich wür<strong>de</strong> ihn vielleicht bequatschen sich<br />
auch beschnei<strong>de</strong>n zu lassen.<br />
Domian: Keine schlechte I<strong>de</strong>e. Lustig wird es<br />
dann nur, wenn’s ihm hinterher nicht gefällt<br />
und er das Häutchen vermißt.<br />
Jan: Dann kann er es ja wie ich machen: ich<br />
gucke es mir manchmal an.<br />
Domian: Wie bitte?<br />
Jan: Ja, ich habe einen tollen Arzt, übrigens<br />
auch schwul. Der hat mir das Stückchen mitgegeben.<br />
Das schwimmt jetzt in einem kleinen<br />
Glas und steht in einem Regal in meinem<br />
Flur.<br />
131
Kapitel 16<br />
Telefon-Sex<br />
Das Thema Telefon-Sex ist harmlos, macht Spaß<br />
und kann <strong>aus</strong>gesprochen unterhaltsam sein. So<br />
dachte ich, bis ich im Oktober 1995 Biggi (25)<br />
am <strong>de</strong>r Strippe hatte.<br />
Biggi: Also, ich betreibe Telefon-Sex, und mittlerweile<br />
glaube ich, daß ich <strong>aus</strong> recht normalen<br />
Männern Perverse mache.<br />
Domian: Mal <strong>de</strong>r Reihe nach: du bist professionelle<br />
Telefon-Sexerin?<br />
Biggi: Ja, seit drei Jahren. Ich arbeite in einer<br />
Agentur.<br />
132
Domian: Und da sitz ihr alle in einem Raum<br />
und arbeitet?<br />
Biggi: Das ist unterschiedlich. Morgens ist meistens<br />
nur ein Mädchen da, am Nachmittag<br />
zwei und nachts drei. In <strong>de</strong>r Regel sind wir<br />
in einem Raum. Je nach Gespräch verlasse<br />
ich auch schon mal <strong>de</strong>n Raum. Wenn ich<br />
zum Beispiel sehr dominant sein soll, dann<br />
gehe ich r<strong>aus</strong>. Weil das sonst zu laut wäre.<br />
Ich muß ja schreien dabei. Manche Anrufer<br />
aber macht es gera<strong>de</strong>zu an, wenn sie im<br />
Hintergrund noch an<strong>de</strong>re Frauen hören.<br />
Domian: Nun sagtest du gera<strong>de</strong>, du machst <strong>aus</strong><br />
normalen Menschen perverse Menschen. Wie<br />
meinst du das?<br />
Biggi: Zuerst muß ich sagen, daß ich festgestellt<br />
habe: Die Leute wer<strong>de</strong>n generell immer<br />
perverser. Auch schon die ganz Jungen.<br />
Und ich in meinem Job — so glaube ich —<br />
för<strong>de</strong>re diese Entwicklung auch noch. Ich<br />
heize <strong>de</strong>n Leuten ein, mit <strong>de</strong>n oftmals wi-<br />
133
<strong>de</strong>rlichsten Vorstellungen, z.B. Anscheißen<br />
o<strong>de</strong>r schlimme SM-Praktiken.<br />
Es gibt Grenzen, an die ich gestoßen bin.<br />
Ich spiele zum Beispiel eine Frau, die bestialisch<br />
mit Stacheldraht und Werkzeugen<br />
gequält wird, nur um <strong>de</strong>n Typ aufzugeilen.<br />
Meine Überlegung ist: Vielleicht führe ich<br />
diese Leute näher an solche Praktiken heran.<br />
Irgendwann ist das für die fast normal,<br />
durch <strong>de</strong>n Telefon-Sex, die Telefongespräche,<br />
und sie machen das dann wirklich. O<strong>de</strong>r oft<br />
müssen wir kleine Mädchen spielen, Kin<strong>de</strong>r.<br />
Dann sitzt <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Leitung, ich erzähle ihm, er soll sich vorstellen,<br />
wie er mein kleines Möschen leckt,<br />
und er stöhnt und wichst dabei. Wenn er das<br />
zehnmal gemacht hat, ist er so scharf darauf,<br />
daß er sich unter Umstän<strong>de</strong>n wirklich<br />
an Kin<strong>de</strong>rn vergreift.<br />
Domian: Was <strong>de</strong>nken <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>ine Kolleginnen?<br />
Biggi: Ach, die sagen, das ist unser Job, es ist<br />
134
nur Phantasie. Und solange die sich bei uns<br />
abreagieren tun sie nieman<strong>de</strong>n etwas. Außer<strong>de</strong>m<br />
verdienen wir ja auch unser Geld<br />
mit <strong>de</strong>nen. Und diese Leute sind oft Stammkun<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Du bist die einzige, die sich darüber<br />
Gedanken macht?<br />
Biggi: Ja. Auch meine Chefin läßt sich da gar<br />
nicht auf Diskussionen ein. Sogar nicht bei<br />
folgen<strong>de</strong>m Fall: Es ging um Kin<strong>de</strong>rsex. In<br />
<strong>de</strong>r Phantasie trieben wir zusammen — ich<br />
und <strong>de</strong>r Anrufer — diverse Sex-Spielchen<br />
mit einem Kind. Dann sagte er zu mir, ich<br />
solle ich die Küche gehen und ein Messer<br />
holen und gab mir <strong>de</strong>n Befehl: ≫Schneid <strong>de</strong>m<br />
Kind <strong>de</strong>n Bauch auf.≪ Und er hat das Herz<br />
<strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s gegessen, anschließend sogar noch<br />
mal Sex gehabt mit <strong>de</strong>m leblosen Körper.<br />
Alles nur in <strong>de</strong>r Vorstellung, ja. Aber ich<br />
habe alles mitgemacht und meine Rolle in<br />
dieser Phantasie gespielt. Verstehst du jetzt,<br />
135
was ich meine. Ich trainiere solche Leute<br />
quasi.<br />
Domian: Ich kann es sehr gut verstehen. Nur:<br />
warum hörst du nicht mit <strong>de</strong>m Job auf?<br />
Biggi: Ich höre nicht auf, son<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong> es an<strong>de</strong>rs<br />
machen. Ich habe vor, im nächsten Jahr<br />
eine eigene Agentur zu eröffnen. Und dort<br />
wer<strong>de</strong> ich meinen Mädchen ganz klar die<br />
Anweisung geben — auch wenn wir <strong>de</strong>swegen<br />
weniger verdienen —, dass wir solche<br />
Wünsche nicht erfüllen. Und ich wer<strong>de</strong> auch<br />
mit Fangschaltungen arbeiten, für <strong>de</strong>n Fall,<br />
daß wir doch so jeman<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Leitung<br />
haben.<br />
Domian: Dann wünsche ich dir viel Erfolg —<br />
und daß du das, was du dir vorgenommen<br />
hast, auch verwirklichen kannst.<br />
136
Kapitel 17<br />
Sodomie<br />
Mirco: In Marokko ist es sehr verbreitet, Sex<br />
mit Tieren zu haben. Zum Beispiel mit Hun<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r auch mit Pfer<strong>de</strong>n. Es wird vielen<br />
eklig vorkommen, aber gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb rufe<br />
ich heute bei dir an.<br />
Domian: Na, dann erzähl mal! Hast du es auch<br />
schon gemacht?<br />
Mirco: Mein Vater hat hier in <strong>de</strong>r Eifel einen<br />
Bauernhof. Er züchtet Schafe. Und er hat,<br />
als ich klein war, immer Sex mit Schafen<br />
gemacht. Es fing wohl nach <strong>de</strong>m Tod meiner<br />
Mutter an. Ich fand das damals immer<br />
eklig. Ich habe ihn dabei einige Male durch<br />
Zufall beobachtet und hätte fast kotzen müssen.<br />
137
Als ich aber so ungefähr 17 war und Haschisch<br />
geraucht hatte, da habe ich es zum<br />
ersten Mal <strong>aus</strong>probiert, mit einer Ziege. Und<br />
seit<strong>de</strong>m habe ich fast keine Lust mehr, mit<br />
Frauen zu schlafen, son<strong>de</strong>rn nur noch mit<br />
Tieren. Mein Opa in Marokko macht das<br />
auch nur noch. Meine Oma ist abgemel<strong>de</strong>t<br />
— und er schläft nur noch mit seiner Lieblingsziege.<br />
Domian: Entschuldige, wenn ich da etwas lachen<br />
muß. Klingt schon sehr abgedreht.<br />
Mirco: Ja, <strong>de</strong>shalb habe ich auch angerufen. Ich<br />
möchte euch diese Kultur etwas näher bringen.<br />
Domian: (schmunzelnd) Gut, wir können über<br />
alles re<strong>de</strong>n. Mich wun<strong>de</strong>rt nur, daß dich die<br />
Ziege mehr anmacht als eine Frau.<br />
Mirco: Über die Ziege habe ich die absolute<br />
Herrschaft. Das ist es. Eine Frau will manchmal<br />
auch noch re<strong>de</strong>n.<br />
138
Domian: Als du es das erste Mal gemacht hast,<br />
war das eine Überwindung?<br />
Mirco: Ich war durch das Haschisch enthemmt.<br />
Und dann wur<strong>de</strong> es zu einem wun<strong>de</strong>rbaren<br />
Erlebnis.<br />
Domian: Und die Ziege muß das über sich ergehen<br />
lassen. Tust du ihr eigentlich nicht<br />
weh dabei?<br />
Mirco: Ich weiß es nicht. Meistens hält sie still.<br />
Mein sexueller Wille aber ist stärker als das<br />
Mitleid mit <strong>de</strong>m Tier.<br />
Domian: Quälst du es doch?<br />
Mirco: Nein, das glaube ich nicht. Außer<strong>de</strong>m<br />
habe ich einen ziemlich kleinen Schwanz.<br />
Domian: Hast du <strong>aus</strong>schließlich Sex mit <strong>de</strong>r Ziege?<br />
Mirco: Nein, ich habe auch noch eine Freundin.<br />
Mit <strong>de</strong>r schlafe ich natürlich zusätzlich.<br />
Damit keine Krankheiten übertragen wer<strong>de</strong>n<br />
nehme ich bei <strong>de</strong>r Ziege Gummis.<br />
139
Domian: Weiß <strong>de</strong>ine Freundin von ihrer Nebenbuhlerin?<br />
Mirco: Nein, ich verberge es noch.<br />
Domian: Wenn <strong>de</strong>ine Freundin auch mit einem<br />
Tier Sex hätte, zum Beispiel mit einem Hund<br />
. . .<br />
Mirco: Sie dürfte das absolut nicht. Das ist in<br />
Marokko verboten.<br />
Domian: Aber du darfst es?<br />
Mirco: Es ist in Marokko eben alter Brauch bei<br />
Männern.<br />
Domian: Ja, so seid ihr drauf. Viel Spaß noch<br />
mit <strong>de</strong>iner Ziege.<br />
140
Kapitel 18<br />
Fisten<br />
Jörg: Ich bin 31, bin schwul — und stehe auf’s<br />
Fisten.<br />
Domian: Bist du aktiv o<strong>de</strong>r passiv?<br />
Jörg: Ich mag bei<strong>de</strong>s. Das hat auch <strong>de</strong>n Vorteil,<br />
daß ich mich in die jeweils an<strong>de</strong>re Rolle<br />
gut hineinversetzen kann.<br />
Domian: Was genau passiert, wenn du aktiv bist?<br />
Jörg: Erstmal sind kurzgeschnittene und gefeilte<br />
Fingernägel wichtig. Und da wir lei<strong>de</strong>r in<br />
HIV-Zeiten leben, sollte man mit <strong>de</strong>m Partner<br />
absprechen, ob ein Gummihandschuh benutzt<br />
wird. Natürlich geht durch <strong>de</strong>n Handschuh<br />
sehr viel Gefühlsempfindlichkeit <strong>de</strong>r<br />
141
Hand verloren. Ich fiste am liebsten — ein<br />
entsprechen<strong>de</strong>s Vertrauensverhältnis vor<strong>aus</strong>gesetzt<br />
— aktiv ohne Handschuh.<br />
Domian: Also du pflegst <strong>de</strong>ine Hand vorher so<br />
perfekt wie möglich, beseitigst sicher auch<br />
solche kleinen Wi<strong>de</strong>rhaken, die man manchmal<br />
an <strong>de</strong>n Fingern hat.<br />
Jörg: Ja, genau. Gut ist es, wenn man die Finger<br />
<strong>de</strong>m passiven Partner vorher in <strong>de</strong>n Mund<br />
steckt. Die Zunge ist halt sehr empfindlich.<br />
Domian: Wie geht es dann weiter?<br />
Jörg: Wichtig ist eine gute Raumtemperatur. Am<br />
besten sollte es tropisch-warm sein. Dann<br />
gehört eine gute stimulieren<strong>de</strong> Musik dazu.<br />
Je nach Geschmack. Und ganz wichtig ist:<br />
Man muß sehr viel Zeit haben.<br />
Domian: Gut. Jetzt liegt also <strong>de</strong>in Partner nackt<br />
vor dir auf <strong>de</strong>m Bett. Wie muß er eigentlich<br />
liegen?<br />
Jörg: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Man kann<br />
142
es so machen, daß <strong>de</strong>r Passive kniet — o<strong>de</strong>r<br />
er hängt seine Beine in so eine Art schweben<strong>de</strong>n<br />
gynäkologischen Stuhl. Das sind Ketten,<br />
die an <strong>de</strong>r Decke befestigt sind mit Schlaufen<br />
für die Beine. Dann ist noch das Schmiermittel<br />
wichtig. Da gibt es verschie<strong>de</strong>ne Sorten.<br />
Domian: Damit fettest du <strong>de</strong>ine Hand ein —<br />
und <strong>de</strong>n Po sicher auch?!<br />
Jörg: Ja, Hand und Po. Und dann beginnt man<br />
als Aktiver <strong>de</strong>n Schließmuskel vorsichtig und<br />
langsam zu <strong>de</strong>hnen und schließlich zu öffnen.<br />
Domian: Das fin<strong>de</strong> ich so wahnsinnig. Beim<br />
Fisten führt zum Beispiel ein Mann seine<br />
unter Umstän<strong>de</strong>n sehr kräftige F<strong>aus</strong>t in <strong>de</strong>n<br />
Arsch <strong>de</strong>s Partners ein. Wie ist das nur möglich?<br />
Jörg: Entschei<strong>de</strong>nd ist, daß <strong>de</strong>r Kopf <strong>de</strong>s Passiven<br />
ganz frei ist. Er muß völlig entspannt<br />
sein und sich <strong>de</strong>r Situation hingeben. Natürlich<br />
muß man das sehr, sehr vorsichtig machen,<br />
143
dieses Auf<strong>de</strong>hnen. Der Körper hilft einem<br />
auch dabei. Er schüttet während <strong>de</strong>s Vorgangs<br />
Endorphine <strong>aus</strong>. Die för<strong>de</strong>rn die Entspannung<br />
und wirken schmerzstillend.<br />
Man dringt mit <strong>de</strong>r Hand, <strong>de</strong>r F<strong>aus</strong>t, dann<br />
Zentimeter für Zentimeter in <strong>de</strong>n Darm <strong>de</strong>s<br />
Partners ein.<br />
Domian: Ist <strong>de</strong>r Passive körperlich-sexuelle erregt?<br />
Hat er einen stehen?<br />
Jörg: Das ist unterschiedlich. Das Hauptgeschehen<br />
aber fin<strong>de</strong>t im Kopf und im Arsch statt.<br />
Man ist so hochkonzentriert. Meistens spielt<br />
<strong>de</strong>r Schwanz dabei keine Rolle.<br />
Domian: Man kann also sagen, daß während<br />
<strong>de</strong>s Fistens <strong>de</strong>r Schwanz meistens schlaff<br />
ist?<br />
Jörg: Ja.<br />
Domian: Wenn die F<strong>aus</strong>t im Darm ist — wie<br />
weit schiebt man <strong>de</strong>n Arm nach?<br />
Jörg: Ich habe schon einmal jeman<strong>de</strong>n bis zum<br />
144
Ellenbogen gefistet. Also meine Hand und<br />
mein gesamter Unterarm war im Darm meines<br />
Partners. Aber das muß nicht immer so<br />
sein.<br />
Domian: Du bist dann ja ganz tief im Körper<br />
<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren.<br />
Jörg: Ja, wobei man sagen muß, <strong>de</strong>r zweite Schließmuskel<br />
ist relativ stabil, also schwierig zu<br />
überwin<strong>de</strong>n — und danach ist das Darmgewebe<br />
sehr dünn. Das heißt, man muß äußerst<br />
vorsichtig sein, <strong>de</strong>nn dieses Gewebe ist leicht<br />
zu verletzten. Beispielsweise darf man keine<br />
ruckartigen Bewegungen machen.<br />
Domian: Generell setzt diese Praktik ein ganz<br />
großes gegenseitiges Vertrauensverhältnis vor<strong>aus</strong>,<br />
beson<strong>de</strong>rs vom Passivem zu Aktiven.<br />
Jörg: Ja, natürlich.<br />
Domian: Welche Gefahren sind mit <strong>de</strong>m Fisten<br />
verbun<strong>de</strong>n?<br />
Jörg: Die Gefahr eines Darmrisses ist gegeben.<br />
145
Aber man kann das Risiko minimieren, in<strong>de</strong>m<br />
man all das, was ich vorhin geschil<strong>de</strong>rt<br />
habe, sehr strikt einhält. Also: Entspanntsein,<br />
sehr vorsichtig sein, sich Zeit lassen,<br />
auf <strong>de</strong>m Partner eingehen usw.<br />
Und man muß <strong>de</strong>n Partner absolut respektieren.<br />
Wenn er ≫stopp≪ sagt, dann heißt<br />
das auch sofort stopp. Wenn er sagt ≫r<strong>aus</strong>≪,<br />
dann muß auch sofort Schluß sein.<br />
Domian: Ist dir schon einmal was Schlimmes<br />
passiert?<br />
Jörg: Nein, gar nichts.<br />
Domian: Was ist überhaupt an dieser Praktik<br />
toll und geil?<br />
Jörg: Es ist unheimlich geil, die Wärme <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren<br />
zu spüren. O<strong>de</strong>r du spürst, wenn du<br />
aktiv bist, zum Beispiel mit <strong>de</strong>iner Hand das<br />
Rückgrat <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren. Das ist ein unglaubliches<br />
Ergebnis. Du hast quasi die Hauptschlaga<strong>de</strong>r,<br />
die dort lang läuft, in <strong>de</strong>iner Hand.<br />
146
Domian: Ist das so was wie eine Mega-Vereinigung?<br />
Jörg: Ja, so kann man das sagen. Es gibt keine<br />
intensivere Verschmelzung zwischen zwei Menschen.<br />
Meine Hän<strong>de</strong> können beim Fisten das Innerste<br />
von meinem Partner sehen. Das ist<br />
so bewegend. Und das macht mich so glücklich.<br />
Noch Tage später gibt es dieses Gefühl<br />
in mir.<br />
Domian: Wie en<strong>de</strong>t das Ganze? Ja wohl nicht<br />
mit einem Orgasmus.<br />
Jörg: Doch, <strong>de</strong>n holt man dann noch nach. Man<br />
vögelt o<strong>de</strong>r man onaniert nach <strong>de</strong>m Fisten.<br />
Alles ist komplex zu sehen. Der Orgasmus<br />
steht am En<strong>de</strong>, ist aber nur ein kleiner Bestandteil<br />
<strong>de</strong>r ganzen Session.<br />
Domian: Wie lange dauerte die gesamte Session?<br />
Jörg: Das kann fünf, aber auch zwölf Stun<strong>de</strong>n<br />
dauern.<br />
147
Domian: Was macht man, wenn man zwischendurch<br />
mal pinkeln muß.<br />
Jörg: Man läßt es laufen. Auch das gehört dazu.<br />
So gibt man auch das Letzte von sich<br />
preis.<br />
Domian: Wie wird so eine Aktion von seiten<br />
<strong>de</strong>s Passiven vorbereitet?<br />
Jörg: Der Darm muß entleert wer<strong>de</strong>n. Durch<br />
Abführmittel o<strong>de</strong>r Einläufe. Der Darm sollte<br />
ganz sauber sein.<br />
Domian: Wenn sich jetzt jemand durch unser<br />
Gespräch fürs Fisten interessiert, es vielleicht<br />
selbst <strong>aus</strong>probieren möchte, was wür<strong>de</strong>st du<br />
raten?<br />
Jörg: Sich über diese Praktik <strong>aus</strong>führlich zu informieren.<br />
Es gibt Literatur, die man zu Beispiel<br />
in Schwulen-Buchlä<strong>de</strong>n bekommt. Auf<br />
keinen Fall einfach so als One-Night-Stand<br />
an die Sache gehen.<br />
148
Kapitel 19<br />
Schwanzfotos<br />
Domian: Hallo Melanie! Was machst du <strong>de</strong>nn<br />
beson<strong>de</strong>rs gerne in <strong>de</strong>iner Freizeit?<br />
Melanie: Schwanzfotos.<br />
Domian: Wie bitte? Schwanzfotos? Von Männern?<br />
Melanie: Ja, was <strong>de</strong>nkst du? Und die Fotos sammle<br />
ich auch.<br />
Domian: Wie bist du <strong>de</strong>nn auf die I<strong>de</strong>e gekommen?<br />
Melanie: Ich hatte mal einen Freund, das war<br />
damals eine große Liebe. Und irgendwann<br />
haben wir so herumgealbert und allen möglichen<br />
Blödsinn gemacht, bis wir dann auf<br />
149
die Foto-I<strong>de</strong>e kamen. Das heißt, ich habe es<br />
vorgeschlagen. Er hat sich anfangs noch geziert,<br />
aber dann hat das viel Spaß gemacht.<br />
Domian: Wie entstehen die Fotos heute?<br />
Melanie: Ich spreche Männer einfach an. Oftmals<br />
Bekannte, aber auch ganz Frem<strong>de</strong>.<br />
Domian: Wie reagieren die?<br />
Melanie: Manche <strong>de</strong>nken, ich wollte sie verarschen.<br />
Aber ich erkläre ihnen dann mein<br />
Hobby — und die Jungs sind begeistert dabei.<br />
Ich habe bisher nur zwei Körbe bekommen.<br />
Domian: Wie viele mußten <strong>de</strong>nn schon dran<br />
glauben?<br />
Melanie: 40 bis 50.<br />
Domian: Erzähl das doch mal etwas genauer!<br />
Wenn du in einer Kneipe zum Beispiel einen<br />
wildfrem<strong>de</strong>n Mann anspricht . . . wie läuft das<br />
ab?<br />
150
Melanie: Also, ich spreche natürlich nur die<br />
an, die ich irgendwie interessant fin<strong>de</strong>. Dann<br />
re<strong>de</strong>t man über dies und das, wobei ich schon<br />
versuche, ein gutes Gespräch aufzubauen.<br />
Das ist dann die Vertrauensgrundlage für<br />
später. Ich stecke auch klar ab, was ich will.<br />
Domian: Was willst du <strong>de</strong>nn?<br />
Melanie: Fotografieren.<br />
Domian: En<strong>de</strong>t eine solche Aktion <strong>de</strong>nn auch<br />
schon mal im Bett? Fotografieren quasi als<br />
Vorspiel?<br />
Melanie: Das gab es schon, ist aber die Ausnahme.<br />
Domian: Nach <strong>de</strong>r Fotoserie ziehen sich die Männer<br />
als wie<strong>de</strong>r an und gehen nach H<strong>aus</strong>e?<br />
Melanie: Ja, o<strong>de</strong>r man trinkt noch was zusammen<br />
und quatscht.<br />
Domian: Bekommen die Jungs Abzüge?<br />
151
Melanie: Das biete ich an, aber die meisten<br />
sind daran gar nicht interessiert. Ich glaube,<br />
die macht das einfach an, sich von einer<br />
Frau so fotografieren zu lassen.<br />
Domian: Aber es stimuliert dich doch bestimmt<br />
auch?<br />
Melanie: Ja, das will ich gar nicht bestreiten.<br />
Aber für mich ist das eben hauptsächlich eine<br />
künstlerische Her<strong>aus</strong>for<strong>de</strong>rung.<br />
Domian: Warum müssen es <strong>de</strong>nn gera<strong>de</strong> Schwänze<br />
sein?<br />
Melanie: Ich fotografiere auch sehr gerne an<strong>de</strong>re<br />
Sachen. Aber gute Schwanzfotos gibt<br />
es nicht viele. Das hat mich gereizt. Plus die<br />
erotische Komponente natürlich.<br />
Domian: Was ist für dich ein toller Schwanz?<br />
Melanie: Schwer zu sagen. Den I<strong>de</strong>al-Schwanz<br />
gibt es glaube ich nicht. Ich persönlich stehe<br />
auf etwas längere Schwänze, so aber 18<br />
152
cm aufwärts, sie sollten unbeschnitten sein<br />
und irgend etwas Beson<strong>de</strong>res haben.<br />
Domian: Was meinst du damit?<br />
Melanie: Vielleicht eine leichte Krümmung o<strong>de</strong>r<br />
ein Muttermal auf <strong>de</strong>r Haut o<strong>de</strong>r eine kleine<br />
Warze o<strong>de</strong>r einen sehr schrumpeligen Ho<strong>de</strong>nsack.<br />
Domian: Fotografierst du die Schwänze auch<br />
erigiert?<br />
Melanie: Ja, wenn die Jungs das hinbekommen.<br />
Domian: Haben die Männer keine Angst, irgendwann<br />
von dir erpreßt zu wer<strong>de</strong>n?<br />
Melanie: Es sind alles anonyme Fotos. Meistens<br />
nur Schwanz und Bauch. Einige gehen auch<br />
bis zum Hals.<br />
Domian: Gibt es eine I<strong>de</strong>aleinstellung, eine I<strong>de</strong>alposition?<br />
Melanie: Nein, alles hängt immer von <strong>de</strong>r Situation<br />
und von <strong>de</strong>m Typ ab.<br />
153
Domian: Du sammelst die Fotos. Was machst<br />
du mit ihnen? Stehen die nur rum im gol<strong>de</strong>nen<br />
Album?<br />
Melanie: Nein, nein. Ich schaue sie mir oft an.<br />
Domian: Nimmst du sie als Onaniervorlage?<br />
Melanie: So en<strong>de</strong>t das hin und wie<strong>de</strong>r, ja.<br />
Domian: Wer weiß außer <strong>de</strong>n Männern davon?<br />
Melanie: Kein Mensch. Selbst meine besten Freundinnen<br />
nicht. Ich lebe in einem kleinen Dorf.<br />
Was meinst du, was los wäre, wenn das jemand<br />
wüßte.<br />
Domian: Bleibt mir, dir noch sehr viele erotische<br />
und natürlich künstlerisch hoch anspruchsvolle<br />
Foto-Aktionen zu wünschen.<br />
Melanie: Ja, vielen Dank. Ich habe schon wie<strong>de</strong>r<br />
einen im Visier. Den wer<strong>de</strong> ich bald ansprechen<br />
154
Kapitel 20<br />
Pä<strong>de</strong>rasten<br />
Pä<strong>de</strong>rasten und Menschen mit pädophilen Neigungen<br />
sind in meiner Sendung schon mehrfach<br />
zu Wort gekommen. Sicher ist nicht je<strong>de</strong>r<br />
pädophil Veranlagte ein potentieller Mör<strong>de</strong>r<br />
und nicht je<strong>de</strong>r Betroffene bewertet seine sexuelle<br />
Orientierung ein<strong>de</strong>utig positiv. Dennoch<br />
steht mir bei diesem Thema nicht <strong>de</strong>r Sinn nach<br />
Differenzierung: Ich lehne Sexualität zwischen<br />
Kin<strong>de</strong>rn und Erwachsenen ohne Wenn und Aber<br />
ab. Im November 1995 sprach ich mit Mark<br />
(39):<br />
Mark: Es geht um meine pädophile Neigung<br />
und die Probleme, die damit verbun<strong>de</strong>n sind.<br />
Domian: Dann erzählt mal!<br />
155
Mark: Das Problem ist nicht meine Neigung,<br />
son<strong>de</strong>rn die Gesetze. Die Strafen sind ja recht<br />
hoch, die darauf stehen.<br />
Domian: Dich interessieren also kleine Jungs<br />
und Mädchen?<br />
Mark: Ja, etwa im Alter zwischen sieben und<br />
14 Jahren.<br />
Domian: Wie befriedigst du diesen Trieb?<br />
Mark: Richtig gelebt habe ich es noch nicht.<br />
Ich unterdrücke diese Neigungen. Aber sie<br />
kommen immer wie<strong>de</strong>r hoch. In letzter Zeit<br />
verstärkt. Und eigentlich möchte ich sie leben.<br />
Domian: Wie machen sich diese Empfindungen<br />
bemerkbar?<br />
Mark: Na ja, wenn ich nette Kin<strong>de</strong>r zum Beispiel<br />
auf <strong>de</strong>r Straße sehe. Es han<strong>de</strong>lt sich<br />
dabei primär nicht um sexuelles Interesse,<br />
son<strong>de</strong>rn ich möchte Zärtlichkeiten <strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>chen.<br />
Ich habe auch keine Kin<strong>de</strong>rpornos<br />
156
und bin kein Kin<strong>de</strong>rschän<strong>de</strong>r. Ich plädiere<br />
für eine einvernehmliche Sexualität.<br />
Domian: Du hast es wirklich noch nie erlebt?<br />
Mark: Nein.<br />
Domian: Aber du hast große Sehnsucht nach<br />
einem zärtlich-sexuellen Verhältnis mit einem<br />
Kind?<br />
Mark: Richtig. (P<strong>aus</strong>e)<br />
Domian: Ich fin<strong>de</strong>, daß <strong>de</strong>ine Neigung ein psychischer<br />
Defekt ist. Und du hast die Pflicht,<br />
mit dir etwas zu unternehmen, therapeutisch.<br />
Mark: Warum meinst du das?<br />
Domian: Weil die Gefahr groß ist, das Kind<br />
seelisch zu verletzten. Weil die Gefahr so<br />
groß ist, einen Scha<strong>de</strong>n anzurichten, an <strong>de</strong>m<br />
das Kind vielleicht ein Leben lang zu lei<strong>de</strong>n<br />
hat.<br />
Mark: Auf die I<strong>de</strong>e, daß das Kind so was auch<br />
haben möchte, darauf kommst du wohl nicht?<br />
157
Auch Kin<strong>de</strong>r wollen Sex.<br />
Domian: Natürlich sind Kin<strong>de</strong>r sexuelle Wesen.<br />
Ich habe gar nicht dagegen, wenn Kin<strong>de</strong>r<br />
untereinan<strong>de</strong>r Sex haben. Aber es ist ein<br />
so schrecklich ungleiches Verhältnis, wenn<br />
ein z.B. 30jähriger Mann mit einem 9jährigen<br />
Mädchen ins Bett geht.<br />
Mark: Aha, du machst es also am Alterunterschied<br />
fest. Ich erinnere mich an eine Sendung<br />
von dir, da erzählte eine 60jährige von<br />
ihrem 30jährigen Mann. Davon warst du gera<strong>de</strong>zu<br />
begeistert . . .<br />
Domian: Das kann man überhaupt nicht vergleichen.<br />
Wenn du mit einem Kind Sex hast,<br />
so herrscht immer ein ganz klares Machtverhältnis<br />
zu Lasten <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s. Ich fin<strong>de</strong><br />
so was moralisch unter aller Sau.<br />
(Mark re<strong>de</strong>t aufgeregt und empört dazwischen,<br />
protestiert.)<br />
Du mußt zu einem Fachmann, damit diese<br />
Neigung therapiert wird, wegtherapiert<br />
158
wird . . .<br />
Dieses Gespräch en<strong>de</strong>te in einer handfesten<br />
Streiterei. Der Anrufer fühlte sich extrem provoziert<br />
und versuchte massiv, seine Parolen über<br />
<strong>de</strong>n Sen<strong>de</strong>r zu bringen. Er wehrte sämtliche Be<strong>de</strong>nken<br />
und Gegenargumente ab. Tenor: Wenn<br />
keine Gewalt im Spiel ist, muß Sexualität mit<br />
Kin<strong>de</strong>rn möglich und erlaubt sein.<br />
∗<br />
Wo die Gewalt en<strong>de</strong>n kann, das erzählte zwei<br />
Tage später Petra (33).<br />
Petra: Ich lei<strong>de</strong> unter Schlafstörungen und habe<br />
<strong>de</strong>ine Sendung vorgestern gesehen. Da<br />
war dieser pädophil veranlagte Mann . . .<br />
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Meine Tochter wur<strong>de</strong> vor 14 Monaten entführt,<br />
sexuell mißbraucht und ermor<strong>de</strong>t.<br />
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
159
Es ist eine Gewalteinwirkung passiert, die<br />
ist unvorstellbar. Ich habe Angst vor Menschen.<br />
Mein Mann, meine Söhne und ich,<br />
wir haben Angst davor, nach draußen zu gehen.<br />
Ich habe Alpträume: Was genau ist mit<br />
meiner Tochter geschehen?<br />
Der Mann hat sich Gott sei Dank selbst gerichtet.<br />
Man hat ihn eine Woche gesucht.<br />
Dann tot gefun<strong>de</strong>n — er hat Selbstmord begangen.<br />
Man hat Fragen im Kopf und bekommt keine<br />
Antwort.<br />
Domian: Wie alt war <strong>de</strong>ine Tochter?<br />
Petra: Zehn Jahre — und mir ist völlig unverständlich,<br />
wie ein erwachsener Mensch einem Kind<br />
so etwas antun kann.<br />
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e) Und dieser Mann bei dir<br />
in <strong>de</strong>r Sendung — er klang so, als wollte er<br />
einen Freibrief für seine sexuelle Veranlagung<br />
haben.<br />
Ich kann ihm nur <strong>de</strong>n Tip geben, wenn er<br />
160
sich und <strong>de</strong>r Menschheit einen Gefallen tun<br />
will, dann soll er sich eine Kugel in <strong>de</strong>n Kopf<br />
jagen. Denn er ist wie ein gela<strong>de</strong>ner Revolver.<br />
Gen<strong>aus</strong>o soll auch <strong>de</strong>r Mör<strong>de</strong>r meiner<br />
Tochter gere<strong>de</strong>t haben.<br />
Domian: Petra, du sagtest vorhin, daß du Angst<br />
vor Menschen hast. Mit wem überhaupt hast<br />
du Kontakt?<br />
Petra: Mit fast nieman<strong>de</strong>n. Uns hat auch keiner<br />
geholfen. Nur <strong>de</strong>r ≫Weiße Ring≪ unterstützt<br />
uns.<br />
Mein Kopf ist ja damals explodiert. Wenn<br />
ich zum Beispiel an die Beerdigung <strong>de</strong>nke.<br />
Ich weiß ja nicht mal, wie meine Tochter<br />
nach <strong>de</strong>r Tat <strong>aus</strong>gesehen hat. Da lag sie nun<br />
in diesem Sarg. Und alle Leute um uns herum<br />
sind auf Distanz gegangen. Ich wollte<br />
mich umbringen damals, weil mir <strong>de</strong>r Glaube<br />
an das Menschliche so brutal <strong>aus</strong>getrieben<br />
wor<strong>de</strong>n war. Aber mein Mann und meine<br />
Söhne waren ja noch da. Die durfte ich<br />
161
ja nicht alleine lassen.<br />
Domian: Haben euch die Behör<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />
Polizei nicht geholfen?<br />
Petra: Nein. Der Staat tut alles für die Täter.<br />
Die bekommen Anwälte und Psychologen.<br />
Bei uns war bis heute kein Psychologe.<br />
Domian: Kanntest du <strong>de</strong>n Täter?<br />
Petra: Nein.<br />
Domian: Als du die schlimme Nachricht übermittelt<br />
bekamst, was ist da in dir passiert?<br />
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Petra: Ich wußte es eigentlich schon vorher. Meine<br />
Tochter ist auf <strong>de</strong>m Schulweg entführt<br />
wor<strong>de</strong>n. Wir haben ihr Fahrrad gefun<strong>de</strong>n,<br />
ihre Tasche und die Sportsachen. Ihr Weg<br />
führte an einer Pfer<strong>de</strong>koppel vorbei. Dort<br />
hat er sie wohl geschnappt. Je<strong>de</strong>nfalls waren<br />
ihre Sachen dort.<br />
Und irgendwann war es wie eine Eingebung.<br />
Am Abend habe ich geweint und zu meinem<br />
162
Mann gesagt: ≫Sie ist tot.≪ Und nach <strong>de</strong>m<br />
Obduktionsbericht ist sie tatsächlich um diese<br />
Zeit ermor<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n. (Petra weint)<br />
Fast acht Stun<strong>de</strong>n hat er sie gequält. Das ist<br />
unvorstellbar. Welche Angst muß mein Kind<br />
gehabt haben. Und ich hoffe und stelle mir<br />
vor, daß sie schon vorher einen Herzanfall<br />
bekommen hat. Sie war nämlich herzkrank.<br />
Vielleicht war sie schon bewußtlos, als er<br />
sie ermor<strong>de</strong>t hat.<br />
Man hält sich ja an gewissen Sachen fest,<br />
um nicht ganz unterzugehen.<br />
Domian: Wie hat damals unmittelbar nach <strong>de</strong>r<br />
Tat <strong>de</strong>ine Umgebung reagiert?<br />
Petra: Gar nicht.<br />
Domian: Gar nicht?<br />
Petra: Meine Tochter war noch nicht ganz unter<br />
<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, da sagte eine Verkäuferin beim<br />
Einkaufen zu mir: ≫Hast du es <strong>de</strong>nn schon<br />
überstan<strong>de</strong>n?≪<br />
163
Domian: Wie ist die Situation in <strong>de</strong>r Familie?<br />
Petra: Wir können uns jetzt nicht mehr helfen.<br />
Es geht nicht. Je<strong>de</strong>r hat sein eigenes Gefühl.<br />
Und wir können uns gar nicht mehr mitteilen.<br />
Mein einer Junge zum Beispiel, <strong>de</strong>r war früher<br />
so ein richtiger Kasper. Heute ist er völlig<br />
düster. Er hat über ein halbes Jahr nicht mit<br />
uns gesprochen.<br />
Domian: Wie gehst du <strong>de</strong>nn ganz persönlich<br />
mit <strong>de</strong>iner Trauer um?<br />
Petra: Ich versuche das mit mir alleine zu regeln.<br />
Wenn ich mit meinem Mann anfange,<br />
über unsere Tochter zu sprechen, dann weinen<br />
wir bei<strong>de</strong> sofort. Das ist immer dasselbe.<br />
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Ich vermisse mein Kind so.<br />
Wir haben zwar ihr Zimmer leergeräumt.<br />
Aber überall in <strong>de</strong>r Wohnung erinnert mich<br />
etwas an sie.<br />
164
Domian: Als Ihr das Zimmer <strong>aus</strong>geräumt habt<br />
. . .<br />
Petra: Das war so grauenhaft . . . (Petra weint)<br />
Das war so, als wür<strong>de</strong> sie einem das zweite<br />
Mal weggenommen.<br />
Domian: Was empfin<strong>de</strong>st du gegenüber <strong>de</strong>m Täter?<br />
Petra: Ich habe viele Wochen gegen einen Unsichtbaren<br />
gekämpft. Hatte große Angst, wenn<br />
mich jemand angefaßt hat, sogar manchmal<br />
wenn es mein Mann war. Heute kann ich gar<br />
nichts mehr zu <strong>de</strong>m Täter sagen.<br />
Domian: Kennst du die Familie <strong>de</strong>s Täters?<br />
Petra: Ja, ich habe mit <strong>de</strong>n Leuten telefonisch<br />
Kontakt aufgenommen. Der Vater war recht<br />
freundlich. Aber die Mutter hat mir zu verstehen<br />
gegeben, daß meine Tochter letztlich<br />
an allem selbst Schuld sei.<br />
Domian: Das hat die Frau gesagt?<br />
Petra: Ja.<br />
165
Domian: Empfin<strong>de</strong>st du Haß für diese Frau?<br />
Petra: Ja. Und hätten sie ihn an<strong>de</strong>rs erzogen,<br />
wäre es nie soweit gekommen. Er ist auch<br />
öfter nach Thailand geflogen. Sie hätten ihn<br />
doch fragen können: ≫Was machst du da?≪ Und<br />
weißt du, warum ihm unsere Kleine aufgefallen<br />
ist? Sie hatte in ihrem Gesicht etwas<br />
Asiatisches. (Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Domian: Bist du religiös Petra?<br />
Petra: Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, daß<br />
mein Kind irgendwo lebt, weiterlebt.<br />
166
Kapitel 21<br />
Transsexualität<br />
Kann man als normaler Mensch ermessen, was<br />
es be<strong>de</strong>utet, das falsche Geschlecht zu haben?<br />
Ich glaube nicht.<br />
Sooft ich auch schon mit transsexuellen Menschen<br />
gesprochen habe, letztlich bin ich außerstan<strong>de</strong>,<br />
mir ihre Gefühle wirklich vorzustellen.<br />
Ich weiß aber, wie ernst es ihnen ist. Und welcher<br />
Lei<strong>de</strong>nsdruck auf ihnen lastet. Es gibt Schätzungen,<br />
nach <strong>de</strong>nen in Deutschland etwa 25.000<br />
bis 30.000 Frauen und Männer im falschen Körper<br />
leben. Und viele trauen sich jahrzehntelang nicht,<br />
über ihre Empfindungen und Probleme zu re<strong>de</strong>n.<br />
Aus Angst vor Diskriminierung und Ver-<br />
167
achtung. Immer mehr jüngere Menschen mit einer<br />
Transi<strong>de</strong>ntität aber suchen die Öffentlichkeit.<br />
Was ihnen selbst sicher guttut — und zur<br />
Aufklärung und Information beiträgt. Ich sprach<br />
mit Jeanette (28):<br />
Jeannette: Ich möchte über Transsexualität sprechen.<br />
Domian: Bist du betroffen?<br />
Jeannette: Ich habe vor zwei jahren eine Geschlechtsangleichung<br />
vornehmen lassen.<br />
Domian: Das heißt, du bist umoperiert wor<strong>de</strong>n,<br />
vom Mann zur Frau.<br />
Jeannette: Ich mag das Wort ≫umoperieren≪ nicht.<br />
Aber so war es.<br />
Domian: Die Operation ist ja das En<strong>de</strong> eines<br />
sehr quälen<strong>de</strong>n Prozesses. Erzähl doch mal<br />
von vorne. Wie alt warst du, als du zum ersten<br />
mal gespürt hast, daß mit dir etwas an<strong>de</strong>rs<br />
ist?<br />
168
Jeannette: Das war schon sehr früh. Ich war<br />
so sieben Jahre ungefähr, als ich beim Pinkeln<br />
bemerkte, daß ich mein Geschlechtsteil<br />
überhaupt nicht gerne anfassen mochte.<br />
Und ich habe die Mädchen benei<strong>de</strong>t, daß<br />
die sich immer dabei hinsetzen konnten. Seit<br />
diesem Zeitpunkt habe ich mich auch immer<br />
— wenn ich alleine war — auf das WC gesetzt.<br />
Ich fühlte mich auch schon sehr früh<br />
zu Mädchen hingezogen, nicht im geschlechtlichen<br />
Sinne. Ich fand alles viel interessanter,<br />
was die machten und über was die so<br />
sprachen. Und schon als Kind habe ich mir<br />
im Kaufh<strong>aus</strong> Mädchensachen zu Anziehen<br />
angeschaut. für Autos o<strong>de</strong>r Sport habe ich<br />
mich nie interessiert.<br />
Domian: Bist du in <strong>de</strong>r Schule nicht gehänselt<br />
wor<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Jungs?<br />
Jeannette: Es ging. Ich war ein Außenseiter.<br />
Ich hatte keine Freun<strong>de</strong>. Nur ein paar Freundinnen.<br />
Im allgemeinen haben sie mich in<br />
169
Ruhe gelassen. Nur einmal hat ein Junge<br />
gesagt: ≫Eh, du bist ja ’ne Tunte.≪ Da war<br />
ich 14, aber ich wußte gar nicht, was eine<br />
Tunte ist.<br />
Domian: Und wie war es zu H<strong>aus</strong>e?<br />
Jeannette: Mein Vater hat mich früher oft geschlagen.<br />
Noch mit 13 o<strong>de</strong>r 14, beson<strong>de</strong>rs,<br />
wenn er besoffen war. ≫Mit dir kann man<br />
sich überhaupt nicht unterhalten, du Flasche≪,<br />
hat er oft gesagt. Der Mutter war alles<br />
ziemlich egal. Die hat auch getrunken.<br />
Domian: Bist du das einzige Kind?<br />
Jeannette: Nein, ich habe noch eine kleine Schwester.<br />
Domian: Wann und durch was hast du genauer<br />
gemerkt, daß du nicht ≫normal≪ bist?<br />
Jeannette: Ich habe immer heimlich Klei<strong>de</strong>r von<br />
meiner Mutter angezogen. Als ich zum ersten<br />
Mal einen Unterrock anhatte und vor<br />
170
<strong>de</strong>m Spiegel stand, das war ein richtiges Glücksgefühl.<br />
Was mir aber auch Angst gemacht<br />
hat. Geschminkt habe ich mich auch. Manchmal<br />
nachts, wenn alle schliefen. Nachher aber<br />
habe ich mich immer elend gefühlt. Irgendwie<br />
war es falsch, so dachte ich, was ich da<br />
tue. Und so kamen Schuldgefühle.<br />
Domian: Hast du mit irgend jemand darüber<br />
gesprochen?<br />
Jeannette: Nein. Und je mehr diese Sachen in<br />
meinen Kopf kamen, <strong>de</strong>sto verschlossener<br />
war ich auch.<br />
Domian: Wie warst du in <strong>de</strong>r Schule?<br />
Jeannette: Nicht beson<strong>de</strong>rs.<br />
Domian: Hast du damals gedacht, du wärst schwul?<br />
Jeannette: Obwohl ich einige Jungs in unserer<br />
Klasse bewun<strong>de</strong>rt habe, war mir seltsamerweise<br />
ganz klar, daß ich nicht schwul war.<br />
Domian: Das ist aber sehr schwer nachzuvoll-<br />
171
ziehen. Hattest du <strong>de</strong>nn keine sexuellen Phantasien<br />
mit Jungs?<br />
Jeannette: Doch. Aber nur so, daß ich mir vorstellte,<br />
sie zu streicheln. Es war mir immer<br />
wi<strong>de</strong>rlich — so blieb es dann auch später —<br />
die Vorstellung, daß ein Mann meinen Penis<br />
berührt.<br />
Domian: Du wolltest nicht als Junge einen Jungen<br />
erregen?<br />
Jeannette: Ja, genau! Zumal ich damals von<br />
Jahr zu Jahr mehr Abneigung gegen mein<br />
Geschlechtsteil entwickelte. Ich habe es fast<br />
nie angeschaut. Selbst beim Waschen nie.<br />
Domian: Das war sicher eine schlimme Zeit!<br />
Jeannette: Ja, ich wußte überhaupt nicht, was<br />
mit mir los war. ich war oft sehr verzweifelt.<br />
Es gab nichts, worauf ich hätte hoffen<br />
können, mich freuen können. Aber dann habe<br />
ich in einer Zeitung von <strong>de</strong>r Möglichkeit<br />
<strong>de</strong>r Geschlechtsangleichung gelesen — und<br />
172
war wie elektrisiert. Da habe ich auch erstmals<br />
das Wort ≫transsexuell≪ gelesen.<br />
Domian: Kannst du sagen, was damals und auch<br />
später <strong>de</strong>ine weibliche I<strong>de</strong>ntität <strong>aus</strong>gemacht<br />
hat? Abgesehen vom Sexuellen?<br />
Jeannette: Mein ganzes Denken. Ich war ein<br />
Mädchen. Ich habe mich nur für Sachen interessiert,<br />
die Mädchen interessieren. Kosmetik,<br />
Mo<strong>de</strong>, Diäten, auch Kochen, Haare<br />
und so. Na ja, und ich wollte ein Kind bekommen.<br />
Das heißt, ich stelle mir vor, wie<br />
schön das wohl ist, schwanger zu sein.<br />
Domian: Wir re<strong>de</strong>n jetzt von <strong>de</strong>r Zeit, als du<br />
14/15 warst. Heute bist du 28, und vor zwei<br />
Jahren bist du operiert wor<strong>de</strong>n. Dazwischen<br />
liegen viele Jahre.<br />
Jeannette: Ach ja, ich glaube mit 18 habe ich<br />
alles akzeptiert. Weil ich auch viel dazu gelesen<br />
hatte. Aber das Versteckspiel hielt noch<br />
lange an. Nach draußen habe ich mich immer<br />
männlicher gegeben. Habe mir sogar<br />
173
einige Monate einen Bart stehen lassen, das<br />
war wi<strong>de</strong>rlich.<br />
Domian: Wie war <strong>de</strong>in Name eigentlich früher?<br />
Jeannette: Robert. Ich war vollkommen isoliert<br />
in dieser Zeit. Bin zur Arbeit gegangen. Ich<br />
habe eine Lehre als Einzelhan<strong>de</strong>lskaufmann<br />
gemacht. Und sonst nur zu H<strong>aus</strong>e gesessen.<br />
Bis ich mir allen Mut genommen habe und<br />
in eine Selbsthilfegruppe gegangen bin.<br />
Domian: Und irgendwann dann kam die Entscheidung<br />
zur Operation. Was geht <strong>de</strong>m vor<strong>aus</strong>?<br />
Jeannette: Viele Gespräche mit Psychologen,<br />
mit Gutachtern. Und <strong>de</strong>r Alltagstest.<br />
Domian: Erklär das mal!<br />
Jeannette: Man muß seine eigentliche I<strong>de</strong>ntität<br />
im Alltag überall leben und zeigen. Auf <strong>de</strong>r<br />
Straße, bei Behör<strong>de</strong>n, immer. Das ist <strong>de</strong>r Anfang<br />
<strong>de</strong>s Geschlechtsrollenwechsels. Ich bin<br />
174
dann auch mit Hormonen behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n.<br />
Ich war mir bei allem ganz sicher, und<br />
meine Entscheidung war ganz klar.<br />
Domian: Hattest du Angst vor <strong>de</strong>r Operation?<br />
Jeannette: Ja.<br />
Domian: Was passiert bei <strong>de</strong>r Operation?<br />
Jeannette: Die Ho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n entfernt, <strong>de</strong>r Penis<br />
auch, dann wird die Vagina geformt.<br />
Domian: Was hast du empfun<strong>de</strong>n, als du <strong>aus</strong><br />
<strong>de</strong>r Narkose erwacht bist?<br />
Jeannette: Nichts beson<strong>de</strong>res. Und dann hatte<br />
ich starke Schmerzen. Und als ich alles zum<br />
ersten Mal gesehen habe, war ich total aufgeregt.<br />
Domian: Hat es dir gefallen?<br />
Jeannette: Nein, nicht beson<strong>de</strong>rs. Es sieht auch<br />
heute noch nicht so toll <strong>aus</strong>. Aber das ist mir<br />
egal.<br />
175
Domian: Kann man nach <strong>de</strong>m Eingriff Lust so<br />
wie früher empfin<strong>de</strong>n?<br />
Jeannette: Ich weiß nicht, was das ist. Ich hatte<br />
ja nie einen Partner.<br />
Domian: Aber du kanntest doch das Gefühl <strong>de</strong>s<br />
Orgasmus beim Onanieren?<br />
Jeannette: Ich habe nie onaniert.<br />
Domian: Nie?<br />
Jeannette: Nein, mir war doch alles zwischen<br />
meinen Beinen zuwi<strong>de</strong>r.<br />
Domian: Hast du jetzt einen Partner?<br />
Jeannette: Nein. Ich bin zu unsicher um auf<br />
Männer zuzugehen. Ich habe Angst vor Ablehnung.<br />
Und wür<strong>de</strong> mich auch schämen mich<br />
nackt zu zeigen.<br />
Domian: Hast du Sehnsucht nach einer Partnerschaft?<br />
Jeannette: Nein, nicht beson<strong>de</strong>rs. Aber ich wollte<br />
auch noch sagen, daß die Diskriminie-<br />
176
ung auch nach <strong>de</strong>r Operation nicht aufgehört<br />
hat. Ich wer<strong>de</strong> oft beleidigt. Nur auf<br />
<strong>de</strong>r Arbeit, da geht es.<br />
Domian: Bereust du die Operation?<br />
Jeannette: Oh, nein! Auf keinen Fall. Es war<br />
das Beste, was bisher in meinem Leben passiert<br />
ist.<br />
177
Kapitel 22<br />
Damenschuhe<br />
Edith (45) war eine forsche und resolut wirken<strong>de</strong><br />
Frau. Sie rief bei uns zum Thema ≫Fetischismus≪<br />
an. Was sie erzählte klang absolut<br />
abson<strong>de</strong>rlich, und ich mußte während <strong>de</strong>s Gesprächs<br />
einige Male herzhaft lachen. Beson<strong>de</strong>rs<br />
<strong>de</strong>shalb, weil sie alles äußerst salopp berichtete<br />
und ihr Schicksal wirklich auf die leichte<br />
Schulter zu nehmen schien.<br />
Edith: Ich bin mit meinem Mann jetzt 18 Jahre<br />
verheiratet. Und er hat in <strong>de</strong>n ersten Jahren<br />
ganz geschickt, ganz vorsichtig Interesse<br />
an Damenschuhen gezeigt. Ich habe das<br />
178
gar nicht groß registriert, auch nicht beson<strong>de</strong>rs<br />
ernstgenommen. Von Sex in all seinen<br />
Variationen wußte ich damals ohnehin fast<br />
nichts.<br />
Domian: Wie sah sein Interesse an Damenschuhen<br />
konkret <strong>aus</strong>?<br />
Edith: Na ja, er hat ab und zu welche von mir<br />
angezogen. Und er ließ die Schuhe auch während<br />
<strong>de</strong>s Geschlechtsverkehrs an. Ich war so grün<br />
hinter <strong>de</strong>n Ohren, daß ich gar nichts dabei<br />
fand.<br />
Domian: Das war <strong>de</strong>r Anfang. Wie sieht die<br />
Lage jetzt <strong>aus</strong>?<br />
Edith: Ich lebe damit, aber es stört mich mehr<br />
und mehr. Unser Intimleben läuft zum Beispiel<br />
so ab: Er trägt beim Sex Damenschuhe<br />
und wünscht, daß auch ich meine Schuhe<br />
anbehalte. Dann verlangt er von mir, daß<br />
ich ihn mit meinen Schuhen regelrecht trete.<br />
Und beson<strong>de</strong>rs macht ihn an, wenn ich vor<br />
179
<strong>de</strong>m Bett auf irgend etwas Hartes trete. Das<br />
Knackgeräusch macht ihn ganz verrückt.<br />
Domian: Was genau stört dich an dieser seiner<br />
Vorliebe?<br />
Edith: Ich fange an, allmählich eifersüchtig zu<br />
wer<strong>de</strong>n. Er sieht nicht mehr mich, er sieht<br />
in mir einen Schuh.<br />
Im übrigen befriedigt er sich mit <strong>de</strong>n Schuhen<br />
ja auch selbst. Das weiß ich. Dann schleppt<br />
er mich zum Schuhekaufen. Er muß immer<br />
die gleichen wie ich haben. Mittlerweile haben<br />
wir einen ganzen Kellerraum voll Pumps.<br />
Es sind Hun<strong>de</strong>rte. Alle gehören meinem Mann.<br />
— Was meinst du, was das kostet!<br />
Domian: Bist du sicher, daß <strong>de</strong>in Mann nicht<br />
schwul ist?<br />
Edith: Nein, sicher bin ich nicht. Er sagt ganz<br />
kategorisch, er sei heterosexuell.<br />
Domian: Lebt er seinen Trieb <strong>aus</strong>schließlich in<br />
eurer Ehe <strong>aus</strong>?<br />
180
Edith: Wenn ich das nur wüßte! Samstags und<br />
sonntags fährt er oft nach Stuttgart. Das ist<br />
die nächste Großstadt hier. Was er da macht,<br />
weiß ich nicht.<br />
Domian: Warum fragst du ihn nicht?<br />
Edith: Er sagt, er fährt nur so dorthin.<br />
Domian: Ja, ja, und das regelmäßig. Nur so.<br />
Edith: Es ist alles völlig verrückt. Er will zum<br />
Beispiel, daß ich im Sommer immer mit ihm<br />
auf <strong>de</strong>n Markt gehe. Und weißt du warum?<br />
Damit ich dort auf heruntergefallene Kirschen<br />
o<strong>de</strong>r Pflaumen treten. Weil das eben<br />
so schön knackt.<br />
Domian: Das könnte man sich für ein Filmdrehbuch<br />
nicht schräger <strong>aus</strong><strong>de</strong>nken. Aber Scherz<br />
beiseite: ist eure Ehe gefähr<strong>de</strong>t?<br />
Edith: Eigentlich nicht. Aber es nervt unglaublich.<br />
Es ist ja so, daß er fast immer — wenn<br />
er von <strong>de</strong>r Arbeit kommt — Pumps, hochhackige<br />
Pumps anzieht, zur Entspannung,<br />
181
wie er sagt, und damit stolziert er dann durch<br />
die Wohnung.<br />
Domian: Wie soll’s weitergehen?<br />
Edith: Ich weiß nicht. Erst einmal so wie bisher.<br />
Ich bin ja schon einiges gewöhnt.<br />
182
Kapitel 23<br />
Linienführung<br />
≫Zwänge und Rituale≪, so hieß eine Talk-Radio-<br />
Nacht im Frühjahr 1996. Mit vielem, was mir<br />
damals erzählt wur<strong>de</strong>, hatte ich gerechnet: zum<br />
Beispiel Putz-Zwang, Duschzwang o<strong>de</strong>r Fernsehzwang.<br />
Eine unsichtbare Linie allerdings, die<br />
man bei je<strong>de</strong>m Schritt gezwungen ist zu berücksichtigen<br />
war mir bis zum Gespräch mit Heinz<br />
(29) völlig fremd.<br />
Heinz: Ich ziehe so eine Art unsichtbare Linie<br />
hinter mir her. Und ich haben <strong>de</strong>n Zwang,<br />
diese Linie immer gera<strong>de</strong> hinter mir herlaufen<br />
zu lassen. Die darf nicht verwurstelt<br />
sein. Ich lei<strong>de</strong> nicht unter diesem Zwang, eigentlich<br />
ist das Ganze eher lustig.<br />
183
Domian: (lacht) Du spürst also hinter dir eine<br />
unsichtbare Linie?<br />
Heinz: Ja. (lacht auch) Ich muß immer so gehen,<br />
daß meine Linie nie um mich herum gewickelt<br />
ist.<br />
Zum Beispiel kann ich kein Karussell fahren,<br />
weil ich mich nicht zurückdrehen kann.<br />
O<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Autobahn: Wenn ich in einem<br />
Kleeblatt abfahre, wo man ja fast eine 360-<br />
Grad-Schleife fährt, fühle ich mich ganz unwohl.<br />
Ich fahre dann meistens auf einen Parkplatz<br />
und drehe die entgegengesetzte Schleife.<br />
Erst so geht es mir wie<strong>de</strong>r besser.<br />
Domian: Das ist ja schräg. Ich das wirklich so<br />
lustig, wie es sich anhört?<br />
Heinz: Na ja, wenn ich die Linie nicht wie<strong>de</strong>r<br />
aufwickle, dann ist das nicht so lustig.<br />
Domian: Was wäre, wenn du sie verwurstelt<br />
lassen wür<strong>de</strong>st?<br />
Heinz: Ach, weißt du, ich habe es bis jetzt noch<br />
184
nicht darauf ankommen lassen. Ich sage mir<br />
dann immer: ≫So viele Umstän<strong>de</strong> sind das<br />
ja nicht, sich wie<strong>de</strong>r zu entwirren≪ — drehe<br />
mich also ein paarmal, und alles ist wie<strong>de</strong>r<br />
in Butter.<br />
Domian: Warum hast du diese unsichtbare Linie<br />
hinter dir?<br />
Heinz: Ich habe das schon ungefähr sehr Jahre.<br />
Und irgendwann, ich weiß gar nicht mehr<br />
genau wann, ist mir die Linie in <strong>de</strong>n Sinn<br />
gekommen. Und dann habe ich einmal probiert,<br />
um eine Litfaßsäule zu gehen — und<br />
schon hatte ich <strong>de</strong>n Salat. Die Linie war<br />
verwickelt. Also mußte ich wie<strong>de</strong>r zurückgehen.<br />
Domian: Das ist ja irre. So etwas habe ich noch<br />
nie gehört. Kennst du sonst jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r<br />
auch eine Linie hat?<br />
Heinz: Nein. Und ich habe das von mir auch<br />
noch nieman<strong>de</strong>n erzählt. Es hört sich ja ziemlich<br />
lächerlich an.<br />
185
Domian: Ist dir die Linie immer präsent?<br />
Heinz: Nein, aber sobald ich mich verwurstelt<br />
habe, <strong>de</strong>nke ich an sie. Und dann entwurstle<br />
ich das rasch wie<strong>de</strong>r.<br />
Domian: Versuch doch mal eine Selbstverfahrung<br />
und unterlasse es, dich zu entwursteln.<br />
Beobachte dich, was dann in dir passiert.<br />
Heinz: So ein bißchen habe ich das schon versucht:<br />
ich habe mich einige male um mich<br />
selbst gedreht — und dann eine Stun<strong>de</strong> vergehen<br />
lassen. Na ja, aber ich mußte während<br />
dieser Stun<strong>de</strong> immer wie<strong>de</strong>r an die verwickelte<br />
Linie <strong>de</strong>nken. Sie hat mir keine Ruhe gelassen.<br />
Und dann habe ich gedacht: ≫Ach,<br />
was soll’s, entwurstel dich rasch und die Sache<br />
ist vom Tisch.≪ Und so kam es dann<br />
auch.<br />
Domian: Entwurstelst du dich normalerweise<br />
immer sofort?<br />
Heinz: Das kommt darauf an. Immer geht das<br />
186
ja nicht. Wenn ich z.B. morgens zur Arbeit<br />
fahre, dann versuche ich abends exakt <strong>de</strong>nselben<br />
Weg zurückzufahren, um die Linie wie<strong>de</strong>r<br />
aufzusammeln. O<strong>de</strong>r auch während <strong>de</strong>r<br />
Arbeit muß ich manchmal warten, bis ich<br />
wie<strong>de</strong>r alles entwirrt habe.<br />
Domian: Wenn du ganz allgemein an diese Linie<br />
<strong>de</strong>nkst, was assoziierst du damit?<br />
Heinz: Ich <strong>de</strong>nke an einen Weg. Eine eingeschlagene<br />
Richtung. Es ist ein gera<strong>de</strong>r Weg, an<br />
<strong>de</strong>n ich <strong>de</strong>nke. Und alles wird abgebremst,<br />
wenn sich <strong>de</strong>r Weg verwickelt hat.<br />
Domian: Nervt die Linie bisweilen?<br />
Heinz: Eigentlich stellt sie kein großes Problem<br />
dar. Es braucht nur etwas Zeit, sich mit ihr<br />
zu beschäftigen.<br />
Domian: Dann achte weiter auf <strong>de</strong>ine unsichtbare<br />
Linie!<br />
Heinz: (lacht) Das wer<strong>de</strong> ich tun.<br />
187
Kapitel 24<br />
Prostitution<br />
Es gibt für mich interessante und weniger interessante<br />
Talk-Gäste am Telefon. Ich versuche<br />
alle gleichermaßen ernst zu nehmen, soweit ihr<br />
Anliegen ernst ist. Und dann tauchen noch —<br />
Gott sei Dank — in schöner Regelmäßigkeit<br />
die wirklich außeror<strong>de</strong>ntlich interessanten Gesprächspartner<br />
auf, mit <strong>de</strong>nen die Zeit wie im<br />
Fluge vergeht. Die mir Einblicke in bisher nicht<br />
gekannte Welten verschaffen. Und <strong>de</strong>ren Auftritt<br />
im Talk-Radio schon so manch ein Klischee<br />
erledigt hat. Eine dieser beson<strong>de</strong>rs interessanten<br />
Gesprächspartnerinnen war Joy (39):<br />
Joy: Ich bin eine Hure. Und ich habe schon<br />
sehr früh angefangen, so mit 16 Jahren.<br />
188
Domian: Wie bist du in diese Szene gekommen?<br />
Joy: Durch meine Mutter. Sie war auch eine<br />
Hure. Und sie hat die Freier oft mit nach<br />
H<strong>aus</strong>e gebracht. So konnte ich mich <strong>de</strong>r Sache<br />
gar nicht entziehen. Das mache ich ihr<br />
auch zum Vorwurf.<br />
Domian: hast du mit mit <strong>de</strong>iner Mutter alleine<br />
gelebt?<br />
Joy: Nein. Aber mein Vater war in <strong>de</strong>r Musikbranche<br />
und war auch sehr viel unterwegs.<br />
Er hat es anfangs auch gar nicht gewußt.<br />
Später hat es es hingenommen und ist sogar<br />
in <strong>de</strong>n Keller <strong>aus</strong>gewichen, wo wir extra<br />
eine Couch aufgestellt hatten für <strong>de</strong>n Fall,<br />
daß er nach H<strong>aus</strong>e kam und meine Mutter<br />
nicht alleine war.<br />
Domian: Hat <strong>de</strong>ine Mutter dir von ihrem Gewerbe<br />
erzählt.<br />
Joy: Nein. Mit acht habe ich durchs Schlüssel-<br />
189
loch geguckt und habe es kapiert.<br />
Domian: War das für dich schlimm?<br />
Joy: Nein, nicht direkt. Ich war neugierig. Aber<br />
ich hatte auch Angst. Angst um meine Mutter.<br />
Ich weiß noch, es gab eine Phase, da<br />
habe ich vorsichtshalber alle Autonummern<br />
aufgeschrieben von <strong>de</strong>n Autos, <strong>de</strong>ren Fahrer<br />
bei meiner Mutter waren. Ich dachte damals:<br />
≫Wenn jemand meine Mutti umbringt,<br />
dann weiß ich wenigstens die Autonummer.≪<br />
Domian: Wußten es <strong>de</strong>ine Freun<strong>de</strong> und Mitschüler<br />
auch?<br />
Joy: Es sickerte so im Laufe <strong>de</strong>r Jahre durch.<br />
Domian: Bist du gehänselt wor<strong>de</strong>n?<br />
Joy: Gehänselt eigentlich nicht. Aber ich bin<br />
<strong>aus</strong>geschlossen wor<strong>de</strong>n. Das hatte zur Folge,<br />
daß meine Leistungen in <strong>de</strong>r Schule immer<br />
weiter absackten. Hinzu kam, daß meine<br />
Mutter mich sehr viel geprügelt hat. So<br />
war meine Jugend nicht son<strong>de</strong>rlich schön.<br />
190
Domian: Wie kam es dann schließlich, daß du<br />
ins Hurengewerbe eingestiegen bist?<br />
Joy: Meine Mutter sagte irgendwann: ≫Du machst<br />
es doch sowieso, dann kannst du es auch für<br />
Geld machen.≪ Und dann hat mich irgen<strong>de</strong>iner<br />
von ihren damaligen Freun<strong>de</strong>n erspäht<br />
— und ich habe es gemacht. Das ist schon<br />
erstaunlich für mich so im nachhinein, daß<br />
ich das einfach so mitgemacht habe.<br />
Domian: Wirfst du ihr das alles vor?<br />
Joy: Ich werfe ich nicht vor, daß sie dieses Gewerbe<br />
betrieben hat. Aber ich werfe ihr vor,<br />
daß sie ihr Leben und ihren Beruf nicht getrennt<br />
hat. Ich trenne es ja auch. Ich bin<br />
auch Mutter. Habe übrigens — Gott sei Dank<br />
— keinen Jungen bekommen. Vielleicht reicht<br />
die Macht <strong>de</strong>r Psyche so weit, das selbst zu<br />
beeinflussen.<br />
Domian: Warum wolltest du keinen Jungen?<br />
Joy: Weißt du, seit meinem 15./16. Lebensjahr<br />
191
habe ich dieses Geschlechtsteil im Hinterkopf.<br />
Ich wollte es an meinem Kind nicht<br />
ständig vor Augen haben.<br />
Als ich angefangen habe, war ja mehr Zwang<br />
dabei als sonstwas. Auf keinen Fall Lei<strong>de</strong>nschaft.<br />
Meine Mutter hat mich oft zur Arbeit<br />
geprügelt. An<strong>de</strong>rerseits war ich natürlich auch<br />
froh und stolz auf das Geld. Ich konnte mir<br />
viele schöne Klei<strong>de</strong>r kaufen. Als ich dann<br />
wußte, daß ich schwanger bin. . .<br />
Domian: Von wem bist du schwanger gewor<strong>de</strong>n?<br />
Joy: Von einem ganz soli<strong>de</strong>n, lieben Mann <strong>aus</strong><br />
sehr guten Kreisen. Aber er konnte mein Leben<br />
nicht verkraften, hatte auch Angst vor<br />
seinem Umfeld und seinen Freun<strong>de</strong>n. Ich habe<br />
<strong>de</strong>n Fehler gemacht zu sagen: ≫Ich möchte<br />
<strong>de</strong>ine Eltern nicht anlügen, ich muß die Karten<br />
auf <strong>de</strong>n Tisch legen.≪ Und das war o<strong>de</strong>r<br />
wäre für ihn sehr dramatisch gewesen. Also<br />
haben wir uns getrennt.<br />
192
Domian: War er ein Kun<strong>de</strong> von dir?<br />
Joy: Nein! Nein! Ich habe ihn beim Tennis kennengelernt.<br />
Nach 14 Tagen habe ich ihm alles<br />
von mir erzählt. Was sehr furchtbar für<br />
ihn war. Aber er hing sehr an mir. Und so<br />
haben wir es miteinan<strong>de</strong>r versucht.<br />
Domian: Hast du diesen Mann geliebt?<br />
Joy: Ich liebe ihn immer noch.<br />
Domian: Aber ihr habt keinen Kontakt mehr?<br />
Joy: Nein. Aber er unterstützt uns sehr gut.<br />
Domian: Wie alt ist <strong>de</strong>ine Tochter?<br />
Joy: Sieben Jahre. Und sie ist ein wun<strong>de</strong>rbares<br />
und ganz liebes Mädchen. Und ich bin auch<br />
seit sechs Jahren nicht mehr in meinem Job.<br />
Domian: Warum?<br />
Joy: Es ging nicht mehr damals. Wegen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s.<br />
Ich hatte mir das so einfach vorgestellt.<br />
Aber es funktionierte nicht. Ein Jahr habe<br />
193
ich es gemacht. Da merkte ich, daß ich bei<strong>de</strong><br />
Leben nicht <strong>aus</strong>einan<strong>de</strong>rhalten konnte.<br />
Domian: Hattest du nach <strong>de</strong>inem Ausstieg finanzielle<br />
Probleme?<br />
Joy: Ja, das war schon ein herber Einbruch.<br />
Aber ich hatte gute Rücklagen.<br />
Domian: Was hast du als Hure so im Durchschnitt<br />
pro Monat verdient?<br />
Joy: Ist schwer zu sagen. Es gab Tage, an <strong>de</strong>nen<br />
ich 500 bis 1000 DM verdient habe. Das<br />
war aber nicht regelmäßig so. Durststrecken<br />
kamen immer wie<strong>de</strong>r vor. Aber im ganzen<br />
war es schon sehr viel Geld.<br />
Domian: Als du r<strong>aus</strong> warst, hast du dann irgend<br />
etwas an<strong>de</strong>res gearbeitet?<br />
Joy: Ich habe von <strong>de</strong>n Reserven gelebt und ein<br />
Studium absolviert.<br />
Domian: Was hast du studiert?<br />
194
Joy: Germanistik, Politik und Geschichte. Abgeschlossen.<br />
Na ja, und jetzt wirst du dich<br />
wun<strong>de</strong>rn. Ich möchte wie<strong>de</strong>r in meinen alten<br />
Job.<br />
Domian: Mit <strong>de</strong>m ≫F<strong>aus</strong>t≪ unterm Arm zum<br />
Freier? Im Ernst — warum willst du das?<br />
Joy: Es zieht mich in dieses Milieu. Es hatte<br />
auch tolle Seiten. Der Verdienst eben, aber<br />
ich habe in dieser Szene auch ganz tolle Frauen<br />
getroffen. Es gibt viele dumme Frauen,<br />
die dort arbeiten. Aber eben auch diese Ausnahmen.<br />
Solche Frauen habe ich sonst noch<br />
nie kennengelernt. Das Bor<strong>de</strong>ll ist für mich<br />
auch irgendwie Heimat.<br />
Domian: Wie gelingt es dir, <strong>de</strong>ine private Sexualität<br />
von <strong>de</strong>r professionellen Sexualität<br />
zu trennen?<br />
Joy: Ganz einfach: Es ist wie bei <strong>de</strong>r Sch<strong>aus</strong>pielerei.<br />
Mein Hure-Sein ist eine Rolle. Wenn<br />
ich <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Bor<strong>de</strong>ll nach H<strong>aus</strong>e kam, habe<br />
ich mich abgeschminkt, die Pumps in die<br />
195
Ecke geschmissen, und sofort war ich nicht<br />
mehr Joy, son<strong>de</strong>rn ich.<br />
Domian: Hast du bei <strong>de</strong>iner Arbeit Orgasmen<br />
gehabt?<br />
Joy: Ich glaube, das ist mir anfänglich passiert.<br />
Da muß man ja erst einmal reinwachsen.<br />
Domian: Es ist also ehrenrührig?<br />
Joy: Ja, wenn die Kollegen das erfahren, dann<br />
ist das Geschrei groß: ≫Wie furchtbar! Wie<br />
unprofessionell!≪<br />
Domian: Wobei so ein kleiner Orgasmus ab und<br />
zu die Arbeit doch sicher versüßt?!?<br />
Joy: Da hast du recht. Es kommt aber auf <strong>de</strong>n<br />
Freier an.<br />
Domian: Na klar. Hast du nach einem Arbeitstag<br />
überhaupt noch Lust gehabt auf privaten<br />
Sex?<br />
Joy: So groß ist die Lust nicht gewesen. Und,<br />
obwohl ich nicht mehr arbeite, habe ich seit<br />
196
<strong>de</strong>r Zeugung meiner Tochter keinen Sex mehr<br />
gehabt.<br />
Domian: Seit sieben Jahren?<br />
Joy: So ist es.<br />
Domian: Vermißt du es?<br />
Joy: Ich vermisse die Liebe.<br />
Domian: Hast du <strong>de</strong>inem Kind schon <strong>aus</strong> <strong>de</strong>iner<br />
Vergangenheit erzählt?<br />
Joy: Nein.<br />
Domian: Wann wirst du es machen?<br />
Joy: Also, wenn ich jetzt wie<strong>de</strong>r einsteige, wer<strong>de</strong><br />
ich erst einmal lügen. Als Vorbereitung<br />
für die Wahrheit dient meine Erziehung. Ich<br />
vermittle ihr als ganz hohen Wert die Toleranz.<br />
Vielleicht versuche ich ihr es beizubringen,<br />
wenn sie 15 Jahre ist.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong>st du es befürworten, wenn <strong>de</strong>ine<br />
Tochter auch in <strong>de</strong>in Gewerbe ginge?<br />
197
Joy: Nein. Ich habe soviel aufgebaut und habe<br />
ihr soviel Liebe gegeben, die ich nie bekommen<br />
habe. Sie hat nie, so wie ich, schlimmste<br />
Streitereien mitbekommen, sie kennt keine<br />
Vulgärgespräche — und sie kennt keine<br />
Gewalt. Ich möchte, daß das so bleibt.<br />
Ich möchte, daß sie ihr Leben führt. Weit<br />
ab von alle<strong>de</strong>m. Trotz<strong>de</strong>m, auch wenn sich<br />
das jetzt kritisch angehört hat, möchte ich<br />
zum Schluß noch sagen: Dieser Beruf, <strong>de</strong>r<br />
Huren-Beruf, sollte von <strong>de</strong>r Gesellschaft mehr<br />
anerkannt wer<strong>de</strong>n. Ich habe schon so viel<br />
Abweisung erfahren. Und ich möchte, daß<br />
sich das für mich und meine Kolleginnen<br />
än<strong>de</strong>rt.<br />
Domian: Liebe Joy, ich danke dir recht herzlich,<br />
daß du dich bei uns gemel<strong>de</strong>t hast. Dir<br />
und <strong>de</strong>iner Tochter alles Gute.<br />
198
Kapitel 25<br />
Inzest<br />
Durch meine Arbeit als Talk-Radio-Mo<strong>de</strong>rator<br />
ist mir klar gewor<strong>de</strong>n, wie erschreckend hoch<br />
die Zahl <strong>de</strong>r sexuell mißbrauchten Menschen in<br />
unserer Gesellschaft ist. Dazu zählen die furchtbaren<br />
Vergehen an Mädchen und Jungen, die<br />
Vergewaltigungen in und außerhalb <strong>de</strong>r Ehe und<br />
die noch weitgehend tabuisierten sexuellen Gewalttaten<br />
von Männern an Männern.<br />
Immer wie<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n mir Tragödien berichtet,<br />
die sich im abgeschotteten Refugium <strong>de</strong>r<br />
Familie abgespielt haben. Die Geschichte <strong>de</strong>r<br />
38jährigen Rosa ist so ein Fall. Das Thema <strong>de</strong>r<br />
Sendung hieß ≫Sex in verschie<strong>de</strong>nen Altersphasen≪.<br />
Ich hatte mich auf eher lockere Gespräche<br />
199
eingestellt und war um so berührter, als Rosa —<br />
sie war die erste Anruferin in dieser Nacht —<br />
zu erzählen begann.<br />
Rosa: Ich lebe seit 20 Jahren ohne Sex. Genauer<br />
gesagt: meinen letzten Sex hatte ich mit<br />
16.<br />
Domian: Wie kommt das?<br />
Rosa: Ich bin mit 8 Jahren mißbraucht wor<strong>de</strong>n.<br />
Und dann immer wie<strong>de</strong>r, bis 15, von meinem<br />
Großvater. Dann bin ich schwanger gewor<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Von <strong>de</strong>m Großvater?<br />
Rosa: Ja. Dadurch ist die Sache ins Rollen gekommen.<br />
Das heißt, ich habe es meiner Familie<br />
erzählt, und ich habe meinen Großvater<br />
angezeigt. Gott sei Dank war ich stark<br />
genug es durchzustehen. Ich mußte ja vor<br />
Gericht <strong>aus</strong>sagen. Er ist dann verurteilt wor<strong>de</strong>n.<br />
Danach wur<strong>de</strong> ich <strong>de</strong>r Familie entzogen<br />
und habe meine Tochter geboren.<br />
200
(Gesprächsp<strong>aus</strong>e) Ich wollte das Kind. Das<br />
Kind war meine Rettung.<br />
Domian: Warum <strong>de</strong>ine Rettung?<br />
Rosa: Die Tochter war meine einzige Chance,<br />
<strong>aus</strong> dieser Misere her<strong>aus</strong>zukommen.<br />
Domian: Wur<strong>de</strong>st du nicht du die Tochter an<br />
die vermutlich für dich so schrecklichen Jahre<br />
ständig erinnert? (Gesprächsp<strong>aus</strong>e)<br />
Rosa: Eigentlich nie.<br />
Domian: Hast du dieses Kind mit ganzem Herzen<br />
angenommen?<br />
Rosa: Eigentlich schon. Mein Leben hat sich<br />
immer um meine Tochter gedreht.<br />
Domian: Gab es wirklich nie einen üblen Beigeschmack?<br />
Mußtest du nicht hin und wie<strong>de</strong>r<br />
an <strong>de</strong>n Großvater <strong>de</strong>nken?<br />
Rosa: Na ja — doch. Und hinzu kam, meine<br />
Familie hat mich nie mehr akzeptiert.<br />
201
Domian: Dich hat die Familie nicht mehr akzeptiert?<br />
Rosa: Nein, nie mehr.<br />
Domian: Wie erklärst du dir das, daß die Familie<br />
dich verurteilt und nicht <strong>de</strong>n Großvater?<br />
Rosa: Ich habe Schan<strong>de</strong> über die Familie gebracht.<br />
Weil ich damals alles erzählt habe,<br />
weil ich Großvater angezeigt habe.<br />
Domian: Hast du nicht einen unglaublichen Zorn?<br />
Rosa: Oh, doch. Schrecklich viel Zorn.<br />
Meine Tochter hat mit 20 Jahren versucht,<br />
<strong>de</strong>n Kontakt wie<strong>de</strong>r aufzubauen, zwischen<br />
meinen Eltern und mir. Und mein Vater hat<br />
nur zu ihr gesagt: Wie soll ich dich ansprechen?<br />
Bist du nun meine Enkelin o<strong>de</strong>r meine<br />
Schwester? Was bist du? Darauf hat meine<br />
Tochter gesagt: Du kannst mich mal.<br />
Domian: War es für dich sehr schwer, als du<br />
zum ersten Mal alles <strong>de</strong>iner Tochter erzählt<br />
hast?<br />
202
Rosa: Meine Tochter hat es seit ihrem fünftem<br />
Lebensjahr gewußt.<br />
Domian: Wie kam das?<br />
Rosa: Mein Mann hat es immer mir ihr besprochen.<br />
Domian: Dein Mann?<br />
Rosa: Ja, ich bin seit 20 Jahren verheiratet. Mit<br />
einem Homosexuellen.<br />
Domian: Warum bist du mit einem Homosexuellen<br />
verheiratet?<br />
Rosa: Der Homosexuelle war damals mein Gynäkologe.<br />
Er hat mich psychisch aufgebaut. Er<br />
hat mir alles gegeben, war ich brauchte. Sex<br />
natürlich nicht. Aber <strong>de</strong>n habe ich damals<br />
auch nicht gebraucht.<br />
Domian: Hast du heute sexuelle Bedürfnisse?<br />
Rosa: Seit meine Tochter <strong>aus</strong>gezogen ist, habe<br />
ich solche Bedürfnisse. Obwohl ich nicht<br />
203
weiß, was Sexualität ist. Ich kenne ja nur<br />
<strong>de</strong>n Mißbrauch.<br />
Domian: Hast du irgendwann professionelle Hilfe<br />
gesucht, um das alles zu verarbeiten?<br />
Rosa: Ja, ich war damals drei Jahre bei einem<br />
Therapeuten. Dieser Therapeut war <strong>de</strong>r Partner<br />
meines Mannes.<br />
Domian: Hat dir die Therapie geholfen?<br />
Rosa: Damals hat es ganz gut getan. Aber eigentlich<br />
weiß ich es nicht. Am meisten tut<br />
mir noch heute weh, daß sich meine Familie<br />
so verhalten hat.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong>st du gerne wie<strong>de</strong>r Kontakt zu<br />
<strong>de</strong>iner Familie haben?<br />
Rosa: (Weint) Zu meinen Eltern ja. Aber es ist<br />
<strong>aus</strong>sichtslos. Ich habe es zweimal versucht<br />
— und eben meine Tochter.<br />
Domian: Rosa, du lebst mit einem homosexuellen<br />
Mann zusammen. Ist das eine gute Freundschaft,<br />
die euch verbin<strong>de</strong>t?<br />
204
Rosa: Das ist eine ganz große Freundschaft. Und<br />
er hat auch einen Partner. Immer noch <strong>de</strong>n<br />
Therapeuten.<br />
Domian: Lebt ihr zu dritt zusammen?<br />
Rosa: Nein, ich lebe mit meinem Mann zusammen.<br />
Das ist für ihn auch ein gutes Alibi. Er<br />
ist in einer Führungsposition.<br />
Domian: Du sagtest vorhin, daß du mittlerweile<br />
sexuelle Bedürfnisse hast . . .<br />
Rosa: Die ersten Jahre nach <strong>de</strong>m Mißbrauch<br />
hatte ich überhaupt kein Verlangen. Dann<br />
die darauffolgen<strong>de</strong>n Jahre . . . na ja, da habe<br />
ich mich sehr um meine Tochter gekümmert.<br />
Domian: Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>in Mann es tolerieren, wenn<br />
du jetzt vielleicht ein Verhältnis hättest?<br />
Rosa: Ja, natürlich.<br />
Domian: Unternimmst du etwas, einen Mann<br />
kennenzulernen?<br />
205
Rosa: Ich habe wahnsinnige Angst vor Sex. Ich<br />
habe wahnsinnige Angst, irgend etwas von<br />
mir zu geben.<br />
Domian: Ich könnte mir vorstellen, daß die drei<br />
Jahre Therapie, die du gemacht hast — zumal<br />
es auch schon so lange zurückliegt —<br />
nicht <strong>aus</strong>reichen. Hast du darüber nachgedacht,<br />
jetzt noch mal in eine Behandlung zu<br />
gehen?<br />
Rosa: Ja.<br />
Domian: Ich glaube, das wäre sicher richtig.<br />
Rosa: Das müßte dann aber jemand an<strong>de</strong>res<br />
sein als <strong>de</strong>r Partner meines Mannes.<br />
Domian: Das <strong>de</strong>nke ich auch. Weißt du, wie<br />
man so Vorhaben angeht und organisiert?<br />
Rosa: Na ja . . .<br />
Domian: Dann bleib doch mal am Telefon. Unsere<br />
Psychologin kann dir sicher ein paar<br />
Tips geben.<br />
206
Rosa: Ja, das wäre sehr gut.<br />
Domian: Ich danke dir für <strong>de</strong>in Vertrauen und<br />
wünsche dir viel Glück.<br />
207
Kapitel 26<br />
Übersinnliches<br />
Daniela: Ich habe oft Träume von Unglücksfällen,<br />
die dann wirklich eintreffen.<br />
Domian: Kannst du mal ein Beispiel nennen?<br />
Daniela: Vor ein paar Jahren habe ich geträumt,<br />
daß eine männliche Person auf einer Couch<br />
sitzt, sich an die Brust greift und ein schmerzverzerrtes<br />
Gesicht hat. Diese Person ist dann<br />
aufgestan<strong>de</strong>n und zu Bo<strong>de</strong>n gestürzt. Der<br />
Kragen war blutig. Und <strong>de</strong>r Mann ist nach<br />
einer kurzen Zeit gestorben. Dann kam meine<br />
Mutter in das Zimmer, sah <strong>de</strong>n Mann,<br />
stellte fest, daß er tot war, und zog ihm die<br />
Schuhe <strong>aus</strong>. Soweit <strong>de</strong>r Traum.<br />
Einige Tage später hat dann meine Mutter<br />
208
angerufen und mir erzählt, daß mein Onkel<br />
gestorben ist. Und sie hat mir haargenau alles<br />
so erzählt, wie ich es geträumt hatte. Sie<br />
hatte ihn gefun<strong>de</strong>n und ihm die Schuhe <strong>aus</strong>gezogen.<br />
Sein Kragen war blutverschmiert,<br />
und er lag auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />
Domian: Hast du <strong>de</strong>ine Mutter nach <strong>de</strong>n Einzelheiten<br />
gefragt?<br />
Daniela: Nein, ich habe sie erzählen lassen. Ich<br />
bat sie alles ganz genau zu schil<strong>de</strong>rn. Zuerst<br />
sagte sie nur: ≫Dein Onkel ist tot, es<br />
war das Herz.≪ Mir kam bei <strong>de</strong>m Stichwort<br />
Herz sofort mein Traum in Erinnerung. Na<br />
ja, und dann berichtete sie. Und alles stimmte<br />
mit <strong>de</strong>m Traum überein. Auch zum Beispiel<br />
die Kleinigkeit — das habe ich gera<strong>de</strong><br />
gar nicht erzähl — dass die Tisch<strong>de</strong>cke<br />
auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n lag. Der Mann in meinem<br />
Traum hatte sich vor Schmerzen am Tisch<br />
festhalten wollen und riß somit das Tischtuch<br />
zu Bo<strong>de</strong>n.<br />
209
Domian: Kannst du noch ein Beispiel nennen?<br />
Daniela: Ich hab eim Traum ein brennen<strong>de</strong>s H<strong>aus</strong><br />
gesehen — und verbrennen<strong>de</strong> Kin<strong>de</strong>r. Und<br />
im Traum habe ich gedacht: ≫Mein Gott,<br />
warum träumst du nur sowas?≪ Ich habe<br />
die Szene so real geträumt. Ich habe noch<br />
heute die Gerüche im Kopf. Auch <strong>de</strong>n Geruch<br />
von <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong>n Fleisch. Ich wollte<br />
etwas tun, im Traum, aber ich war völlig<br />
machtlos. Ich mußte alles mitansehen. Dann<br />
war <strong>de</strong>r Traum zu En<strong>de</strong>.<br />
Wie<strong>de</strong>r ein paar Tage später habe ich erfahren,<br />
daß zwei Kin<strong>de</strong>r von einer befreun<strong>de</strong>ten<br />
Familie in ihrem H<strong>aus</strong> verbrannt sind.<br />
Und wie<strong>de</strong>r stimmten viele Details <strong>aus</strong> <strong>de</strong>r<br />
Realität überein mit meinem Traum. Das ist<br />
schrecklich.<br />
Domian: Sind es immer nur negative Dinge,<br />
die du vorweg träumst?<br />
Daniela: Ja. Und <strong>de</strong>shalb habe ich häufig große<br />
Angst am Abend, wenn ich im Bett liege, vor<br />
210
<strong>de</strong>m <strong>Eins</strong>chlafen. Es ist ein so furchtbares<br />
Gefühl, wenn ein solcher Traum dann Wirklichkeit<br />
wird.<br />
Domian: Seit wann hast du diese Träume?<br />
Daniela: Ach, beim ersten Mal, da war ich ein<br />
junges Mädchen. Damals habe ich vom Tod<br />
eines unkonkreten Bekannten geträumt, diesen<br />
Traum aber nicht son<strong>de</strong>rlich ernstgenommen.<br />
Er kam mir erst wie<strong>de</strong>r ganz klar<br />
in <strong>de</strong>n Sinn, als kurz darauf ein Bekannter<br />
wirklich gestorben ist. Ab diesem Zeitpunkt<br />
begann ich, mich genauer zu beobachten,<br />
meine Träume quasi im Auge zu behalten.<br />
Domian: Wie oft träumst du solche Sachen?<br />
Daniela: Manchmal gibt es über Monate keinen<br />
einzigen Traum dieser Art, aber dann<br />
ist plötzlich wie<strong>de</strong>r einer da. Dabei han<strong>de</strong>lt<br />
es sich nicht <strong>aus</strong>schließlich um To<strong>de</strong>sträume,<br />
son<strong>de</strong>rn ich sehe im Traum Krankheiten, kleine<br />
o<strong>de</strong>r schlimme Unfälle, auch schwere Konflikte<br />
vor<strong>aus</strong>.<br />
211
Domian: Wie siehst du selbst dieses Phänomen?<br />
Daniela: Als einen Fluch. Weil ich nichts tun<br />
kann. Ich kann ja nie warnen, weil ich nie<br />
genau weiß, wen es trifft. Und wenn ich dann<br />
die Bestätigung erfahre, fühle ich mich mies<br />
und dreckig.<br />
Domian: Mies und dreckig?<br />
Daniela: Ja, schuldig?<br />
Domian: Mit wem re<strong>de</strong>st du über die Sache?<br />
Daniela: Hauptsächlich mit meinem Mann.<br />
Domian: Bist du religiös?<br />
Daniela: Ich bin Katholikin.<br />
Domian: Hast du wegen dieser Sache schon mit<br />
<strong>de</strong>inem Pfarrer gesprochen?<br />
Daniela: Ich halte nicht viel von <strong>de</strong>r Kirche.<br />
Domian: Es wäre vielleicht gut, wenn du —<br />
ich sage es mal so — einen kompetenten<br />
212
Gesprächspartner fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>st, zum Beispiel<br />
einen renommierten Parapsychologen.<br />
In Freiburg gibt es an <strong>de</strong>r Universität ein Institut,<br />
das sich mit solchen Vorfällen beschäftigt.<br />
Daniela: Ja, das wäre unter Umstän<strong>de</strong>n eine<br />
I<strong>de</strong>e. Ich möchte gerne lernen, damit umzugehen.<br />
Wenn das überhaupt geht.<br />
213
Gesprächsprotokolle mp3-Dateien von<br />
www.nachlager.<strong>de</strong><br />
214
Kapitel 27<br />
Sozialhilfe<br />
Domian: Nicole, 31 Jahre alt. Guten Morgen!<br />
Nicole: Ja hallo, hier ist Nicole.<br />
Domian: Hallo Nicole. Du schämst dich?<br />
Nicole: Nein. Ich rufe an, weil ich mich nicht<br />
schäme, aber ständig alle Leute zu mir sagen<br />
≫Du solltest dich schämen≪, aber ich<br />
tue es nicht.<br />
Domian: Jetzt bin ich gespannt.<br />
Nicole: Und zwar bekomme ich seit meinem 17.<br />
Lebensjahr Sozialhilfe, obwohl ich eigentlich<br />
arbeiten könnte, ich will das aber nicht,<br />
weil das Geld reicht, und das will ich in Zukunft<br />
auch weiterhin so machen.<br />
215
Domian: Aha, auf <strong>de</strong>m Standpunkt stehst so du<br />
also.<br />
Nicole: Ja, und dieser Stoiber das ist mein größter<br />
Feind, ich wähle natürlich die GAL, die Grünen,<br />
und hoffe dass es noch ein bißchen mehr Sozialhilfe<br />
wird.<br />
Domian: Ach so. Du meinst, die Grünen wer<strong>de</strong>n<br />
das bewerkstelligen. Wenn überhaupt,<br />
dann die Grünen.<br />
Nicole: Ja. Ist in <strong>de</strong>r Vergangenheit ja auch schon<br />
so gewesen.<br />
Domian: Dürfte man dich auch Schmarotzer nennen?<br />
Nicole: (zögert) Ja.<br />
Domian: Du hast noch nie in <strong>de</strong>inem Leben<br />
gearbeitet?<br />
Nicole: Also ich habe schon mal ein bißchen<br />
gearbeitet, insgesamt vielleicht ein Jahr.<br />
Domian: Ein Jahr?<br />
216
Nicole: Ja.<br />
Domian: Du hast aber keine Ausbildung gemacht<br />
und nichts?<br />
Nicole: Keine Ausbildung, kein Schulabschluß<br />
. . .<br />
Domian: Und hast mit 17 dann so mitgekriegt,<br />
dass man Sozialhilfe beantragen kann und<br />
da ganz gut Kohle kriegt, ohne dass man<br />
sich die Finger schmutzig machen muß.<br />
Nicole: Ja, ich habe mich gewun<strong>de</strong>rt, wieviel<br />
Geld das ist.<br />
Domian: Wieviel kriegst du <strong>de</strong>nn im Monat?<br />
Nicole: Also im Moment sind das — noch in<br />
DM gerechnet — 530 o<strong>de</strong>r so, plus Miete<br />
und Krankenversicherung. Dann bekommt<br />
man zweimal im Jahr Klei<strong>de</strong>rgeld, das sind<br />
380 DM . . .<br />
Domian: Sag mal auf <strong>de</strong>n Monat bezogen, mit<br />
allem drum und dran, mit Mietzuschuß und<br />
217
alles was es da so gibt, wieviel — sag es<br />
ruhig in DM, das können wir uns alle am<br />
besten vorstellen — bekommst du <strong>de</strong>nn im<br />
Monat?<br />
Nicole: 1300.<br />
Domian: 1300 Mark?<br />
Nicole: Mit Zusatzanträgen plus Versicherung.<br />
Domian: Netto auf die Hand?<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: . . . mehr o<strong>de</strong>r weniger.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Und dann gibt’s im Jahr noch so Schmankerln,<br />
nämlich Klei<strong>de</strong>rgeld . . .<br />
Nicole: Genau. Ja.<br />
Domian: Kriegt man <strong>de</strong>nn auch Geld wenn man<br />
irgendwie ’nen neuen Kühlschrank braucht<br />
o<strong>de</strong>r ’nen neuen Fernseher?<br />
218
Nicole: Ja. Also ich habe auch schon mal gesagt<br />
dass mein Fernseher kaputtgegangen<br />
ist, dabei war er gar nicht kaputt. Da habe<br />
ich 300 Mark gekriegt.<br />
Domian: Ach so, das kontrollieren die gar nicht<br />
nach auf <strong>de</strong>m Sozialamt.<br />
Nicole: Nein.<br />
Domian: Du geht zum Sozialamt und sagst . . .<br />
Nicole: . . . ich habe CDs gekauft. (lacht)<br />
Domian: Ja, ich muß jetzt sehr tapfer sein im<br />
Moment, bei <strong>de</strong>m was du so erzählst. Kannst<br />
du dir vorstellen? Ich bin ganz fassungslos!<br />
Du gehst zum Sozialamt und sagst ≫Mein<br />
Fernseher ist kaputt≪, da sagen die ≫Prima!<br />
Ihr Fernseher ist kaputt. Hier haben sie 200<br />
Mark.≪<br />
Nicole: 300!<br />
Domian: 300 Mark! Die prüfen das überhaupt<br />
nicht nach, und dann gehst du mit <strong>de</strong>n 300<br />
Mark dir schöne CDs kaufen.<br />
219
Nicole: Genau.<br />
Domian: Man sollte es nicht glauben.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Die kontrollieren es nicht nach? Ich<br />
muß es nochmal fragen.<br />
Nicole: Also das liegt dann einfach an <strong>de</strong>n Mitarbeitern,<br />
<strong>de</strong>nk ich mal . . . o<strong>de</strong>r eine Detektei<br />
o<strong>de</strong>r was weiß ich was die da bräuchten.<br />
Domian: So. Eine 31jährige junge Frau bist du,<br />
eine selbstbewußte junge Frau, wie wir alle<br />
hören können . . .<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: . . . die gesund ist, die eigentlich voll<br />
im Job stehen könnte . . .<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Was macht <strong>de</strong>nn Nicole <strong>de</strong>n ganzen<br />
Tag lang?<br />
220
Nicole: Also ich guck Fernsehen, dann höre ich<br />
Musik, dann — also ich komme <strong>aus</strong> Kiel —<br />
gehe hier schön an <strong>de</strong>r Ostsee spazieren,<br />
botanischer Garten, treffe mich mit Freun<strong>de</strong>n<br />
. . . ich habe eigentlich immer viel zu tun.<br />
Also ich kann nicht sagen dass ich Langeweile<br />
habe.<br />
Domian: Und die Freun<strong>de</strong> wissen das natürlich<br />
irgendwie alle. Die kriegen ja mit das du<br />
nicht arbeitest.<br />
Nicole: Also meine beste Freundin in Prostituierte<br />
— was mir ziemlich egal ist, es ist ihre<br />
Sache, ich mache es nicht — und sie hat halt<br />
nicht soviele Freun<strong>de</strong> und Umgang. Und sie<br />
hat eben Geld, und ich treff mich dann mit<br />
ihr und dann bezahlt sie das Essen ... und<br />
dann sage ich ≫Die und die CD bräuchte<br />
ich noch≪ o<strong>de</strong>r ≫ich möchte auch so gerne<br />
mal wie<strong>de</strong>r ein schönes Parfüm haben≪ . . .<br />
Domian: Und auf die Tour kriegst du das dann<br />
auch noch.<br />
221
Nicole: Ja.<br />
Domian: Wie ist es <strong>de</strong>nn so mit Urlaub? Fährst<br />
du auch in Urlaub?<br />
Nicole: Ne, dafür langt es dann doch nicht.<br />
Domian: Also man kann nicht zum Sozialamt<br />
gehen und sagen: ≫Ich möchte gerne mal<br />
für eine Woche auf die Malediven, weil ich<br />
mit <strong>de</strong>n Nerven so fertig bin≪. Und ich könnte<br />
mir dann vorstellen dass das Sozialamt<br />
dann auch sagt: ≫Natürlich, fahren sie auf<br />
die Malediven, damit sie wie<strong>de</strong>r fit wer<strong>de</strong>n.≪<br />
Nicole: Das ist das einzige was nicht klappt.<br />
Domian: Nicole, weißt du dass ich wirklich so<br />
einen Hals habe? Das ist dir jetzt wahrscheinlich<br />
klar, dass diese Reaktion jetzt kommt.<br />
Weil du lebst u.a. auch von meinem Geld.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Und von all <strong>de</strong>n Menschen, die richtig<br />
ackern, an Fließbän<strong>de</strong>rn . . .<br />
222
Nicole: Ja, die sind doof. Also die sind echt doof.<br />
Domian: Das fin<strong>de</strong>st du also doof? Wenn aber<br />
alle so <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>n wie du, dann wäre<br />
diese Land am Bo<strong>de</strong>n.<br />
Nicole: Dann wür<strong>de</strong> ich mir ein an<strong>de</strong>res Land<br />
<strong>aus</strong>suchen.<br />
Domian: Ein an<strong>de</strong>res dummes Land?<br />
Nicole: Ja — man muß es auch mal so sehen.<br />
Domian: Ne, so darf man es aber nicht sehen,<br />
weil du wirklich ganz massiv an<strong>de</strong>re Menschen<br />
<strong>aus</strong>nutzt . . . . . . die für ihren Lebensunterhalt<br />
gera<strong>de</strong> stehen . . . und wir zahlen ja<br />
nun wirklich alle fett Steuern — wenn wir<br />
uns unsere Lohnabrechnung ansehen, dann<br />
<strong>de</strong>nken wir ja oft ≫Mein Gott, soviel Steuern≪<br />
—<br />
Nicole: . . . Ja. . . .<br />
Domian: — und die Steuern gehen . . .<br />
Nicole: Und ich <strong>de</strong>nke wie doof die doch sind.<br />
223
Domian: . . . u.a. auch dafür drauf dass wir Leute<br />
wie dich mit durchfüttern.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: So, jetzt sage ich dir aber nochmal:<br />
Wenn aber alle so <strong>de</strong>nken wür<strong>de</strong>n wie du<br />
. . .<br />
Nicole: Tun sie ja nicht.<br />
Domian: Aber so muß man es dann doch mal<br />
durchspielen in Gedanken.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: . . . dann wür<strong>de</strong> es keinen Wohlfahrts-<br />
Staat geben, dann wür<strong>de</strong> es nichts geben,<br />
wir wür<strong>de</strong>n hier sozusagen h<strong>aus</strong>en . . . ist dir<br />
alles scheißegal.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Dann wünsche ich — ich bin ja nun<br />
kein CSU-Mann — aber dann wünsche ich<br />
mir wirklich einen Politiker — wenn ich so-<br />
224
was höre! — <strong>de</strong>r rigoros aufräumt. Ich sage<br />
es wirklich auch so provokant.<br />
Nicole: Ja, unser Nachbarland Hamburg hat ja<br />
<strong>de</strong>n Schill . . .<br />
Domian: Ich will jetzt keine Werbung für Herrn<br />
Schill machen, aber ich wünsche mir einfach<br />
nur eine politische Haltung, die solche<br />
Leute wirklich her<strong>aus</strong>filtert <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m sozialen<br />
System, weil du bringst auch jene in ein<br />
schlechtes Licht, die es wirklich nötig haben.<br />
Und es gibt Menschen die Sozialhilfe<br />
verdammt nötig haben. Und ich möchte<br />
nicht, dass alle Sozialhilfeempfänger in ein<br />
schlechtes Licht gerückt wer<strong>de</strong>n, durch Leute<br />
wie dich. Ist dir auch egal?<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Na, ich gehe über Leichen, so bist du<br />
drauf.<br />
Nicole: Ja. Also ich habe auch für alles Ausre<strong>de</strong>n:<br />
ich hatte mal einen Bandscheiben-<br />
225
Vorfall, <strong>de</strong>swegen kann ich jetzt angeblich<br />
nicht putzen, obwohl das wie<strong>de</strong>r okay ist mit<br />
meiner Bandscheibe — dann bin ich vorbestraft,<br />
da war ich auch auf Staatskosten, das<br />
war noch teurer für <strong>de</strong>n Staat . . .<br />
Domian: Was hast du gemacht?<br />
Nicole: Körperverletztung.<br />
Domian: Du hast jeman<strong>de</strong>n zusammengeschlagen?<br />
Nicole: Ne, mit einem Messer ein bißchen angeschlitzt,<br />
ist schon lange her. Und dadurch<br />
kann ich z.B. nicht Spielhallenaufsicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Und dadurch dass ich keinen Abschluß,<br />
keine Ausbildung habe gibt es auch viele<br />
viele Arbeiten, die ich nicht machen kann<br />
. . .<br />
Domian: Nicole, wenn jetzt . . .<br />
Nicole: . . . für Computer bin ich zu doof, angeblich<br />
. . .<br />
226
Domian: Ich glaube das nicht. Du bist ziemlich<br />
pfiffig sogar.<br />
Nicole: . . . ja, und ich habe da immer so meine<br />
Ausre<strong>de</strong>n . . .<br />
Domian: So, Nicole, jetzt nehmen wir mal an:<br />
Politiker X — wir nennen keinen Namen —<br />
wird Bun<strong>de</strong>skanzler.<br />
Nicole: Oha!<br />
Domian: Und Politiker X sagt — sagen wir mal,<br />
<strong>de</strong>r Domian wird Bun<strong>de</strong>skanzler. Und <strong>de</strong>r<br />
Domian — ich weiß gar nicht, ob man da<br />
soviel Macht so schnell bekommt — sagt:<br />
≫Forstet all diese Sozialhilfe-Empfänger durch<br />
und geht wirklich knallhart mit Leuten um,<br />
die nur schmarotzen.≪ So, damit wärst auch<br />
du betroffen. Und <strong>de</strong>nen wird das Geld um<br />
80 Prozent runtergekürzt.<br />
Nicole: Oh Gott!<br />
Domian: Was wür<strong>de</strong>st du dann machen?<br />
Nicole: <strong>Eins</strong>pruch!<br />
227
Domian: Nix! <strong>Eins</strong>pruch gibt es nicht. Ist ein<br />
Gesetzt, ist erlassen.<br />
Nicole: Oha!<br />
Domian: Was wäre dann?<br />
Nicole: Dann müßte ich noch mehr betteln, und<br />
noch ein bißchen mehr schmarotzen . . . also<br />
meine Eltern geben mir auch immer Geld,<br />
hatte ich auch noch nicht erwähnt.<br />
Domian: Die geben dir sogar noch Geld, obwohl<br />
die mitkriegen, dass du so faul bist.<br />
Nicole: Ja, aber ich sage einfach am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Monats: ≫Ich habe nichts mehr zu essen.≪<br />
Domian: Sind die <strong>de</strong>nn wohlhabend?<br />
Nicole: Sagen wir mal so: guter Durchschnitt.<br />
Domian: Aber <strong>de</strong>r Vater geht arbeiten . . .<br />
Nicole: Ja, bei<strong>de</strong>.<br />
Domian: Bei<strong>de</strong> gehen arbeiten? Aber schämen<br />
die sich <strong>de</strong>nn nicht irrsinnig für ihre Tochter.<br />
228
Nicole: Ne, die sehen das nicht so eng. Also<br />
meine Mutter sagt gar nichts, mein Vater<br />
pöpelt mal, aber eine halbe Stun<strong>de</strong> später<br />
gibt er mir dann doch Geld.<br />
Domian: Was macht <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>in Vater von Beruf?<br />
Nicole: Also erstens arbeitet er als Maler, und<br />
dann arbeitet er nebenbei noch in einer Telefongesellschaft.<br />
Domian: So, das ist jetzt ja auch eine harte Arbeit,<br />
wenn er als Maler und Lackierer arbeitet,<br />
ist ja auch ein harter Job . . .<br />
Nicole: Er ist sogar Vorarbeiter.<br />
Domian: Da ist das Geld aber auch nicht so<br />
leicht verdient.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Und du sitzt fett in <strong>de</strong>inem Sofa und<br />
zockst von <strong>de</strong>inem Papa ab.<br />
229
Nicole: . . . und meine Mutter geht am Wochenen<strong>de</strong><br />
noch servieren, noch nebenbei . . .<br />
Domian: So, und die verdienen auch nicht viel<br />
die Servierer und die Kellner, die müssen<br />
wirklich auf <strong>de</strong>n Pfennig gucken.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Hast du auch kein schlechtes Gewissen,<br />
selbst wenn es um <strong>de</strong>inen Mama und<br />
<strong>de</strong>inen Papa geht.<br />
Nicole: Ne, eigentlich nicht. Sie haben ja auch<br />
nur ein Kind und dann können sie das ja<br />
auch geben.<br />
Domian: Oh Nicole, ich will es nicht hören . . .<br />
wenn du jetzt gleich sagen wür<strong>de</strong>st: ≫Domian,<br />
ich habe dich verarscht, das stimmt<br />
alles gar nicht.≪<br />
Nicole: (lacht)<br />
Domian: Aber es ist lei<strong>de</strong>r nicht so? Es ist unglaublich!<br />
Ich bin fassungslos. Mit welcher<br />
Coolheit du das auch so erzählst.<br />
230
Nicole: Ja, aber es steht doch schon in <strong>de</strong>r Bibel<br />
geschrieben, dass die Leute, die viel haben,<br />
es <strong>de</strong>n Ärmeren . . .<br />
Domian: Ach, hör mir doch auf mit so blö<strong>de</strong>n<br />
Sprüchen!<br />
Nicole: Doch!<br />
Domian: Das ist doch dusselig. Ich laß mich<br />
doch nicht auf irgendwelche Bibelsprüche<br />
ein . . . also selbst wenn die Sozialhilfe radikal<br />
gekürzt wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> das dich nicht<br />
animieren arbeiten zu gehen.<br />
Nicole: Ne. Also mehr betteln . . . ich habe auch<br />
schon mal von einem Musiker — ich sage<br />
keinen Namen — da habe ich so ein paar<br />
Bettelbriefe geschrieben, mit einer Kopie bei,<br />
dass ich Sozialhilfe-Empfänger bin, so im<br />
Dezember, zu Weihnachten — und einer hat<br />
mir was geschickt.<br />
Domian: Weißt du, was ich so schlimm daran<br />
fin<strong>de</strong> ist, dass — ich sage es mal jetzt so sa-<br />
231
lopp — du <strong>de</strong>n Leuten, die es wirklich nötig<br />
haben das Geschäft kaputt machst. Die wirklich<br />
krank sind, die alt sind, die wirklich<br />
nicht mehr krank sind.<br />
Nicole: Aber die kriegen doch auch was.<br />
Domian: ja, aber die Stimmung schlägt ja immer<br />
auch mehr um im Moment. Eben weil<br />
auch solche Fälle immer mehr bekannt wer<strong>de</strong>n,<br />
wie jetzt auch <strong>de</strong>in Fall. Und das geht<br />
eben zu Lasten <strong>de</strong>r Bedürftigen und Betroffenen.<br />
Nicole: Ja.<br />
Domian: Hast du <strong>de</strong>nn — ich versuche mich<br />
jetzt auch in <strong>de</strong>ine Seele reinzu<strong>de</strong>nken, in<br />
<strong>de</strong>in Selbstverständnis — auch Erfolgerlebnisse?<br />
Nicole: Erfolgserlebnisse?<br />
Domian: Wenn man nur so nimmt . . . die Eigenwertigkeit.<br />
232
Nicole: . . . wenn ich mal wie<strong>de</strong>r was gekriegt<br />
habe, wenn ich ein Parfüm von dieser Freundin<br />
abgezockt habe . . .<br />
Domian: Fin<strong>de</strong>st du dass du ein toller Typ bist?<br />
Nicole: Hmmm . . . Unwi<strong>de</strong>rstehlich.<br />
Domian: Hast du eigentlich einen Freund?<br />
Nicole: Seit Oktober nicht mehr.<br />
Domian: Aber vorher schon?<br />
Nicole: Also ich hatte insgesamt drei.<br />
Domian: Waren das auch Leute die so drauf<br />
sind wie du, o<strong>de</strong>r haben die gearbeitet?<br />
Nicole: Also <strong>de</strong>r eine hatte sehr viel Geld, hat<br />
aber keine Mark abgegeben, ganz fürchterlich.<br />
Der an<strong>de</strong>re hatte einigermaßen Geld,<br />
<strong>de</strong>r hat auch was abgegeben. Und <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />
war verheiratet, dass war nur mal so für<br />
zwischendurch, <strong>de</strong>n hat das nicht so weiter<br />
interessiert.<br />
233
Domian: So, Nicole. Jetzt been<strong>de</strong>n wir dieses<br />
Gespräch. Ich wünsche von ganzem Herzen,<br />
dass dir <strong>de</strong>r Geldhahn abgedreht wird.<br />
Nicole: Ach was.<br />
Domian: Und das Leute wie du es wirklich mal<br />
am eigenen Leib erfahren für ihre eigene<br />
Existenz gera<strong>de</strong>zustehen.<br />
Nicole: (legt auf)<br />
Domian: Jetzt war es wahrscheinlich zu hart<br />
für Nicole und sie hat aufgelegt. Aber das<br />
muß man doch so sagen.<br />
234
Kapitel 28<br />
Goldfische<br />
Domian: Hardy, 30.<br />
Hardy: Jo!<br />
Domian: Jo! Heimliche Vorlieben: auch Schnuller?<br />
Hardy: Ne, nicht Schnuller.<br />
Domian: Son<strong>de</strong>rn?<br />
Hardy: Ich habe Fische zuh<strong>aus</strong>e, Aquarien. Ich<br />
bin lei<strong>de</strong>nschaftlicher Aquarianer.<br />
Domian: Du bist lei<strong>de</strong>nschaftlicher Aquarianer?<br />
Hardy: Ja!<br />
Domian: Habe ich auch noch nie gehört das<br />
Wort.<br />
235
Hardy: Vorzugsweise Goldfische. Zuchtform mit<br />
Teleskopaugen.<br />
Domian: Wie groß ist das Aquarium?<br />
Hardy: Also ich habe mehrere Aquarien. Das<br />
größte das ich habe ist an die 400 Liter.<br />
Domian: Kann ich mir jetzt garnicht vorstellen.<br />
400 Liter? Sag mal wie lang! 1 Meter?<br />
2 Meter?<br />
Hardy: Nö, das ist ungefähr 1,50 Meter und<br />
und 50 cm breit.<br />
Domian: Aber du züchtest ja nicht?<br />
Hardy: Doch!<br />
Domian: Aber du züchtest sie doch sicher nicht<br />
heimlich?<br />
Hardy: Nö, heimlich nicht.<br />
Domian: Warum hast du dich dann zu unserem<br />
Thema gemel<strong>de</strong>t?<br />
Hardy: Ja, ganz einfach: weil ich eine bestimmte<br />
Vorliebe habe.<br />
236
Domian: Mit <strong>de</strong>n Fischen?<br />
Hardy: Ja!<br />
Domian: Was kommt <strong>de</strong>n jetzt für eine Sauerei?<br />
Hardy: Äh ja, Sauerei.<br />
Domian: Ich bin schon ganz gewappnet.<br />
Hardy: Weißt du, ich schaue in die Becken rein,<br />
und ich schaue mir meine Fische an, und<br />
ich habe die Fische gern, und ich habe die<br />
Fische schon recht lange, und ich hole mir<br />
dabei einen runter.<br />
Domian: Nein, das glaube ich nicht.<br />
Hardy: Doch!<br />
Domian: Das gibt’s nicht! Du kriegst doch keinen<br />
hoch von einem Goldfisch.<br />
Hardy: Doch!<br />
Domian: Ach Hardy! Wenn das <strong>de</strong>r Fall ist bist<br />
du völlig pervers.<br />
237
Hardy: Nein, das bin ich nicht.<br />
Domian: Du sitzt vor einem Aquarium — nackt<br />
o<strong>de</strong>r auch nicht nackt — und du kriegst eine<br />
Erektion wenn da fünf Goldfische entlangschwimmen?<br />
Hardy: Nein, weißt . . . du stellst dir das total<br />
falsch vor. Weißt, die Tiere kennen einen<br />
doch. So wie du da reinguckst in das Becken<br />
so gucken die Tiere auch wie<strong>de</strong>r r<strong>aus</strong>. Die<br />
schwimmen her ans Becken wenn du ranläufst<br />
. . .<br />
Domian: Halt, halt!<br />
Hardy: . . . und ich fin<strong>de</strong> sie total geil.<br />
Domian: Es erregt dich, wenn <strong>de</strong>r Goldfisch<br />
<strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Aquarium auf <strong>de</strong>ine H<strong>aus</strong>e schaut?<br />
Hardy: Was heißt das meine Hose? Die gucken<br />
halt r<strong>aus</strong> <strong>aus</strong> <strong>de</strong>m Becken.<br />
Domian: Das erregt dich?<br />
238
Hardy: . . . die Glubschaugen . . . ich zieh mir<br />
halt einen ab dabei.<br />
Domian: Und das erregt dich sexuell wenn die<br />
Fische dich angucken.<br />
Hardy: Ja.<br />
Domian: Ich habe hier schon soviel gehört. Ich<br />
<strong>de</strong>nke immer, es ist nicht mehr zu toppen,<br />
aber das habe ich noch nie gehört: Jemand<br />
<strong>de</strong>r sich erregt fühlt, wenn Fische ihn anschauen.<br />
Hardy: Ja, ich fin<strong>de</strong> das total gut.<br />
Domian: Ich weiß jetzt nicht ob ich das glauben<br />
soll. Vielleicht bin<strong>de</strong>st du mir jetzt <strong>de</strong>n<br />
Mega-Bären auf.<br />
Hardy: Nein, das tue ich nicht. Ich weiß, es<br />
hört sich verrückt an . . . ich habe das auch<br />
noch von nieman<strong>de</strong>n gehört.<br />
Domian: Hast du das <strong>de</strong>nn jeman<strong>de</strong>n schon mal<br />
erzählt?<br />
239
Hardy: So direkt noch nicht. Weil es kommt ja<br />
irgendwo schon doof, wenn ich meinen Kumpels<br />
erzählte: ≫Hey Jungs, jetzt hört mal her,<br />
wenn ich ins Aquarium reingucke, und mir<br />
meine Fische angucke und ich wichs mir nebenher<br />
einen.≪ Ich meine, das kommt ja irgendwo<br />
schon doof.<br />
Domian: Hast du eine Freundin?<br />
Hardy: Im Augenblick nicht, nein.<br />
Domian: Aber du hattest sicher mal eine?<br />
Hardy: Na klar.<br />
Domian: Und hat die auch bei dir gewohnt?<br />
Hardy: Ja, fünf Jahre lang.<br />
Domian: Fünf Jahre lang? Hat die das mal mitbekommen?<br />
Hardy: Nein.<br />
Domian: Aber das war während dieser Zeit auch?<br />
Hardy: Auch während dieser Zeit, ja.<br />
240
Domian: Gehst du dann extra leicht beklei<strong>de</strong>t<br />
vor das Aquarium?<br />
Hardy: (lacht)<br />
Domian: Ja, ich muß dich jetzt so fragen.<br />
Hardy: Ja, mit Sicherheit. Wie man halt so zu<br />
H<strong>aus</strong>e rumläuft. Ich mein so mit Shorts und<br />
im Unterhemd.<br />
Domian: Wie gucken eigentlich die Fische wenn<br />
du gekommen bist? Wen<strong>de</strong>n die sich angewi<strong>de</strong>rt<br />
ab?<br />
Hardy: Wenn ich ans Becken ran laufe dann<br />
kommen die Fische schon automatisch hergeschwommen,<br />
weil sie davon <strong>aus</strong>gehen daß<br />
es was zum Fressen gibt.<br />
Domian: Ich meinte das gekommen in einem<br />
an<strong>de</strong>ren, einem übertragenen Sinne . . . wenn<br />
du einen Orgasmus hattest — was machen<br />
die Fische dann? Gucken die dich dann weiter<br />
an o<strong>de</strong>r Wusch sind sie weg?<br />
241
Hardy: (lacht) Ja, ich <strong>de</strong>nk schon. Weißt, ich<br />
hocke halt da davor . . .<br />
Domian: (Seufzt) Hier mache ich was mit! Glaubst<br />
du im Ernst, dass die Fische dich wahrnehmen?<br />
Hardy: Ja, also was meine Goldfische angeht<br />
mit Sicherheit Ja.<br />
Domian: Also die Goldfische machen dich am<br />
meisten geil.<br />
Hardy: Ich habe eigentlich mehrere Fische, aber<br />
ich bin mir sicher: die Goldfische — die leben<br />
auch recht lange und ich habe sie auch<br />
schon recht lange, bestimmt schon seit 6 o<strong>de</strong>r<br />
7 Jahren, die können recht alt wer<strong>de</strong>n die<br />
Tiere —<br />
Domian: Wie ist es <strong>de</strong>nn wenn du im Meer ba<strong>de</strong>st<br />
und du siehst da Fische. Geht es dann<br />
auch rund bei dir?<br />
Hardy: Also nö, im Meer ba<strong>de</strong>n tu ich nicht.<br />
Ich habe schon öfters so in <strong>de</strong>r Karibik Ur-<br />
242
laub gemacht, aber da halte ich mich dann<br />
am Pool auf.<br />
Domian: Was Hardy immer schon so? Sind das<br />
frühkindliche Erfahrungen mit einem Goldfischglas<br />
vielleicht? Wann hast du das zum<br />
ersten Mal bemerkt, daß <strong>de</strong>r Fisch dich anmacht?<br />
Hardy: (zögert) Mit 16, 17?<br />
Domian: Aber sonst ist bei dir alles auch in<br />
Ordnung?<br />
Hardy: Ich <strong>de</strong>nke schon, ja. Also mit meiner<br />
Freundin habe ich bisher schon normalen<br />
Geschlechtsverkehr gehabt. Ich weiß schon,<br />
daß es pervers ist . . .<br />
Domian: Na ja, es ist schon sehr schräg. Aber<br />
du scha<strong>de</strong>st ja nieman<strong>de</strong>n, selbst <strong>de</strong>m Fisch<br />
scha<strong>de</strong>st du nicht.<br />
Hardy: Ja, ich weiß schon daß es etwas neben<br />
<strong>de</strong>r Kappe ist . . .<br />
243
Domian: Wenn du mit einer Frau schläfst o<strong>de</strong>r<br />
mit <strong>de</strong>iner Freundin, mit <strong>de</strong>r du fünf Jahre<br />
zusammen warst — ich hoffe nicht, dass du<br />
dann auch an <strong>de</strong>n Fisch gedacht hast!<br />
Hardy: (lacht) Ne, in <strong>de</strong>m Augenblick habe ich<br />
mit Sicherheit nicht an <strong>de</strong>n Fisch gedacht.<br />
Ich trenne das irgendwo, das hat jetzt nichts<br />
mit Frauen zu tun. Wenn ich jetzt mit einer<br />
Frau im Bett bin, dann <strong>de</strong>nke ich mit Sicherheit<br />
nicht an Fische . . . aber ich mache es<br />
halt gern. Verstehe mich bitte richtig.<br />
Domian: Ich bin ja schon beruhigt.<br />
Hardy: Ich habe ein ganzes Zimmer, das ist eingerichtet<br />
mit lauter Aquarien in verschie<strong>de</strong>nen<br />
Größen.<br />
Domian: Weißt du was du bist? Du bist ein Exhibitionist<br />
vor Fischen. So könnte man es<br />
sagen. Ich glaube das ist die richtige Bezeichnung<br />
. . . Hardy, das ist die ungewöhnlichste<br />
heimliche Vorliebe, die ich bisher gehört<br />
244
habe, neben meinem berühmten Hackfleisch-<br />
Män, aber das ist ja wie<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re Story,<br />
das ist auch eine Nummer härter. . . . Ich<br />
danke dir für <strong>de</strong>in Vertrauen — o<strong>de</strong>r für die<br />
schöne Geschichte, sagen wir es mal so.<br />
Hardy: Ich bedanke mich, daß du zugehört hast.<br />
Domian: Ja klar, tue ich gerne, bei solchen Sachen<br />
immer. Alles Gute!<br />
Hardy: Ja, wünsche ich dir auch. Mach weiter<br />
so.<br />
Domian: Tschüß!<br />
245
Kapitel 29<br />
Sex-Shop<br />
Domian: Pia ist jetzt dran, sie ist 38. Guten morgen!<br />
Pia: Ja, hallo Domian, hier ist die Pia. Mir geht<br />
es also so ähnlich wie dir, ich bin auch sehr<br />
neugierig wenn es so um Sex geht, und habe<br />
dann kurzer Hand diese Neugier<strong>de</strong> zu meinem<br />
Beruf gemacht und arbeite jetzt in einem<br />
Sex-Shop.<br />
Domian: Im Sex-Shop?<br />
Pia: In einem Sex-Shop. Und ich muß dazu sagen,<br />
dass ich eine Dorf-Pomeranze bin . . .<br />
in unserem H<strong>aus</strong> wur<strong>de</strong> we<strong>de</strong>r über Sex gesprochen<br />
noch wur<strong>de</strong> er praktiziert . . .<br />
246
Domian: Na, ein bißchen vielleicht schon, sonst<br />
wärst du ja nicht entstan<strong>de</strong>n.<br />
Pia: (lacht) Ne, ich bin adoptiert. Ich habe auch<br />
aufgeschlossene Erlebnisse gehabt mit Männern,<br />
und das ist also auch ganz Prima und positiv<br />
verlaufen — ja, und jetzt in diesem Shop,<br />
da tun sich einem ganz neue Welten auf.<br />
Domian: Du bist Vollzeit-Angestellte in diesem<br />
Sex-Shop?<br />
Pia: Ich leite <strong>de</strong>n Shop. Ich bin für alles zuständig,<br />
auch für <strong>de</strong>n Einkauf und diese ganzen Geschichten.<br />
Domian: Du stehst aber auch im La<strong>de</strong>n und bedienst<br />
die Leute?<br />
Pia: Ja, natürlich, ja.<br />
Domian: Ja, da bist du ja an <strong>de</strong>n Lustobjekten<br />
hautnah dran.<br />
Pia: Hautnah dran, ja.<br />
247
Domian: An <strong>de</strong>n Sexspielzeugen, an <strong>de</strong>n Toys<br />
— an <strong>de</strong>n Sex-Toys.<br />
Pia: Ja.<br />
Domian: Was ist <strong>de</strong>nn das Sexspielzeug, das<br />
am besten geht?<br />
Pia: Ja Sexspielzeug . . . natürlich <strong>de</strong>r Vibrator<br />
in all seinen Variationen und Ausbaumöglichkeiten.<br />
Domian: Wird <strong>de</strong>r Vibrator hauptsächlich von<br />
Frauen gekauft?<br />
Pia: Ähm, nun muß ich lei<strong>de</strong>r sagen, dass <strong>de</strong>r<br />
Kun<strong>de</strong>nzulauf von <strong>de</strong>n Frauen noch nicht so<br />
hoch ist, wie ich ihn gerne erreichen möchte.<br />
Domian: Ja, stimmt, ja.<br />
Pia: Aber es ist so, dass die Männer die auch<br />
kaufen und sich da auch <strong>aus</strong>führlich beraten<br />
lassen.<br />
Domian: Also es ist ein heterosexueller Sex-<br />
Shop? Gemixt?<br />
248
Pia: Gemixt, absolut gemixt. Ich habe sämtliche<br />
Fetischbereiche, ich habe sämtlich — in<br />
Anführungszeichen — abartigen Wünschen,<br />
die ich da erfülle . . . Klinik-Sex und Klistier-<br />
Geschichten . . . und SM-Geschichten . . . Meine<br />
Kun<strong>de</strong>n fangen bei 17-18 an — ich muß<br />
wirklich nach <strong>de</strong>m Ausweiß fragen — und<br />
es ist <strong>de</strong>r Opa <strong>de</strong>m ich reinhelfe, <strong>de</strong>r von<br />
seinem Potenz-Problemen erzählt, <strong>de</strong>m ich<br />
weiterhelfen möchte.<br />
Domian: Aber du kannst doch keine Viagra verkaufen<br />
im Sex-Shop, das geht ja nicht.<br />
Pia: Nein, das geht natürlich nicht.<br />
Domian: Lass uns mal die Hitliste ein wenig<br />
vervollständigen: also, ganz ober steht <strong>de</strong>r<br />
Vibrator, <strong>de</strong>n kaufen die Männer wahrscheinlich<br />
hauptsächlich für ihre Frauen . . . o<strong>de</strong>r<br />
auch für sich selbst<br />
Pia: Ja, für sich selbst auch, natürlich.<br />
Domian: Was ist an zweiter Stelle?<br />
249
Pia: Ja, an zweiter Stelle sind die Magazine und<br />
Vi<strong>de</strong>os — das ist also <strong>de</strong>r Hauptschlager<br />
— dann die frei verkäuflichen Arztneimittel/Hilfsmittel<br />
wie Cremes, Tropfen und diese<br />
ganzen Geschichten.<br />
Domian: Was ist so mit Liebeskugeln zum Beispiel?<br />
Pia: Ja, das sind alles sehr gängige Artikel, die<br />
ich <strong>de</strong>n Frauen und auch <strong>de</strong>n Männern immer<br />
sehr <strong>aus</strong>führlich erkläre, die dann auch<br />
gerne gekauft wer<strong>de</strong>n, weil das ist für die<br />
Frau überhaupt <strong>de</strong>r Artikel schlechthin.<br />
Domian: Liebeskugeln?<br />
Pia: Ja!<br />
Domian: Wie machen dass die Frauen <strong>de</strong>nn?<br />
Pia: Die Frauen tragen die Kugeln wenn möglichst<br />
<strong>de</strong>n ganzen Tag über – also einfach mit Gleitcreme<br />
einführen.<br />
Domian: Wieviel Kugeln sind das in <strong>de</strong>r Regel?<br />
250
Pia: In <strong>de</strong>r Regel nimmt man zwei Kugeln.<br />
Domian: Die hängen aneinan<strong>de</strong>r.<br />
Pia: Richtig, genau. Können auch bis zu vier<br />
Kugeln sein. Es gibt auch Kugeln mit Vibration.<br />
Aber von <strong>de</strong>n Kugeln allein ist es<br />
so, dass natürlich <strong>de</strong>r Vagina-Muskel versucht<br />
es zu halten, bei je<strong>de</strong>r Bewegung, und<br />
dass natürlich die ganze Bo<strong>de</strong>nbeckenmuskulatur<br />
super entwickelt wird dadurch, und<br />
die Frau ist dann halt auch in <strong>de</strong>r Lage, mit<br />
diesen Muskeln zu arbeiten, auch beim Sex<br />
zu arbeiten.<br />
Domian: Das heißt es ist ein hervorragen<strong>de</strong>s<br />
Training für Frauen für <strong>de</strong>n Koitus.<br />
Pia: Ja natürlich, weil die Frau wird viel Orgasmusfähiger.<br />
Domian: Was kosten <strong>de</strong>nn so gute Liebeskugeln,<br />
so normale gute Liebeskugeln?<br />
Pia: Oh, ’ne gute Latex-Kugel kostet 20 Mark.<br />
251
Domian: Und da gibt es auch Kugeln die noch<br />
einen kleinen Motor eingebaut haben?<br />
Pia: Mit Vibration, ja.<br />
Domian: Das ist ja ganz schräg: du hast dann<br />
die Kugeln in dir und die vibrieren auch noch.<br />
Pia: Ja, richtig.<br />
Domian: Und die tragen die Frauen dann oftmals<br />
<strong>de</strong>n ganzen Tag.<br />
Pia: Ja, richtig.<br />
Domian: Das heißt: immer wenn ich eine Frau<br />
treffe könnte ich mich fragen: hat sich jetzt<br />
Kugeln drin o<strong>de</strong>r hat sie keine.<br />
Pia: Ja, Selbstverständlich.<br />
Domian: Und das ist dann für die Frau — könnte<br />
ich mir vorstellen — für die Frau eine<br />
permanente leicht erotisierte Stimmung.<br />
Pia: Selbst wenn du die Kugeln ohne Vibration<br />
trägst kommst du permanent in Stimmung.<br />
252
Im Prinzip bist du als Frau ständig in Erregung.<br />
Domian: Das sollte also letztendlich je<strong>de</strong>r Arbeitgeber<br />
finanzieren, damit die Sekretärin<br />
— o<strong>de</strong>r wer auch immer — stets in guter<br />
Stimmung ist.<br />
Pia: Klar, man hat immer ein lächeln im Gesicht.<br />
Domian: Also die gehen gut, sagst du.<br />
Du hast gera<strong>de</strong> am Anfang gesagt, dass die<br />
sehr viele seltsame Dinge passieren in diesem<br />
Sex-Shop.<br />
Pia: Ja!<br />
Domian: Was zum Beispiel? Erzähl mal!<br />
Pia: Ja, da war ein Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r wohl über einen<br />
Riesenschwanz verfügte. Der kaufte im Laufe<br />
mehrerer Wochen alle großen Kondomsorten<br />
durch. Und irgendwann kam er dann<br />
ganz verlegen an: ob es <strong>de</strong>nn da noch was<br />
größeres gebe. ≫Na≪, sage ich, ≫kommen<br />
253
sie mal mit zu <strong>de</strong>m Regal mit <strong>de</strong>n ganzen<br />
Dildos — von welcher Größe sprechen wir<br />
<strong>de</strong>nn jetzt?≪ Da zeigt er mir auf die 30 cm.<br />
Ja, da bin ich natürlich zusammengezuckt<br />
und habe <strong>de</strong>n Reflex unterdrückt ihm auf die<br />
Hose zu schauen. Ich habe ihm dann angeboten<br />
mal rumzutelefonieren, ob ich irgendwas<br />
für sie tun kann.<br />
Domian: Und, konntest du was für ihn tun?<br />
Pia: Außer einem riesen Gelächter ≫Ha, ha, han<strong>de</strong>lt<br />
es sich um ein Pferd?≪ war natürlich<br />
nichts zu bekommen in dieser Größe.<br />
Domian: Aber gibt es <strong>de</strong>nn mittlerweile nicht<br />
auch Kondome für sehr gut gewachsene Männer?<br />
Pia: Ja, selbstverständlich.<br />
Domian: Aber nicht für 30 cm?<br />
Pia: Nein. Es ging ihn auch um <strong>de</strong>n Schutz, und<br />
er sprach auch darüber — die Kun<strong>de</strong>n vertrauen<br />
sich mir dann an — dass es ein riesen<br />
Problem ist eine Frau zu fin<strong>de</strong>n, die mit<br />
254
<strong>de</strong>n 30 cm was anfangen kann.<br />
Domian: Also sind das dann manchmal auch<br />
ganz intime Gespräche die du da führst? Ganz<br />
persönliche Dinge wer<strong>de</strong>n da besprochen.<br />
Pia: Ja. Da mußt man sich auch sehr viel einlesen<br />
in die ganzen Themen. Da gibt es aber<br />
gute Literatur um zu verstehen, was <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong><br />
da rüberbringt.<br />
Domian: Also ich könnte mir vorstellen, dass<br />
die meisten Leute die Nase rümpfen: ≫Ach,<br />
das ist ja eine Verkäuferin im Sex-Shop.≪ Aber<br />
das ist dann doch ein sehr anspruchsvoller<br />
Beruf.<br />
Pia: Selbstverständlich.<br />
Domian: Der sehr an das Substantielle bei manchen<br />
Menschen geht.<br />
Pia: Ja natürlich, man muß sehr empfindsam<br />
sein, auf die Kun<strong>de</strong>n eingehen können, man<br />
muß versuchen, dieses Vertrauen auch zu<br />
255
wecken, damit sich <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong> auch anvertrauen<br />
kann.<br />
Domian: Aber diesen 30-cm-Mann konntest du<br />
nicht gut bedienen.<br />
Pia: Nein, nein . . .<br />
Domian: Und <strong>de</strong>r Arme mußte von dannen gehen.<br />
Pia: Ja.<br />
Domian: Er wird wahrscheinlich von all <strong>de</strong>n<br />
Männern benei<strong>de</strong>t, aber letztendlich ist er<br />
nicht benei<strong>de</strong>nswert, weil er immer Probleme<br />
hatte.<br />
Pia: Ja, richtig.<br />
Domian: Sah man es ihm <strong>de</strong>nn an? War es so<br />
ein Tier von Mann?<br />
Pia: Nein, daß war ein ganz schüchterner im<br />
m<strong>aus</strong>grauen Anzug mit Aktenköfferchen. Und<br />
es war ihm furchtbar peinlich, bis er mit <strong>de</strong>r<br />
Sprache überhaupt r<strong>aus</strong>rückte.<br />
256
Domian: Und du glaubst ihm auch, er hat da<br />
nicht aufgeschnitten?<br />
Pia: Nein. Als er dann nochmal kam habe ich<br />
schon mal hingeguckt, das habe ich mir nicht<br />
verkneifen können.<br />
Domian: Das Thema heißt ≫Lustobjekte≪. Du<br />
bist <strong>de</strong>n ganzen Tag von Lustobjekten umgeben<br />
in <strong>de</strong>inem Shop. Ich könnte mir vorstellen,<br />
dass wenn man da als Frau arbeitet,<br />
dass man dann manchmal blöd angebaggert<br />
wird und selbst zum Lustobjekt wird. Ist das<br />
so?<br />
Pia: Es ist meinen Mitarbeiterinnen schon durch<br />
die Bank weg passiert. Die jungen Mädchen<br />
im Shop wer<strong>de</strong>n nicht ernst genommen. Also<br />
die Erfahrung war jetzt nicht so gut, wenn<br />
zu junge Frauen drinstehen. Es ist zwar was<br />
für’s Auge, aber die sind wirklich in Gefahr,<br />
weil da gibt’s dann Übergriffe.<br />
Bei mir ist es so: ich mache ganz auf konservativ.<br />
D.h. ich habe grundsätzlich keinen<br />
257
Rock und keinen Ausschnitt.<br />
Domian: Ach so, also mit Hosen und . . .<br />
Pia: Anzug, Bluse, . . .<br />
Domian: Rollkragenpulli . . .<br />
Pia: . . . schon schick also, und auch eine gewisse<br />
Distanz. Traut sich nicht gleich je<strong>de</strong>r<br />
mich anzusprechen. Aber ich gehe dann offen<br />
auf die Kun<strong>de</strong>n zu, dass die dann schon<br />
wissen, dass sie sich in diesen . . .<br />
Domian: Meinst Du die Männer haben weniger<br />
Scheu zu fragen nach gewissen Einzelheiten<br />
wenn da eine Frau ist o<strong>de</strong>r re<strong>de</strong>n die<br />
dann doch lieber mit einem Verkäufer.<br />
Pia: Ja, das ist eigentlich gemischt. Grundsätzlich<br />
wür<strong>de</strong> ich sagen ist es schon gut, dass<br />
Frauen in so einem Geschäft arbeiten, und<br />
Männer können damit auch umgehen, weil<br />
man auch flirten kann, das lockert es ja auf.<br />
Aber ich habe auch einen Piercer mit drin<br />
<strong>de</strong>r da schon mal mit <strong>aus</strong>hilft, und das ist<br />
258
auch ein Typ <strong>de</strong>r so re<strong>de</strong>t wie ihm das Maul<br />
gewachsen ist, da führen die so richtige Männergespräche,<br />
da ziehe ich mich dann auch ganz<br />
zurück.<br />
Domian: Dann ist das ja i<strong>de</strong>al besetzt. Ihr habt<br />
doch sicherlich im Sortiment diese aufblasbaren<br />
Puppen . . .<br />
Pia: Ja.<br />
Domian: Ich könnte mir vorstellen, dass man<br />
da auch sehr eingehen<strong>de</strong> Verkaufsgespräche<br />
führen muß. Ich habe mir das mal angeguckt,<br />
die sind ja irre teuer die Dinger.<br />
Pia: Ja, also bei <strong>de</strong>n einfachen Puppen so bis<br />
200 Mark fragt kein Kun<strong>de</strong>, die gucken sich<br />
eine Schachtel <strong>aus</strong> und nehmen das mit.<br />
Domian: Und wie teuer sind die teueren?<br />
Pia: Die hochwertigen so zwischen 800 und 1000<br />
Mark.<br />
Domian: Soviel? Warum sind die so teuer? Die<br />
259
läst man auf, die fühlen sich dann wahrscheinlich<br />
schön an, wie normale Haut . . .<br />
Pia: Die sind dann halt <strong>aus</strong> Latex . . .<br />
Domian: . . . und die Vagina ist elektrisch?<br />
Pia: Ja, die haben also Vagina, Anus und mit<br />
Vibration und dann auch richtige Hän<strong>de</strong>, die<br />
teilweise auch mit Vibration <strong>aus</strong>gestattet sind,<br />
die Köpfe sind auch an<strong>de</strong>rs gearbeitet —<br />
sieht schon toll <strong>aus</strong>.<br />
Domian: Wird da oft gekauft, auch gera<strong>de</strong> in<br />
<strong>de</strong>r hohen Preisklasse?<br />
Pia: In <strong>de</strong>r hohen Preisklasse seltener, aber in<br />
<strong>de</strong>r bis 200 Mark ist es ein sehr gängiger<br />
Artikel.<br />
Domian: Ein gängiger Artikel — sind das eher<br />
junge Männer die das kaufen?<br />
Pia: Hmm, mittleres Alter.<br />
Domian: Mittleres Alters — ist ja sehr kurios,<br />
wenn man da so eine aufblasbare Puppe im<br />
260
Bett liegen hat . . .<br />
Pia: Auch diese Vaginas die es da zu kaufen<br />
gibt . . .<br />
Domian: Es gibt auch nur Vaginas zu kaufen?<br />
Pia: Richtig, Seemannsbräute nennt man das.<br />
Domian: Das ist ja schräg.<br />
Pia: Das ist äußerst schräg. Aber die sind teilweise<br />
so hochwertig und realistisch, dass<br />
man oft als Frau davorsteht und sagt: ≫Ho,<br />
na ja!≪<br />
Domian: Ich stelle mir dieses Bild vor, wenn<br />
die Männer dann nach H<strong>aus</strong>e kommen und<br />
sich mit diesem kleinen Kästchen beschäftigen<br />
und ihren Bimmel da reinstecken — das<br />
ist doch völlig schräg.<br />
Pia: Ja, aber guck doch mal, wenn ich mich<br />
jetzt als Frau mit einem Vibrator verwöhne,<br />
und ich nehme als Variante jetzt einen, <strong>de</strong>r<br />
wirklich <strong>aus</strong>sieht wie ein echter, dann habe<br />
ich da auch keinen Mann.<br />
261
Domian: Nun bist du <strong>de</strong>n ganzen Tag mit soviel<br />
Dingen umgeben, gibt es da auch irgen<strong>de</strong>inen<br />
Gegenstand, <strong>de</strong>r dich auch erotisch<br />
interessiert und scharf macht?<br />
Pia: Ja, eine Menge, natürlich.<br />
Domian: Was <strong>de</strong>nn?<br />
Pia: Ja, diese ganzen Dildos und Vibratoren.<br />
Domian: Da sch<strong>aus</strong>t du gerne hin, obwohl du<br />
es <strong>de</strong>n ganzen Tag siehst?<br />
Pia: Ja. Ich bin schon oft gefragt wor<strong>de</strong>n, ob<br />
mich das abstumpft, das ist aber sicherlich<br />
nicht <strong>de</strong>r Fall. Ich bin dann auch mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger eine Dauererektion.<br />
Domian: Das heißt es kann auch schon mal sein,<br />
dass du das neueste Mo<strong>de</strong>ll das gera<strong>de</strong> reingekommen<br />
ist, du dir mit nach H<strong>aus</strong>e nimmst?<br />
Pia: Selbstverständlich.<br />
Domian: . . . es dann auch <strong>aus</strong>probierst, um richtig<br />
beraten zu können.<br />
262
Pia: Ja, richtig.<br />
Domian: Trägst du <strong>de</strong>nn je<strong>de</strong>n Tag auch Liebeskugeln?<br />
Pia: Ja.<br />
Domian: Je<strong>de</strong>n Tag?<br />
Pia: Ja!<br />
Domian: Also das sind ja die optimalen Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />
für die Verkäuferin — o<strong>de</strong>r<br />
die Leiterin — eines Sex-Shops.<br />
Pia: Ja, selbstverständlich.<br />
Domian: Also keine Abstumpfung? Dich interessiert<br />
es nach wie vor. — Hast du einen<br />
festen Partner?<br />
Pia: Nö.<br />
Domian: Hast du schon mal jeman<strong>de</strong>n kennengelernt,<br />
mit <strong>de</strong>m du . . . — du hättest doch<br />
diesen 30-cm-Mann anbaggern können.<br />
263
Pia: Ja, er hat mich auf einen Kaffee eingela<strong>de</strong>n,<br />
aber ich habe dann die Standard-Aussage<br />
gewählt: ≫Mit Kun<strong>de</strong>n nie.≪<br />
Domian: Na ja, aber das ist doch ein interessantes<br />
Erlebnis gewesen.<br />
Pia: Na ja, ich weiß nicht ob ich 30 cm haben<br />
muß.<br />
Domian: Dann hättest du keinen Vibrator mehr<br />
gebraucht . . . Pia, das war die Frau, die ganz<br />
nah dran ist an <strong>de</strong>n gängigen Lustobjekten<br />
unserer Welt, sie arbeitet in einem Sex-Shop.<br />
Ich danke für <strong>de</strong>n Anruf, alles gute.<br />
Pia: Tschüß!<br />
264
Quellenangaben<br />
• ≫Jenseits <strong>de</strong>r Scham≪, ISBN 3-8025-1379-<br />
7, vgs, 1998<br />
• ≫Extreme Leben≪, ISBN 3-8025-1327-4, vgs,<br />
1996<br />
Die Protokolle <strong>aus</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Büchern sind<br />
offensichtlich stark gekürzte Gespräche.<br />
265
266
About<br />
Scan: Book-Keeper<br />
K-Leser: Klr<br />
Datum: 15. Juni 2003<br />
Dieses eBook ist eine nicht-kommerzielle<br />
Raubkopie. Wenn du dafür bezahlen<br />
mußtest — etwa bei eBay — dann hat man<br />
dich gelinkt.<br />
GREETINGS TO<br />
DOCGONZO-EBOOK-COMMUNITY<br />
267