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Fachhochschule Mainz University of Applied Sciences

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e.V.“ Qualitätsstandards aufgestellt und weiterentwickelt.(2)<br />

Aber: Kann, was für die eine Seite, die Partner<br />

des individuellen Bewerbers im Unternehmen,<br />

sich als Chance herausstellt, für den Bewerber<br />

selbst eine Bedrohung sein? Folgt man einigen<br />

Berichten in der umfangreichen Ratgeberliteratur,<br />

die ihr Marketing nicht nur auf Informationsbedürfnissen<br />

der Kundschaft sondern<br />

auch auf deren Ängsten aufzubauen scheint,<br />

dann darf durchaus von Bedrohung gesprochen<br />

werden.<br />

Im AC kämpft niemand nur mit sich und<br />

den Fragen, dem Verhalten, der Körpersprache<br />

seiner Interviewpartner, der Atmosphäre, der<br />

Kultur, der Klimaanlage des Unternehmens,<br />

das ihn einstellen soll. Im AC sind die kontingenten<br />

Randbedingungen, die immer bei<br />

allen Auswahlverfahren herrschen, vielfältiger,<br />

komplexer in ihrer Struktur; sie sind vorhanden<br />

und erkennbar und doch in vielfältiger<br />

Weise undurchschaubar:<br />

Da sind die Mitbewerber, insgesamt 8 bis 12<br />

Personen, alle mit ähnlichen Voraussetzungen,<br />

wenn es sich um Absolventen handelt. Und da<br />

sind die Beobachter des AC, vier, sechs oder<br />

noch mehr Personen, die alle sehr kompetent,<br />

trainiert und wenig bereit sind, sich per<br />

Mimik, Gestik oder ein freundliches Wort in<br />

die Karten schauen zu lassen.<br />

Da ist dann noch die Vielfalt der Aufgaben:<br />

Einzelaufgaben, Gruppenaufgaben, Tests, Diskussionen,<br />

Fallstudien, vieles mehr. Und die<br />

ständige Unsicherheit hinsichtlich der Beobachtungskriterien,<br />

der kommenden Aufgaben,<br />

der eigenen Performance.<br />

Während meiner AC-Praxis, als Beobachter<br />

wie als Moderator, habe ich häufig außerordentlich<br />

verunsicherte Teilnehmer gesehen<br />

wie auch sehr konzentrierte, vorbereitete und<br />

sogar trainierte Bewerber, die jedes der aktuell<br />

marktgängigen Ratgeberbücher gelesen zu<br />

haben schienen. Ein AC als besondere Herausforderung<br />

zu sehen ist durchaus berechtigt.<br />

Eine Bedrohung hingegen zu erkennen<br />

erscheint mir doch als reichlich übertrieben.<br />

Denn pr<strong>of</strong>essionell konstruierte ACs, die immer<br />

auch hinsichtlich klassischer Gütekriterien<br />

wie „konstruktive Validität“, „prädikative Validität“<br />

oder bezüglich sorgfältiger Auswahl und<br />

Schulung der Beobachter entwickelt werden,<br />

haben den Anspruch, die Teilnehmer zu ihren<br />

besten Leistungen zu führen.<br />

Jahrbuch Wirtschaftswissenschaften | FH <strong>Mainz</strong> | 2002<br />

Keinesfalls ist es Ziel pr<strong>of</strong>essioneller ACs, Bewerber<br />

aufgrund von Leistungsschwächen auszusortieren,<br />

die erst durch eine besonders „harte“<br />

AC-Konstruktion ans Licht gekommen sind.<br />

Sogenannte „Killer-ACs“ mögen ihre Berechtigung<br />

haben, wenn es um die Feststellung<br />

tatsächlich existenzieller Eigenschaften geht.<br />

Aber davon ist hier nicht die Rede. Und bei<br />

der Frage, welche von vielen Absolventen von<br />

Hochschulstudiengängen am besten geeignet<br />

sind oder welche Führungskraft auf dem Weg<br />

in den Vorstand eines Unternehmens gefördert<br />

werden muss geht es nicht darum, Wettbewerber<br />

zu verunsichern, sondern sie partnerschaftlich<br />

in einem transparenten Verfahren zu ihren<br />

besten Leistungen zu bringen.<br />

Allen Hochschulabsolventen und allen Führungskräften<br />

kann ich daher nur raten, sich<br />

auf Assessment Center-Verfahren sorgfältig<br />

vorzubereiten und sich bei entsprechenden<br />

Fachleuten beraten zu lassen.<br />

Was ist aber zu den Kosten zu sagen?<br />

ACs sind Verfahren, die in der Tat erheblich<br />

höhere Kosten verursachen als andere, konventionelle<br />

Verfahren. Dies aber auch nur,<br />

wenn man die Kosten betrachtet, die beim<br />

Verfahren selbst entstehen. Erwägt man die<br />

Kosten, die aufgrund von Fehlentscheidungen<br />

bei Auswahl oder Entwicklung entstehen<br />

könnten und schließt Abfindungen und mögliche<br />

Anwalts- und Gerichtskosten mit ein,<br />

so kommt man leicht zum Ergebnis, dass<br />

ACs eine kostengünstige und aussagekräftige<br />

Alternative sein können.<br />

Hierfür sind einige Voraussetzungen erforderlich:<br />

Das Anforderungspr<strong>of</strong>il der zu besetzenden<br />

Stelle muss ganzheitlich erfasst sein. Die<br />

Auswahlkriterien müssen unter allen Auswahlpersonen<br />

hinreichend erörtert und im Sinne<br />

eines Konsenses verabschiedet sein. Die in der<br />

einschlägigen Literatur erörterten Gütekriterien<br />

müssen bekannt, berücksichtigt und auf<br />

die Bedürfnisse des auswählenden Unternehmens<br />

angepasst sein. Die Rahmenbedingungen<br />

für die konkrete Durchführung eines AC-<br />

Verfahrens müssen geklärt und gewährleistet<br />

sein. Bei all diesen Voraussetzungen möge<br />

man sich verdeutlichen, dass wir über ein<br />

Verfahren sprechen, das insbesondere von den<br />

Bewerberinnen und Bewerbern ein hohes Maß<br />

an Vorbereitung, Ich-Stärke und Vertrauen in<br />

die Partner erfordert.<br />

| Unternehmensfocus | 63<br />

Ein Unternehmen, das sich hinsichtlich der<br />

Durchführung von ACs beraten lässt und die<br />

Durchführung auch unter dem Aspekt sieht,<br />

dass pr<strong>of</strong>essionelle Personauswahl und Personalentwicklung<br />

zur Bildung und Erhaltung<br />

eines positiven Unternehmensbildes beiträgt,<br />

wird sehr schnell den Nutzen dieses Verfahrens<br />

erkennen. Wie bei allen betrieblichen Aktivitäten<br />

gibt es auch hier Möglichkeiten der<br />

Kostenbegrenzung ohne Qualitätseinbußen.<br />

Für jeden Betriebswirt dürfte es eine interessante<br />

Aufgabe sein, einmal die Rechnung<br />

aufzumachen, die die Kosten für ein AC denen<br />

einer falschen Personalentscheidung gegenüberstellt.<br />

Fazit: Bei sorgfältiger Vorbereitung des AC<br />

überwiegen immer die Chancen. Was als Bedrohung<br />

empfunden werden könnte, sollte als<br />

die individuelle Herausforderung verstanden<br />

werden, im AC eine wichtige Aufgabe für<br />

den künftigen Arbeitgeber optimal zu lösen.<br />

Und den Kostenrechnern sei gesagt, dass ACs<br />

immer auch eine Möglichkeit sind, die Risiken<br />

teurer Investitionen mit nachhaltigen Folgen<br />

wirkungsvoll zu begrenzen.<br />

An dieser Stelle zwei kurze Berichte über eine<br />

Erfolgsgeschichte aus eigener Erfahrung: Seit<br />

Herbst 1998 finanziert das Arbeitsamt <strong>Mainz</strong><br />

bei der Steuer&Wirtschaftsakademie <strong>Mainz</strong><br />

ein Traineeprogramm für Geistes- und Sozialwissenschaftler.<br />

Vor jedem Starttermin wurden<br />

bisher mehrere ACs durchgeführt. Diesen<br />

jeweils bis zu zehnstündigen Verfahren stellten<br />

sich insgesamt ca. 250 Absolventen. Bisher<br />

haben etwa 80 Teilnehmer das Programm<br />

beendet. Etwa 95% dieser ehemaligen Programmteilnehmer<br />

sind erfolgreich im Job<br />

bei namhaften Unternehmen. Angesichts der<br />

bekannten Probleme auf dem Arbeitsmarkt für<br />

Absolventen der genannten Studiengänge ein<br />

herausragender Erfolg, der nicht zuletzt aufgrund<br />

der pr<strong>of</strong>essionellen Auswahl der Bewerber<br />

per AC erzielt wurde.<br />

Eine weitere Erfolgsgeschichte sind die ACs,<br />

die ich in Zusammenarbeit mit der MIT Multimedia-<br />

und IT-Training GmbH <strong>Mainz</strong> für<br />

die Ausbildung von Naturwissenschaftlern zu<br />

SAP-Juniorberatern durchgeführt habe. Gerade<br />

für diese Zielgruppe war die Darstellung<br />

persönlicher Kompetenzen, die in der Selbstwahrnehmung<br />

als Wissenschaftler eine eher<br />

untergeordnete Rolle spielten, eine besondere<br />

Herausforderung. Die zwei Tage dauernden<br />

ACs haben dann aber eine Traineegruppe

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