Jahrbuch Wirtschaftswissenschaften | FH <strong>Mainz</strong> | 2002 | Auslandsbeziehungen | 35
36 | Forschungsvorhaben und Projekte | Unternehmensleitbildentwicklung bei der Fa. PROCON Immobilien AG - ein Gemeinschaftsprojekt Unternehmen - Hochschule Pr<strong>of</strong>. Dr. Kurt W. Koeder, Manfred Miesel, Vorstand Finanzen, Stefan Weinz, Vorstand Vertrieb | Manfred Miesel | Fa. PROCON, Vorstand Finanzen | Stefan Weinz | Fa. PROCON, Vorstand Vertrieb | Pr<strong>of</strong>. Dr. Kurt W. Koeder | <strong>Fachhochschule</strong> <strong>Mainz</strong> Grundsätzliches zum Unternehmensleitbild und zur Leitbildentwicklung Früher war Gegenstand der Unternehmensphilosophie das unternehmerische Oberziel „Gewinnmaximierung“. Hohe Gewinne machten ein Unternehmen attraktiv für Kapitalgeber für die Beziehungsebene zu Kunden, Lieferanten und Mitarbeitern/innen. Alternative Zielsetzungen wie Liquidität, Selbständigkeit, Wachstum oder Erfolgspotenziale, Motivation und Identifikation waren lediglich Mittel der Gewinnmaximierung. Diese eindimensionale Sicht reicht heute nicht mehr aus und wird durch ein mehrdimensionales Zielsystem abgelöst, das soziale, politische, ökonomische und ökologische Zielsetzungen verbindet (vgl. Collins/Porras 1997, S.55). Gerade Mitarbeiter/ innen fordern heute stärker denn je eine Vision, für die es sich einzusetzen lohnt. Daher kommt der Entwicklung, Kommunikation und Umsetzung von Leitbildern eine große Bedeutung zu. Leitbilder verstehen wir aber nicht als die kleinen, alltäglichen Ziele, sondern die „großen Entwürfe, die das Blut in Wallung bringen“. Ins<strong>of</strong>ern ist ein Unternehmensleitbild ein konkretes Zukunftsbild, nahe genug, um die Realisierbarkeit noch zu sehen, aber schon fern genug, um die Begeisterung der Organisation, der Menschen, für eine neue Wirklichkeit zu erwecken. Ein Leitbild soll eine „realistische Utopie“ sein, d.h. der angestrebte Entwicklungspfad soll sowohl realitätsbezogen sein als auch die Möglichkeiten der Zukunft miteinbeziehen (vgl. Gausemeier/Fink 1999, S. 253 f.). In diesem Zusammenhang wird <strong>of</strong>t an den Satz von Antoine de Saint-Exupéry erinnert: „Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen Meer“. In Anlehnung an diese Darstellung und für die Umsetzung müssen visionäre Leitbilder folgende Eigenschaften erfüllen: Ein Leitbild muss klar vorstellbar, wünschenswert, anspruchsvoll, erreichbar, personenunabhängig, flexibel und kommunizierbar sein, es muss Vorstellungen darüber aufzeigen, was ein Unternehmen in Zukunft sein will und kann, ohne den Blick für die Realität zu verlieren. Bei der Entwicklung von Leitbildern werden in der betrieblichen Praxis meist zwei Ansätze verfolgt. Leitbilder können von charismatischen Führungspersönlichkeiten individuell entwickelt werden, z.B. Personen wie Henry Ford, Heinz Nixdorf oder heute Bill Gates (vgl. Bleicher, 1994, S. 106 ff.). Derartige Persönlichkeiten haben vor allem die Fähigkeit, Mitarbeitern/innen und Kunden die Identifikation mit ihren Leitbildern zu ermöglichen. Größere und realistischere Bedeutung gewinnt der zweite Ansatz. Hier entsteht ein Leitbild als Ergebnis eines kreativen und kollektiven Prozesses, in den die vielen visionären Persönlichkeiten der verschiedensten Unternehmensbereiche und Funktionen, also die Mitarbeiter/ innen sowie die Führungskräfte eingebunden sind und dies so, dass eine gemeinsame Vision entwickelt werden kann. Ein Leitbild, schriftlich und umfassend formuliert, enthält Aussagen z.B. zum Unternehmen, Unternehmenszweck, zentralen Werten, Aktivitätsfeldern und konkreten Zielen. Leitbilder sind heute in der Praxis weit verbreitet, sie zählen zu den populärsten Managementkonzepten der Gegenwart (vgl. Gausemeier/Fink 1999, S. 253 ff.). Unternehmensleitbilder sollen vorrangig nach innen, aber auch nach außen kommuniziert und gelebt werden, daher sind die Bedürfnisse, Meinungen, Ideen von Kunden, der Öffentlichkeit usw. mit einzubinden (Fremdeinschätzung), um Chancen für eine unternehmerisch-innovative Betätigung abzuleiten. Die Initiative zu einem Leitbild sollte von der Führungsspitze ausgehen, da diese auch später für die Verfolgung des Leitbildes verantwortlich zeichnet. Auf dieser Basis wurden folgende Determinanten/Adressaten/Einzelschritte für die Leitbildentwicklung der Fa. PROCON abgeleitet, die über einen Workshop, Adressatenbefragung und Marktinformationen in nachfolgend formuliertes Leitbildkonzept eingebunden wurden: - Analyse der Unternehmensentwicklung (angestrebte und erreichbare Zukunft), - Mitarbeiter/innen und Führungskräfte, - Kunden wie Seniorenzentren, Senioren, Zentrenleitungen, Kapitalgeber, - Unternehmen selbst: Organisation, Standort usw., - Markt, Marktentwicklung. Jahrbuch Wirtschaftswissenschaften | FH <strong>Mainz</strong> | 2002