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Fachhochschule Mainz University of Applied Sciences

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16 | Auslandsbeziehungen |<br />

und die Dave Matthews Band unter Vertrag<br />

haben bzw. hatten.<br />

Meine letzte Klausur im 6. Semester war für<br />

den 12. Juli angesetzt; also buchte ich für<br />

den 13. Juli von Frankfurt nach New York um<br />

am 15. Juli mein Internship zu beginnen.<br />

Jetzt brauchte ich nur noch ein Zimmer.<br />

Das mir bekannte „International House“ war<br />

bereits seit Anfang des Jahres für den Sommer<br />

ausgebucht. Nach ca. zweiwöchiger Recherche<br />

stieß ich auf ein reguläres Hotel, in dem<br />

ein Einzelzimmer 90 $ kostete, was für New<br />

Yorker Verhältnisse mehr als günstig ist.<br />

Der Geschäftsführer bot mir auf Nachfrage<br />

eine Pauschale für einen Monat an, die<br />

ich auch annahm. Glücklicherweise erreichte<br />

mich zwei Tage vor meiner Abreise die Zusage<br />

des „International House“, das mir aufgrund<br />

von Stornierungen ein Zimmer für den<br />

benötigten Zeitraum anbieten konnte. Ich<br />

entschied mich folglich für dieses Angebot,<br />

da es sich um eine Art Wohnheim handelt,<br />

das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur<br />

Columbia <strong>University</strong> befindet. Damit wohnte<br />

ich zwar bereits in Harlem, aber die Tatsache,<br />

dass während dieser Zeit 500 Leute aus über<br />

100 Nationen im „I-house“ wohnten und es<br />

dadurch nicht so anonym war, wie in einem<br />

Hotel zu logieren, ließ mich diesen Aspekt<br />

verschmerzen.<br />

Harlem ist auch nicht gleich Harlem. Ich<br />

wohnte am direkten Übergang von der Upper<br />

West Side zu West Harlem, einem Viertel in<br />

dem es einigermaßen sicher ist. Hätte ich<br />

auf der gleichen Höhe (122nd street), jedoch<br />

nicht am Broadway, sondern zwei Meilen<br />

weiter östlich in East Harlem gewohnt, hätte<br />

sich die Situation vielleicht anders dargestellt.<br />

Der multikulturelle Geist, von dem nicht<br />

nur das „I-house“ sondern eigentlich ganz<br />

New York beseelt ist, macht diese Stadt so<br />

spannend. Drei mal die Woche stand in der<br />

hausinternen Sporthalle „Soccer“ auf dem<br />

Programm. In den zwei Monaten waren diese<br />

drei Tage pro Woche Pflichttermin. Da spielte<br />

man mit Leuten aus Äthiopien, Ägypten,<br />

Argentinien, Pakistan, Russland, Frankreich,<br />

Spanien, Amerika, den Fidschi–Inseln usw.<br />

Das ganze ging trotz der kulturellen Unterschiede<br />

und dem potentiellen Konfliktpotential,<br />

welches eine körperbetonte Sportart<br />

wie Fußball liefert, weitestgehend friedlich<br />

vonstatten.<br />

Außerdem gab es jeden Tag kulturelle Veranstaltungen<br />

wie Länderabende, Tanzveranstaltungen,<br />

Filmvorführungen, Ausflüge etc.<br />

Man hätte theoretisch den ganzen Sommer<br />

im „I-house“ verbringen können, ohne dass<br />

es langweilig geworden wäre. Dieses Angebot<br />

war auch enorm wichtig für den Geldbeutel.<br />

Denn in New York kann man in den Restaurants,<br />

Bars und Clubs der Szene, an einem<br />

Abend soviel ausgeben wie in Deutschland in<br />

einer Woche. Auch das sollte man beachten,<br />

wenn man beabsichtigt dort ein Praktikum<br />

zu machen. Allein mein Zimmer (10 qm mit<br />

Bett, Schreibtisch, Schrank und Waschbecken)<br />

kostete im Monat ca. 650 $; und etwas<br />

Billigeres findet man in New York für Long-<br />

Stays nicht.<br />

Ein weiterer großer Vorteil des „I-house“<br />

ist die Kantine. Das Essen ist in Ordnung<br />

und kostet soviel wie wenn man etwa in<br />

Deutschland essen geht. Also halb so viel wie<br />

es außerhalb des „I-house“ kosten würde,<br />

wenn man sich etwas in den zahlreichen Take-<br />

Aways mitnimmt. Richtig gut essen gehen,<br />

heißt in New York richtig viel Geld mitnehmen;<br />

von daher sollte man diese Abende<br />

punktuiert einsetzen.<br />

Jedenfalls kam ich also am Freitag Mittag<br />

im „I-house“ im New Yorker „Borrough“ Manhattan,<br />

Stadtteil West Harlem an. New York<br />

besitzt fünf Borroughs. Neben Manhattan<br />

sind das Staten Island, Brooklyn, Oueens<br />

und die Bronx. Jedes Borrough teilt sich<br />

wiederum in verschiedene Viertel auf. In<br />

Manhattan z. B. Financial District, Upper<br />

West Side, TriBeCa (TRIangle BElow CAnal<br />

Street) oder auch SoHo (SOuth <strong>of</strong> HOuston<br />

Street).<br />

Das Bertelsmann Building liegt im Herzen<br />

von Manhattan, am Times Square in Midtown.<br />

Touristen wird das Gebäude nicht auffallen,<br />

da hier an diesem geschichtsträchtigen<br />

Knotenpunkt (seinen Namen hat der<br />

Times Square von dem Hauptgebäude der<br />

New York Times erhalten welches früher an<br />

der Stelle stand, an der sich der Broadway<br />

und die siebte Avenue kreuzen) so viele<br />

Leuchtkörper das Bild des Squares prägen,<br />

dass die riesige Leuchtschrift „Bertelsmann<br />

Building“ im Wirrwar der nächtlichen Lichter<br />

untergeht. Das Erdgeschoss des Gebäudes<br />

ist zum einen an den Virgin Mega Store<br />

vermietet, zum anderen befindet sich ein All<br />

Star Cafe (amerikanische Sport Restauarant<br />

Kette) in den unteren Stockwerken. Die Büros<br />

beginnen dann ab dem 8. Stockwerk und<br />

erstrecken sich bis zur 44. Etage.<br />

An meinem ersten Arbeitstag wurde ich im<br />

37. Stock des Gebäudes von meinen zukünftigen<br />

Kollegen im Strategic-Marketing-Department<br />

in Empfang genommen. Bei der Integration<br />

sind die Amerikaner sehr <strong>of</strong>fen und<br />

von daher fühlte ich mich vom ersten Tag<br />

an sehr wohl in dieser Gruppe. Trotzdem<br />

verliefen die ersten beiden Wochen in Bezug<br />

auf meinen Job ganz anders als ich sie mir<br />

zuvor vorgestellt hatte. Das liegt an dem<br />

amerikanischen „Praktikanten-System“.<br />

Der zweite Praktikant, der zur gleichen Zeit<br />

wie ich auf diesem Stockwerk war, hieß<br />

Bryant und war achtzehn Jahre alt. Praktikanten<br />

zahlen in Amerika dem Unternehmen<br />

dafür, dass sie für die Zeit zwischen High<br />

School und College tätig sein dürfen. Nach<br />

Ende des Internship werden sie von ihrem<br />

zuständigen Betreuer beurteilt und aufgrund<br />

dieser Einschätzung bekommen sie sogenannte<br />

„Credits“. Dadurch sparen sie sich dann am<br />

College ein Fach, also das wäre ungefähr so,<br />

als wenn ein Student ein dreimonatiges Praktikum<br />

in einer Wirtschaftsprüfung verbringt,<br />

die Kanzlei seine Leistung als gut einstuft<br />

und der Student dadurch im Vordiplom eine<br />

2,0 als Prüfungsleistung im Fach Rechnungswesen<br />

eingetragen bekommt, ohne in diesem<br />

Kurs eine Prüfung abgelegt zu haben.<br />

Dadurch könnte man sich die komplette<br />

Rechnungswesen Vorlesung „sparen“ (aber<br />

wer will das denn schon...). Dementsprechend<br />

ist auch das Verhalten. Ihr vorrangiges<br />

Ziel ist es nicht, Erfahrungen zu sammeln<br />

und sich neue Fähigkeiten anzueignen, sondern<br />

sich während des Praktikums besonders<br />

gut mit der beurteilenden Person zu stellen<br />

und nicht darauf Wert zu legen, welche<br />

Art von Arbeit man verrichtet bzw. welches<br />

Niveau die Praktikantenstelle hat. Deshalb<br />

war es Bryant auch relativ egal, dass er<br />

eigentlich nur Zuarbeiterjobs erledigte.<br />

Bei mir verhielt sich die Situation dagegen<br />

etwas anders. Das Praktikum war mein siebte<br />

oder achte Arbeitsstelle, und ich hatte keine<br />

Lust meine Zeit einfach nur abzusitzen. Deshalb<br />

fragte ich, nachdem sich nach der<br />

ersten Woche keine neuen Aufgaben ergeben hatten,<br />

nach etwas „more challenging“. Als sich<br />

eine Woche später immer noch kein adäquates<br />

Aufgabenfeld ergeben hatte, wandte<br />

ich mich an Christopher, meine Kontaktperson,<br />

Head <strong>of</strong> Stuff bei BMG und rechte Hand<br />

des CEO von BMG. Er hatte Verständnis für<br />

meine Situation und von diesem Zeitpunkt<br />

an, durfte ich direkt für ihn arbeiten. Nachdem<br />

ich New York schon vorher sehr genossen<br />

hatte, trug nun auch mein Job dazu bei,<br />

dass das Praktikum zu einem unvergesslichen<br />

Erlebnis wurde.<br />

Jahrbuch Wirtschaftswissenschaften | FH <strong>Mainz</strong> | 2002

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