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6 Sie arbeiten, wenn wir schlafen 34 - Mänziger Zytig

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THEMA<br />

Das Zeitungsvertragen ist ein willkommener<br />

Nebenverdienst für Memeti Memetsami.<br />

Ihm gefällt dabei, dass er in Bewegung<br />

ist und sich draussen in der frischen<br />

Luft aufhalten kann: «Natürlich ist selten<br />

jemand auf der Strasse. Aber manchmal<br />

stehen ältere Leute schon an der Tür und<br />

warten auf die Zeitung. Hie und da begegne<br />

ich Leuten, die bereits mit dem Hund<br />

unterwegs sind. Sonst sind es etwa Tiere,<br />

die über den Weg laufen: Katzen, Hasen,<br />

Rehe und Füchse.»<br />

Er bringt die Nachtschwärmer nach Hause<br />

Busfahrerinnen und -fahrer <strong>arbeiten</strong> auch nachts. Diese Dienstleistung ist für den Normalbürger eine Selbstverständlichkeit gewor-<br />

den. Die Hintergründe für das sichere Heimkommen nimmt man nicht unbedingt wahr, <strong>wenn</strong> man zuverlässig von da nach dort<br />

gefahren worden ist.<br />

— Théo Müller —<br />

Foto: Théo Müller die Briefkästen beliefert sein.»<br />

Die «mänziger zytig» sprach mit Sepp<br />

Nussbaumer, der auch auf der Linie 2 seinen<br />

Beruf ausübt.<br />

Herr Nussbaumer, wie erleben <strong>Sie</strong> Ihre<br />

Fahrgäste?<br />

Im Grossen und Ganzen sind die Fahrgäste<br />

sehr angenehm. Es gibt natürlich<br />

Ausnahmen. Zum Beispiel am Wochenende<br />

sind nach dem Ausgang dann und<br />

wann jüngere Fahrgäste auch beim Heimfahren<br />

immer noch durstig oder haben<br />

ihren MP3 zu laut eingestellt. Für mich ist<br />

dann auch erhöhte Konzentration ange-<br />

Das frühe Aufstehen macht Memeti Memetsami<br />

kaum Probleme. «Ich gehe<br />

nicht so viel in den Ausgang und mir genügen<br />

viereinhalb oder fünf Stunden<br />

Schlaf.» Viele Jahre hat der geborene ....<br />

((Tony, bitte ergänzen)), der schon seit<br />

1986 in der Schweiz und in Menzingen<br />

wohnt, auf dem Bau gearbeitet. Dann<br />

hat er ins Lagerwesen gewechselt. Zurzeit<br />

ist er arbeitslos.<br />

Sobald er wieder Arbeit findet, möchte<br />

Memeti Memetsami mit dem Zeitungsvertragen<br />

aufhören: Die Verteilfirma geht<br />

sagt. Zur Dunkelheit muss noch dichter<br />

Nebel herrschen – und ein paar Übermütige<br />

im Bus – man stelle sich das vor! Aber<br />

grundsätzlich halten sich unsere Gäste an<br />

die Regeln.<br />

Was denken <strong>Sie</strong> allgemein über den Verkehr<br />

auf der Bergstrecke?<br />

Ein Bus ist ein langes Fahrzeug, erst recht<br />

mit Anhänger, und am Berg eben nicht der<br />

Schnellste. Viele Verkehrsteilnehmer unterschätzen<br />

beim Überholen eben diese Länge.<br />

So entstehen manchmal recht heikle Situationen,<br />

vor allem nachts. Ich erlebe öfter,<br />

dass ich nach dem Talacher Richtung Zug<br />

überholt werde und am Kolinplatz ist der<br />

Überholende mein Vordermann. Was hats<br />

gebracht? Auch Fussgängerstreifen im unmittelbaren<br />

Bereich von Haltestellen sind<br />

vielfach ein Gefahrenpotential.<br />

Fahren <strong>Sie</strong> gerne nachts? Wie <strong>wir</strong>kt sich<br />

bei Ihnen der Tag-/Nacht-Rhythmus aus?<br />

Da hab ich bis heute keine Mühe damit.<br />

Es müssen die Ruhestunden eingehalten<br />

30 31<br />

April/Mai 11 mänziger zytig Nr. 71 April/Mai 11 mänziger zytig Nr. 71<br />

an die Post über, und diese bezahlt keinen<br />

13. Monatslohn mehr aus. Der Jahresverdienst<br />

sinkt dann unter 10 000 Franken.<br />

«Dann rentiert es nicht mehr: Wenn man<br />

an das frühe Aufstehen denkt, die Kosten<br />

für das Auto, den Service, die Kleider», argumentiert<br />

Memeti Memetsami.<br />

werden, bevor die nächste Schicht anfängt.<br />

Wenn die Arbeit in der Nacht beendet ist<br />

und der Bus im Menzinger Depot ruht,<br />

hab ich noch die Heimfahrt nach Alosen<br />

vor mir. Ein gesunder Schlaf ist dann der<br />

Kraftspender für die nächste Schicht und<br />

ich bin froh, dass der Wecker mich um<br />

sechs Uhr in Ruhe lässt.<br />

Natürlich ist der Nachtdienst für die Freizeit<br />

und die Familie nicht immer ideal,<br />

aber die Schichten wechseln ja nicht täglich.<br />

So kann ich auch mal Gartenarbeit<br />

einplanen, Holzen, Schnee räumen usw.<br />

Wie lange dauert Ihre Wochenarbeitszeit?<br />

Wir können wählen zwischen 42, 43 oder<br />

44 Wochenstunden mit den entsprechenden<br />

Essenspausen von mindestens einer<br />

halben Stunde am Mittag.<br />

Foto: Max Mahlstein<br />

THEMA<br />

«Das Heim ist der Wohnort des Herzens»<br />

Wenn der Abend über Menzingen hereinbricht und sich die meisten von uns auf einen gemütlichen Abend freuen, bereitet sich<br />

Yvonne Weiss auf ihre Arbeit vor. <strong>Sie</strong> arbeitet Teilzeit als Nachtwache im Wohnheim für geistig und mehrfach beeinträchtigte<br />

Menschen, der Sonnhalde in Menzingen. Zuvor war Yvonne Weiss neun Jahre in der Pflege bei der privaten Spitex tätig.<br />

Von medizinischer<br />

Hilfe bis zum<br />

Einschlaflied: Yvonne<br />

Weiss kennt die<br />

Bedürfnisse von<br />

Menschen mit<br />

Beeinträchtigung<br />

– und hat nachts<br />

mitunter alle Hände<br />

voll zu tun.<br />

— Myra Tönz —<br />

Die Stiftung Maihof Zug hat den Auftrag, Menschen<br />

mit besonderen Bedürfnissen in ihrer persönlichen<br />

Lebensgestaltung zu unterstützen und dazu passende<br />

Lebensräume anzubieten. In der Sonnhalde,<br />

die zur Stiftung gehört, werden die Bewohnerinnen<br />

mit einer Beeinträchtigung in zwei Wohngruppen zu<br />

je acht und neun Personen rund um die Uhr betreut.<br />

Yvonne Weiss ist hier während der Nacht für sie verantwortlich.<br />

Wenn sie ihren Dienst um 21 Uhr von der Tagesbetreuung<br />

übernimmt, <strong>wir</strong>d im Rapport zuerst der Tagesverlauf<br />

besprochen. Dann kann sie ihre Arbeit<br />

aufnehmen, muss entscheiden, wie sie die Prioritäten<br />

setzt. Die Zeit vor der Nachtruhe <strong>wir</strong>d von den Bewohnern<br />

individuell genutzt, sei es mit Hobbys, Spielen<br />

oder mit TV. Yvonne Weiss begleitet sie dabei und<br />

steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Danach beginnt<br />

das Abendritual.<br />

Zu den Hauptaufgaben gehören das Leisten von Hilfestellung<br />

beim Transfer Einzelner vom Rollstuhl ins<br />

Bett, die Verteilung von Medikamenten sowie individuelle<br />

Zuwendungen wie Singen oder Geschichtenerzählen<br />

vor dem Zu-Bett-Gehen.<br />

Bei einigen der Heimbewohnerinnen, die selbstständig<br />

sind und extern <strong>arbeiten</strong>, beispielsweise in der<br />

Zuwebe Inwil bei Baar oder in Hünenberg, bedarf es<br />

am Abend weniger einer Unterstützung in der Pflege.<br />

Hier geht es viel mehr um das Aufrechterhalten des<br />

sozialen Kontaktes, um Gespräche über dies und jenes.<br />

Das bedeutet für die Bewohner ein wichtiges<br />

Gefäss zur Kommunikation und ebenfalls eine Art<br />

Ritual. Auch dafür ist Yvonne Weiss während des<br />

Abends zuständig.<br />

Während der Nacht <strong>wir</strong>d die Überwachung der Bewohnerinnen<br />

und das Verabreichen von Spezialernährung<br />

zu Yvonne Weiss’ Hauptaufgabe. Einzelne Zimmer<br />

werden alle zwei Stunden kontrolliert. Eine zusätzliche<br />

Hilfe dabei ist ein elektronisches Gerät, der<br />

sogenannte «Bodyguard», der in einem Notfall Alarm<br />

schlägt. Dann können medizinische Hilfestellung während<br />

eines schweren epileptischen Anfalls, ein Entspannungstee<br />

oder ein paar beruhigende Worte erforderlich<br />

sein. Gerade in der vergangenen Vollmondnacht<br />

sei es sehr unruhig und laut gewesen. Bis die<br />

totale Nachtruhe einkehre, sei dann Mitternacht meistens<br />

längst vorbei, sagt Yvonne Weiss.<br />

Die Zeit der Nachtwache gehe schnell vorüber, denn<br />

es sei immer etwas zu tun. Ab 5 Uhr müsse für alle<br />

das Frühstück vorbereitet werden. Wenn um 6 Uhr<br />

der Wecker schrillt, verbreite sich bereits der Kaffeeduft<br />

im Haus. Um 7 Uhr gehen die extern Arbeitenden<br />

aus dem Haus. Dann ist für die Nachtwache Zeit<br />

für den Rapport, bevor sie um 7 Uhr vom Tagesdienst<br />

abgelöst <strong>wir</strong>d.<br />

Und wie beginnt der private Alltag nach der arbeitsintensiven<br />

Nacht? Ungefähr um 7.30 Uhr sei sie zu<br />

Hause. Jetzt braue sie sich zuerst einen feinen Kaffee<br />

und blättere in der Tageszeitung. Irgendwann überkomme<br />

sie dann, manchmal erst am Nachmittag, der<br />

Schlaf, dem sie liebend gerne und verdient nachgebe.

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