6 Sie arbeiten, wenn wir schlafen 34 - Mänziger Zytig
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Foto:z Vg Zuger Polizei<br />
THEMA<br />
April/Mai 11 mänziger zytig Nr. 71 28 April/Mai 11 mänziger zytig Nr. 71 29<br />
THEMA<br />
Nicht einfach warten, bis etwas passiert Nachtarbeit «klassisch»: der Bäcker-Konditor<br />
Seit 30 Jahren arbeitet Joe Müller schon bei der Zuger Polizei. Mit Nachtarbeit, die heute alle fünf Wochen auf dem Programm steht,<br />
hat er reichlich Erfahrung. Früher galt es gar, einmal in der Woche eine 12-stündige Schicht zu absolvieren.<br />
Joe Müller ist<br />
Präventionsbeauftragter<br />
der Zuger Polizei<br />
und kennt die<br />
Nachtarbeit aus<br />
eigener, langjähriger<br />
Erfahrung.<br />
— Christina Lässer —<br />
Von 72 Funktionen bei der Polizei<br />
leistet man ausschliesslich<br />
in der Schichtarbeit auch<br />
Nachtarbeit. Dies geschieht in<br />
einem regelmässigen Fünf-Wochen-Rhythmus.<br />
Man arbeitet<br />
aufbauend zuerst im Frühdienst<br />
von 5.45 bis 14.20 Uhr, dann<br />
im Spätdienst von 13.30 bis<br />
22.06 Uhr und zum Schluss im<br />
Nachtdienst von 21.20 bis<br />
6.00 Uhr, sodass sich der Körper<br />
langsam daran gewöhnen<br />
kann, auch in der Nacht aktiv<br />
zu sein.<br />
Selbstverständlich haben auch Polizistinnen und Polizisten<br />
ein Anrecht auf eine Pause, die man versucht,<br />
ungefähr in der Mitte des Nachtdienstes einzulegen.<br />
Doch <strong>wenn</strong> ein Einsatz läuft, kann man nicht einfach<br />
eine Kaffeepause einlegen. So kann es auch vorkommen,<br />
dass man nach 8,6 Stunden feststellt, dass<br />
man noch gar keine Pause hatte. Auch in der Nacht<br />
ist es wichtig, etwas zu essen, ansonsten kann es<br />
sein, dass der Körper nicht mehr zu 100 Prozent einsatzbereit<br />
ist.<br />
Bei der Zuger Polizei sind in der Nacht normalerweise<br />
zwischen 9 und 13 Personen im Dienst, darunter<br />
zwei bis drei Frauen, die genau dieselbe Arbeit wie<br />
die Männer leisten. Es herrscht also absolute Gleichberechtigung.<br />
Ein Einsatzteam besteht aus zwei Polizisten,<br />
die vom Einsatzchef eine geografische und<br />
funktionelle Zuteilung bekommen. Diese Arbeit hat<br />
auch Joe Müller als Einsatzchef mehrere Jahre ausgeführt.<br />
Wenn es keine bestimmten Einsätze gibt,<br />
also keine Ereignisse gemeldet werden, übernimmt<br />
das Team im jeweils zugeteilten Raum Kontroll- und<br />
Überwachungsaufgaben, dazu gehören zum Beispiel<br />
Fahrzeug- und Personenkontrollen, Fusspatrouillen<br />
in Quartieren oder Beobachtungen. Was so<br />
viel bedeutet, dass die Polizisten nicht einfach im<br />
Büro warten, bis etwas passiert.<br />
Neben den schwierigen und belastenden Ereignissen,<br />
die Polizisten und Polizistinnen erleben und ver-<br />
<strong>arbeiten</strong> müssen, gibt es auch immer wieder Vorkommnisse<br />
zum Schmunzeln. An ein besonders lustiges<br />
Ereignis erinnert sich Joe Müller: «Nachts um<br />
23 Uhr rief uns eine betagte Dame an, ob man ihr<br />
nicht die Storen reindrehen könne, sie sei nicht mehr<br />
im Stande dies zu tun.» Und weiter: «Belastende Ereignisse<br />
gibt es viele, doch am schlimmsten finde ich<br />
es, ausrücken zu müssen, <strong>wenn</strong> es sich um Kinder als<br />
Opfer handelt. Mit solchen Belastungen umgehen<br />
zu können, ist sehr wichtig bei der Polizei. Meist hilft<br />
es, mit einem Einsatzkollegen darüber zu sprechen.<br />
Allerdings ist es von Person zu Person verschieden,<br />
wie man damit fertig <strong>wir</strong>d.»<br />
Joe Müller findet es nicht schwieriger, nachts damit<br />
klarzukommen als tags. Was er jedoch beobachtet<br />
hat, ist, dass man bei schweren Ereignissen im ersten<br />
Moment einfach funktioniert und man erst im Nachhinein<br />
darüber nachdenkt, was geschehen ist. Wenn<br />
es nicht reicht, mit einem Kollegen zu sprechen, haben<br />
Polizistinnen und Polizisten jedoch auch Anspruch<br />
auf psychologische Hilfe. Auch die Angst ist<br />
ein ständiger Begleiter eines Polizisten. Doch auch<br />
damit lernt man umzugehen.<br />
«Ob es nun schwieriger ist, nachts zu <strong>arbeiten</strong> oder<br />
am Tag, hängt von der jeweiligen Person ab», meint<br />
Joe Müller, «doch grundsätzlich ist Nachtarbeit gegen<br />
die biologische Uhr und somit belastender. Es<br />
kann also schwieriger sein, sich nachts zu konzentrieren,<br />
je nachdem ist es auch anstrengender und<br />
belastender.»<br />
NEUES GESICHT BEI DER «mänziger zytig»<br />
Nach dem Interview mit den<br />
Jungschauspielern in der mz Nr.<br />
70 ist dies der zweite Artikel<br />
von Christina Lässer. <strong>Sie</strong><br />
besucht die zweite Sekundarschule<br />
und interessiert sich für<br />
die journalistische Arbeit.<br />
Gerne lassen <strong>wir</strong> sie bei uns<br />
erste Erfahrungen sammeln.<br />
Wir heissen Christina Lässer<br />
herzlich willkommen.<br />
Foto: Edi Häfliger<br />
Seit gut dreissig Jahren führt Josef Schwegler die Bäckerei-Konditorei in Menzingen. Alice Schwegler, seine Frau, verkauft im Laden<br />
mit viel Charme, was ihr Mann nachts in der Backstube produziert.<br />
— Edi Häfliger —<br />
In aller Herrgottsfrühe strebe ich durch die<br />
menschenleere Strasse Richtung Bäckerei<br />
Schwegler. An der Holzhäusernstrasse 4<br />
klopfe ich an und betrete die Backstube.<br />
Als Erstes fällt mir auf, dass alles blitzsauber<br />
ist, so als ob hier gar nicht gearbeitet<br />
würde. Josef Schwegler pflegt nämlich<br />
nach jedem Arbeitsgang aufzuräumen –<br />
für ihn selbstverständlich, denn Hygiene<br />
ist grossgeschrieben. Das zeigt sich auch<br />
an seiner Arbeitskleidung: ein blütenweisses<br />
T-Shirt und eine saubere Bäckerhose.<br />
Mit einem kräftigen Händedruck heisst<br />
Sepp mich willkommen.<br />
«Es bitzeli Sport und frischi Luft!»<br />
Es ist gerade Zeit fürs Herausholen der<br />
Brote aus den Tiefen des mehrlagigen<br />
Backofens. 200 Brote fasst er; ideal, um<br />
auch grosse Bestellungen abzuwickeln.<br />
Heute sind es ein paar Dutzend Laibe von<br />
unterschiedlicher Sorte und diverse andere<br />
Backwaren.<br />
Sepp holt ein Blech mit den feinen Schwegler<br />
Mandelgipfeln aus dem Ofen, bepinselt<br />
sie mit Glasur und dekoriert sie mit Mandelplättchen.<br />
Mir läuft das Wasser im<br />
Mund zusammen!<br />
Während den dreissig Jahren Berufsleben<br />
hat sich Sepp daran gewöhnt, dass er wegen<br />
der Nachtarbeit und der Sechstagewoche<br />
«von der Gesellschaft weg ist», wie er<br />
sagt, «auch weg vom Vereinsleben». Es<br />
gibt Tage, an denen sein Einsatz schon vor<br />
Mitternacht beginnt und er erst morgens<br />
nach acht aufatmen kann.<br />
«Natürlich gibts zwischendurch mal Zeit,<br />
um draussen den Sternenhimmel zu geniessen<br />
und genussvoll an einer Zigarette<br />
zu ziehen. Aber die schönste Belohnung<br />
ist für mich, <strong>wenn</strong> nach einer langen<br />
Nacht der Tag anbricht, draussen noch<br />
niemand unterwegs ist und ich die Vögel<br />
hören kann.»<br />
«Es ist heute schwierig, Mit<strong>arbeiten</strong>de für<br />
das Bäckerhandwerk zu finden. Am ehesten<br />
sind Wiedereinsteigerinnen bereit,<br />
nachts zu <strong>arbeiten</strong>. Am Morgen können<br />
sie dann immer noch rechtzeitig zu Hause<br />
sein, um ihren Familien den Frühstückstisch<br />
aufzudecken.»<br />
Dass Josef Schwegler auf seine Frau Alice<br />
zählen kann, ist für ihn ein grosses Geschenk<br />
– aus menschlicher, aber auch aus<br />
<strong>wir</strong>tschaftlicher Sicht. Zusammen geniessen<br />
sie zur Sommer- und Weihnachtszeit jeweils<br />
drei wohlverdiente Ferienwochen.<br />
«Aber», schränkt er ein, «<strong>wir</strong> müssen immer<br />
einen Teil davon opfern: für die<br />
gründliche Reinigung und für Vorbereitungs<strong>arbeiten</strong>.<br />
Das ist halt so!», meint er<br />
lakonisch.<br />
Memeti Memetsami, Zeitungsverträger, hat viel Routine: Er kennt die Briefkästen seiner rund 150 Kundinnen und Kunden und weiss<br />
genau, welche Zeitung er wo hineinlegen muss. Morgens um halb fünf ist er der erste auf den Quartierstrassen, noch vor der<br />
Schneeräumequipe.<br />
— Tony Mehr —<br />
An diesem Februarmorgen liegt frischer<br />
Schnee, als ich mich um 4.30 Uhr mit Memeti<br />
Memetsami zum Beginn seiner Tour<br />
treffe. Seit zehn Jahren verträgt er von<br />
Montag bis Samstag drei verschiedene<br />
Tageszeitungen, wöchentlich bzw. vierzehntäglich<br />
kommt je eine Illustrierte<br />
dazu. Er teilt sich die Arbeit in Menzingen<br />
mit Elsbeth Fries und betreut die Kundschaft<br />
nördlich der Hauptstrasse: von der<br />
Haldenstrasse bis zum Sonnenberg.<br />
Zuerst werden die Zeitungsbündel ausge-<br />
Foto: Tony Mehr<br />
packt. Es <strong>wir</strong>d geprüft, ob ein Abonnement<br />
gewechselt hat oder wer wegen<br />
Ferienabwesenheit keine Zeitung erhält.<br />
Dann werden die Zeitungen ins Auto verstaut<br />
und los gehts. Heute pflügt sich das<br />
Auto durch den noch nicht geräumten<br />
Schnee: An einer leichten Steigung<br />
braucht es mehrere Anläufe beim Anfahren:<br />
«Im Winter oder <strong>wenn</strong> es nass oder<br />
vereist ist, muss ich mehr Zeit einrechnen.<br />
Die Tour dauert dann statt 70 Minuten bis<br />
zu anderthalb Stunden. Um 6 Uhr müssen