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Das Verhältnis von Spiel, Liebe und Alltag im Film „Jeux d'enfants“

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4.5 <strong>Alltag</strong> als <strong>Spiel</strong>?<br />

24<br />

Wir stellen uns wieder die gleiche Frage wie bereits bei dem <strong>Verhältnis</strong> <strong>von</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong>:<br />

Kann <strong>Alltag</strong> als <strong>Spiel</strong> aufgefasst werden? Es gibt soziologische Theorien, wie zum Beispiel<br />

<strong>von</strong> Pierre Bourdieu, die den <strong>Alltag</strong> als <strong>Spiel</strong> beschreiben. Da der Begriff „<strong>Spiel</strong>“ eine breite<br />

semantische Spannweite hat, kommt es auf die Definition <strong>von</strong> „<strong>Spiel</strong>“ an, ob dies zutreffend<br />

ist, oder nicht. Bourdieu meint mit diesem Begriff vor allem das <strong>Spiel</strong> der gesellschaftlichen<br />

Klassen, die um Distinktion spielen. 30 Für den <strong>Film</strong> Jeux d’enfants sind seine Beschreibungen<br />

nicht besonders hilfreich. Sie deuten aber auf eine Interpretationsebene hin, die ich hier nur<br />

kurz erwähnen will. Sophie gehört einer anderen Gesellschaftsschicht als Julien an. Sie<br />

stammt aus einer ausländischen Familie, die in einer Sozialwohnung lebt. Julien dagegen ist<br />

ein Kind des Mittelstandes, das in einem sauberen Vorort mit freistehenden Häusern<br />

aufgewachsen ist. Sophie gehört also einer niedrigeren Schicht als Julien an. <strong>Das</strong> Wettspiel,<br />

das sich zwischen den beiden entwickelt, nivelliert diese Schichtunterschiede. Doch Sophie<br />

thematisiert ihre Herkunft <strong>im</strong>mer wieder. Inwieweit sie damit zur Zerstörung des <strong>Spiel</strong>s<br />

beiträgt, ist eine Frage, die hier ob der Begrenztheit der Arbeit keine Antwort erhalten kann.<br />

5. <strong>Das</strong> <strong>Verhältnis</strong> <strong>von</strong> <strong>Alltag</strong>, <strong>Liebe</strong> <strong>und</strong> <strong>Spiel</strong><br />

Im Folgenden soll abschließend der Versuch unternommen werden, die drei Bereiche <strong>Spiel</strong>,<br />

<strong>Liebe</strong> <strong>und</strong> <strong>Alltag</strong> zusammenzuführen.<br />

Die <strong>Liebe</strong> findet in Jeux d’enfants als Form der unerfüllten <strong>Liebe</strong> <strong>und</strong> der Amour fou statt.<br />

Der <strong>Alltag</strong> bildet dazu den Gegenpol, der alles Rationale, Vernünftige <strong>und</strong> Langweilige<br />

umfasst. <strong>Das</strong> <strong>Spiel</strong> steht zwischen diesen beiden Bereichen <strong>und</strong> ist einerseits Teil der Amour<br />

fou, andererseits Teil des <strong>Alltag</strong>s. Es deutet jedoch in Richtung Amour fou <strong>und</strong> stellt damit<br />

eine Bedrohung für den <strong>Alltag</strong> dar. Je größer der Bereich des <strong>Alltag</strong>s wird, desto extremer<br />

wird das <strong>Spiel</strong>. Julien <strong>und</strong> Sophie nehmen <strong>im</strong>mer häufiger die Nähe zum Tod in Kauf, der ein<br />

Element der Amour fou ist. Doch sie haben keine Wahl. Die Amour fou ist wie ein Virus, den<br />

beide in sich tragen <strong>und</strong> deren Symptom das <strong>Spiel</strong> ist. Auch andere Symptome für diesen<br />

Virus wären denkbar. Doch der <strong>Film</strong> Jeux d’enfants wählt das Beispiel „<strong>Spiel</strong>“, <strong>und</strong> zeigt<br />

daran, wie er die Infizierten bis in den Tod führt.<br />

30 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Frankfurt am Main, 1982, S. 389.

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