Essay Faust und Geld

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5 sinnvoll herausgestellt hat, wie selbst Mephisto abschließend zugesteht (Vgl. V.6173), denn schließlich wird so das Papier wiederum in einen tatsächlichen Wertgegenstand materialisiert. Selbst Faust kommt später im vierten Akt zu dieser Erkenntnis, wenn er sagt: „Herrschaft gewinn ich, Eigentum! / Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.“ (V.10187f.) Hier spricht aus Faust der wahre Unternehmer, der erkennt, dass Eigentum zu Macht und Reichtum verhilft, und dass man gleichzeitig – so wie es Mephisto auch im ersten Akt bereits verlangt hat – Leistung bringen muss, um zu bestehen. Und so fordert denn Faust, nachdem er mit Hilfe des Teufels den Bürgeraufstand niedergeschlagen hat, vom Kaiser ein Stück brachliegendes Land am Meer als Lohn für seine Dienste. Hier will Faust unternehmerisch tätig werden, will die Natur und ihre Kräfte gewinnbringend einsetzen. Es ist die Vision des neuen industriellen Zeitalters, die Faust hier anspricht, indem er die Naturkräfte bezwingen, und so zu Wertschöpfung ohne direkte körperliche Arbeit kommen will: „Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte: / Zwecklose Kraft unbändiger Elemente! / Da wagt mein Geist, sich selbst zu überfliegen; / Hier möchte ich kämpfen, dies möcht ich besiegen!“ (V.10218ff.) Und später argumentiert er nochmals unternehmerisch, wenn er sagt: „Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß / Erfolgt der allerschönste Preis; / Daß sich das größte Werk vollende, / genügt ein Geist für tausend Hände.“ (V.11506ff.) Es ist das redliche Schaffen, die Tüchtigkeit und der Fleiß, die zum Erfolg führen sollen. Mephisto weiß jedoch, dass Faust hier etwas blauäugig argumentiert, denn mit diesen eher hehren Vorstellungen allein erreicht man nicht das – wohlgemerkt – kapitalistische Ziel. Vielmehr weist der Teufel schon vorher auf die eigentliche Komponente im erfolgreichen Unternehmertum hin: „Man hat Gewalt, so hat man Recht. / Man fragt ums Was und nicht ums Wie!“ (V.11183f.) Und so kommt es auch, dass Faust seine Skrupel ablegt. Denn auf seinem Land lebt das Ehepaar Philemon und Baucis, deren Haus seine Expansionsvorhaben stören. „Die Alten droben sollten weichen, / Die Linden wünscht ich mir zum Sitz, / Die wenig Bäume, nicht mein eigen, / Verderben mir den Weltbesitz.“ (V.11239ff.) Hier treffen mit dem Ehepaar und Faust die alte und neue Welt allegorisch aufeinander, wobei die beiden Alten zwangsläufig als Opfer enden müssen, als ihnen von Mephisto das Dach über dem Kopf angezündet wird. Die dargestellte Brutalität verstärkt die Kritik am reduzierenden Menschenbild und an der Aufhebung alteingesessener Rechte: Die Welt der beiden Alten, die lediglich für sich selbst in Form von Subsistenzwirtschaft arbeiteten, steht dem durch Reichtum und Kapitalismus erzeugtem technischen Fortschritt und wirtschaftlichem Gewinnstreben diametral gegenüber. Für Philemon und Baucis ist in der ‚neuen’ Welt, die Faust und Mephisto erschaffen haben, so kein Platz mehr.

6 Und trotzdem erkennt Faust am Ende, was aus seinem Leben und der Welt, die er mit verändert hat, geworden ist. Er wollte wissen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ und wollte versuchen, sie besser zu machen. Stattdessen hat er aber neue Probleme geschaffen. Seine Fortschrittsphantasien, sein übertriebenes Streben nach Allwissenheit haben ihn blind für die realen Umstände seiner Lebenswelt gemacht. Und weil er dies schlussendlich erkennt, schwört er auch der Magie und den Zauberkräften ab: „Könnt ich Magie von meinem Pfad entfernen, / Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen, / Stünd ich, Natur, vor dir ein Mann allein, / Da wärs der Mühe wert, ein Mensch zu sein!“ (V.11404 ff.). Und er stellt weiter fest: „Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. / Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!“ (V. 11446f.) Sein abschließendes Bekenntnis schließlich weist nicht zurück auf die Jahre mit Mephistopheles, sondern richtet sich in die Zukunft. Und deshalb, obwohl bereits das Grab für Faust ausgehoben wird und sich der Teufel dieser Seele sicher ist, wird Faust schließlich errettet. In einer Vision sieht sich der Sterbende nun als Schöpfer einer neuen Welt, einer neuen, der liberalen und freien Gesellschaft zur Verfügung stehenden Wirtschaftsordnung: „Solch ein Gewimmel möchte ich sehn, / Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn! / Zum Augenblicke dürft ich sagen: ‚Verweile doch, du bist so schön! / Es kann die Spur von meinen Erdentagen / Nicht in Äonen untergehn.’ –“ (V.11579ff.) Und so ist es doch bemerkenswert, dass „[d]ie wirtschaftliche Tat Faust den höchsten Augenblick vermittelt [hat], den ihm die Liebe nicht zu verschaffen vermochte.“ 5 So betrachtet ist Faust II wie eingangs erwähnt ein Drama, das auch in Zeiten der Globalisierung an Aktualität nichts eingebüßt hat. Ich versichere, die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und alle von mir benutzten Hilfsmittel und Quellen angegeben zu haben. Ich bin mir bewusst, dass ein nachgewiesener Täuschungsversuch rechtliche Konsequenzen haben kann. 5 Hans Christoph Binswanger: Geld und Magie. Stuttgart 1985. S. 18.

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sinnvoll herausgestellt hat, wie selbst Mephisto abschließend zugesteht (Vgl. V.6173), denn<br />

schließlich wird so das Papier wiederum in einen tatsächlichen Wertgegenstand materialisiert.<br />

Selbst <strong>Faust</strong> kommt später im vierten Akt zu dieser Erkenntnis, wenn er sagt: „Herrschaft<br />

gewinn ich, Eigentum! / Die Tat ist alles, nichts der Ruhm.“ (V.10187f.) Hier spricht aus<br />

<strong>Faust</strong> der wahre Unternehmer, der erkennt, dass Eigentum zu Macht <strong>und</strong> Reichtum verhilft,<br />

<strong>und</strong> dass man gleichzeitig – so wie es Mephisto auch im ersten Akt bereits verlangt hat –<br />

Leistung bringen muss, um zu bestehen. Und so fordert denn <strong>Faust</strong>, nachdem er mit Hilfe des<br />

Teufels den Bürgeraufstand niedergeschlagen hat, vom Kaiser ein Stück brachliegendes Land<br />

am Meer als Lohn für seine Dienste. Hier will <strong>Faust</strong> unternehmerisch tätig werden, will die<br />

Natur <strong>und</strong> ihre Kräfte gewinnbringend einsetzen. Es ist die Vision des neuen industriellen<br />

Zeitalters, die <strong>Faust</strong> hier anspricht, indem er die Naturkräfte bezwingen, <strong>und</strong> so zu<br />

Wertschöpfung ohne direkte körperliche Arbeit kommen will: „Was zur Verzweiflung mich<br />

beängstigen könnte: / Zwecklose Kraft unbändiger Elemente! / Da wagt mein Geist, sich<br />

selbst zu überfliegen; / Hier möchte ich kämpfen, dies möcht ich besiegen!“ (V.10218ff.) Und<br />

später argumentiert er nochmals unternehmerisch, wenn er sagt: „Auf strenges Ordnen,<br />

raschen Fleiß / Erfolgt der allerschönste Preis; / Daß sich das größte Werk vollende, / genügt<br />

ein Geist für tausend Hände.“ (V.11506ff.) Es ist das redliche Schaffen, die Tüchtigkeit <strong>und</strong><br />

der Fleiß, die zum Erfolg führen sollen. Mephisto weiß jedoch, dass <strong>Faust</strong> hier etwas<br />

blauäugig argumentiert, denn mit diesen eher hehren Vorstellungen allein erreicht man nicht<br />

das – wohlgemerkt – kapitalistische Ziel. Vielmehr weist der Teufel schon vorher auf die<br />

eigentliche Komponente im erfolgreichen Unternehmertum hin: „Man hat Gewalt, so hat man<br />

Recht. / Man fragt ums Was <strong>und</strong> nicht ums Wie!“ (V.11183f.) Und so kommt es auch, dass<br />

<strong>Faust</strong> seine Skrupel ablegt. Denn auf seinem Land lebt das Ehepaar Philemon <strong>und</strong> Baucis,<br />

deren Haus seine Expansionsvorhaben stören. „Die Alten droben sollten weichen, / Die<br />

Linden wünscht ich mir zum Sitz, / Die wenig Bäume, nicht mein eigen, / Verderben mir den<br />

Weltbesitz.“ (V.11239ff.) Hier treffen mit dem Ehepaar <strong>und</strong> <strong>Faust</strong> die alte <strong>und</strong> neue Welt<br />

allegorisch aufeinander, wobei die beiden Alten zwangsläufig als Opfer enden müssen, als<br />

ihnen von Mephisto das Dach über dem Kopf angezündet wird. Die dargestellte Brutalität<br />

verstärkt die Kritik am reduzierenden Menschenbild <strong>und</strong> an der Aufhebung alteingesessener<br />

Rechte: Die Welt der beiden Alten, die lediglich für sich selbst in Form von<br />

Subsistenzwirtschaft arbeiteten, steht dem durch Reichtum <strong>und</strong> Kapitalismus erzeugtem<br />

technischen Fortschritt <strong>und</strong> wirtschaftlichem Gewinnstreben diametral gegenüber. Für<br />

Philemon <strong>und</strong> Baucis ist in der ‚neuen’ Welt, die <strong>Faust</strong> <strong>und</strong> Mephisto erschaffen haben, so<br />

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