Essay Faust und Geld

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3 einem feudalen System, natürlich nicht erschließbar ist. Der nämlich fordert ungeduldig den Narren-Teufel auf, unverzüglich die Bodenschätze zu fördern. Mephisto jedoch erwidert: „Nimm Hack und Spaten, grabe selber, / Die Bauernarbeit macht dich groß, [...] / Wie sich Verdienst und Glück verketten, / Das fällt den Toren niemals ein; / Wenn sie den Stein der Weisen hätten, / Der Weise mangelte dem Stein.“ (V.5039ff.) Mit der Referenz auf den Stein der Weisen wird hier auf den Einfluss der Alchemie, insbesondere bei der Erstellung von Gold und Reichtum, verwiesen. Wichtiger ist im Moment jedoch, dass der Teufel hier von Arbeit spricht, der Mensch aber (und dessen Wesen), dargestellt durch den Kaiser, sieht nur den schnellen und einfachen Reichtum und fordert die Schätze. Die Szene am Kaiserhof wird nun von buntem, karnevaleskem Treiben und zauberhaftem Maskenspiel unterbrochen. Hier tritt nun auch Faust auf den Plan, allerdings verkleidet in Form des Gottes Plutus, der der Gott des Reichtums, aber auch des Todes ist. Begleitet wird er vom Knaben Lenker, der die Poesie und damit den geistigen Reichtum symbolisieren soll. Beide verteilen von ihrem Wagen herab „goldne Spangen“ und „Krönchen“ (V.5585f.) sowie Perlen und Juwelen im Überfluss. „Reicher Geist und Geist des Reichtums stehen hier im Wechselspiel; auf Plutus bezogen ist Faust der Geist, der als Wissen vom Sinn und Wesen des Reichtums seiner Allegorie innewohnt.“ 1 Mephistopheles selbst zieht sich in diesem Karneval die Maske des Geizes über und bringt erneut, indem er das Gold „Wie feuchten Ton […]“ (V5782) in „einen Phallus wandelt“ 2 , die Motive Reichtum und Sexualität aus Faust I miteinander in Verbindung. Damit stehen diese drei Figuren allegorisch für die guten als auch die schlechten Auswirkungen, die Geld und Kapital auf die Gesellschaft haben wird. Im wilden Treiben entwickelt sich die Szenerie zu einem förmlichen Goldrausch: „Nun ist es Zeit, die Schätze zu entfesseln!“ (V. 5709) heizt Plutus die Menge an, die daraufhin schreit: „Seht her, seht hin! Wie’s reichlich quillt, / Die Kiste bis zum Rande füllt! - / Gefäße, goldne schmelzen sich, / Gemünzte Rollen wälzen sich. - / Dukaten hüpfen wie geprägt, / O wie mir das den Busen regt! - / Wie schau ich alle mein Begehr! / Da kollern sie am Boden her. - / Man bietets euch, benutzts nur gleich / Und bückt euch nur und werdet reich! - / Wir andern, rüstig wie der Blitz, / Wir nehmen den Koffer in Besitz.“ (V.5715ff.) Kaum ist der turbulente Mummenschanz vorbei, sehen der Kaiser und seine Berater alle Verbindlichkeiten des Landes getilgt, die Wirtschaft floriert und alle Menschen sind im Freudentaumel, denn Mephisto hat für den Kaiser das Papiergeld erfunden. „Zu wissen sei es jedem, ders begehrt: / Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. / Ihm liegt gesichert als gewisses Pfand / Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. […]“ (V.6057ff.) Hier wird nun 1 Dorothea Lohmeyer: Faust und die Welt. München 1975. S. 99. 2 Ebd. S. 100

4 deutlich, auf welcher Grundlage diese Wechsel basieren. Es ist nämlich nur ein „gewisses Pfand“, das da im Boden ruhen soll, verbunden mit der Legalisierung durch des Kaisers Unterschrift; eine äußerst dubiose Gewähr, wenn man nicht weiß, wie viel es wirklich ist. Es ist ein vorgetäuschter Reichtum, der nun – im wahrsten Wortsinne – zum Schein geworden ist. Zwar zweifelt der Kaiser kurz an der Wirksamkeit des Papiergeldes, wird aber schnell davon überzeugt, dass er damit seinem Volk zu Wohlstand verholfen hat: „So sehr michs wundert, muß ichs gelten lassen.“ (V.6085) Dennoch muss man bedenken, dass es Teufelswerk war, durch das das Papiergeld eingeführt wurde, denn es ist natürlich Zauberei beziehungsweise eine Art der Alchemie, die hier zum Tragen kam. Denn „für das eigentliche Anliegen der Alchemie im Sinne der Reichtumsvermehrung ist es ja nicht entscheiden, daß tatsächlich Blei in Gold transmutiert wird, sondern lediglich, daß sich eine wertlose Substanz in eine wertvollere verwandelt[…]“ 3 . Die Folgen und auch die Risiken dieser „Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln“ 4 , die damit verbunden sind, werden zynischerweise sogar von Mephisto erläutert: „Man wird sich nicht mit Börs und Beutel plagen, / Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen, / Mit Liebesbriefen paarts bequem sich hier. / Der Priester trägts andächtig im Brevier, / Und der Soldat, um rascher sich zu wenden, /Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden. / […] Ein solch Papier an Gold und Perlen Statt, / Ist so bequem, man weiß doch, was man hat; / Man braucht nicht erst zu markten und zu tauschen, / Kann sich nach Lust und Lieb und Wein berauschen / […] So bleibt von nun an allen Kaiserlanden / An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.“ (V.6103ff.) Es sind „Zauberblätter“ (V.6157), die nun durch des Kaisers Reich und Lande gehen. Es ist „falscher Reichtum“ (V.10245) und leichtes Geld, und damit auch leicht auszugeben, und genau so entzieht es sich der Kontrolle seiner Nutzer. „Unmöglich wärs, die Flüchtigen einzufassen; / Mit Blitzeswink zerstreute sichs im Lauf.“ (V. 6086f.). Man kann hier ohne weiteres Kritik am Papiergeld erkennen, denn es ist auf diese Art in ganz besonderer Weise natürlich der Inflation ausgesetzt. Bereits vor und zu Goethes Zeiten waren viele Menschen skeptisch, was die Einführung dieses Zahlungsmittels anging, dem als ‚fliegendes Geld’ die Aura von Hexerei anhing. Verschiedene Versuche der Papiergeldeinführung, wie beispielsweise von John Law Anfang des 18. Jahrhunderts in Frankreich, scheiterten. Ironischerweise ist es im Drama lediglich der Narr, der in dieser Szene die Folgen des Zettelgeldes hinterfragt: „Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert?“ (V.6159) Stattdessen will er lieber in Immobilien anlagen, eine Möglichkeit, die sich noch Jahrhunderte später als 3 Hans Christoph Binswanger: Geld und Magie. Stuttgart 1985. S. 21f. 4 Gabriele Hesse-Belasi: Signifikationsprozesse in Goethes ‚Faust’ Zweiter Teil. Frankfurt am Main 1992. S. 73.

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einem feudalen System, natürlich nicht erschließbar ist. Der nämlich fordert ungeduldig den<br />

Narren-Teufel auf, unverzüglich die Bodenschätze zu fördern. Mephisto jedoch erwidert:<br />

„Nimm Hack <strong>und</strong> Spaten, grabe selber, / Die Bauernarbeit macht dich groß, [...] / Wie sich<br />

Verdienst <strong>und</strong> Glück verketten, / Das fällt den Toren niemals ein; / Wenn sie den Stein der<br />

Weisen hätten, / Der Weise mangelte dem Stein.“ (V.5039ff.) Mit der Referenz auf den Stein<br />

der Weisen wird hier auf den Einfluss der Alchemie, insbesondere bei der Erstellung von<br />

Gold <strong>und</strong> Reichtum, verwiesen. Wichtiger ist im Moment jedoch, dass der Teufel hier von<br />

Arbeit spricht, der Mensch aber (<strong>und</strong> dessen Wesen), dargestellt durch den Kaiser, sieht nur<br />

den schnellen <strong>und</strong> einfachen Reichtum <strong>und</strong> fordert die Schätze.<br />

Die Szene am Kaiserhof wird nun von buntem, karnevaleskem Treiben <strong>und</strong> zauberhaftem<br />

Maskenspiel unterbrochen. Hier tritt nun auch <strong>Faust</strong> auf den Plan, allerdings verkleidet in<br />

Form des Gottes Plutus, der der Gott des Reichtums, aber auch des Todes ist. Begleitet wird<br />

er vom Knaben Lenker, der die Poesie <strong>und</strong> damit den geistigen Reichtum symbolisieren soll.<br />

Beide verteilen von ihrem Wagen herab „goldne Spangen“ <strong>und</strong> „Krönchen“ (V.5585f.) sowie<br />

Perlen <strong>und</strong> Juwelen im Überfluss. „Reicher Geist <strong>und</strong> Geist des Reichtums stehen hier im<br />

Wechselspiel; auf Plutus bezogen ist <strong>Faust</strong> der Geist, der als Wissen vom Sinn <strong>und</strong> Wesen des<br />

Reichtums seiner Allegorie innewohnt.“ 1 Mephistopheles selbst zieht sich in diesem Karneval<br />

die Maske des Geizes über <strong>und</strong> bringt erneut, indem er das Gold „Wie feuchten Ton<br />

[…]“ (V5782) in „einen Phallus wandelt“ 2 , die Motive Reichtum <strong>und</strong> Sexualität aus <strong>Faust</strong> I<br />

miteinander in Verbindung. Damit stehen diese drei Figuren allegorisch für die guten als auch<br />

die schlechten Auswirkungen, die <strong>Geld</strong> <strong>und</strong> Kapital auf die Gesellschaft haben wird. Im<br />

wilden Treiben entwickelt sich die Szenerie zu einem förmlichen Goldrausch: „Nun ist es Zeit,<br />

die Schätze zu entfesseln!“ (V. 5709) heizt Plutus die Menge an, die daraufhin schreit: „Seht<br />

her, seht hin! Wie’s reichlich quillt, / Die Kiste bis zum Rande füllt! - / Gefäße, goldne<br />

schmelzen sich, / Gemünzte Rollen wälzen sich. - / Dukaten hüpfen wie geprägt, / O wie mir<br />

das den Busen regt! - / Wie schau ich alle mein Begehr! / Da kollern sie am Boden her. - /<br />

Man bietets euch, benutzts nur gleich / Und bückt euch nur <strong>und</strong> werdet reich! - / Wir andern,<br />

rüstig wie der Blitz, / Wir nehmen den Koffer in Besitz.“ (V.5715ff.)<br />

Kaum ist der turbulente Mummenschanz vorbei, sehen der Kaiser <strong>und</strong> seine Berater alle<br />

Verbindlichkeiten des Landes getilgt, die Wirtschaft floriert <strong>und</strong> alle Menschen sind im<br />

Freudentaumel, denn Mephisto hat für den Kaiser das Papiergeld erf<strong>und</strong>en. „Zu wissen sei es<br />

jedem, ders begehrt: / Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. / Ihm liegt gesichert als<br />

gewisses Pfand / Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. […]“ (V.6057ff.) Hier wird nun<br />

1 Dorothea Lohmeyer: <strong>Faust</strong> <strong>und</strong> die Welt. München 1975. S. 99.<br />

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