Schwarzbuch Vattenfall - Greenpeace

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19.01.2013 Aufrufe

12 Schwarzbuch Vattenfall gründeten Umweltschutzverbände, die Brandenburger Grünen, Mitglieder der Linken, der Bauernbund Brandenburg und Kirchenvertreter die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“ und sammelten ab Oktober rund 27.000 Unterschriften für einen Gesetzentwurf zum schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleindustrie bis 2050 bei gleichzeitigem Verzicht auf neue Tagebaue. Im Juli 2008 lehnte der Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU und DVU den Gesetzentwurf ab. Doch die Braunkohlegegner lassen nicht locker. Im August 2008 beantragten sie beim Präsidenten des brandenburgischen Landtags ein Volksbegehren. Bis Anfang Februar 2009 müssen dafür 80.000 Unterschriften beigebracht werden. Gleichzeitig schlossen sich rund 40 Lausitzer Dörfer zu einem Netzwerk zusammen, das vor allem gegen die Umsiedlung ganzer Ortschaften antritt und die Volksinitiative ausdrücklich unterstützt. Ein gemeinsam beschlossenes Positionspapier enthält die Kernaussage: „Wer Heimat weiter antastet, ist für uns nicht mehr wählbar“. Und die Bürger und Bürgerinnen sind konsequent: Ende September 2008 traten sie mit eigenen Kandidaten zur Kreistagswahl in allen sechs Wahlkreisen des Landkreises Spree-Neiße an. In ihrem Programm „Bürger für die Lausitz – Klinger Runde“ heißt es: „Wir treten für den langsamen Ausstieg aus dem Braunkohlebergbau und die parallele Schaffung von anderen, alternativen Arbeitsplätzen in der Region ein, um der sinkenden Zahl der Arbeiter in den Kraftwerken und den Tagebauen unserer Region die gleichen Chancen zu bieten, wie den Steinkohle-Kumpeln im Ruhrgebiet seit Jahren geboten werden.“ In der betroffenen Gemeinde Grabko erreichten die Tagebau-Gegner einen Stimmenanteil von 46,6 Prozent, im Kreistag Spree-Neiße werden sie künftig mit zwei Sitzen vertreten sein. Protestdemonstration in Jänschwalde Mitte September 2008 demonstrierten rund 1000 Menschen unter dem Motto „Kohle stoppen – Klima schützen“ vor dem Kraftwerk Jänschwalde und zeigten Vattenfall symbolisch die rote Karte. Schon 2007 wurde in Brandenburg 44 Prozent des im Lande verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt. Allein die Vattenfall-Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe pusten jährlich knapp 38 Millionen Tonnen CO 2 in die Atmosphäre. Steuert die Landesregierung nicht endlich um und zieht ihre schützende Hand von der schmutzigen Braunkohletechnologie, wird sie ihr selbst gestecktes Klimaziel, den CO 2 - Austoß bis 2010 auf 53 Millionen Tonnen zu verringern, deutlich verfehlen. Greenpeace-Protest gegen Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, © Bente Stachowske/Greenpeace

Vattenfalls Zukunftspläne: Kohle ohne Ende Kein anderes Industrieland verfeuert so viel klimaschädliche Braunkohle wie Deutschland. Und kein anderes Unternehmen setzt so massiv auf die Verstromung von Braunkohle wie Vattenfall. Rund 80 Prozent seines Stroms erzeugt Vattenfall Europe aus heimischer Braunkohle. Entsprechend fußt die Zukunftsplanung vorrangig auf Kohleprojekten. Tagebau auf Kosten der Einwohner So soll die 1999 stillgelegte Braunkohleförderung im Tagebau Reichwalde nahe der Lagerstätte Nochten im Jahr 2010 wieder aufgenommen werden. Darüber hinaus plant Vattenfall, weitere 1.200 Millionen Tonnen Braunkohle in der Lausitz abzubauen. 2006 beantragte das Unternehmen die Erweiterung des Tagebaus Nochten durch Inanspruchnahme eines bereits ausgewiesenen Vorbehaltsgebietes. Die Orte Rohne, Mulkwitz und Mühlrose mit über 1000 Einwohnern sollen von der Landkarte verschwinden, Trebendorf und Schleife würden Ortsteile verlieren. 2007 stellte Vattenfall den Antrag auf Einleitung eines Braunkohleplanverfahrens für den zweiten Teil des Tagebaus Welzow Süd, 1255 Anwohner sind von Umsiedlungsvorhaben betroffen. Für Jänschwalde-Nord will Vattenfall den Antrag Ende 2008 einreichen, für die geplanten Tagebaue Spremberg-Ost und Bagenz-Ost im Jahr 2015. Damit reichen die Braunkohleförderpläne von Vattenfall weit über das Jahr 2050 hinaus. Überall in der Region bedrohen die Vattenfall-Planungen ausgewiesene Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Ausbaupläne für Kohlekraftwerke Auch Vattenfalls Kraftwerkspläne basieren weitgehend auf der Nutzung von Kohle. Geplant sind der Ausbau des Braunkohlekraftwerks Boxberg sowie der Neubau der Steinkohlekraftwerke in Hamburg-Moorburg und Berlin-Klingenberg. Boxberg in Sachsen Das Braunkohlekraftwerk Boxberg hat bereits heute eine Leistung von 1.900 Megawatt. Durch den Bau eines zusätzlichen Kraftwerksblocks sollen im Jahr 2011 weitere 675 Megawatt ans Netz gehen. Dieser geplante Block R soll mit Schwarzbuch Vattenfall 13 der Kohle aus Reichwalde befeuert werden. Mit spezifi schen CO 2 -Emissionen von 924 Gramm pro erzeugte Kilowattstunde Strom liegt die Klimaschädlichkeit mehr als doppelt so hoch wie bei einem modernen gasbetriebenen GuD-Kraftwerk. Die Inbetriebnahme von Boxberg bedeutet einen Mehrausstoß von fünf Millionen Tonnen CO 2 im Jahr. Hamburg-Moorburg In Hamburg-Moorburg plant Vattenfall als Ersatz für das über 40 Jahre alte Kombikraftwerk Wedel ein riesiges neues Steinkohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.640 Megawatt (siehe S. 14 f.). Dieser Meiler allein würde jährlich etwa 8,5 Millionen Tonnen CO 2 freisetzen – doppelt so viel wie der gesamte Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehr in Hamburg zusammen. Die gleiche Menge verursacht der gesamte Staat Bolivien in einem Jahr. Zudem soll in Moorburg nur ein geringer Teil der Wärme aus dem Kraftwerk ausgekoppelt werden. Trotz moderner Technik wird das neue Kraftwerk einen geringeren Gesamt-Wirkungsgrad haben als die Altanlage in Wedel. Klingenberg in Berlin In Berlin-Lichtenberg soll ein neues Heizkraftwerk entstehen. Die alte, mit Braunkohle befeuerte 680-MW-Anlage Klingenberg soll durch ein Steinkohlekraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung und einer Leistung von 800 MW Strom und 650 MW Wärme ersetzt werden. Es wäre das größte Kraftwerk in der Hauptstadt – und mit einem Ausstoß von 4,5 Millionen Tonnen CO 2 auch die größte Kohlendioxid- Schleuder. Widerstand regt sich nicht nur in Bürgerinitiativen, sondern auch der Senat lehnt das Projekt in dieser Form ab. In der Abscheidung und unterirdischen Lagerung von Kohlendioxid (siehe S. 16 f.) sehen Kritiker der Kraftwerkspläne keine Lösung, zumal nicht absehbar ist, ob und wann diese Technik überhaupt zur Verfügung steht. Wenn Deutschland seine Verpfl ichtungen zum Klimaschutz erfüllen will, darf es weder den Neubau von Braunkohlekraftwerken noch den überdimensionierten Ausbau von Kohlekraftwerken generell erlauben.

12 <strong>Schwarzbuch</strong> <strong>Vattenfall</strong><br />

gründeten Umweltschutzverbände, die Brandenburger<br />

Grünen, Mitglieder der Linken, der<br />

Bauernbund Brandenburg und Kirchenvertreter<br />

die Volksinitiative „Keine neuen Tagebaue“<br />

und sammelten ab Oktober rund 27.000<br />

Unterschriften für einen Gesetzentwurf zum<br />

schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohleindustrie<br />

bis 2050 bei gleichzeitigem Verzicht<br />

auf neue Tagebaue. Im Juli 2008 lehnte der<br />

Landtag mit den Stimmen von SPD, CDU<br />

und DVU den Gesetzentwurf ab. Doch die<br />

Braunkohlegegner lassen nicht locker. Im<br />

August 2008 beantragten sie beim Präsidenten<br />

des brandenburgischen Landtags ein Volksbegehren.<br />

Bis Anfang Februar 2009 müssen dafür<br />

80.000 Unterschriften beigebracht werden.<br />

Gleichzeitig schlossen sich rund 40 Lausitzer<br />

Dörfer zu einem Netzwerk zusammen, das vor<br />

allem gegen die Umsiedlung ganzer Ortschaften<br />

antritt und die Volksinitiative ausdrücklich<br />

unterstützt. Ein gemeinsam beschlossenes<br />

Positionspapier enthält die Kernaussage: „Wer<br />

Heimat weiter antastet, ist für uns nicht mehr<br />

wählbar“. Und die Bürger und Bürgerinnen<br />

sind konsequent: Ende September 2008 traten<br />

sie mit eigenen Kandidaten zur Kreistagswahl<br />

in allen sechs Wahlkreisen des Landkreises<br />

Spree-Neiße an. In ihrem Programm „Bürger<br />

für die Lausitz – Klinger Runde“ heißt es: „Wir<br />

treten für den langsamen Ausstieg aus dem<br />

Braunkohlebergbau und die parallele Schaffung<br />

von anderen, alternativen Arbeitsplätzen<br />

in der Region ein, um der sinkenden Zahl der<br />

Arbeiter in den Kraftwerken und den Tagebauen<br />

unserer Region die gleichen Chancen<br />

zu bieten, wie den Steinkohle-Kumpeln im<br />

Ruhrgebiet seit Jahren geboten werden.“ In<br />

der betroffenen Gemeinde Grabko erreichten<br />

die Tagebau-Gegner einen Stimmenanteil von<br />

46,6 Prozent, im Kreistag Spree-Neiße werden<br />

sie künftig mit zwei Sitzen vertreten sein.<br />

Protestdemonstration in<br />

Jänschwalde<br />

Mitte September 2008 demonstrierten rund<br />

1000 Menschen unter dem Motto „Kohle<br />

stoppen – Klima schützen“ vor dem Kraftwerk<br />

Jänschwalde und zeigten <strong>Vattenfall</strong> symbolisch<br />

die rote Karte. Schon 2007 wurde in Brandenburg<br />

44 Prozent des im Lande verbrauchten<br />

Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt.<br />

Allein die <strong>Vattenfall</strong>-Kraftwerke Jänschwalde<br />

und Schwarze Pumpe pusten jährlich knapp<br />

38 Millionen Tonnen CO 2 in die Atmosphäre.<br />

Steuert die Landesregierung nicht endlich<br />

um und zieht ihre schützende Hand von der<br />

schmutzigen Braunkohletechnologie, wird<br />

sie ihr selbst gestecktes Klimaziel, den CO 2 -<br />

Austoß bis 2010 auf 53 Millionen Tonnen zu<br />

verringern, deutlich verfehlen.<br />

<strong>Greenpeace</strong>-Protest gegen Braunkohlekraftwerk<br />

Jänschwalde, © Bente Stachowske/<strong>Greenpeace</strong>

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