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US Open 2010 - Chronik des Karate

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Aus einer anderen Zeit<br />

Internationales Shindo Yoshin Ryu Seminar<br />

in Dudweiler/Saar<br />

Das moderne <strong>Karate</strong> basiert auf zwei Haupteinflussquellen<br />

– dem Okinawate, also der<br />

Kampfkunst der Ryu-Kyu-Inseln und dem<br />

japanischen JiuJitsu.<br />

Der Einfluss <strong>des</strong> letzteren ist bei den heutigen <strong>Karate</strong>stilen<br />

unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Wado-<br />

Ryu-<strong>Karate</strong> werden zum Beispiel heute noch viele<br />

der komplexen Partnerübungen aus dem mittelalterlichen<br />

Japan trainiert.<br />

JiuJistu als Stil, nicht zu verwechseln mit dem<br />

modernen JuJustu, wird in Japan und Europa kaum<br />

noch praktiziert. Warum eigentlich? Um diese Frage<br />

zu beantworten muss man sich die historische Entwicklung<br />

Japans betrachten. In Japan herrschte in<br />

früheren Zeiten nicht der Kaiser, sondern das Shogunat,<br />

welches durch die Samuraiklasse repräsentiert<br />

wurde. Erst 1867 gelang es dem Kaiser seine<br />

Macht zurückzugewinnen und die Samuraiklasse zu<br />

entmachten. Das Japan der Meji-Periode öffnete<br />

sich anschließend gegenüber der restlichen Welt<br />

und veränderte die gesellschaftliche Struktur komplett.<br />

Die Kampfkunst der Samurai war das JiuJitsu,<br />

ein subtiles System welches sowohl waffenlose<br />

Techniken wie auch den Waffengebrauch beinhaltete.<br />

Die klassischen Waffen waren das Schwert (Ken)<br />

oder der Dolch (Tanto). Ein Hauptmerkmal <strong>des</strong> Jiu-<br />

Jitsus war weiterhin die Anwendung der “inneren<br />

Kraft” anstelle der äußeren Muskulatur. Gelehrt<br />

wurde diese Kampfkunst in Schulen welche den<br />

einzelnen Clans unterstanden. Viele dieser Schulen<br />

hatten eine Tradition über Jahrhunderte hinweg.<br />

Nach dem Umbruch in Japan baute man das “elitäre<br />

Kampfsystem” unter Einbeziehung <strong>des</strong> Okinawate<br />

zu gesellschaftsfähigem Sport um. Man entfernte<br />

komplizierte und gefährliche Techniken und entwickelte<br />

ein Wettkampfsystem. Die alten Schulen verloren<br />

an Bedeutung und starben nach und nach<br />

aus.<br />

Internationales Publikum beim JiuJitsu-Seminar in Dudweiler/Saar<br />

Es gibt heute nur noch ganz wenige Schulen welche<br />

überlebten und die Kampfkunst in ihrer Reinheit<br />

über Generationen hin bewahrten. Eine dieser<br />

Schulen ist das „Takamura ha Shindo Yoshin Ryu”.<br />

Es hat interessanterweise nicht in Japan überlebt,<br />

sondern in den <strong>US</strong>A. So ist auch der Kaisho, also<br />

das legitime Stilrichtungsoberhaupt ein Amerikaner,<br />

sein Name ist Tobi Threadgill. Die Aufgabe von T.<br />

Threadgill ist es nun den Stil zu erhalten und in<br />

nächste Generationen zu tragen. Er unterrichtet<br />

dabei sehr traditionell, d.h. mit viel Focus auf technische<br />

Details und äußere Form. Es geht dabei aber<br />

nicht darum möglichst viele Mitglieder zu gewinnen,<br />

vielmehr geht es ihm darum den hohen qualitativen<br />

Standard zu wahren.<br />

Tobi Threadgill (Mitte) erklärt die Details eines<br />

Hebels zur Kontrolle <strong>des</strong><br />

Gegners am Boden<br />

Saarland<br />

Die Abteilung <strong>Karate</strong> <strong>des</strong> ATV-Dudweiler organisierte<br />

am ersten Wochenende im November ein internationales<br />

JiuJitsu Seminar mit Sensei Threadgill.<br />

Hierzu reisten Gäste aus Spanien, Portugal, den<br />

Niederlanden und den <strong>US</strong>A an. Die 45-köpfige<br />

Gruppe bestand aus hochgraduierten <strong>Karate</strong>ka verschiedener<br />

Stilrichtungen, die ihren Horizont erweitern<br />

wollten. Sie gewannen tiefe Einblicke in eine<br />

Zeit Japans, in der das Überleben im Alltag die<br />

Kampfkünste dominierte. Der Referent nahm sich<br />

Länder<br />

viel Zeit um auf die Details der Techniken einzugehen.<br />

Zum einen demonstrierte er je<strong>des</strong> Mal die<br />

Machbarkeit einer Technik zum anderen thematisierte<br />

er die notwendigen Teilbewegungen welche<br />

in der Kombination zum Erfolg führen. Es war interessant<br />

zu erfahren wie wichtig die Optimierung der<br />

Körpermechanik ist. Kleine Veränderungen in den<br />

Winkeln oder der Position entscheiden über Erfolg<br />

oder Misserfolg. Gerade Körperachsen sind ebenfalls<br />

unerlässlich. Das Skelett sollte den Menschen<br />

aufrecht halten, nicht die Muskulatur, wie es in<br />

unserer heutigen Zeit leider oft der Fall ist. Nur<br />

wenn die Muskulatur keine Haltungsaufgaben übernehmen<br />

muss, steht sie uneingeschränkt für die<br />

Bewegung zur Verfügung. Ist sie entspannt können<br />

Techniken schnell und hart ausgeführt werden.<br />

Wenn man zusätzlich in der Lage ist, die innere<br />

Muskulatur zu steuern ergeben sich sehr effektive<br />

Bewegungsabläufe. Der Tenor liegt also darin die<br />

vorhandene Körperstruktur effektiv zu nutzen,<br />

zusätzlicher Muskelaufbau wie es in vielen Sportdisziplinen<br />

üblich ist, wirkt sich kontraproduktiv aus.<br />

Das Repertoire der Techniken und Partnerübungen<br />

ist beim JiuJitsu sehr vielseitig. Auf dem Trainingsplan<br />

stehen u.a.: Übungen zur Entwicklung der<br />

inneren Kraft, Würfe sowie Hebel in allen Varianten,<br />

Kontrollen und Fixierungen <strong>des</strong> Gegner am Boden,<br />

Entwaffnungen von Schwert und Messer, Schwerthandling<br />

und Partnerübungen mit dem Bokken<br />

(Holzschwert) etc. Man erkennt den Realitätsbezug<br />

dieses antiken Kampfsystems. Letztendlich entstand<br />

es zu einer Zeit als Gewalt allgegenwärtig war. Die<br />

Welt hat sich mittlerweile verändert. Nichts<strong>des</strong>totrotz<br />

macht es Spaß und Sinn sich mit der Thematik<br />

zu beschäftigen, da viele unserer <strong>Karate</strong>techniken<br />

verständlicher werden, und bei Bedarf auch realitätsbezogen<br />

trainiert werden können.<br />

Gunter Maier<br />

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