Topspin 1/2012 - Tennisbezirk Mittelhessen
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Start in die neue Saison<br />
Die Kolumne von Jörg Allmeroth<br />
Für Weihnachtsgefühle und große Silvesterfeiern<br />
blieb den meisten Tennisprofis fast gar keine<br />
Zeit. Meistens schon seit Ende November/Anfang<br />
Dezember sind sie in einer strapaziösen<br />
Saisonvorbereitung gewesen – im Countdown<br />
zu einer Spielserie, die mehr denn je vollgepackt<br />
ist mit Centre Court-Höhepunkten und die natürlich<br />
noch das Schmankerl des olympischen<br />
Medaillenkampfes auf den Grüns von Wimbledon<br />
bietet. Es wird, gerade für das Damen-<br />
Quartett um die Griesheimerin Andrea Petkovic,<br />
ein Tennis-Marathon über die Kontinente und<br />
durch die Zeitzonen – alles verdichtet auf gerade<br />
einmal zehn ereignisstarke Monate.<br />
Als Steffi Graf im vergangenen Juni zu Gast bei<br />
den Gerry Weber Open war, im ostwestfälischen<br />
Halle, ist sie gefragt worden, welchen<br />
Ratschlag sie ihren Nachnachfolgerinnen am<br />
ehesten mit auf den Weg geben würde. Die<br />
Meisterspielerin musste nicht lange überlegen:<br />
„Die Saison sorgfältig planen, sich auf ausgewählte<br />
Ziele konzentrieren. Und wann immer<br />
nötig Pausen einlegen.“ Tatsächlich wird es in<br />
den kommenden Wochen und Monaten, im<br />
schwierigen Jahr der Bestätigung der neuen<br />
Erfolge, am ehesten darauf ankommen, nicht<br />
jeder Verlockung (auch geldwerter Art) zu erliegen<br />
und weiteren sportlichen Aufstieg nicht mit<br />
aller Gewalt und allem Ehrgeiz erzwingen zu<br />
wollen. In einer Tennisära, in der Karrieren einen<br />
ganz anderen Zeithorizont haben und Erfolge<br />
auch jenseits der Dreissiger möglich sind,<br />
haben Andrea Petkovic, Julia Görges, Sabine<br />
Lisicki und Angelique Kerber eine aussichtsreiche<br />
Langzeitperspektive. Deshalb gibt es<br />
auch keinen Grund, bei unvermeidlichen Rückschlägen<br />
in Panik und Hektik auszubrechen.<br />
Gewappnet sollte der starke Frauentrupp allerdings<br />
sein, mit einer veränderten Erwartungshaltung<br />
der Öffentlichkeit und der Medien um-<br />
zugehen. Der Druck wird von den ersten Turnieren<br />
an um ein Vielfaches größer sein, aber<br />
wer letztlich in diesem gutbezahlten Beruf bestehen<br />
will, muss an solchen Herausforderungen<br />
wachsen – und darf nicht über die vorhersehbar<br />
kritischen Schlagzeilen lamentieren,<br />
die den ein oder anderen Fehlschlag begleiten<br />
werden. Erst recht wird gute Beratung nötig<br />
sein, wenn das eintritt, was eigentlich für alle<br />
Spitzenfrauen möglich ist im Jahr <strong>2012</strong>: Ein<br />
wirklich großer Coup bei einem wichtigen Turnier,<br />
bei einem Grand Slam oder gar bei den<br />
Olympischen Spielen.<br />
Dass die deutschen Herrenspieler im Schatten<br />
ihrer weiblichen Mitstreiterinnen stehen, ist keinesfalls<br />
schicksalhaft vorbestimmt. Im noch<br />
härteren Konkurrenzkampf der ATP Tour ruhen<br />
die größten Hoffnungen zunächst einmal auf<br />
dem eleganten Techniker Florian Mayer, der in<br />
der vergangenen Saison ja bereits in die Top 20<br />
aufgerückt war. Nicht wenige trauen Mayer<br />
auch bei den Topturnieren eine herausgehobene<br />
Rolle zu, den Sprung in die zweite Wettbewerbswoche<br />
bei den Grand Slams. Hinter<br />
Mayer hat sich auch Philipp Kohlschreiber neu<br />
aufgestellt, will an bessere Tennistage anknüpfen.<br />
Philipp Petzschners Augenmerk richtet sich<br />
anfangs mehr auf Doppelengagements, er will<br />
schliesslich auch bei den Olympischen Spielen<br />
im Pärchenwettbewerb an den Start gehen.<br />
Der in der Schüttler/Waske-Academy trainierende<br />
Cedrik-Marcel Stebe gilt als Mann mit<br />
enormem Potenzial, immerhin kämpfte sich<br />
der Youngster in einer starken Schlußoffensive<br />
der Saison 2011 noch klar in die Top 100 vor.<br />
Gute Chancen, sich Schlagzeilen abseits ihres<br />
Soloengagements auf der Tour zu verschaffen,<br />
haben die männlichen Profis allesamt im Davis<br />
Cup – dort wartet gleich Mitte Februar ein<br />
hartes, aber keinesfalls unlösbares Heimmatch<br />
Koumne<br />
5<br />
gegen den letztjährigen Finalisten Argentinien.<br />
Vielleicht wird dann auch der Bad Homburger<br />
Julian Lenz als Sparringspartner mit eingeladen,<br />
der Doppel-Juniorensieger der US Open<br />
hätte sich das sicher verdient.<br />
Besonders bei den deutschen Junioren wird es<br />
in Zukunft darauf ankommen, eine ähnlich<br />
schlagkräftige Perspektivgruppe wie jene herauszubilden,<br />
die einst Barbara Rittner bei den<br />
Juniorinnen unter ihren Fittichen hatte. Die besten<br />
der jungen Deutschen müssen sich auf<br />
Tagesbasis duellieren können, sich gegenseitig<br />
zu immer besseren Leistungen anstacheln.<br />
Schließlich gab es in der Vergangenheit schon<br />
zu oft Prinzen der Provinzen, die im internationalen<br />
Wertesystem dann plötzlich nur noch<br />
Bettler waren.<br />
Jörg Allmeroth<br />
(48) lebt als freier Journalist<br />
und PR-Berater<br />
in Guxhagen, südlich<br />
von Kassel. Seit 1992<br />
berichtet er ununterbrochen<br />
von allen<br />
Grand-Slam-Turnieren<br />
– für eine Gruppe von<br />
25 bundesdeutschen<br />
Tageszeitungen und<br />
Onlinediensten, zu<br />
denen u.a. „Die Welt“, die „Frankfurter Rundschau“,<br />
die „Stuttgarter Zeitung“, „Spiegel Online“<br />
und die „Berliner Morgenpost“ zählen. Allmeroth<br />
arbeitete für Magazine wie den „Stern“ und die<br />
„Bunte“, aber auch für internationale Tennismagazine<br />
wie „Smash“ (Schweiz) oder „Ace“ (England).<br />
Er gehörte knapp zehn Jahre als deutsches<br />
Mitglied der Medienkommission des Weltverbandes<br />
ITF an.<br />
Foto: J. Hasenkopf