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LAND DER GEGENSäTZE<br />
Zeitlos in Malaysia<br />
Paradoxon Zeit. Die Kuala Lumpur Zeit des ungezähmten wirtschaftlichen Aufbruchs<br />
und die Urwaldzeit, die seit Jahrtausenden stillsteht, stehen in Malaysia<br />
in strikter Opposition. Irgendwo dazwischen: unfassbar schöne Strände, immerfreundliche<br />
Menschen und ein Hauch von Exotik.<br />
Ausgangspunkt für Malaysia Reisende<br />
ist fast immer Kuala Lumpur, es<br />
sei denn man kommt aus Singapur oder<br />
Thailand, womit auch die beiden Nachbarstaaten<br />
Malaysias am Festland genannt<br />
sind. Kuala Lumpur – im Land<br />
nur kurz KL genannt – ist eine boomende<br />
Stadt mit rund 1,8 Millionen Einwohnern.<br />
Mehr Baukräne stehen derzeit<br />
wahrscheinlich nur noch in Dubai.<br />
Wolkenkratzer schießen wie Schwammerl<br />
aus dem Boden. Mit den 452 Meter<br />
hohen „Petronas Twin Towers“ steht<br />
eines der höchsten Gebäude der Welt<br />
in KL. „Trübe Flussmündung“ heißt Kuala<br />
Lumpur übersetzt. Erst 1857 zogen 87<br />
Männer von der Gegend des heutigen<br />
Klang flussaufwärts, fanden Anzeichen<br />
für Zinnvorkommen und gründeten die<br />
Stadt an der trüben Flussmündung. KL<br />
ist um einiges ruhiger als Asia-Metropolen<br />
wie Bangkok oder Ho-Chi-Minh<br />
(Saigon), aber eine durch und durch<br />
moderne Stadt. Die Regierung ist sichtlich<br />
bemüht, die Armut von den Straßen<br />
zu verbannen. Latent ist sie aber selbst<br />
in der Hauptstadt. Auch KL ist geprägt<br />
von Gegensätzen: in den unfassbar riesigen<br />
Einkaufszentren tummeln sich tief<br />
verschleierte Frauen aus den Arabischen<br />
Emiraten und kaufen weltweite Designermarken<br />
in Mengen und zu Preisen<br />
ein, dass dem Normal-Urlauber der Atem<br />
stockt. Der ultramoderne Flughafen mit<br />
der angrenzenden Formel 1 Rennstrecke<br />
Sepang ist stylish und logistisch perfektioniert.<br />
Doch viele Einheimische, vor<br />
allem die Mehrheit, die nicht zu den<br />
Eliten gehören, üben harsche Kritik am<br />
„Koste-es-was-es-wolle“-Kurs der Regierung,<br />
die dabei offenbar übersieht,<br />
dass es oft am Wesentlichen fehlt. Raus<br />
aus KL, für das drei bis vier Tage Besichtigungszeit<br />
reichen sollte, geht es mit<br />
dem Bus. Malaysias Überlandbussystem<br />
ist bestens ausgestattet, vor allem die<br />
Nachtbusse sind großzügig ausgestattet<br />
und empfehlenswert. Über die Cameron<br />
Highlands, einer wunderbaren Dschungellandschaft<br />
mit Tee-, Obst-, Gemüse-<br />
und Schnittblumenplantagen, geht es<br />
an die Ostküste. Das Ziel: die sagenumwobenen<br />
Inseln, die der Ostküste vorgelagert<br />
sind. Nach einer viel zu schnellen,<br />
heftigen und wilden Busfahrt sind<br />
wir viel zu Früh in einem kleinen Dorf<br />
südlich von Kota Baru angekommen.<br />
Genächtigt wird mangels irgendwelcher<br />
Alternativen kurzerhand bei strömenden<br />
Regen im Mini-Busbahnhof.<br />
Geweckt werden wir von herumstreunenden<br />
Katzen und Moskitos, die sich<br />
Dank „No Bite“-Spray im Sicherheitsabstand<br />
formieren aber nicht zustechen.<br />
Kein Nachteil in einem Land, wo<br />
Malaria verbreitet ist und Dengue-Fieber<br />
wütet wie nie zu vor. Wie immer und<br />
überall begegnen uns die Menschen mit<br />
viel Freundlichkeit. Die rund 23 Millionen<br />
Einwohner sind mehrheitlich Muslime,<br />
der Islam ist auch Staatsreligion,<br />
die aber (noch) sehr gemäßigt ausgeübt<br />
wird. Daneben gibt es Buddhisten, Christen,<br />
Hindus und ein gutes Dutzend weiterer<br />
Religionen, die im Vielvölkerstaat<br />
toleriert werden. Es kann losgehen. Das<br />
so genannte Schnellboot sieht aus wie<br />
eine Badewanne mit zwei 750 PS-Außenbordmotoren<br />
und fühlt sich genau<br />
so an. Die Inselgruppe Pulau Perhentian<br />
besteht aus mehreren kleinen Eilanden.<br />
Uns verschlägt es auf Pulau Perhentian<br />
Besar. Es erwarten uns einfache Hütten<br />
mitten im Urwald und ein wunderbares<br />
extra Oktober 2007<br />
Korallenriff direkt am Strand. Affen, Warane,<br />
Flughunde und tausende Fledermäuse<br />
machen das Urwald-Feeling perfekt.<br />
Hier steht die Zeit still und hat eine<br />
andere Qualität. Keine Fahrzeuge, kein<br />
TV, keine Supermärkte – no stress! Dafür<br />
Taucherlebnisse auf höchstem Niveau,<br />
Meeresschildkröten, Riffhaie, Stingrays<br />
und tausende bunte Fische gibt es bereits<br />
im seichten Wasser beim Schnorcheln.<br />
Nach einigen Tage höchst genussvoller<br />
„Robinsonade“ geht es weiter auf<br />
die Insel Tioman, laut Time Magazin eine<br />
der „zehn schönsten Inseln der Welt“.<br />
Hier geht es schon ein wenig geschäftiger<br />
zu als auf den Perhentians. Doch<br />
die Hochblüte dieser Insel ist wohl vorbei.<br />
Zwar gibt es ein wunderbares Luxus-Ressort,<br />
das alle Annehmlichkeiten<br />
inklusive Golf Platz und Top-Spa-Bereich<br />
bietet, doch viele der einfachen,<br />
romantischen und urtümlichen Plätze<br />
der Insel verschwinden langsam. Viele<br />
Unterkünfte sind aufgelassen und gammeln<br />
vor sich hin, vor allem im ehemaligen<br />
Backpacker-Paradies Air Batang.<br />
Trotz dieser kleinen Mankos ist die Insel<br />
– noch – ein kleines Paradies. Denn<br />
auch hier macht sich die Tourismusindustrie<br />
sichtbar daran, in Zukunft jeden<br />
Meter Insel zu nutzen. Das Inselinnere<br />
ist weitgehend unberührt und wird von<br />
weit über hundert Millionen Jahre alten<br />
Primärregenwald überwuchert. Dschungelwanderungen<br />
sind definitiv ein Highlight<br />
auf Tioman. Dabei findet man noch<br />
einsame Strände, an denen einem einen<br />
ganzen Tag lang kein Mensch begegnet.<br />
Man stößt auf kleine Siedlungen mit<br />
schrägen Strandbars und den wie immer<br />
freundlichen und hilfsbereiten Menschen.<br />
Das schönste an Malaysia ist neben<br />
der einzigartigen Natur mit den beeindruckenden<br />
Stränden zweifellos das<br />
zeitlose, relaxte und unaufgeregte Lebensgefühl,<br />
das man in voller Intensität<br />
inhalieren und aufsaugen kann.<br />
Kurt Kaiser