HAMBURG - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design
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8 dep o.T. Interview dep o.T. 9<br />
Kurator Christoph Metzger<br />
über die Klangkunst<br />
Bis zum 2. Juli findet die Ostseebiennale der<br />
Klangkunst 2006 statt, in der <strong>Kunst</strong>halle Rostock<br />
<strong>und</strong> ab 9. Juni auch in der St. Jacobi Kirche Strals<strong>und</strong>.<br />
Unter dem Motto „Sonoric Perspectives“<br />
werden über 40 künstlerische Positionen aus den<br />
vergangenen dreißig Jahren gezeigt. o.T. sprach<br />
mit Kurator Christoph Metzger.<br />
Herr Metzger, ein Schwerpunkt der Biennale<br />
bilden Partituren, Notationen <strong>und</strong> anderweitige<br />
Aufzeichnungen. Gibt es auch etwas zu hören?<br />
CHRISTOPH METZGER: Am Entstehen <strong>und</strong> der Entwicklung<br />
der Klangkunst haben zahlreiche Menschen<br />
mitgewirkt, Autoren, Musiker, bildende<br />
Künstler <strong>und</strong> andere. Die meisten von ihnen haben<br />
ihre Ideen von einer Klangkunst aufgeschrieben,<br />
in Zeichnungen, Skizzen oder in anderen Formen.<br />
Diese Partituren bilden eine Art Einführung<br />
in die Klangkunst. Wir zeigen sie überwiegend in<br />
der <strong>Kunst</strong>halle Rostock. Akustische Installationen<br />
gibt es vor allem in Strals<strong>und</strong>, unter anderem von<br />
Jan Peter Sontag, Brian Eno <strong>und</strong> On Kawara, zu<br />
sehen <strong>und</strong> zu hören.<br />
o.T.: Den zweiten Schwerpunkt bilden Schülerprojekte.<br />
Auch Peter Bürgel will <strong>für</strong> die kommende<br />
Documenta Schüler mit einbeziehen. Was hat sie<br />
zu dieser Kooperation veranlaßt?<br />
Deutsche FOAMGLAS ® GmbH<br />
21079 Hamburg<br />
Kaispeicher · Veritaskai 3<br />
Tel. 0 40 / 25 30 51-0<br />
Fax 0 40 / 25 30 51-20<br />
C.M.: Die <strong>Kunst</strong>halle Rostock hat eine lange Tradition<br />
in der Zusammenarbeit mit Schülern. So<br />
wurde die Idee an mich herangetragen, auch mit<br />
dieser Gruppe junger Menschen Projekte zu initiieren.<br />
Hinzu kamen Mitglieder des Blinden- <strong>und</strong><br />
Sehbehinderten Verband MV. Die Schüler haben<br />
unter anderem ihre Schulwege oder die Wege zur<br />
<strong>Kunst</strong>halle akustisch aufgenommen <strong>und</strong> entsprechend<br />
kartiert. Aussengeräusche von Stadt <strong>und</strong><br />
Natur wurden aufgenommen <strong>und</strong> modifiziert. Via<br />
Kopfhörer kann man sie in imaginären Konzertsälen<br />
hören. Was zuvor als störender Geräuschpegel<br />
wahrgenommen wurde, entfaltet sich dann polyphon.<br />
o.T.: In den großen Übersichts-Schauen wie documenta<br />
oder der Biennale Venedig ist Klangkunst<br />
bestenfalls am Rande positioniert. Wo steht die<br />
Klangkunst heute?<br />
C.M.: Ihre Pionierzeit ist mittlerweile Geschichte<br />
<strong>und</strong> seit geraumer Zeit hat sie akademische Reife<br />
<strong>und</strong> Würde erhalten. Die Klangkunst hat sich den<br />
Status einer autonomen Gattung erobert, mit einem<br />
eigenen Studiengang. Uli Eller etwa lehrt in<br />
Braunschweig. Heute arbeiten Klangkünstler an<br />
umfassenden <strong>und</strong> komplexen so<strong>und</strong>scapes. Die<br />
Arbeitstechniken haben sich erheblich verfeinert.<br />
Klangkunst erlebt der Betrachter <strong>und</strong> Zuhörer deswegen<br />
idealiter zu Anlässen, die sich ganz auf sie<br />
konzentrieren. Nach Rostock <strong>und</strong> Strals<strong>und</strong> wan-<br />
dert die Biennale übrigens weiter, unter anderem<br />
ins <strong>Kunst</strong>museum von Ystad, Schweden. | WOLF JAHN<br />
Weitere Infos unter: www.ostseebiennale.de<br />
<strong>Kunst</strong>hallen-Direktor Hubertus<br />
Gaßner über das Schöne<br />
o.T.: Ist Schönheit heute noch ein aktuelles Thema<br />
der <strong>Kunst</strong>?<br />
Ja. Zwar war die Schönheit seit dem Erhabenen<br />
<strong>und</strong> dem Schrecklich-Schönen der Frühromantik<br />
<strong>und</strong> spätestens seit Baudelaire aus der <strong>Kunst</strong> verbannt,<br />
<strong>und</strong> das Nichtschöne galt als das <strong>Kunst</strong>würdige.<br />
Aber in den 1990er Jahren wurde das Terrain<br />
zurückerobert. Bei der Ausstellung „Beauty<br />
Now“ - 2000 im Münchner Haus der <strong>Kunst</strong>, wo ich<br />
damals arbeitete - meinte die Presse zwar noch,<br />
das Thema sei völlig out. Danach aber gab es unendlich<br />
viele Ausstellungen <strong>und</strong> Publikationen.<br />
Heute habe ich dazu etwa zwei Meter Bücher.<br />
Und die kommende documenta soll auch unter<br />
dem Label „Schönheit“ laufen.<br />
o.T.: Müsste sich die <strong>Kunst</strong> angesichts des aktuellen<br />
gesellschaftlichen Beauty-Hypes nicht eher<br />
gegen das Schöne wenden?<br />
H.G.: Vermutlich ist mit der Spaß-, Event- <strong>und</strong> Lifestylewelle<br />
in der Alltagskultur ein neues Bewusstsein<br />
entstanden. Und die Künstler haben sich dessen<br />
angenommen - kritisch <strong>und</strong> affirmativ. 2000 konnten<br />
wir noch viel Kritisches etwa zum Schönheitsideal in<br />
Werbung <strong>und</strong> Chirurgie zeigen. Heute würde man in<br />
Sachen Schönheit an die doch recht gefällige neuere<br />
deutsche Malerei denken. Zwar arbeitet Neo Rauch<br />
noch subtil zwischen der Feier des Schönen <strong>und</strong> seiner<br />
Unterwanderung, seine Nachfolger aber haben<br />
diesen kritischen Impetus völlig verloren.<br />
o.T.: In München prangt jetzt das „Allianz Arena“-<br />
Signet des WM-Stadions über ihrer ehemaligen Arbeitsstätte,<br />
dem Haus der <strong>Kunst</strong>. Schön oder nicht?<br />
H.G.: Ganz unschön. Schönheit hat mit Wahrheit<br />
zu tun. Wahrscheinlich ist das Schöne das einzig<br />
Wahre, das zweifellos wahr ist. Man kann die Installation<br />
dieses Werbeträgers ironisch reflektieren,<br />
aber so ist es wohl nicht gemeint. Mit dem<br />
Schönen <strong>und</strong> Wahren hat das nichts zu tun.<br />
| KARIN SCHULTZE<br />
Vortrag von Hubertus Gaßner, Thema: „Die Aktualität<br />
des Schönen in der heutigen <strong>Kunst</strong>“ am 27.06., 19 Uhr HfbK,<br />
Lerchenfeld 2, Kleiner Hörsaal<br />
<strong>Kunst</strong> im Münzviertel<br />
Nicht nur Altona <strong>und</strong> die City Nord haben Defizite,<br />
die eine künstlerische Zwischennutzung<br />
ausgleichen soll. Auch das Münzviertel zwischen<br />
City, City Süd <strong>und</strong> Hafencity ist in den Blickpunkt<br />
der Stadtentwickler gerückt. Schon seit Jahren<br />
ist dort Günther Westphal der heimliche <strong>und</strong> unheimliche<br />
Motor hinter den künstlerischen <strong>und</strong><br />
sozialen Aktivitäten im Viertel. Seine Arbeit als<br />
ein sensibler Fotokünstler zurückstellend hat er<br />
<strong>für</strong> Juni eine ganze Reihe von <strong>Kunst</strong>aktivitäten<br />
koordiniert, die den Anspruch schon einmal vorwegnimmt,<br />
das zwischen Gleisen <strong>und</strong> Ausfallstraßen<br />
etwas abgeklemmte Viertel solle sich an die<br />
<strong>Kunst</strong>meile anschließen: Eine Bautafel von Inga<br />
Svala Thorsdottir verkündet in der Repsoldstraße<br />
das Recycling der leerstehenden Hochhäuser<br />
durch „Thor‘s Daughter‘s Pulverization Service“,<br />
Nana Petzet betreibt am Münzplatz ein „H<strong>und</strong>ekotrecycling“,<br />
auch damit die Projekte <strong>für</strong><br />
Nachbarschaftsgärten bessere Chancen haben.<br />
In Fahrradkellern sind Videos zu sehen; in Souterrains<br />
gibt es künstlerische Heimatk<strong>und</strong>e mit<br />
dem Verweis auf den Kaufherren, Senator <strong>und</strong><br />
Dichter Barthold Hinrich Brockes (1680-1747),<br />
dessen Gärten einst in der Gegend lagen. In der<br />
Münzstraße 10 begann in den 80iger Jahren Till<br />
Krause seine zur heutigen Galerie <strong>für</strong> Landschaftskunst<br />
führenden Aktivitäten. Jetzt ist dieser Raum<br />
<strong>für</strong> kurze Zeit reaktiviert, zu sehen sind Arbeiten<br />
von Achim Asslinger (and8), Katharina Kohl, Olaf<br />
Dreyer (Gartenkunst), Ando Yoo (Gartenlabor) sowie<br />
den Stadtplanern Arend Kölsch <strong>und</strong> Johannes<br />
Bouchain <strong>und</strong> natürlich Till Krause.<br />
„Rosen in die Münzstraße, Sonnenblumen in die Westerstraße<br />
<strong>und</strong> eine Gärtnerei in die Jugendwerkstatt Rosenallee 11“,<br />
Projekt-Eröffnung: 1. Juni, 19 Uhr „Die Münze“, Münzplatz 1,<br />
20097 Hamburg<br />
Innenausstattung<br />
Während die <strong>Kunst</strong> im Öffentlichen Raum gerade<br />
eine Renaissance als „Vitalisierung“ Hamburger<br />
Stadtteile belebt, befassen sich die Vordenker<br />
schon wieder mit dem genauen Gegenteil: Kerstin<br />
Stakemeier vom Museum <strong>für</strong> Gegenwartskunst in<br />
Basel <strong>und</strong> Janneke de Vries vom <strong>Kunst</strong>verein in Hamburg<br />
wollen das Verhältnis von Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />
Privatsphäre vom inneren Kern her untersuchen. In<br />
ihrem siebenteiligen Projekt „Innenausstattung“<br />
wird bis 2. Dezember ein 16 qm großes Esszimmer<br />
zur Ausstellungsfläche ohne seinen privaten<br />
Charakter zu verlieren: Ein Versuch, die Wechselwirkung<br />
von Präsentationsort <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong> zu bestimmen.<br />
3. Juni - 24. Juni: Martin Hoener – Materialien des Privaten I.<br />
Bleicherstraße 78 (1. Stock, links), Hamburg.<br />
Kenneth Anger in Bremen<br />
Insidern ist sein Name ein Begriff, Aussenstehenden<br />
die Wirkung seiner Filme: Kenneth Anger.<br />
1947 macht der damals 17jährige mit “Fireworks”<br />
auf sich aufmerksam, eine Kampfansage nicht nur<br />
an die Hollywood-Traumfabrik, sondern auch ein<br />
gewagter, sich zu Homerotik bekennender Film<br />
im prüden Amerika der vierziger Jahre. Seither hat<br />
Kennenth Anger mit seinen farbig üppigen <strong>und</strong> experimentellen<br />
Filmen Generationen von Regisseuren<br />
beeinflußt, von Martin Scorsese über David<br />
Lynch bis hin zu R. W. Fassbinder. Und Mick Jagger,<br />
heißt es, soll Kenneth Anger zu seinem Hit Sympathy<br />
for the devil angeregt haben. Seine eigene<br />
Vorliebe <strong>für</strong> das Satanische <strong>und</strong> Okkulte, <strong>für</strong> magische<br />
Rituale <strong>und</strong> heidnische Götter, ageregt durch<br />
Ober-Zaubermeister Aleister Crowley verschafft er<br />
in Filmen wie “Lucifer Rising” Raum. Und auch da<strong>für</strong><br />
steht Angers Name: durch die Verbindung von<br />
Musik <strong>und</strong> Bild Pionier des Musikvideos zu sein.<br />
Seine erste Einzelausstellung in Deutschland<br />
gewährt jetzt das Künstlerhaus Bremen Angers<br />
filmischen Oeuvre. “Pleased to meet you” zeigt<br />
mehrere Filme zwischen drei <strong>und</strong> 40 Minuten<br />
Länge aus den Jahren 1947 bis 1981. Bis 25. Juni<br />
Am Deich 68/69, 28199 Bremen, T. 0421-508598,<br />
www.kuenstlerhausbremen.de, Do 15. Juni 19.30 Uhr,<br />
Film als magisches Ritual , Vortrag von Dr. Robin Curtis,<br />
Medienwissenschaftlerin, Berlin, Eintritt frei<br />
Unerwünscht<br />
Da hat sich die Hamburger <strong>Kunst</strong>kommission<br />
unfreiwillig aufs Glatteis begeben. Ihr OK <strong>für</strong><br />
zwei gigantische Schüler-Wandmalereien an der<br />
Langen Reihe bringt jetzt Einwohner St. Georgs<br />
zur Weißglut. Sie fordern die dilletantisch, “brave<br />
Schrebergartenwandbemalung“ - u. a. zwei<br />
hochspringende, sich fast küssende Fussballspieler<br />
- nur während der WM zuzulassen <strong>und</strong> den<br />
Schülern andere Flächen zur Verfügung zu stellen.<br />
Auch be<strong>für</strong>chten sie, dass die alte, fast schon<br />
denkmalschutzwürdige Werbung des Ladens<br />
“1000 Töpfe” dabei unbemerkt verschwindet.<br />
Proteste an: Kulturbehörde/<strong>Kunst</strong>kommission –<br />
Hohe Bleichen 22, 20354 Hamburg