HAMBURG - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design
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4 o.T. Thema | Ausstellungen Ausstellungen o.T. 5<br />
<strong>HAMBURG</strong><br />
Allgegenwärtig<br />
wie ein Schatten<br />
YAEL BARTANA ZU GAST IM KUNSTVEREIN<br />
Yael Bartana | Kings of the Hill, 2003, Einkanalvideo,<br />
7’30 min., Videoprojektion, Farbe, Ton<br />
Yael Bartana | Trembling Time, 2001, Einkanalvideo-<br />
<strong>und</strong> So<strong>und</strong>installation, Farbe, Ton, So<strong>und</strong>track:<br />
Tao G. Vrhovec Sambolec<br />
Eine nächtliche Autobahn. Flutender Verkehr. Scheinwerferlicht verknüpft<br />
Fahrzeuge zum dicht dahin fließenden Strom. Der Blickpunkt ist erhöht, offenbar<br />
wurde die Kamera auf einer Brücke postiert. Diese Perspektive, zwischen<br />
Distanz <strong>und</strong> Überwachung, wird in Trembling Time (2001) durchgehalten.<br />
Der unbewegte Blick, den Yael Bartana hier vorgibt, zeigt eine Szenerie, die<br />
praktisch überall sein könnte: Hinweise auf Landschaft, Region, Autokennzeichen<br />
sind vom Dunkel geschluckt – kein Ort, bloß ein Durchgangspunkt.<br />
Dann geschieht etwas Unerwartetes: Wie auf ein geheimes Zeichen hin verlangsamt<br />
sich das Geschehen. Was man zunächst <strong>für</strong> Zeitlupeneffekte hält,<br />
scheint plötzlich real: Autos halten an, der Verkehr ruht. Türen werden geöffnet,<br />
Menschen steigen aus, bleiben neben den Fahrzeugen stehen. Doch<br />
keiner nimmt vom anderen Notiz. Nach einer Weile steigt man wieder ein,<br />
der Verkehrsfluss kommt in Gang, alles ist wie zuvor.<br />
Was ist hier passiert? Diese Frage ist als leises Befremden in allen Filmen<br />
Bartanas anwesend, verleiht ihnen schwelende Spannung. Die israelische<br />
Künstlerin, die in Tel Aviv <strong>und</strong> Amsterdam lebt, richtet den Blick auf das Verhältnis<br />
von Individuum <strong>und</strong> Gesellschaft, nähert sich dem als involvierte Außenstehende.<br />
In scheinbar nüchternem Dokumentar-Stil, der wie unmerklich<br />
subjektive Atmosphäre erzeugt, zeigt sie Menschen in Israel beim Begehen<br />
von Gedenk- <strong>und</strong> Festtagen. „Staatlich organisierte Zeremonien, militärische<br />
Feiern definieren die Tradition <strong>und</strong> prägen nationale Identität,“ so Bartana.<br />
„Mich interessiert die Dynamik des Staates, der eine bestimmte Anschauung<br />
diktiert, <strong>und</strong> des Individuums, das sich zu ihr bekennt.“ Trembling Time<br />
etwa wurde in Tel Aviv am Gedenktag <strong>für</strong> Gefallene der israelischen Kriege<br />
gedreht. Beim Ertönen der Sirenen kommt der Verkehr <strong>für</strong> eine Schweigeminute<br />
zum Erliegen. Bartanas Filme nehmen einen beobachtenden, stets<br />
aufs Persönliche gerichteten Blickwinkel ein. Sie zeigen Individuen, die – ob<br />
ausgelassen feiernd oder in schweigendem Gedenken – in ihren Ritualen aufgehoben<br />
sind. Gespenstisch, allgegenwärtig wie ein Schatten, offenbart sich<br />
darin auch die Lenkungskraft gesellschaftlicher Machtgefüge. | JENS ASTHOFF<br />
Yael Bartana: Video- <strong>und</strong> Fotoarbeiten, <strong>Kunst</strong>verein in Hamburg, Klosterwall 23,<br />
20095 Hamburg. Eröffnung: Donnerstag, 8.6., 19 Uhr; Ausstellung vom 9.6.– 3.9.<br />
<strong>HAMBURG</strong><br />
Surreale Selbstreflexion<br />
FRIDA KAHLO IM BUCERIUS KUNST FORUM<br />
Großes Leid, aber auch große Kraft <strong>und</strong> Leidenschaft prägten das Leben<br />
von Frida Kahlo (1907-1954). Immer wieder hat die legendäre mexikanische<br />
Malerin, Tochter eines deutschen Einwanderers <strong>und</strong> einer Mexikanerin, ihre<br />
eigene Lebenswirklichkeit in eindringlichen, geheimnisvoll-vielschichtigen<br />
Selbstporträts festgehalten. Als Konstanten ziehen sich darin ihr intensiver<br />
Blick unter dramatisch geschwungenen Augenbrauen, die traumlogische<br />
Verschränkung von Zeiten <strong>und</strong> Orten sowie die Einbeziehung traditioneller<br />
Attribute ihres Heimatlands hindurch. Zwei zentrale Momente bestimmten<br />
ihre Existenz ebenso wie ihr Schaffen: jener schwere Verkehrsunfall als 18jährige,<br />
der ihre körperliche Verfassung nachhaltig beeinträchtigte, aber auch<br />
dazu führte, dass sie überhaupt zu malen begann. Und die von extremen<br />
Höhen <strong>und</strong> Tiefen durchsetzte Liebe zu dem berühmten Protagonisten der<br />
mexikanischen Wandmalerei Diego Rivera, den sie 1929 heiratete <strong>und</strong> mit<br />
dem sie bis zu ihrem frühen Tod<br />
eng verb<strong>und</strong>en blieb. Bis heute<br />
hält die Faszination Frida Kahlos<br />
an, die nach einer Galerieschau<br />
in Paris 1939 als erste Vertreterin<br />
der mexikanischen <strong>Kunst</strong> des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts in die Sammlung<br />
des Pariser Louvre aufgenommen<br />
<strong>und</strong> vor wenigen Jahren als Heldin<br />
des erfolgreichen Hollywood-<br />
Films mit Salma Hayek in der<br />
Hauptrolle von einem breiten Publikum<br />
(wieder-)entdeckt wurde.<br />
Frida Kahlo | Henry Ford Hospital, 1932<br />
Museo Dolores Olmedo Patiño, Xochimilco, Mexiko<br />
<strong>Das</strong> Hamburger Bucerius <strong>Kunst</strong> Forum widmet der mexikanischen Malerin<br />
jetzt eine große Übersichtsausstellung mit 34 Gemälden, Zeichnungen<br />
<strong>und</strong> Aquarellen aus allen Phasen ihres Œuvres, das nach über zehn Jahren<br />
erstmals wieder in Deutschland präsentiert wird. Überwiegend entstammen<br />
die Leihgaben der Sammlung Dolores Olmedo Patiño, dem größten<br />
Privatkonvolut von Werken der Künstlerin. <strong>Das</strong> Ausstellungskonzept von<br />
Ortrud Westheider, Künstlerische Leiterin des Bucerius <strong>Kunst</strong> Forums,<br />
wirft Licht auf die Verknüpfungen zwischen den ästhetischen Ansätzen<br />
Frida Kahlos <strong>und</strong> den europäischen Avantgarde-Strömungen in der ersten<br />
Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Im Gegensatz zu der gängigen These, dass<br />
die Malerin eine völlig losgelöste Form surrealer <strong>und</strong> phantastisch-realistischer<br />
Darstellung praktiziert habe, bettet die Schau ihr Schaffen in ein<br />
kontextuelles Netzwerk ein, das Surrealismus, Dadaismus, Pittura Metafisica<br />
<strong>und</strong> Neue Sachlichkeit umspannt. R<strong>und</strong> zwanzig Werke unter anderem<br />
von Max Beckmann, Giorgio de Chirico, Max Ernst, René Magritte, Meret<br />
Oppenheim <strong>und</strong> Christian Schad belegen die Verbindung Frida Kahlos zum<br />
internationalen <strong>Kunst</strong>geschehen ihrer Zeit. (15. Juni bis 17. September)<br />
| BELINDA GRACE GARDNER<br />
Bucerius <strong>Kunst</strong> Forum, Rathausmarkt 2, 20095 Hamburg, T. 36 09 96-0,<br />
www.buceriuskunstforum.de<br />
FOTOS:1. KUNSTVEREIN <strong>HAMBURG</strong>, 2. © 2006 BANCO DE MÉXICO, DIEGO RIVERA & FRIDA KAHLO MUSEUMS TRUST<br />
FOTOS: 1. © VG BILD-KUNST BONN, 2006 © PETIT PALAIS-MUSÉE D`ART MODERNE - GENÉVE, FOTO: STUDIO MONIQUE BERNAZ, GENÉVE<br />
<strong>HAMBURG</strong><br />
Marseille zu Gast<br />
DIE KUNSTHALLE ZEIGT<br />
BILDER AUS DER<br />
SÜDFRANZÖSISCHEN<br />
HAFENSTADT<br />
Weg von der Hochkunst, der <strong>Kunst</strong> der<br />
Städte <strong>und</strong> der <strong>Kunst</strong> der Zentren. <strong>Das</strong><br />
19. Jahrh<strong>und</strong>ert war reich an Künsten,<br />
die sich wieder auf Originäres besannen.<br />
In der Religion wie in der Region.<br />
Auch in Marseille, wo eine Bewegung<br />
um den Literaten Frédéric Mistral im Bodenständigen <strong>und</strong> im Hinterland, in<br />
der Pflege der eigenen Sprache <strong>und</strong> im einfachen Volk eine erneuernde Kraft<br />
lokalisierte. In der bildenden <strong>Kunst</strong> war es hier Emile Loubon vorbehalten,<br />
den Blick jenseits der Hochkunst auf dieses Salz der Erde zu richten. Einige<br />
seiner Werke gehören mit zur Ausstellung „Marseille zu Gast“ in der Hamburger<br />
<strong>Kunst</strong>halle. Sie zeigt <strong>Kunst</strong> aus zwei Jahrh<strong>und</strong>erten, von ca. 1750 bis<br />
in die erste Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Überwiegend stammt sie aus zwei<br />
bedeutenden Museen von Hamburgs südfranzösischer Partnerstadt, dem<br />
Musée des Beaux-Arts <strong>und</strong> dem Musée Cantini.<br />
„Die Schule von Loubon“, wie die Künstler aus dem Umfeld von Emile Loubon<br />
später bezeichnet wurden, markiert einen ganzen Zweig innerhalb der<br />
Schau. Doch setzt sie weitaus früher an, unter anderem mit einer Hafenansicht<br />
von Jean-Joseph Kapeller, einem Maler in der Tradition des Hafen- <strong>und</strong><br />
Seestückemalers Claude-Joseph Vernet. Chronologisch setzt sich die Schau<br />
über frühe Romantiker, den sich abzeichnenden Impressionismus, Paul Signac,<br />
Vetretern der Fauves wie Raoul Dufy oder Andre Derain fort <strong>und</strong> endet<br />
mit einem ganz der Fotografie vorbehaltenen Kapitel. Man Ray oder Germaine<br />
Krull sind hier die großen Namen. Überwiegend zeigt die Schau Motive<br />
aus <strong>und</strong> um Marseille, den Hafen, den Vorort L‘Estaque, den auch Cezanne<br />
jahrelang aufsuchte, die Provence, die Veränderung der Landschaft im Zuge<br />
von Industrialisierung <strong>und</strong> aufkommenden Tourismus oder eine imposante,<br />
1944 abgetragene Schwebebrücke, den Pont Transbordeur. Darin eingebettet<br />
sind zahlreiche Bezüge von teilweise prominenten Künstlern untereinander,<br />
so etwa in den pastosen Arbeiten von Adolphe Monticelli, auf dessen<br />
Gelb angeblich van Gogh aufmerksam wurde. Begleitet wird die Schau<br />
(16. Juni - 17. September) von einem umfangreichen Rahmenprogramm.<br />
| WOLF JAHN<br />
<strong>Kunst</strong>halle, Glockengießerwall, 20095 Hamburg, T. 428131200, www.hamburger-kunsthalle.de<br />
<strong>HAMBURG</strong><br />
Multimedialer Aktionist<br />
PETER WEIBEL BEI PHOENIX ART<br />
Raoul Dufy | Le marché à Marseille, 1903,<br />
Öl auf Leinwand<br />
Er hat sich als Medienkünstler <strong>und</strong> -theoretiker gleichermaßen einen Namen<br />
gemacht: Peter Weibel, 1944 in Odessa geboren <strong>und</strong> in Österreich aufge-<br />
wachsen, ist ein Experimentator mit Hang zur Grenzaufhebung. Er hat unter<br />
anderem Komparatistik, Medizin <strong>und</strong> mathematische Logik studiert, ist<br />
erweiterten Formen des Films nachgegangen, hat sich mit Sprache im gesellschaftlichen<br />
System beschäftigt <strong>und</strong> visuelle Kommunikation im Kontext<br />
ihrer Fernseh- <strong>und</strong> Computeraufbereitung untersucht, sich als Musiker <strong>und</strong><br />
Mitbegründer einer Band hervorgetan, sich als Hochschullehrer <strong>und</strong> Kurator<br />
profiliert <strong>und</strong> zahlreiche Schriften publiziert. Ein kreativer Ausgangspunkt<br />
seiner genre- <strong>und</strong> medienübergreifenden Praxis ist die Gruppe der Wiener<br />
Aktionisten, als deren Namensgeber er fungierte <strong>und</strong> an deren Spätphase<br />
1967-68 er sich als ästhetisch-politischer Agitator beteiligte.<br />
Eine Schau mit dem Titel „<strong>Das</strong> offene Werk 1964-1979“ gastiert jetzt in der<br />
Phoenix Kulturstiftung/Sammlung Falckenberg Hamburg-Harburg, gewidmet<br />
dem frühen Schaffen Weibels. Kuratoren der Wanderausstellung (erste<br />
Station: Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum) sind Günther Holler-Schuster<br />
<strong>und</strong> Peter Peer. Insgesamt dreih<strong>und</strong>ert Arbeiten des vielsträngig<br />
operierenden Künstler-Theoretikers, Leiter zudem des renommierten<br />
Zentrums <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> Medientechnologie in Karlsruhe, sind darin vereint.<br />
Für den Hamburger Sammler <strong>und</strong> Hausherrn der Schau Harald Falckenberg<br />
ist die Weibel-Präsentation „eine konsequente Fortsetzung“ seiner Fokussierung<br />
des Wiener Aktionismus, dessen zentraler Protagonist Otto Mühl im<br />
vergangenen Jahr mit einer Retrospektive bei Phoenix Art vertreten war.<br />
Peter Weibel | Fotoarbeit, 1971<br />
Falckenberg bezeichnet<br />
Weibel<br />
als „einen der großen<br />
Promoter des<br />
Happenings“ <strong>und</strong><br />
anderer performativer<br />
Ansätze, die<br />
mit einem „Ausstieg<br />
aus der Repräsentationskunst“<br />
einhergingen. So<br />
erfand Weibel einige<br />
Jahre vor seinem<br />
österreichischen<br />
Kollegen Franz West die sogenannten „Pass-Stücke“, die als körperliche Erweiterung<br />
den Menschen selbst zum Teil einer Skulptur werden lassen. Auf<br />
burleske Weise sozialkritisch geht es in einer Fotoarbeit von 1971 zu, in der ein<br />
Plakat mit der Aufschrift „lügt“ kommentierend unter dem „Polizei“-Schild<br />
einer Wiener Wache hochgehalten wird. Ein „Selbstportrait als Anonymus“<br />
zeigt die dreiphasige Entwicklung eines schwarzen Balkens, der zunächst das<br />
Antlitz nur partiell bedeckt <strong>und</strong> zum Schluss dann gänzlich verdeckt. Humor<br />
<strong>und</strong> Hintersinn spielen in Weibels aktionistischen, teils in Kooperation mit<br />
anderen Künstlerpersönlichkeiten (etwa Valie Export) entstandenen Arbeiten<br />
eine durchgängige Rolle – Aushebelung des „Betriebssystems <strong>Kunst</strong>“ inklusive.<br />
Eröffnung: 10. Juni, bis 3. September | BELINDA GRACE GARDNER<br />
Phoenix Art/Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Str. 71, Tor 2, 21073 Hamburg-Harburg,<br />
Besichtigung nur nach tel. Anmeldung, T. 32 50 67 62,<br />
Zur Ausstellung veranstaltet das Hamburger Metropolis Kino am 22. Juni ab 19 Uhr eine Peter-<br />
Weibel-Filmnacht mit experimentellen Filmen, konzeptionellen Videos, Spielfilmen, Werbe- <strong>und</strong><br />
Musikclips in Anwesenheit des Künstlers sowie des Sammlers Harald Falckenberg. Zeitgleich<br />
läuft bei Phoenix Art die Schau “The Palace at 4 A.M.” mit einer Videoinstallation des amerikanischen<br />
Künstlers Jon Kessler.