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HAMBURG - Das Magazin für Kunst, Architektur und Design

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Sigrun<br />

2 o.T. Thema Jakubaschke |<br />

Thema o.T. 3<br />

Eine Komposition<br />

aus Strichen <strong>und</strong> Kreisen<br />

LUDWIG SEYFARTH ÜBER DIE SCHWIERIGE KUNST DEM FUSSBALL MIT DER KUNST BEIKOMMEN ZU WOLLEN<br />

„Der Fußballwahn ist eine Krank / heit aber selten Gott sei Dank“ dichtete<br />

Joachim Ringelnatz Anfang der 1920er Jahre: großartige, aber längst nicht<br />

mehr aktuelle Zeilen. Von Seltenheit kann heute keine Rede sein, erst recht<br />

nicht angesichts des kollektiven Wahns in Hinblick auf die WM 2006. Sollte<br />

es Hamburgerinnen oder Hamburger gegeben haben, die tatsächlich noch<br />

keinen müden Gedanken an das Sportereignis des Jahrh<strong>und</strong>erts verschwendet<br />

hatten: Spätestens die neonblau leuchtenden Tore des Lichtkünstlers<br />

Michael Batz, von denen fast h<strong>und</strong>ert in verschiedener<br />

Größe das Stadtbild krönen, machen jedes<br />

Entrinnen unmöglich: Wer die Fußball-WM<br />

nicht miterleben <strong>und</strong> auch nicht ständig<br />

auf sie aufmerksam gemacht werden<br />

will (Wir erreichen den Fifa-WM-Bahnhof...),<br />

müsste eigentlich im wahrsten<br />

Sinne des Wortes in die Wüste geschickt<br />

werden.<br />

Andreas Neuffer | Fünfpass,<br />

„Fußballhimmel“ in der Hauptkirche<br />

St. Petri Hamburg, vom 9. Juni - 9.Juli.<br />

<strong>Das</strong> hätte schon vor Monaten der „Spiegel“<br />

am liebsten mit den unzähligen<br />

ernsthaften oder Möchtegern-Intellektuellen<br />

getan, vor deren gedanklichen Ergüssen<br />

man den Fußball langsam schützen müsse.<br />

Dazu, was <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> Fußball miteinander zu<br />

tun haben oder auch nicht, kann man sich<br />

ernsthafte Gedanken machen, wie der deut-<br />

sche Kurator der Sao Paulo Biennale, Alfons Hug, der Fußball <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong> im<br />

„Wettstreit zeichnerischer Systeme“ sieht. <strong>Das</strong> Fußballspiel sei „eine Komposition<br />

aus Strichen <strong>und</strong> Kreisen, die von den Spielern, vom Trainer <strong>und</strong><br />

manchmal auch vom Zufall entworfen werden.“ Und worauf entfaltet sich<br />

das Spiel? Wie ein Bild auf einem gerahmten Rechteck: „Gemälde <strong>und</strong> Fußballplatz<br />

sind von rigiden Außenlinien begrenzt, die sie von der sogenannten<br />

realen Welt trennen, wobei offen bleibt, wo genau die Wirklichkeit beginnt<br />

<strong>und</strong> wo Leinwand bzw. Rasen aufhören, oder umgekehrt, wo die Realität<br />

endet <strong>und</strong> Spiel <strong>und</strong> <strong>Kunst</strong> ihren Anfang nehmen. Maler <strong>und</strong> Fußballspieler<br />

arbeiten sozusagen am Rand der Welt.“<br />

Was lernen wir daraus? Doch wohl eher, dass sinnvolle Bezüge zwischen<br />

<strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> Fußball nicht so einfach auf der Ebene des formalen Vergleichs herzustellen<br />

sind. Die Haltlosigkeit formaler Assoziationen trieb schließlich schon<br />

Ringelnatz’ Helden in den Fußballwahn: „Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel /<br />

Ein Käse, Globus oder Igel / Ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar / Ein Kegel<br />

König Virus,<br />

„Fußballhimmel“ in<br />

der Hauptkirche St.<br />

Petri Hamburg, vom<br />

9. Juni - 9.Juli.<br />

ball, ein Kissen war (...) Bald trieb er eine Schweineblase, bald steife Hüte<br />

durch die Straße (...) Doch als pompöser Fußballstößer / Fand er die Erde<br />

noch viel größer...“<br />

Aber was wollte uns Ringelnatz eigentlich sagen? Karikierte sein Gedicht<br />

nur die Verrücktheit mancher Sportbegeisterter? Könnte man ihm nicht auch<br />

den satirischen Seitenblick eines Literaten auf die Bildende <strong>Kunst</strong> ablesen,<br />

die sich damals zunehmend der Abstraktion zuwandte <strong>und</strong> damit formale<br />

Eigenschaften radikal gegenüber der Gegenstandsbedeutung bevorzugte?<br />

Ringelnatz´ malende Zeitgenossen versäumten es jedenfalls, ähnlich gründliche<br />

Formanalysen zum r<strong>und</strong>en Leder vorzunehmen. Fußballerisch waren<br />

die Literaten voraus. Schon 1929 forderte Bertolt Brecht dazu auf, „Fußball<br />

als fruchtbarste <strong>Kunst</strong>form des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts zu sehen.“ Er erklärte das<br />

Spiel Schalke gegen Hannover (6:2) zum „<strong>Kunst</strong>ereignis“ <strong>und</strong> Ernst Kuzorra<br />

zum Künstler des Jahres.<br />

GEGENWART<br />

DER KUNST | SACHSE RUTH 2. MUSEUM, ALTONAER 1.<br />

Theresa Hartmann | Schülerfoto-Ausstellung: Die „Fußballgötter“ werden erwartet, Hauptkirche<br />

St. Petri, Hamburg, 29.05 - 09.06 FOTOS:<br />

FOTOS: RUTH SACHSE | KUNST DER GEGENWART<br />

Die meisten der wenigen Fußballgemälde hingegen waren nicht einmal<br />

welche. Henri Rousseau oder Robert Delaunay malten eine andere Sportart,<br />

nämlich Rugby, die auch schon zu waghalsigen Analogien mit der <strong>Kunst</strong><br />

herhalten musste. Der amerikanische <strong>Kunst</strong>historiker Kirk Varnedoe leitete<br />

1990 sein Buch „A Fine Disregard. What Makes Modern Art Modern?“ damit<br />

ein, dass William Webb Ellis 1823 an der nordenglischen Rugby School<br />

entgegen der Fußballregeln erstmals den Ball in die Hand nahm <strong>und</strong> mit<br />

ihm davonrannte. Diese Episode, als Erfindung des Rugbyspiels beglaubigt,<br />

dient Varnedoe als Leitfaden <strong>für</strong> seine These, dass auch die Neuerungen der<br />

modernen <strong>Kunst</strong> als spontane, gezielte Verstöße gegen geltende ästhetische<br />

Regeln zu verstehen sind. Die Anekdote über die Erfindung des Rugbys<br />

führt aber auch zu einer der wenigen wirklich faszinierenden Fragen, die in<br />

der Ausstellung „Faszination Fußball“ im Museum <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e gestellt<br />

werden: Wer hat das Fußballspiel erf<strong>und</strong>en? In England, das gemeinhin als<br />

Mutterland des Fußball gilt, ist er erstmals 1349 urk<strong>und</strong>lich erwähnt. 1888<br />

startete dort die erste Fußball-Liga, auch die ersten Profispieler gab es hier.<br />

Nach modernen Regeln wurde der Fußball aber schon Jahrh<strong>und</strong>erte zuvor in<br />

Schottland gespielt. 1633 fand in Aberdeen ein Match statt, bei dem es Torhüter,<br />

Passspiel, Manndeckung <strong>und</strong> das gezielte Attackieren des ballführenden<br />

Gegners gab. Die Ausstellung dokumentiert allerdings auch weit frühere<br />

Vorformen des Fußballs, die es in verschiedensten Regionen<br />

der Welt gab. So stießen schon um 1500 v.<br />

Chr. die mittelamerikanischen Olmeken einen<br />

Kautschukball mit der Hüfte in Steinringe.<br />

Wer den ersten erhaltenen Fußball der<br />

Welt oder den ersten WM-Pokal sehen will,<br />

sollte sich auf den Weg ins Museum <strong>für</strong> Völkerk<strong>und</strong>e<br />

machen. <strong>Das</strong> Thema <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong><br />

Fußball wird <strong>und</strong> wurde anderswo hochgehalten,<br />

etwa mit mehreren Ausstellungen in<br />

Nürnberg oder bei der schon im Januar zu Ende<br />

gegangene „R<strong>und</strong>lederwelten“-Schau im Berliner<br />

o.T. geht in die Sommerpause<br />

Allen unseren Leserinnen <strong>und</strong> Lesern wünschen wir einen<br />

erholsamen <strong>und</strong> hoffentlich heißen Sommer. Für alle,<br />

die im Norden bleiben, aber auch <strong>für</strong> alle anderen gibt’s<br />

ab 30. Juni unter www.ot-nord.net einen kommentierten<br />

Ausstellungs- <strong>und</strong> Veranstaltungskalender <strong>für</strong> die Monate<br />

Juli <strong>und</strong> August zum Runterladen.<br />

Rechtzeitig zu Saisonbeginn startet o.T. dann wieder im<br />

September. Für ihre bisherigen Anregungen, Kritik <strong>und</strong><br />

Wünsche haben Sie ganz herzlichen Dank. Auch weiterhin<br />

ist uns ihre Meinung wichtig.<br />

Ihr o.T.-Team<br />

Martin-Gropius Bau. Sehenswert sind allerdings<br />

die ungewöhnlichen Blicke auf den Fußball,<br />

die fünf Fotografinnen <strong>und</strong> Fotografen im<br />

Altonaer Museum vorführen. <strong>Das</strong> Spektrum<br />

reicht von Andreas Herzaus Schwarzweißbildern<br />

der Jugendmannschaften des SC<br />

Sternschanze bis zu den ländlichen Bolzplätzen,<br />

deren Tore auf Nicola Schudys Fotos<br />

wie konzeptuelle <strong>Kunst</strong>werke aussehen.<br />

Ein weiterer Aspekt der Fußballbegeisterung<br />

drückt sich in den Formen <strong>und</strong> Moden des Spiels<br />

aus. So hat der Stuttgarter Künstler Harald Braun<br />

eine historische Materialsammlung zum Thema Torhüterfrisuren zusammengetragen.<br />

Hätte man die deutsche Torwartfrage, angesichts sportlich eher<br />

gleichwertiger Leistungen, nicht fairer über die größeren Differenzqualitäten<br />

bei der Haarpracht klären können? Hätten dann statt Lehmanns risiklosem,<br />

leicht gelocktem, aber auch uneitlem Brünetts vielleicht doch Timo<br />

Hildebrands blonde Strähnen gegen Olli Kahns Out-of-Bed-Look gesiegt?<br />

Als geschmacklicher Fehltritt kann Hildebrands allzu modische Haar<br />

pracht allerdings kaum gegen die prächtigen Vokuhilas der Vergangenheit<br />

konkurrieren <strong>und</strong> erst recht nicht gegen den kolumbianischen Kult-Torwart<br />

René Higuita, berühmt nicht nur durch eine Parade mit Fallrückzieher<br />

auf der Linie oder spektakulär scheiternde Ausflüge ins Mittelfeld.<br />

Higuitas Löwenmähne, gepaart mit Zuhälter-Schnauzer,<br />

war in den neunziger Jahren eigentlich längst out, aber trotzdem<br />

unvergesslich <strong>und</strong> absolut typengerecht. <strong>Das</strong>s der Fußball auch<br />

sehr lustig sein kann, macht seine Faszination wesentlich mit aus.<br />

Der biederen Schau im Völkerk<strong>und</strong>e-Museum ist dieser Aspekt weitgehend<br />

entgangen.<br />

Norbert Anzeige Enker | o.T._0.06 Fotografie ( Ausschnitt), 21.03.2006 Ausstellung „Fußball-Abseits“ 11:00 Uhr im Seite Altonaer 1Museum,<br />

bis 16 Juli.<br />

Simon Waßermann, DER TOR DER HELD, Skulptur, Stahl gelasert,<br />

pulverbeschichtet, Höhe: 22 cm, Auflage 200, Preis € 90.–<br />

Bestellung per Fax 0 40-5 51 22 54<br />

oder per email: ruth.sachse@ot-nord.net.<br />

Volltreffer ...<br />

Wenn Sie die vielfältigen Leistungen des<br />

ASB nutzen: Rettungsdienst, Pflege,<br />

Betreutes Wohnen, Kinder- <strong>und</strong> Jugendarbeit,<br />

Blutspendedienst <strong>und</strong> Zeitspender,<br />

um nur einige unserer Kompetenzen zu<br />

nennen.<br />

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit dem<br />

Kauf des <strong>Kunst</strong>werks „DER TOR DER<br />

HELD“. 25% des Erlöses gehen als Spende<br />

an den ASB Hamburg.<br />

Tel.: 0 40 83 39 80<br />

www.asb-hamburg<br />

Tita do Rego Silva | Altarball,<br />

„Fußballhimmel“ in der Hauptkirche<br />

St. Petri Hamburg.<br />

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