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Koolhaas nimmt in der Reihe Theorie

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Se<strong>in</strong> Selbstbewusstse<strong>in</strong> muss damals schon groß gewesen se<strong>in</strong>. Er verlässt die Haagse<br />

Post, beg<strong>in</strong>nt als Drehbuchschreiber (den Kontakt zu Renée Daal<strong>der</strong>, dem Stiefbru<strong>der</strong><br />

von Bart Lootsma, bekommt er über die Zeitung), und arbeitet angeblich o<strong>der</strong> tatsächlich<br />

u.a. auch für Russ Meyer. (Hier wird auch vieles teils richtig, teils Legende se<strong>in</strong>.)<br />

Endlich entschließt er sich zum Architekturstudium, und zwar an <strong>der</strong> enorm teuren<br />

Architectural Association <strong>in</strong> London. Er selbst behauptet, das Geld für das Studium mit<br />

dem Schreiben von Drehbüchern zusammengebracht zu haben. Egal: das Schreiben<br />

von Drehbüchern wird se<strong>in</strong>e Art, zu entwerfen, bleiben.<br />

Über die Zeit an <strong>der</strong> AA hat <strong>Koolhaas</strong> e<strong>in</strong>en Text geschrieben, <strong>der</strong> zuerst auf<br />

Nie<strong>der</strong>ländisch und dann 1995 auf Englisch erschienen ist. Der Text heißt „Veldwerk“<br />

bzw. „Field Trip“; e<strong>in</strong>e deutsche Übersetzung existiert nicht, aus – wie <strong>Koolhaas</strong> selber<br />

me<strong>in</strong>t – nahe liegenden Gründen.<br />

Der Text handelt von se<strong>in</strong>er „Summer Study“, e<strong>in</strong>er akademischen Sem<strong>in</strong>ararbeit, die<br />

die Studenten an <strong>der</strong> AA als e<strong>in</strong>zig verbliebene verpflichtende Übung während e<strong>in</strong>es<br />

Sommers machen mussten (die sechziger Jahre dieser Schule waren von Archigram,<br />

vor allem von Leuten wie Peter Cook geprägt). Und zwar sollten sie e<strong>in</strong> Bauwerk ihrer<br />

Wahl aufnehmen und analysieren. Gewöhnlich fällt die Wahl auch von Studenten <strong>der</strong><br />

sechziger Jahre – ganz im Stil <strong>der</strong> Grand Tour – auf e<strong>in</strong> Gebäude im schönen Italien,<br />

weil man auf diese Weise das Angenehme mit dem Nützlichen verb<strong>in</strong>den kann.<br />

<strong>Koolhaas</strong> phantasiert jedoch <strong>in</strong> diesem Text, „ganz plötzlich“ im Jahr 1971 <strong>in</strong> West-<br />

Berl<strong>in</strong>, mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em heißen Sommer, angekommen zu se<strong>in</strong>. Er entschließt sich, die<br />

Berl<strong>in</strong>er Mauer, die gerade knapp zehn Jahre alt ist, als Architektur zu untersuchen, was<br />

an sich schon e<strong>in</strong>e provokante Angelegenheit ist.<br />

Im ersten Moment möchte man annehmen, dass die unmittelbare Begegnung mit <strong>der</strong><br />

baulichen Demonstration von politischer Macht und Durchsetzungswillen, wie sie bei <strong>der</strong><br />

Berl<strong>in</strong>er Mauer zum Ausdruck kommt, <strong>der</strong> Haupte<strong>in</strong>druck für den Studenten gewesen<br />

se<strong>in</strong> müsste, <strong>der</strong> zuvor noch nie <strong>in</strong> <strong>der</strong> geteilten Stadt war. Und obwohl <strong>Koolhaas</strong> diese<br />

Tatsache nicht leugnet, sie auch jeweils <strong>in</strong> ihre Beobachtungen und Analysen<br />

e<strong>in</strong>bezieht, so ist doch se<strong>in</strong> Ansatz vornehmlich davon geprägt, das Bauwerk an sich<br />

wahrzunehmen, se<strong>in</strong>e Größe, se<strong>in</strong> Aufbau, se<strong>in</strong>e Gestalt, se<strong>in</strong>e Materialität usw. „Die<br />

Berl<strong>in</strong>er Mauer als Architektur“, so heißt auch <strong>der</strong> Titel <strong>der</strong> Arbeit, die <strong>Koolhaas</strong> im<br />

Herbst 1971 vor Kommilitonen und Professoren vorstellt, und die ihn nach eigener<br />

Aussage „mit e<strong>in</strong>em Schlag berüchtigt“ macht. 1<br />

<strong>Koolhaas</strong> schil<strong>der</strong>t anschaulich die Atmosphäre an <strong>der</strong> privaten Eliteschule <strong>in</strong> London,<br />

wo sich aufreizend verschiedene Salonrevoluzzer tummeln, denen man als Student<br />

wohl nur zu gerne die Grenzen ihres angeblichen anarchistischen Denkens aufzeigen<br />

wollte, <strong>in</strong>dem man z.B. nachweist, dass die von ihnen immer wie<strong>der</strong> phantasierte und<br />

1 Rem <strong>Koolhaas</strong>, „Veldwerk“, <strong>in</strong>: Hilde Heynen (Red.), Wonen tussen gemeenplaats en poëzie.<br />

Opstellen over stad en architectuur, uitgeverij 010, Rotterdam 1993, S. 156-164. Dieser letzte<br />

Satz fehlt <strong>in</strong> <strong>der</strong> englischen Fassung „Field Trip“, welche <strong>in</strong> S,M,L,XL veröffentlicht ist. Über das<br />

genaue Jahr des Besuchs – 1971 – gibt <strong>der</strong> Text an zwei Stellen Auskunft.

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