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Andacht zur Todesstunde Jesu 15 Uhr Karfreitag 2004

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<strong>Andacht</strong> <strong>zur</strong> <strong>Todesstunde</strong> <strong>Jesu</strong> <strong>15</strong> <strong>Uhr</strong><br />

<strong>Karfreitag</strong> <strong>2004</strong><br />

Die Passion Christi erregt weiterhin die Gemüter .<br />

Nein , nicht die Passion Christi , sondern der Film , der so heißt<br />

. Er wirkt als Auslöser . Die ihn gesehen haben , reagieren<br />

darauf , auch öffentlich .<br />

Ich habe mir oft gedacht , so schreibt Daniel Goldhagen , ich<br />

habe mir oft gedacht , es aber stets für mich behalten , wie<br />

grauenhaft diese traditionellen Kreuze sind , an denen ein<br />

verstümmelter , mit dem Tod ringender Körper hängt. Schon<br />

als Junge habe ich mich manchmal gefragt , was das wohl für<br />

eine Religion ist , in der man Kindern zumutet , das Bild eines<br />

leidenden , sterbenden oder bereits toten Mannes zu<br />

betrachten , dessen Hände von Nägeln durchbohrt sind .<br />

Welche Auswirkungen haben solche Bilder ? Warum sollten die<br />

geistlichen Oberhäupter einer Religion wollen , dass ihre<br />

Gemeinde , einschließlich der Kinder , regelmäßig etwas derart<br />

Grausiges anstarrt ?<br />

Im Grunde ist der gekreuzigte <strong>Jesu</strong>s als Ikone ein Ausdruck der<br />

Ästhetisierung , um nicht zu sagen : der Fetischisierung von<br />

Gewalt und Schrecken . ( Die Zeit, 25.03.04 )<br />

Ist er das ? Haben wir die Skulptur des Gekreuzigten von<br />

Joachim Dunkel erstanden und dort , über Kerzenständer und<br />

Gebetstisch , platziert , damit , wer herantritt , etwas<br />

Grausiges anstarrt ?<br />

Fetischisierung von Gewalt und Schrecken.


Tut , wer das Kreuz schlägt , sich oder andern damit weh ?<br />

Freilich , darin ist Goldhagen leider zuzustimmen : Das Kreuz<br />

ist im Laufe von 2000 Jahren Geschichte auch buchstäblich<br />

verkehrt worden ; statt das Kreuz<br />

zu schlagen wurde mit dem Kreuz geschlagen .<br />

Verkehrt herum angesehen und angefasst wird das Kreuz ,<br />

wurde das Kreuz zum Schwert . Das ist allerdings grausig .<br />

Aber das ist , hoffentlich : war ein schauerlicher Missbrauch des<br />

Kreuzes . Eigentlich meint es Versöhnung und Heil , ja : ist das<br />

Zeichen für Liebe , keine süße freilich , sondern bitter bezahlt :<br />

So , sagt Johannes und zeigt aufs Kreuz , so hat Gott die Welt<br />

geliebt , dass er seinen einzigen Sohn gab , damit alle , die an<br />

ihn glauben , nicht verloren werden , sondern das ewige Leben<br />

haben .<br />

Das Kreuz , das Geschehen von <strong>Karfreitag</strong> hat etwas bleibend<br />

Unbegreifliches , ja Abgründiges und ist auch von Christen nur<br />

ansatzweise und momenthaft zu verstehen .Aber einem<br />

Todeskult , wie Goldhagen sagt , hängen die , die aufs Kreuz<br />

schauen , erklärter Maßen nicht an . Sondern : In ihm war das<br />

Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.<br />

Könnten sie ihn , der da hängt , sonst so anreden : <strong>Jesu</strong>s ,<br />

meine Freude !<br />

Sie starren nichts Grausiges an , sie verherrlichen nicht Gewalt<br />

und Schrecken , wenn sie ihn nennen Gottes Lamm und<br />

Bräutigam . Freundlicher , zärtlicher gehts nicht .


Golgatha sei tendenziell gewalttätig ? Ich finde dafür keinen<br />

Anhaltspunkt . Im Gegenteil . Strophe 3 dieses Liedes zum<br />

Beispiel : Gottes Macht hält mich in Acht , Erd und Abgrund<br />

muß verstummen . Das Kreuz als bergender , Frieden<br />

schaffender Ort .<br />

Wenn es sein muß , kann ich alles andere entbehren , nur dies<br />

nicht , Dich nicht , Strophe 4 , Weg mit allen Schätzen , Du bist<br />

mein Ergötzen .<br />

Weg , weg , weg , weg ,- singen Tenor und Baß ; Bach lässt<br />

unnötigen Ballast abwerfen ; alles weg , nur Du . Du bist mein<br />

Ergötzen , <strong>Jesu</strong>s , meine Lust .<br />

Sadomaso ?<br />

Quatsch .<br />

Sondern : Elend , Not , Kreuz , Schmach und Tod das<br />

Schlimmste , was mir passieren kann ich sehe es an Dir .<br />

Also nicht einmal das kann uns trennen . Sondern Du bleibst<br />

auch im Leide <strong>Jesu</strong>s , meine Freude .<br />

Jetzt : Bach-Motette<br />

Ein neuer blütenweißer Kalender. Aber ich bin ja nicht neu, sondern bin<br />

die Summe meiner Jahre und ihr Gefangener. Gott meiner Freiheit!,<br />

machst du mich los?<br />

Und was die Zukunft betrifft -<br />

ob wir davon kommen ohne gefoltert zu werden, ob wir eines natürlichen<br />

Todes sterben, ob wir nicht wieder hungern, die Abfalleimer nach<br />

Kartoffeln durchsuchen, ob wir getrieben werden in Rudeln, wir habens<br />

gesehen. Ob wir nicht noch die Zellenklopf-Sprache lernen, den Nächsten<br />

belauern, vom Nächsten belauert werden und bei dem Wort Freiheit<br />

weinen müssen. Ob wir uns fortstehlen rechtzeitig auf ein weißes Bett<br />

oder zu Grunde gehen am hundertfachen Atomblitz, ob wir es fertig<br />

bringen mit einer Hoffnung zu sterben, steht noch dahin, steht alles noch<br />

dahin (Marie-Luise Kaschnitz)<br />

Man kann, mit dem 11. September in den Knochen, schon ängstlich<br />

werden in Erwartung dessen, was das neue Jahr uns wohl bringen wird.<br />

Man kann sich aber auch an Hiob erinnern, ausgerechnet Hiob: In sechs


Nöten kann er dich erretten - und in der siebenten ist er auch noch da.<br />

(Kapitel 5, Vers 19)<br />

Ihm will ich vertrauen und niemals verzagen.<br />

Ich bin sicher und fürchte mich nicht.<br />

Ich verlasse mich, ich verzage nicht.<br />

In der thüringischen Ausgabe des evangelischen Gesangbuches, in<br />

unserer leider nicht, in der thüringischen und bayerischen Ausgabe des<br />

Gesangbuches ist dieser Satz (auf dem Gottesdienstzettel) aus Taizé<br />

notiert. Nach - steht ausdrücklich darunter - nach Jesaja 12; Jahreslosung<br />

2002.<br />

In diesem Lied ist das Wort Jeshuah = weiter Raum - das ist das Erste,<br />

was mir auffällt - in diesem Lied nach Jesaja 12 ist das Wort Jeshuah nicht<br />

übersetzt mit Rettung (Einheitsübersetzung), Heil (Luther) oder Freiheit<br />

(Buber), sondern umschrieben mit: Meine Hoffnung und meine Freude,<br />

meine Stärke, mein Licht.<br />

Und - das Zweite, was mir auffällt - es ist dieses alles auf Christus<br />

übertragen: <strong>Jesu</strong>s meine Zuversicht; eine erlaubte Übertragung: Jeshuah<br />

heißt schließlich <strong>Jesu</strong>s.<br />

Die dritte Beobachtung ist mir die wichtigste. Die könnte Herr Kordes<br />

sicher besser beschreiben. Sie bezieht sich auf den Charakter dieser<br />

Lieder aus Taizé. Die sind ja eben keine Lieder oder Strophen, wie wir sie<br />

normalerweise kennen und singen, nämlich einmal. Wir singen Lieder oder<br />

Strophe einmal, und dann das nächste oder keines mehr. Diesen Liedern<br />

aus Taizé aber ist eigentümlich, dass sie nicht einmal, sondern über einen<br />

längeren Zeitraum in wiederholten Folgen gesungen werden.<br />

Liebe Gemeinde, wenn es sich als wahr erweisen soll, dass Gott oder<br />

<strong>Jesu</strong>s der ist, an dem ich mein Vertrauen festmachen kann, dann ist das<br />

mit einmal Sagen oder Singen nicht getan. Das bedarf der wiederholten<br />

Vergewisserung. Heute abend schon. Und wieder. Das ganze Jahr über.<br />

Und: solange ich lebe: meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke,<br />

mein Licht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.<br />

Fürcht mich natürlich doch!<br />

Aber darum singe ichs ja, dass meine Furcht klein und mein Vertrauen<br />

groß werde.<br />

Jetzt Lied 697 Meine Hoffnung und meine Freude

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