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J. Lange B. Mölle J. Girona Chirurgische Proktologie 2. Auflage

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3.1 · Anamnese<br />

Die proktologische Diagnostik gliedert sich in 3 Bereiche:<br />

Basisuntersuchungen, bildgebende Diagnostik sowie funktionelle<br />

Untersuchungsmethoden. Laborchemische Untersuchungen<br />

sind nur bei infektiösen Erkrankungen zielführend.<br />

Zur Basisdiagnostik, die jeder Chirurg beherrschen<br />

muss, gehört neben der Anamnese und der Inspektion die<br />

digitale Untersuchung des Anorektums sowie die Proktoskopie<br />

und die Rektoskopie. Damit können über 90% der proktologischen<br />

Krankheitsbilder wie Hämorrhoiden, Fissuren,<br />

Perianalabszesse und vieles mehr diagnostiziert werden.<br />

Für die bildgebende Diagnostik wie Defäkographie, CT,<br />

Endo-MRT oder auch Endosonographie bedarf es des Spezialisten,<br />

nicht nur zur Durchführung des Verfahrens, sondern<br />

auch zur Interpretation der Bilder. Nichtsdestoweniger sind<br />

diese Methoden heutzutage für eine differenzierte proktologische<br />

Differenzialdiagnostik unabdingbar. Es genügt<br />

hierbei nicht die bloße Durchführung der Methoden, sie<br />

müssen vielmehr in Kenntnis der Differenzialdiagnose der<br />

möglicherweise zugrunde liegenden Krankheitsbilder angewendet<br />

werden.<br />

Die funktionellen Untersuchungsmethoden wie Analmanometrie,<br />

Fäkoflowmetrie oder neurologische Diagnostik<br />

sind am schwierigsten, sowohl in der Indikationsstellung<br />

als auch in der Interpretation. Sie sollten proktologischen<br />

Zentren vorbehalten bleiben, da sowohl die direkte Auswertung<br />

der Untersuchungsergebnisse als auch die sich daraus<br />

ergebenden therapeutischen Konsequenzen profunde<br />

Kenntnisse der zugrunde liegenden Krankheitsbilder voraussetzen.<br />

3.1 Anamnese<br />

R. Winkler<br />

Der besondere Reiz der <strong>Proktologie</strong> liegt in der Differenzierung<br />

des Ähnlichen bei großer Verschiedenartigkeit des<br />

Gleichen. In kaum einer anderen medizinischen Spezialdisziplin<br />

kann bereits die Diagnose durch die Anamnese so<br />

wahrscheinlich gemacht oder zumindest eingegrenzt werden<br />

wie in der <strong>Proktologie</strong>. Dazu bedarf es allerdings einer<br />

sorgfältigen differenzierenden Befragung, denn die spontanen<br />

Äußerungen des Patienten sind zumeist sehr lapidar,<br />

oft gar nicht Beschwerdeangabe, sondern bereits vermutete<br />

Diagnose, zumeist »Hämorrhoiden«. Eine einfühlsame<br />

Befragung ist dabei zugleich eine vertrauensbildende Maßnahme,<br />

ist doch die Schamschwelle für viele Patienten sehr<br />

hoch. Um aber Vollständigkeit, die auch spätere valide<br />

Nachprüfungen erlaubt, zu gewährleisten, empfiehlt sich<br />

die Verwendung strukturierter Anamnese- und Befunderhebungsbögen<br />

(. Abb. 3.1), gerade auch da die <strong>Proktologie</strong><br />

leider zu den Disziplinen mit den häufigsten Behandlungsfehlervorwürfen<br />

gehört.<br />

><br />

Da auch schon das diagnostische Vorgehen mit<br />

zwar geringen, aber doch sehr spezifischen<br />

Risiken wie Perforation oder Blutung belastet ist,<br />

sollte man sich vor jeder Untersuchung des<br />

schriftlichen Einverständnisses des Patienten<br />

versichern.<br />

3.1.1 Blutungen<br />

Unter allen Beschwerden hat die Blutung am oder aus dem<br />

After den höchsten Alarmcharakter. Gleichwohl ist die<br />

Verkennung der Blutung auch heute noch die Hauptursache<br />

für Diagnoseverschleppungen beim Karzinom. In<br />

diesen Kontext gehört auch die unsinnige Anordnung<br />

einer Okkultbluttestung bei bereits sichtbarer Blutung. Für<br />

alle Blutungen gilt:<br />

><br />

Jede Blutung ist so lange karzinomverdächtig, so<br />

lange ein Karzinom nicht ausgeschlossen ist.<br />

Die Suche umfasst die proktologische Routinediagnostik<br />

sowie die totale Koloskopie; bei Kranken unter dem 60. Lebensjahr<br />

kann man sich bei sichtbarer Blutung auf eine<br />

Sigmoideoskopie beschränken (. Abb. 3.2).<br />

Für viele proktologische Erkrankungen ist die Blutung<br />

das Leitsymptom. Ihre Erscheinungsformen lassen schon<br />

sehr weitgehende Differenzierungen zu (. Tab. 3.1). Akut<br />

tritt sie z. B. als Abstoßungsreaktion bei der perianalen<br />

Thrombose nach vorangegangenen heftigen Schmerzen<br />

unter nachhaltiger Schmerzerleichterung auf, u. U. hochdramatisch<br />

und ansonsten symptomlos bei Divertikelblutungen.<br />

Die beiden Beispiele verweisen auf die Unterscheidung<br />

von Blutungsquellen am Analrand, dann zumeist als<br />

Schmier- und Kontaktblutung mit Blutspur am Toilettenpapier<br />

oder in der Unterwäsche, und aus dem After; hier<br />

kann sie alle Intensitätsgrade und Erscheinungsformen<br />

annehmen. Wichtig ist ihre Beziehung zur Defäkation.<br />

Dem Stuhl meist auf seinem sich verjüngenden hinteren<br />

Ende aufgelagert, findet sie sich vorzüglich beim Hämorrhoidalleiden<br />

und bei Neoplasien des distalen Rektum, bei<br />

Hämorrhoiden heller (»kirschfarben«, arteriell) als beim<br />

Karzinom (dunkel venös). Nachlaufend und insbesondere<br />

mit Schleim vermischt, kann sie als Flatus fehlempfunden<br />

werden und dann im Wortsinne »in die Hose gehen«<br />

(»falscher Freund« nach A. Bier).<br />

Blutstühle sind charakteristisch für die Colitis ulcerosa.<br />

Ein Teerstuhl (Meläna) sollte primär an eine obere intestinale<br />

Blutung denken lassen, aber auch rechtsseitige Kolonneoplasmen,<br />

Zökumdivertikel und Angiodysplasien kalkulieren.<br />

Episodisches Auftreten ist typisch für ein Hämorrhoidalleiden,<br />

wird aber auch beim schubweisen Verlauf<br />

einer abortiven, auf die unteren Rektumzentimeter<br />

35<br />

3

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