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J. Lange B. Mölle J. Girona Chirurgische Proktologie 2. Auflage

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<strong>2.</strong>2 · Antibiotikaprophylaxe und Antibiotikatherapie<br />

besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Es handelt sich dabei<br />

vornehmlich um Patienten mit einem ASA-Score von<br />

3, 4, 5 (1 Punkt), Patienten, die sich einem Eingriff der<br />

Altemeier-Klasse 3 oder 4 unterziehen (1 Punkt) oder<br />

solche, bei denen die Dauer des Eingriffes eine normierte<br />

Maximalzeit überzieht (1 Punkt). Zu bemerken ist aber,<br />

dass diese normierte maximale Operationsdauer z. B. für<br />

kolorektale Eingriffe definiert ist, nicht jedoch für Eingriffe<br />

im proktologischen Bereich.<br />

Wichtig erscheint vielmehr das Prinzip der Risikodefinition<br />

nach dem NNIS-Score, wonach der Risikopatient<br />

nicht nach einer Risikoliste definiert wird, sondern als<br />

solcher jeweils im Kontext einer möglichst realitätsnahen<br />

Operationssituation mit mehreren Risikofaktoren erfasst<br />

wird.<br />

Für die chirurgische Praxis gilt, mit einfachen Worten<br />

ausgedrückt, Folgendes:<br />

Abgesehen vom Risikofaktor »Chirurg« (falsche Indikation,<br />

mangelnde Technik, traumatisierendes Operieren)<br />

neigt jeder Risikopatient zu postoperativen Infektionskomplikationen.<br />

Darunter sind nicht nur die sog. Risikopatienten<br />

zu zählen, sondern auch solche in schlechtem Allgemeinzustand,<br />

die eine schwere Organfunktionsstörung aufweisen<br />

(im scorefreien Chirurgenjargon: der sog. »schlechte<br />

Patient«), oder solche, bei denen lange »herumoperiert worden<br />

ist«, wobei diese verlängerte Operationszeit auf technische<br />

Schwierigkeiten bzw. Komplikationen deutet.<br />

<strong>2.</strong><strong>2.</strong>5 Wahl des Antibiotikums<br />

Da es sich vorwiegend um Mischflora handelt, genügt,<br />

gemäß der geltenden Richtlinien betreffend der ABP in der<br />

kolorektalen Chirurgie, ein Cephalosporin mit gleichzeitiger<br />

Aktivität gegen Anaerobier, ein Cephalosporin der<br />

1. oder <strong>2.</strong> Generation kombiniert mit einem spezifischen<br />

Mittel gegen Anaerobier (Nitromidazol) oder ein Aminopenicillin<br />

in Kombination mit Clavulansäure (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure).<br />

Mit einem gewissen Vorbehalt ist<br />

jedoch diese letzterwähnte Möglichkeit zu betrachten, die<br />

Amoxicillin/Clavulansäure oft als Therapeutikum sowohl<br />

im klinischen als auch im ambulanten Bereich anwendet,<br />

was dem Prinzip von Trennung der Mittel zur Prophylaxe<br />

von denen zur Therapie widerspricht.<br />

Bei Patienten mit stark erhöhtem Risiko (Neutropeniker,<br />

Transplantierte, Immunsupprimierte) muss immer<br />

interdisziplinär die für den speziellen Einzelfall adäquateste<br />

Prophylaxe festgelegt werden. Insbesondere muss bestimmt<br />

werden, ob die Prophylaxe nicht sofort in Therapie<br />

umgewandelt werden soll, und zwar dann primär mit<br />

einem Mittel mit breiterem Spektrum: mit einem Aminopenicillin<br />

kombiniert mit Imidazol, mit Amoxicillin/<br />

Clavulansäure oder mit einem breispektrigen Reserveanti-<br />

biotikum wie z. B. Imipenem, Meropenem, Piperacillin/<br />

Tazobactam, Cefepime + Nitromidazol u. a.<br />

<strong>2.</strong><strong>2.</strong>6 Applikationsmodalität<br />

Das Mittel sollte bei Operationsbeginn in einer Konzentration<br />

im Gewebe sein, die während der Operationsdauer<br />

stets höher ist als die MHK derjenigen Keime, gegen die es<br />

eine Aktivität zeigt. Dies ist durch eine präoperative i.v.<br />

Verabreichung möglich, am besten bei oder kurz nach<br />

Anästhesieeinleitung, möglichst nicht früher als eine halbe<br />

Halbwertszeit des zu verabreichenden Mittels. Bei längeren<br />

Eingriffen sollte nach einer Zeitdauer, die 2 Halbwertszeiten<br />

des verabreichten Mittels überzieht, eine weitere sog. Auffrischungsdosis<br />

verabreicht werden. Nach Abschluss des<br />

Eingriffes ist keine weitere Antibiotikagabe notwendig.<br />

Eine orale Verabreichung eines Prophylaktikums nach<br />

dem amerikanischen Schema (Neomycin/Erythromycinbase)<br />

wäre eine weitere Möglichkeit, die jedoch in Europa<br />

selten zur Anwendung kommt. Von neueren oralen Kombinationsmöglichkeiten<br />

(Chinolone in Kombination mit<br />

einem Imidazol oder mit Clindamycin) ist aus mikrobiologischen<br />

Gründen abzuraten, zumal gerade die breite Anwendung<br />

von Chinolonen das Auftreten multiresistenter<br />

Keime (MRSA u. a.) begünstigt.<br />

Die Applikationsmodalität der Antibiotikaprophylaxe<br />

zeigt . Tab. <strong>2.</strong>3.<br />

Antibiotika bei Infektionen<br />

Es werden nur die sog. alltäglichen Infektionen berücksichtigt,<br />

die primär mit einem chirurgischen Vorgehen<br />

saniert werden können, bei denen gelegentlich trotzdem<br />

ein Antibiotikum verabreicht werden sollte. Seltenere Pathologien<br />

können auch vorkommen, werden jedoch hier<br />

nicht erwähnt. Es sind dies der Amöbenabszess, die Perianaltuberkulose,<br />

gonorrhoische und syphilitische Infektionen,<br />

das Lymphogranuloma venereum, die Chlamydienproktitis,<br />

ferner Infektionen im Rahmen eines M. Behçet,<br />

eines M. Crohn oder einer Kolitis im Proktorektalbereich.<br />

Abszesse im Perianalbereich<br />

Keine Antibiotika, wenn:<br />

4 guter Allgemeinzustand,<br />

4 kein Risikopatient,<br />

4 kein Prothesenträger.<br />

Single-shot (gemäß APB-Richtlinien, . Tab. <strong>2.</strong>3), bei Bedarf<br />

verlängert (solange potenzieller Sepsisherd besteht), wenn:<br />

4 schlechter Allgemeinzustand,<br />

4 drohende Sepsis,<br />

4 ambulanter Risikopatient,<br />

4 Prothesenträger.<br />

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