Oktober - Gemeinde Sengenthal
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Mitteilungsblatt der <strong>Gemeinde</strong> <strong>Sengenthal</strong> 3<br />
750 Jahre Reichertshofen – ein Streifzug<br />
durch die mittelalterliche Geschichte<br />
von Dr. Frank Präger<br />
Bereits in der schriftlosen Ur- und Frühgeschichte siedelten in der<br />
Gegend um Neumarkt für kürzere oder längere Zeit Menschen. Die<br />
Geschichte der Archäologie in Neumarkt begann nach unseren<br />
Kenntnissen im Jahre 1860 mit dem offenbar eher zufälligen Fund<br />
von zwei Bronzenadeln und einem Bronzeschwert bei Ausgrabungen<br />
eines Grabhügels bei Reichertshofen. Auch die frühzeitliche<br />
Befestigungsanlage auf dem nahe gelegenen Buchberg ist ein<br />
Zeugnis für diese frühe Besiedelung.<br />
Nach einer langen Pause wird die Gegend um Neumarkt erst im<br />
Mittelalter wieder dichter besiedelt. Ältere Orte sind Sondersfeld<br />
912, Pölling 1068, Deining 1072, Berngau 1142, Pelchenhofen<br />
1209, Neumarkt 1235/1135, jüngere finden wir in Woffenbach<br />
1265, Stauf 1269, Weichselstein 1273, Holzheim bei Neumarkt<br />
1275, der Burg Wolfstein 1283 und Rittershof 1330. Diese ersten<br />
schriftlichen Erwähnungen einiger ausgewählter Orte der näheren<br />
Umgebung sind aber lediglich die Zeitpunkte, an denen sie in das<br />
Licht der Geschichtsschreibung traten. Die Orte existierten bereits<br />
vor diesem Datum. Wann wirklich die ersten Siedler kamen und<br />
ihre Häuser bauten, liegt meist im Dunkel der Geschichte.<br />
Eine erste Nennung des Ortsnamens Reichertshofen haben wir im<br />
Verzeichnis der Kirchweihen, dem „pontificale Gundecarianum“,<br />
das vom Eichstätter Bischof Gundekar 1071/72 begonnen wurde.<br />
In ihr wird die Weihe einer Kirche „ad domu(m) Richardi“, also<br />
beim Haus/Hof eines Richard, irgendwann zwischen 1057 und<br />
1075 vermerkt, die Zuordnung jedoch kontrovers diskutiert; der<br />
letzte Stand der Forschung weist diesen Eintrag dem Reichertshofen<br />
bei Pfaffenhofen an der Ilm zu.<br />
Urkunde des Konrad von Sulzbürg von 1261<br />
Der Zufall fügte es, dass bei der am 14. März 1261 rechtskräftig<br />
abgeschlossenen Übertragung der Pfarrei Pölling von Konrad von<br />
Sulzbürg an das Kloster Seligenporten als einer der Zeugen Ulrich<br />
von Reichertshofen auftrat. Er war einer der Personen, die Zeit ihres<br />
Lebens zur Verfügung standen, im Falle einer Anfechtung die rechtmäßige<br />
Übertragung zu bezeugen. Es waren dies wohl Gefolgsleute<br />
des Konrad von Sulzbürg. Genügte in germanischer Zeit noch<br />
der Handschlag zum Vollzug eines Rechtsakts, so erlangt die mittelalterliche<br />
Urkunde durch das Siegel – im Text als Siegelbefehl enthalten<br />
– und die Zeugenreihe ihre Rechtskraft.<br />
Das Kloster Seligenporten war von Gottfried dem Älteren von Sulzbürg<br />
und seiner Frau Adelheid von Hohenfels als Nonnenkloster<br />
1242 gegründet worden, 1247 wurde es dem Zisterzienserorden<br />
inkorporiert. Das Kloster diente den Herren von Sulzbürg als Grablege.<br />
Gerade in den ersten Jahrzehnten nach der Stiftung von Klöstern<br />
ist häufig ein intensiver Ausbau von Besitz, Rechten und Einkünften<br />
zu beobachten. Den dabei getätigten Rechtsakten, die zu<br />
einem guten Teil Schenkungen waren, verdanken wir eine Vielzahl<br />
mittelalterlicher Urkunden und folglich auch der oftmals erstmaligen<br />
Nennung von Ortsnamen. Diesem Umstand verdankt auch<br />
Reichertshofen seine erste urkundliche Nennung.<br />
urbar herzog Ludwig des Strengen von 1280<br />
Es sollten nach dieser ersten urkundlichen Erwähnung Reichertshofens<br />
nur knapp 20 Jahre vergehen, bis auch die übrigen <strong>Gemeinde</strong>teile<br />
erstmals in einem Urbar, also einem Güterverzeichnis, des Herzogs<br />
Ludwigs des Strengen von Oberbayern um 1280 genannt<br />
wurden: Dietlhof, Murnau, <strong>Sengenthal</strong>, Forst und Buchberg, dazu<br />
neun Mühlen am Wiefelsbach. Der Ort gehörte damals als einer<br />
von 28 zum Amt Berngau (officium Perngaw). Nach dem Tod des<br />
letzten Staufers hatten die Wittelsbacher 1269 deren Erbe angetreten.<br />
Die heutige Großgemeinde <strong>Sengenthal</strong> machte damals einen<br />
wesentlichen Teil des früheren Amtes Berngau aus, dazu zählten<br />
die Orte Weichselstein, <strong>Sengenthal</strong>, neun Mühlen am Wiefelsbach,<br />
der Dietlhof, Forst, die Flur Murnau (Moorenau), Reichertshofen,<br />
das Dorf Buchberg und zwei Höfe auf dem Buchberg noch ohne<br />
den Stadlhof, der erst später dazu kam. Als Hofinhaber werden<br />
Weigel der Kramer (Chromarius) und Lämmel (Agnellus) genannt,<br />
zwei Bürger im nahe gelegenen Neumarkt, die ihre Höfe durch<br />
Bauern bestellen ließen.<br />
Über den „gemeinen Mann“, den Bauern, Hirten, Knechte und<br />
Mägde erfahren wir aus dem mittelalterlichen Reichertshofen herzlich<br />
wenig. Um so mehr über den Dorfadel vor Ort, der sich lange<br />
Zeit im Dienste der Herren von Stein betätigte. Neben dem frühen<br />
Adel wurde von den Landesherren damals auch ein "Dorfadel" geschaffen,<br />
indem der Landesherr in den Dörfern je einen unfreien<br />
Bauern mit einem Lehensgut ausstattete, der ihm als berittener<br />
Dienstmann Kriegsdienste zu<br />
leisten hatte. Im Laufe der<br />
Zeit wuchsen diesem<br />
"Dienstadel" auch Aufgaben<br />
in Verwaltung und niederer<br />
Gerichtsbarkeit zu, so dass<br />
der "Dorfadel" bald dem<br />
freien "Uradel" gleichgestellt<br />
war. Namentlich ist uns<br />
Siboto von Reichertshofen<br />
(1268) überliefert, dann Seyfried<br />
von Reichertshofen<br />
(1323 und 1333) als Dienstmann<br />
des Hilpolt von Stein<br />
auf Niedersulzbürg.<br />
Wappen des Seyfried von Reichertshofen<br />
um 1330<br />
Weitere Namen sind Herbert von Reichertshofen (1334), Hans von<br />
Reichertshofen (1348), Schweiker von Reichertshofen (1350),<br />
ebenfalls ein Dienstmann des Hilpolt von Stein und 1383 Paul von<br />
Reichertshofen. Als das Geschlecht der Hilpoltsteiner mit dem Tod<br />
des herzoglich bayerischen Kammermeisters (= Kämmerer) Hipolts<br />
IV. von Stein 1385 ausstarb, übergab Paul von Reichertshofen 1397<br />
sein „Gut im Dorf“, das er gemeinsam mit seiner Frau Barbara besaß,<br />
an seinen Sohn Burkhart. Dieser Burkhart begenet uns als Zeuge<br />
oder Akteur in Urkunden von 1414, 1415, 1428 und 1430. Es<br />
zeigen sich enge Bezüge zu den Wolfsteinern auf Sulzbürg, die<br />
deutlich deren Nachfolge als Besitzer des Ortes Reichertshofen be-