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17.01.2013 Aufrufe

ab ins körbchen: Marcus delin inspiziert die dreibeinigen stative, die später die eigentliche windkraftanlage halten werden. in wenigen wochen werden die stahlrohre im Meeresboden verankert. H O C H S C H U L A N Z E I G E R 34 Hafen. Die drei Standorte liegen nur ein paar Autominuten voneinander entfernt in Bremerhaven. Jede Woche kommt er für ein paar Tage her, die anderen Tage ist er in Hamburg, im Büro. Er ist ganz froh, dass er hier keinen Anzug tragen muss. Delin ist gern vor Ort, wo die schweren Arbeiten erledigt werden. DicKeR sTaHl GeGeN HOHe WelleN Alles an diesen Stahlungetümen muss ein bisschen größer und stabiler sein. „Manche sagen, das sei klassischer Schiff- oder Stahlbau“, sagt Delin, doch die Konstruktionen hier müssen ungewöhnlich viel aushalten. Über 300 Tonnen Kopflast – Rotorblätter, Nabe und Maschinenhaus der Windkraftanlagen – sind an einem langen Turm montiert und den Kräften des Windes ausgesetzt. Jeder Flügelschlag des Rotors zerrt an Turm und Fundament. Jedes Mal steigt die Belastung der Struktur kurzzeitig stark an – Lastwechsel nennen Ingenieure das. Sie bedeuten für das Material viel stärkeren Stress als eine gleichmäßige Belastung. „Diese Strukturen sind auf über eine Milliarde Lastwechsel ausgelegt“, sagt Delin. „Im Stahlbau rechnet man üblicherweise mit zwei Millionen, etwa bei Bohrinseln.“ Dazu kommt die Belastung durch Wellen und Strömungen, und beide können in der Nordsee gewaltige Kräfte entfesseln: 2006 rollten während des Sturmes Britta Zehn-Meter-Wellen durch die See nördlich von Borkum. Bis zu elf Zentimeter dick sind deshalb die Stahlwände der Tripods – viermal so stark wie die Bordwand eines Öltankers. Das Ganze muss schließlich 25 Jahre lang halten. „Steht das Fundament erst einmal in der Nordsee, kann man es – anders als bei Windrädern an Land – nicht mehr auf Schäden untersuchen“, sagt Delin. Mit anderen Worten: Es darf nichts schiefgehen. Delin arbeitet an den Schnittstellen der Fertigung. Er spricht ruhig und bestimmt, und man hat nicht das Gefühl, ihn könnte so schnell etwas aus der Fassung bringen. Der Mann stammt von der Ostsee, aus der Nähe von Rostock – einer Gegend, die keine Hektiker hervorbringt. Mit Schutzhelm, gelbgrüner Warnweste, Sicherheitsbrille und -schuhen schaut Delin in den Fabrikhallen und im Hafen, ob die Arbeiten im Zeitplan liegen. Ihm ist wichtig, dass er Bauleiter, Montageteams und auch einzelne Schweißer beim Namen kennt. „Ich habe das auf der Werft gelernt. Es erleichtert die Zusammenarbeit – gerade in stressigen Situationen, in denen es auf die Kooperationsbereitschaft jedes Einzelnen ankommt –, wenn man die Leute beim Namen kennt“, sagt Delin. Die Vormontage der riesigen Röhren, die Endmontage

der Tripods, ihre Lagerung und Verschiffung müssen ineinandergreifen wie Zahnräder. Jede Verzögerung ist nicht nur ärgerlich, sondern beinahe absurd teuer. Die Errichterschiffe, die die Tripods zum Schluss auf die See hinausfahren und von denen aus die Stahlungetüme im Meer verankert werden, kosten bis zu 400.000 Euro am Tag. Muss das Schiff zehn Tage warten, hat der Bauherr also vier Millionen Euro im Meer versenkt. Und selbst wenn in der Fertigung an Land alles geklappt hat, kann ihm immer noch das Wetter dazwischenkommen. Ist der Wind zu stark, kann nicht gebaut werden. „Der Wind ist unser größter Freund, deswegen bauen wir ja hier. Gleichzeitig ist er unser größter Feind“, sagt Delin. Er sagt das nüchtern, bestimmt – ein Mann, der über einen Widerspruch redet, den er nie lösen können wird. Hohe Wellen, starker Wind. Aber es ist vor allem eines, das die Arbeit vor der Küste so besonders macht: Es gibt keine Erfahrungswerte. „Die ältesten Windparks sind seit gerade einmal zehn Jahren in Betrieb“, sagt Delin. Sie stehen vor allem in Großbritannien und Dänemark. Beide Länder sind Deutschland in der Offshore-Windkraft zwar Jahre voraus, doch Fünf-Megawatt-Anlagen haben sie in dieser Tiefe auch noch nicht gebaut. In der deutschen Nordsee müssen die Windparks aus Gründen des Naturschutzes weiter von der Küste entfernt liegen – im flachen Wattenmeer, wo der Bauaufwand viel geringer wäre, würden sie nicht genehmigt werden. Borkum West II wird in 25 Metern Wassertiefe gebaut, andere deutsche Off- Zwischen 2010 und 2021 soll sich die Zahl aller Jobs in der Offshore-Windkraftbrancheverdoppeln: auf geschätzte 33.000 Stellen. shore-Windparks sogar in 40 Metern Tiefe, beispielsweise BARD 1. 40 PROZeNT MeHR WiND aUF see Zwar ist der Bau von Offshore-Windparks teuer und technisch aufwendig. Doch die Aussichten auf starken und stetigen Wind sind verlockend. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums ist der Ertrag von Offshore-Windanlagen bis zu 40 Prozent höher als bei Anlagen an Land. Die Erwartungen an die Windparks auf See sind dementsprechend hoch. Seit Jahren heißt es, die Branche stehe vor dem Durchbruch. Die Bundesregierung will, dass der gesamte Strombedarf Deutschlands bis zum Jahr 2050 durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Vor allem Offshore- Wind soll bis dahin massiv ausgebaut werden. Schon 2030 – also in 18 Jahren – sollen nach dem Willen der Regierung Windräder mit einer Leistung von 25 Gigawatt vor den deutschen Küsten stehen. Genug, um sämtliche Atomkraftwerke der Republik zu ersetzen. Das Problem: Die Branche ist davon noch weit entfernt. Strom liefern bislang nur drei deutsche Offshore-Windparks. Alpha Ventus, ebenfalls vor Borkum gelegen, war der erste deutsche Windpark. Doch der war vor allem zu Forschungszwecken gebaut worden. In der Ostsee ist der von EnBW betriebene Windpark Baltic 1 bereits am Netz, und in der Nordsee drehen sich die ersten Windräder von BARD 1. Im Vergleich zur Windkraft an Land fällt Offshore-Wind allerdings kaum ins Gewicht. Von den insgesamt 22.297 Windrädern, Gestalten Sie Ihre Zukunft. Mit Energie. Zukunftsthemen wie der Ausbau der CO 2 -armen Erzeugung durch erneuerbare Energien und die Optimierung von Kraftwerken bestimmen neben dezen tralen Energielösungen unser Handeln. Ob Praktikum, Werkstudententätigkeit oder Abschlussarbeit – bei der EnBW können Sie bereits im Studium an He rausforderungen wachsen. Bringen auch Sie Ihr Wissen ein und arbeiten Sie gemeinsam mit uns an der Energie der Zukunft! Überzeugen Sie sich von der Vielfalt der EnBW unter www.enbw.com/karriere

ab ins körbchen: Marcus delin inspiziert die dreibeinigen<br />

stative, die später die eigentliche windkraftanlage halten<br />

werden. in wenigen wochen werden die stahlrohre im<br />

Meeresboden verankert.<br />

H O C H S C H U L<br />

A N Z E I G E R 34<br />

Hafen. Die drei Standorte liegen nur ein paar Autominuten<br />

voneinander entfernt in Bremerhaven. Jede<br />

Woche kommt er für ein paar Tage her, die anderen<br />

Tage ist er in Hamburg, im Büro. Er ist ganz froh, dass<br />

er hier keinen Anzug tragen muss. Delin ist gern vor<br />

Ort, wo die schweren Arbeiten erledigt werden.<br />

DicKeR sTaHl GeGeN HOHe WelleN<br />

Alles an diesen Stahlungetümen muss ein bisschen<br />

größer und stabiler sein. „Manche sagen, das sei<br />

klassischer Schiff- oder Stahlbau“, sagt Delin, doch<br />

die Konstruktionen hier müssen ungewöhnlich viel<br />

aushalten. Über 300 Tonnen Kopflast – Rotorblätter,<br />

Nabe und Maschinenhaus der Windkraftanlagen –<br />

sind an einem langen Turm montiert und den Kräften<br />

des Windes ausgesetzt. Jeder Flügelschlag des Rotors<br />

zerrt an Turm und Fundament. Jedes Mal steigt<br />

die Belastung der Struktur kurzzeitig stark an – Lastwechsel<br />

nennen Ingenieure das. Sie bedeuten für das<br />

Material viel stärkeren Stress als eine gleichmäßige<br />

Belastung. „Diese Strukturen sind auf über eine Milliarde<br />

Lastwechsel ausgelegt“, sagt Delin. „Im Stahlbau<br />

rech<strong>net</strong> man üblicherweise mit zwei Millionen,<br />

etwa bei Bohrinseln.“ Dazu kommt die Belastung<br />

durch Wellen und Strömungen, und beide können in<br />

der Nordsee gewaltige Kräfte entfesseln: 2006 rollten<br />

während des Sturmes Britta Zehn-Meter-Wellen<br />

durch die See nördlich von Borkum. Bis zu elf Zentimeter<br />

dick sind deshalb die Stahlwände der Tripods<br />

– viermal so stark wie die Bordwand eines Öltankers.<br />

Das Ganze muss schließlich 25 Jahre lang halten.<br />

„Steht das Fundament erst einmal in der Nordsee,<br />

kann man es – anders als bei Windrädern an Land<br />

– nicht mehr auf Schäden untersuchen“, sagt Delin.<br />

Mit anderen Worten: Es darf nichts schiefgehen.<br />

Delin arbeitet an den Schnittstellen der Fertigung.<br />

Er spricht ruhig und bestimmt, und man hat<br />

nicht das Gefühl, ihn könnte so schnell etwas aus der<br />

Fassung bringen. Der Mann stammt von der Ostsee,<br />

aus der Nähe von Rostock – einer Gegend, die keine<br />

Hektiker hervorbringt. Mit Schutzhelm, gelbgrüner<br />

Warnweste, Sicherheitsbrille und -schuhen schaut<br />

Delin in den Fabrikhallen und im Hafen, ob die Arbeiten<br />

im Zeitplan liegen. Ihm ist wichtig, dass er Bauleiter,<br />

Montageteams und auch einzelne Schweißer<br />

beim Namen kennt. „Ich habe das auf der Werft gelernt.<br />

Es erleichtert die Zusammenarbeit – gerade in<br />

stressigen Situationen, in denen es auf die Kooperationsbereitschaft<br />

jedes Einzelnen ankommt –, wenn<br />

man die Leute beim Namen kennt“, sagt Delin. Die<br />

Vormontage der riesigen Röhren, die Endmontage

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