Beide. - FAZ.net
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„ T E S TA M E N T I M H A N D S C H U H FA C H “<br />
„Testament liegt im Handschuhfach“ – lautete so etwa die Begrüßung<br />
einer ihrer Fahrer?<br />
Nicht direkt, das war ein Aufkleberspruch auf dem Kofferraum einer<br />
älteren Dame, die häufi g Leute mitnahm. Ihr Enkel hatte ihn ihr geschenkt,<br />
weil ihm der sportliche Fahrstil seiner Oma imponierte. Aber<br />
ihre Fahrten verliefen stets problemlos – so wie die meisten anderen<br />
auch. Angst vor Rasern oder Unfällen schüren hauptsächlich Leute,<br />
die selbst noch nie per Mitfahrzentrale verreist sind.<br />
Nennen sie mal drei Gründe, bei völlig fremden Menschen ins auto<br />
zu steigen.<br />
1. Es ist die billigste und dank der Inter<strong>net</strong>-Mitfahrbörsen auch die<br />
unkom plizierteste Form, von A nach B zu kommen.<br />
2. Man lernt Leute kennen, die man anderswo nie getroffen hätte.<br />
3. Ein geteiltes Auto schont Umwelt und Klima, jedenfalls im Vergleich<br />
dazu, wenn jeder allein lostuckeln würde.<br />
Kann man per MFZ Freunde fürs leben oder gar die große liebe<br />
treffen?<br />
Wer sich mehr oder weniger eng zusammen in ein Auto quetscht,<br />
bildet eine Schicksalsgemeinschaft, und die verbindet genauso wie<br />
etwa gemeinsam im Aufzug stecken zu bleiben – aber nicht unbedingt<br />
länger als bis zur Ankunft. Ich bin zum Beispiel regelmäßig montagmorgens<br />
mit einem Lkw-Fahrer von Straßburg, wo meine Freundin<br />
wohnte, nach München gefahren. Es hat zwar länger gedauert als mit<br />
einem Pkw, aber wir haben uns immer super unterhalten über Politik,<br />
was ich damals studiert habe. Als seine Route geändert wurde,<br />
verloren wir den Kontakt. Ganz anders eine Freundin: Sie erwartet<br />
gerade das zweite Kind von ihrem „Mitfahrer“! Die beiden fuhren<br />
gemeinsam von München nach Hannover, unterwegs hat es gefunkt.<br />
Er putzte ihr beim Tanken ganz gentlemanlike die Scheiben, lud sie<br />
auf der Raststätte auf eine Brezel ein, schlug ihr danach vor, Kaffee<br />
trinken zu gehen und so weiter … Kurz darauf hat sie für ihn ihren<br />
damaligen Freund verlassen – ausgerech<strong>net</strong> der hatte sie dummerweise<br />
auf die Idee gebracht, jemanden auf der Fahrt mitzunehmen.<br />
Man kann aber sicher auch Pech haben mit seiner Reisegruppe?!<br />
Klar! Jedes Treffen ist eine Überraschung, auch wenn die Fahrer online<br />
registriert sind und bewertet werden können. Eine Bekannte, die von<br />
Berlin nach Köln fuhr, musste am Treffpunkt feststellen, dass die zwei<br />
<strong>net</strong>ten Jungs vom Telefon tatsächlich zwei hartgesottene Punks waren.<br />
Sie zogen ein Hundebaby hinter sich her, fl etzten sich wie im Taxi auf<br />
ihre Rückbank, zischten ein Bier nach dem anderen weg und erwähnten<br />
irgendwann, ihr Welpe sei übrigens nicht stubenrein. Die Arme war<br />
total überfordert mit der Situation. Als sie nach zahlreichen Pinkel-<br />
Stopps für Punker und Hund schließlich ankam, zogen die beiden ab,<br />
ohne zu zahlen. Dafür hat sie seither immer was Lustiges zu erzählen.<br />
Gibt es eine art „Knigge für Mitfahrer“?<br />
Wichtig fi nde ich, pünktlich am Treffpunkt zu sein und vor der Abfahrt<br />
aufs Klo zu gehen. Unhöfl ich ist: rumkrümeln, schnarchen, dauertelefonieren.<br />
Wer sich nicht unterhalten mag, sollte sich nach hinten<br />
setzen – aber bitte nicht beim Einstieg wie die Kinder<br />
um die Plätze kloppen. Wenn das Gespräch<br />
nicht in Gang kommt, ist es völlig okay, auch vorn<br />
sein Buch aufzuklappen und zu lesen.<br />
Testament liegt im Handschuhfach –<br />
Unterwegs mit der Mitfahrzentrale<br />
bei Piper für 8,99 euro.<br />
rasende omas, charmante Verehrer, pinkelnde punker:<br />
Der münchner Journalist MaURiTiUs MUcH, 34, reist seit<br />
Jahren als mitfahrer durch Deutschland. Seine besten<br />
Geschichten von unterwegs sind jetzt als buch erschienen.<br />
H O C H S C H U L<br />
A N Z E I G E R 29<br />
i n t e r V i e W : k a t J a t r i p p e l , F o t o : G e t t y i m a G e S<br />
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