Beide. - FAZ.net
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Gewalt? Und wie erreicht man es, dass diese Figur dann auch noch<br />
komisch ist, auf so abgründige Weise, dass viele die Reihe „Glee“<br />
über einen Schulchor und seine schräge Belegschaft nur ihretwegen<br />
anschauen? Das sind pro Folge allein in Amerika durchschnittlich elf<br />
Millionen Zuschauer. Die Serie gehört damit zu den erfolgreichsten<br />
Sendungen aller Zeiten. Seit dem Start 2009 wurde sie mit Preisen<br />
überhäuft, sechsmal hat sie bislang den Emmy, den Fernseh-Oscar,<br />
erhalten. Die in der Serie aufgeführten Lieder – Coversongs aus allen<br />
Sparten, von Musical über Rock bis Soul und Hip-Hop – verkauften<br />
sich als Single-Auskoppelung bereits 13 Millionen Mal, die fünf<br />
Soundtrack-Alben bringen es auf noch mal fünf Millionen. Höhepunkt<br />
des bisherigen Siegeszuges: ein Auftritt beim Osterfest des<br />
Weißen Hauses. Wie also wird man eine Kultfigur, deren Marotten<br />
mittlerweile den gesellschaftlichen Mainstream prägen? Will man<br />
jemanden mit knapper Geste kränken, spreizt man einfach wie Sue<br />
Sylvester Daumen und Zeigefinger zu einem L und hält es vor die<br />
Stirn. L steht für Loser.<br />
Auf so geniale Weise fies zu sein, dazu gehört Mut. „Ich zapfe<br />
einen bestimmten Teil von mir selbst an, ohne Zensur“, erklärt Lynch<br />
in ihrer Autobiografie. Vor allem die Mitglieder des Glee-Clubs, des<br />
Musical-Ensembles der Schule, hat Sylvester im Visier: den hornbrillentragenden<br />
Rollstuhlfahrer Arty, das egozentrische Stimmwunderkind<br />
Rachel, den hübschen, aber unsicheren Footballspieler<br />
Finn. Und, als liebsten Feind, den Chorleiter: „Mach dich bereit für<br />
die Achterbahnfahrt deines Lebens, Will Schuester! Du bist dabei,<br />
den Sue-Sylvester-Express zu besteigen. Zielort: Vernichtung!“ Die<br />
anderen in Angst und Schrecken zu versetzen, das können am besten<br />
diejenigen, die selbst viel mit sich zu kämpfen hatten. „Ich kam mit<br />
einer Extraportion Furcht auf die Welt“, sagt Lynch. Dass sie diese<br />
Bürde in ein Potenzial verwandeln<br />
konnte und nicht daran zugrunde<br />
ging, ist nicht selbstverständlich.<br />
Der Lebensweg der Darstellerin ist<br />
holperig, geprägt von Eskapaden,<br />
Scheitern und Sucht.<br />
Als Kind habe sie alles versucht,<br />
um andere zum Lachen zu<br />
bringen, aber es habe da diese „tief<br />
eingepackte Dunkelheit“ gegeben.<br />
Die dunkle Seite, das ist, wie sich<br />
später zeigen wird, ein enormer<br />
Selbsthass, der mutmaßlich zwei<br />
Gründe hat: Die bereits mit 18 Jahren<br />
1,80 Meter große Frau will<br />
„Du bist dabei,<br />
den Sue-Sylvester-<br />
Express<br />
zu besteigen.<br />
Zielort:<br />
Vernichtung!“<br />
Schauspielerin werden, aber niemand braucht eine hünenhafte Blondine<br />
mit dem Gesicht eines gut aussehenden Wikingers. Als sie der<br />
Mutter von ihrem Berufswunsch erzählt, sagt die nur: „Lern lieber<br />
Schreibmaschine.“ Und sie ist lesbisch, was sie sich aber nicht eingestehen<br />
will. Das geht so bis in die Collegezeit in den Siebzigerjahren;<br />
Lynch beginnt zu trinken und erniedrigt eifrig ihre Mitstudierenden,<br />
allen voran einen Zimmergenossen, der in sie verliebt ist. „Wenigstens<br />
ist gute Comedy daraus geworden“, wird sie später sagen, denn<br />
die gehässige junge Frau von damals sei die jüngere Version von Sue<br />
Sylvester gewesen.<br />
In der Rolle der Highschool-Nemesis piesackt die heute offen<br />
lesbisch lebende Lynch in jeder zweiten Folge homosexuelle Schüler<br />
– einer der vielen inkorrekten Späße, die sich die Serie erlaubt und die<br />
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