Beide. - FAZ.net
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Professor Dunbar, welchem Zweck dient das Küssen?<br />
Beim Küssen geht es um die Speichelprobe. Sie<br />
liefert uns Rückschlüsse auf die Gesundheit und so<br />
auch auf die Qualität der Gene eines potenziellen<br />
Partners. Zum Beispiel können starker Mundgeruch<br />
oder saurer Speichel auf Krankheit hinweisen. In der<br />
Beziehung dient das Küssen einem anderen Zweck.<br />
Hier erfüllt es soziale Funktionen wie etwa eine Festigung<br />
der Partnerschaft und die Synchronisierung<br />
des Sexualverhaltens. Weil durch das Küssen beide<br />
Lust auf Sex bekommen.<br />
Und welchen biologischen Zweck erfüllt die liebe?<br />
Nun, die menschliche Fortpflanzung ist ein aufwendiger<br />
Prozess. Sie erfordert Zeit, Ressourcen, Einsatz.<br />
Also braucht es einen Mechanismus, der uns<br />
involviert und engagiert hält.<br />
Wieso aber die emotionalen Unterschiede zwischen<br />
Verliebtheit und der großen liebe?<br />
Sie weisen uns den Weg, in welche Beziehung wir<br />
wie viel Energie und Aufwand investieren sollen.<br />
Der Glaube an die große Liebe scheint notwendig<br />
dafür, eine stabile, langfristige Partnerschaft aufzubauen.<br />
Das intensive Gefühl macht mutig, animiert<br />
beide oder zumindest einen der beiden Involvierten,<br />
sich für die Zweisamkeit einzusetzen.<br />
ist der Mensch von Natur aus monogam?<br />
Der Mensch besitzt sicherlich die Neigung zur monogamen<br />
Partnerschaft. Er konzentriert sich auf einen<br />
einzigen Partner. Aber – das große Aber – diese<br />
Monogamie kann temporär sein und hält, anders als<br />
im Tierreich, generell nicht ein Leben lang.<br />
Was heißt temporär? Vielen gilt das siebte Jahr als<br />
der kritische Zeitpunkt in einer Beziehung.<br />
Die Bewährungsprobe kommt schon viel früher. Unseren<br />
Beobachtungen zufolge steht die Beziehung<br />
nach drei Jahren auf der Härteprobe. Wird sie gemeinsam<br />
durchgestanden, scheint die Bindung anschließend<br />
zehn Jahre und länger halten zu können.<br />
Halten ist eine sache – aber wieso schwindet dabei<br />
die leidenschaft?<br />
Das ist eine gute Frage. Ehrlich: Wir wissen es derzeit<br />
nicht.<br />
Neigen studierende eigentlich eher zum Fremdgehen<br />
als ihre altersgenossen?<br />
Unsere Beobachtungen liefern keine Hinweise darauf,<br />
dass Studierende auffällig promiskuitiv sind.<br />
Wobei das Campus-Leben das Paarungsspiel sicherlich<br />
einfacher macht. Nicht zuletzt, weil man außerhalb<br />
der Sichtweite von allen möglichen Kontrollinstanzen<br />
ist. Auch von denjenigen, die man seit der<br />
Kindheit gewohnt war.<br />
suchen studierende ihre Partner anders aus als<br />
Professoren?<br />
Soweit wir das beurteilen können: nein. Wir ticken da<br />
grundsätzlich gleich.<br />
sie sind der erfinder der sogenannten Dunbar’s<br />
Number, der zufolge wir nur mit einer begrenzten<br />
Zahl Menschen befreundet sein können – weil die<br />
Kapazität unseres Gehirnes begrenzt ist. Die Zahl<br />
liegt bei rund 150. Trotzdem haben wir alle viel<br />
mehr Facebook-Freunde, was die auswahl an potenziellen<br />
Partnern vergrößern müsste …<br />
Facebook ändert nichts an der Zahl unserer Freundschaften,<br />
das hat das Unternehmen anhand eigener<br />
Daten bestätigt. Was sich verändert hat: Heute schaffen<br />
wir es, Freundschaften über lange Zeit und trotz<br />
widriger Umstände am Leben zu halten.<br />
Was entscheidet, ob wir uns in eine Person verlieben,<br />
wenn wir ihr das erste Mal begegnen?<br />
Oh meine Güte, das ist sehr kompliziert. Natürlich<br />
spielen für den Mann bei der Wahl der Partnerin<br />
die äußere Erscheinung und das Alter der Frau eine<br />
Rolle. Auch für Frauen zählt das Aussehen bei der<br />
ersten Begegnung. An Aussehen und Bewegungen<br />
lesen sowohl Frauen als auch Männer die Gesundheit<br />
und potenziell auch die ge<strong>net</strong>ische Beschaffenheit<br />
ihres Gegenübers ab. Frauen achten bei der<br />
ersten Begegnung auch auf Hinweise darauf, wie<br />
verlässlich und loyal der Mann als Partner wäre.<br />
Das lesen sie zum Beispiel daran ab, wie aufmerksam<br />
die Männer ihnen gegenüber sind und wie viel Mühe<br />
sie sich geben.<br />
Das klingt geradezu furchtbar stereotyp.<br />
Darauf deutet nun einmal die Biologie hin.<br />
aber die idealvorstellungen von einem Partner variieren<br />
durchaus …<br />
Sie variieren, natürlich. Aber diese Idealvorstellungen<br />
werden niemals erreicht, sodass wir Kompromisse<br />
eingehen und das geringste Übel wählen – uns<br />
für den besten Partner entscheiden, der uns in einem<br />
konkreten Lebensabschnitt zur Auswahl steht.<br />
Das, Professor Dunbar, war ein desillusionierendes<br />
interview.<br />
Sollte es nicht sein. Unter den Gefühlen von Liebe<br />
und Magie brodeln nämlich einzigartig ausgeklügelte<br />
biochemische Ebbe und Flut. Wir sprechen lapidar<br />
von „Die Chemie muss stimmen“ – und ahnen nicht<br />
annähernd, wie recht wir damit haben.<br />
H O C H S C H U L<br />
A N Z E I G E R 25<br />
Robin Dunbar, 65, ist An thropologe und Psychologe.<br />
Der Engländer forscht an der Universität Oxford zur<br />
evolutionären Psychologie. Im April erschien sein<br />
neues Buch „The Science of Love and Betrayal“<br />
(Faber and Faber, 16,99 Euro).