Beide. - FAZ.net
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prozesse und ein Gespür für den Automarkt haben.<br />
Studierende aus 25 Ländern sind dafür nach Hockenheim<br />
gekommen. In dem bunten Gewusel am Streckenrand<br />
trifft man Teams aus Deutschland, Spanien,<br />
China, Ecuador und Australien. Am meisten fallen ein<br />
paar Amerikaner auf, die stets mit der US-Fahne über<br />
das Gelände spazieren.<br />
Jeweils fünf Rennwagen gleichzeitig fahren<br />
beim heutigen Ausdauerrennen auf dem abgesteckten<br />
Rundkurs vor der Nordtribüne gegen die Uhr. 18 Runden<br />
müssen sie überstehen, insgesamt 22 Kilometer.<br />
Viele schaffen es nicht: Einer nach dem anderen rollt<br />
mit ausgefallenem Motor vorzeitig an den Rand der<br />
Strecke oder bleibt beim obligatorischen Fahrerwechsel<br />
nach der neunten Runde liegen. „DNF“ erscheint<br />
dann auf der Anzeigetafel: „Did not finish“ – der Albtraum<br />
jedes Teams. Wagen 55 vom Team „Fasttube“<br />
ist aber gut im Rennen. Statt DNF zeigt die Tafel seine<br />
letzte Rundenzeit: 89,63 Sekunden. Bis auf 90 Stundenkilometer<br />
beschleunigt Christoph den Wagen auf<br />
der engen Strecke.<br />
Wer in Hockenheim gut abschneiden will,<br />
braucht aber mehr als ein schnelles Auto und einen guten<br />
Fahrer. Die Formula Student Germany ist ein Konstrukteurswettbewerb,<br />
und das heißt: Die Teams müssen<br />
innerhalb von zwölf Monaten einen einsitzigen<br />
Rennwagen bauen, der auch den Blicken von Profis<br />
standhält. Am Freitag war so ein Termin: Beim Programmpunkt<br />
„Engineering Design“ mussten die Berliner<br />
Studierenden sieben Juroren aus der Automobilindustrie<br />
ihr technisches Konzept präsentieren und<br />
den Wagen fast eine Dreiviertelstunde lang in allen<br />
Einzelheiten vorstellen. Prüfer Franz Stolz hat dabei<br />
vor allem die Elektrik des Rennwagens überprüft.<br />
Sind die Sensoren für Öldruck und Wassertemperatur<br />
richtig ausgewählt und korrekt eingebaut? Sind die<br />
Kabel sauber verlegt und einfach zugänglich? Dies alles<br />
hat er penibel in der Checkliste auf seinem Klemmbrett<br />
vermerkt. „Die Teammitglieder sind definitiv<br />
über Studentenniveau und arbeiten wie angehende Ingenieure“,<br />
sagt der Elektrotechniker im blauen Juroren-Shirt,<br />
der sich im Hauptberuf beim Zulieferer und<br />
Reifenhersteller Continental mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen<br />
beschäftigt. Und er erklärt, warum der<br />
Wettbewerb in Hockenheim für die Automobilindustrie<br />
so interessant ist: „Die Formula Student Germany<br />
ist das Top-Event für Recruiting von Ingenieur-Nachwuchs.<br />
Es gibt nichts Vergleichbares“, sagt Stolz. „Bei<br />
den besten Teams geben sich die Fachbereiche der Unternehmen<br />
die Klinke in die Hand, um die guten Leute<br />
anzuwerben. Die können sich aussuchen, wohin sie<br />
gehen wollen.“<br />
Schätzungsweise eine Million Euro lassen sich<br />
die 20 Sponsoren das perfekt organisierte Event kosten.<br />
Wo sonst kann man auf einen Schlag 3.000 motorbegeisterte<br />
Studierende aus aller Welt kennenlernen<br />
und für sich gewinnen? Dafür sind neben den rund 200<br />
Juroren die vielen Talent-Scouts aus den Personalabteilungen<br />
zuständig, die Broschüren verteilen und an<br />
ihren Ständen die Prunkstücke ihrer Unternehmen<br />
vorführen. Daimler zeigt Sportwagen seiner Nobelmarke<br />
Mercedes-AMG; BMW einen 24-Stunden-<br />
Rennwagen und Audi einen mattschwarz lackierten<br />
TT, dessen Kühlergrill von roten LEDs umrahmt ist<br />
H O C H S C H U L<br />
A N Z E I G E R 10<br />
und der sehr böse aussieht. Es gibt kostenloses Magnum-Eis,<br />
Currywürste und Probefahrten. „Die machen<br />
alles Mögliche, damit es uns gut geht“, sagt Jana<br />
Knode, die das Berliner Team leitet und im vierten Semester<br />
Wirtschaftsingenieurwesen studiert. „Alle<br />
kommen auf einen zu und fragen, ob man nicht ein<br />
Praktikum oder eine Projektarbeit bei ihnen machen<br />
will.“ Dabei beschränken sich die Anwerbeversuche<br />
nicht auf das Event in Hockenheim: Jana war schon im<br />
Dezember auf einem zweitägigen Workshop eines<br />
Sponsors, zu dem ausschließlich weibliche Teilnehmer<br />
der Formula Student eingeladen waren. Die Studentinnen<br />
residierten in einem Fitnessclub am Maschsee<br />
in Hannover. Andere Sponsoren schicken ihre<br />
Schützlinge auf Teambildungs-Workshops oder laden<br />
sie zu Seminaren über ihre neuesten Softwareprodukte<br />
ein. Jana, „Baujahr“ 1991, ist eine von vier Frauen<br />
im Team und für den Business-Plan zuständig. Dieser<br />
soll eine vierköpfige Jury davon überzeugen, das Auto<br />
in einer Kleinserie für Hobby-Rennfahrer zu produzieren.<br />
Seit Mai hat Jana an den Botschaften gefeilt<br />
und ihre Folien immer wieder überarbeit. Im Zentrum<br />
steht die LEGO-Idee: Das Auto soll in Einzelteilen an<br />
seine Käufer geliefert werden, die es dann selbst zusammenbauen.<br />
„Studien haben gezeigt, dass 14 Prozent<br />
aller Erwachsenen mit LEGO spielen“, rech<strong>net</strong><br />
Jana vor. „So sind wir auf unser Konzept gekommen,<br />
das eine Mischung aus LEGO und IKEA ist.“<br />
Am Freitagnachmittag musste sie die Juroren<br />
von der Selbstbau-Idee überzeugen. „Vorher war es<br />
ganz, ganz schlimm. Schon morgens auf dem Campingplatz<br />
hatte ich Bauchschmerzen“, sagt die kleine<br />
ein Jahr lang schrauben, schweißen,<br />
nachtschichten für das rennen in<br />
hockenheim: das team „fasttube“<br />
von der tu berlin.